Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage, wieweit eine zwischen geschiedenen Eheleuten vorgenommene Grundstücksübertragung in der Form der Unterhaltsvorausleistung tatsächliche Unterhaltsleistung im Jahr vor dem Tode des Versicherten iS von § 42 S 1 Regelung 3 AVG aF (= § 1265 S 1 Regelung 3 RVO aF, jetzt jeweils Abs 1 S 1 Regelung 3 aaO) sein kann.
Normenkette
AVG § 42 S 1 Alt 3 Fassung: 1976-06-14; RVO § 1265 S 1 Alt 3 Fassung: 1976-06-14; AVG § 42 S 2 Nr 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1265 S 2 Nr 1 Fassung: 1972-10-16
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Hinterbliebenenrente an eine frühere Ehefrau.
Die Ehe der im Juni 1936 geborenen Klägerin mit dem Bauingenieur Theodor P. (Th. P.), dem Versicherten, ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts K. vom 7. Oktober 1974 aus alleinigem Verschulden des Versicherten geschieden. Aus der Ehe sind drei Kinder (geboren 1957, 1961 und 1969) hervorgegangen. Durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts K. vom 18. Juni 1975 wurde der Versicherte ua verurteilt, an die Klägerin Unterhalt von 600,- DM monatlich zu zahlen.
Nachdem die Klägerin eine Erbschaft gemacht hatte, erwarb sie vom Versicherten durch notariellen Vertrag vom 21./22. Dezember 1977 ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück, nach ihren Angaben im Wert von etwa 250.000,- DM, unter Übernahme der Lasten und von Drittforderungen gegen den Versicherten im Wert von etwa 174.000,- DM. In dem Vertrag heißt es ferner:
"Außerdem verzichtet Frau H. P. auf sämtliche ihr zu
stehenden Unterhaltsansprüche gegen Herrn Th. H. P. zu dessen Lebzeiten für Vergangenheit und Zukunft.
Nicht eingeschlossen in diesen Verzicht ist ein möglicher Rentenanspruch an Frau H. P. an den Rentenversicherungsträger des Herrn Th. H. P. nach dessen Ableben.
Herr Th. H. P. nimmt diesen Verzicht hiermit an.
Schließlich verpflichtet sich Frau H. P., Herrn Th. H. P. von allen Unterhaltsansprüchen der Kinder C., Th. und M. P. solange freizustellen und die vorgenannten Kinder wegen deren Ansprüche aus eigenen Mitteln zu befriedigen, solange das Nettoeinkommen des Herrn Th. H. P. den Betrag von 2.000,- DM monatlich nicht übersteigt.
Die Höhe der Unterhaltsansprüche richtet sich jeweils nach der geltenden, sog "Kölner Tabelle".
Weitere Gegenleistungen werden nicht erbracht."
Der Versicherte, dessen zweite Ehefrau im Juni 1982 verstorben war, starb im Juli 1983.
Den Rentenantrag der Klägerin vom 9. Januar 1984 lehnte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit dem streitigen Bescheid vom 12. Juni 1984, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1984, ab, weil eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten iS des § 42 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) wegen des Unterhaltsverzichts nicht bestanden habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) durch Urteil vom 28. Juli 1987 das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgerichts Köln (SG) vom 19. Dezember 1986 abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Hinterbliebenenrente nach § 42 Abs 1 Satz 1 AVG stehe der Klägerin nicht zu. Tatsächliche Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten habe die Klägerin nicht behauptet, noch gebe es dafür Anhaltspunkte. Ein Unterhaltsanspruch sei jedenfalls durch den im o.g. notariellen Vertrag erklärten Unterhaltsverzicht ausgeschlossen. Darin hätten die Vertragsparteien einen auch die Fälle der Änderung der Verhältnisse und des Notbedarfs umfassenden endgültigen Unterhaltsverzicht als teilweise Gegenleistung für die Grundstücksübertragung vereinbaren wollen. Dieser Unterhaltsverzicht werde dadurch, daß ein möglicher Rentenanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nicht eingeschlossen worden sei, nicht berührt. Offen bleiben könne, ob die Klägerin zu Lebzeiten des Versicherten den Verzichtsvertrag deswegen hätte anfechten oder sich auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage hätte berufen können (Hinweis auf Bundessozialgericht -BSG- SozR 2200 § 1265 Nr 40). Dieser Unterhaltsverzicht schließe nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 3, 6, 40) auch einen Anspruch nach § 42 Abs 1 Satz 2 AVG aus, weil das Fehlen der Unterhaltsverpflichtung des Versicherten nicht auf den in dieser Vorschrift angeführten Gründen, sondern auf dem wirksamen Unterhaltsverzicht beruhe. Die Bedenken, die der 5. Senat des BSG (SozR 2200 § 1265 Nr 74) dagegen angemeldet habe, rechtfertigten keine Änderung der gefestigten Rechtsprechung. Daher könne dahingestellt bleiben, ob nach der vom 5. Senat des BSG vertretenen Auffassung die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 42 Abs 1 Satz 2 AVG erfüllt seien, was zu verneinen sein dürfte, weil der Unterhaltsverzicht Teil des Preises gewesen sei, den die Klägerin habe zahlen müssen, um das Hausgrundstück zu bekommen und dieses der Familie zu erhalten.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 42 Abs 1 AVG und der §§ 103, 106, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie trägt vor, die notarielle Vereinbarung könne nicht als Verzicht gewertet werden. Da der Versicherte nicht im Stande gewesen sei, seinen eigenen Unterhalt zu bestreiten, und deshalb der Unterhaltsanspruch der Klägerin weggefallen sei, habe er auch nicht Gegenstand eines Verzichts sein können. Die Erklärung der Klägerin stelle eine "falsa demonstratio" dar. Andernfalls sei der Verzicht, der eine bedingungsfeindliche Verfügung sei, schon wegen des Ausschlusses eines möglichen Hinterbliebenenrentenanspruches der Klägerin unwirksam. Denn der Ausschluß sei als Bedingung für den Verzicht, zumindest als dessen wesentliche Vertragsgrundlage zu werten. Außerdem stehe der Verzicht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, weil er nur wegen der Lebenssituation des verstorbenen Versicherten und seiner damit zusammenhängenden Vermögens- und Erwerbsverhältnisse erklärt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juli 1987 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19. Dezember 1986 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, bei Abgabe der Unterhaltsverzichtserklärung habe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Unterhaltsanspruch der Klägerin bestanden, da der Versicherte Eigentümer des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstückes und als Unterhaltspflichtiger grundsätzlich gehalten gewesen sei, den Stamm seines Vermögens anzugreifen, so daß er sein Haus, hätte er es nicht auf die Klägerin übertragen, möglicherweise hätte verkaufen müssen, um ihr Unterhalt zahlen zu können. Außerdem sei der Unterhaltsverzicht neben der Übernahme der Grundstückslasten die Hauptgegenleistung für die Übertragung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Streitsache an das LSG begründet. Für eine abschließende revisionsgerichtliche Sachentscheidung fehlen noch tatsächliche Feststellungen, die zu treffen dem LSG als Tatsacheninstanz vorbehalten ist.
Anspruchsgrundlage ist § 42 Satz 1 und 2 AVG in der bei Eintritt des Versicherungsfalles im Juli 1983 gültigen Fassung (Satz 1 aaO id mit Wirkung vom 1. Juli 1977 durch Art 4 Nr 2 Buchst a des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts -EheRG- vom 14. Juni 1976 - BGBl I S 1421 - geänderten Fassung; Satz 2 in der am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Fassung des Art 1 § 2 Nr 14 des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972 - BGBl I S 1965, geändert mit Wirkung vom 1. Juli 1975 durch Art II § 2 Nr 7 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 - BGBl I S 1061). Nach Satz 1 aaO wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 ua geschieden worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (Regelung 1) oder aus sonstigen Gründen (Regelung 2) zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat (Regelung 3). Gemäß Satz 2 aaO findet Satz 1 auch dann Anwendung, wenn eine Witwenrente nicht zu gewähren ist und wenn 1. eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat und wenn 2. die frühere Ehefrau ua im Zeitpunkt der Scheidung der Ehe mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen hatte und 3. solange sie ua berufsunfähig (§ 23 Abs 2 AVG) oder erwerbsunfähig (§ 24 Abs 2 AVG) ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht.
Zutreffend hat das LSG erkannt, daß die Klägerin Rente nicht nach Satz 1 Regelungen 1 oder 2 aaO zu beanspruchen hat. Denn der Versicherte hatte ihr zur Zeit seines Todes weder nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) noch aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten, weil sie ihm gegenüber vertraglich auf sämtliche Unterhaltsansprüche für Vergangenheit und Zukunft wirksam verzichtet hatte (§ 72 EheG iVm der weiter unten näher bezeichneten ständigen Rspr des BSG, die insoweit auch der 5. Senat des BSG im Urteil vom 23. November 1988 - 5/5b RJ 100/86 - nicht infrage gestellt hat). Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, daß die Parteien des notariellen Vertrages vom 21./22. Dezember 1977 einen auch die Fälle der Änderung der Verhältnisse und des Notbedarfs umfassenden endgültigen Verzicht der Klägerin auf Unterhaltsansprüche gegen den Versicherten vereinbart haben. Daran ist der erkennende Senat gebunden (§ 163 SGG). Die Auslegung einer privaten, nicht typisierten Willenserklärung und auch des sachlich-rechtlichen Inhalts eines Vertrages ist Tatsachenfeststellung, soweit es darum geht, was der Erklärende geäußert und was er gemeint hat (BSG SozR 1500 § 163 Nr 2; BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24; vgl SozR 1500 § 54 Nr 85). Eine weitere Nachprüfung der Auslegung des Individualvertrages findet in der Revisionsinstanz nicht statt (Bundesgerichtshof -BGH- NJW 1971, 1315; BGH Versicherungsrecht 1968, 1129, 1130). Zulässige und begründete Revisionsgründe hat die Klägerin gegen das vom LSG bei der Auslegung der Unterhaltsverzichtsvereinbarung eingeschlagene Verfahren nicht vorgetragen, sondern ihre von der des LSG abweichende und daher revisionsrechtlich nicht beachtliche Vertragsauslegung dargetan. Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die Ansicht des LSG, die ausdrückliche Nichteinbeziehung von Ansprüchen auf Hinterbliebenenrente in den Unterhaltsverzicht berühre die Wirksamkeit dieses Vertrages nicht. Zum einen waren diese - zukünftigen - im öffentlichen Recht begründeten gesetzlichen Ansprüche des Versicherten gegen die Beklagte einer rein privatrechtlichen Verfügung durch die Klägerin und den Versicherten ohnehin entzogen (vgl Müller, Reichsversicherungsordnung -RVO- Gesamtkommentar, Stand: Januar 1983, Anm 6 f, S 132/6); zum anderen hätte die Klägerin eine wegen dieses Vorbehalts denkbare Anfechtung oder Kündigung des Vertrages noch zu Lebzeiten des Versicherten erklären müssen, weil nur dann vor dem Ableben des Versicherten uU der unterhaltsrechtliche Anknüpfungstatbestand hergestellt worden wäre, an die die dem Unterhaltsersatz bei Tod des Versicherten dienende Hinterbliebenenrente hätte anschließen können (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 40 S 125, 128 bis 130).
Hingegen kann der Senat nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht abschließend beurteilen, ob der Versicherte der Klägerin "im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt geleistet hat" (Satz 1 Regelung 3 aaO). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen grundsätzlich nur vor, wenn der Versicherte im vollen Jahreszeitraum vor seinem Tode regelmäßig Unterhalt iS von § 42 AVG tatsächlich geleistet hat. Eine einmalige, vor Beginn des letzten Jahres vor dem Tode erfolgte Zuwendung von Unterhalt kann aber ausreichen, wenn es sich um eine "kapitalisierte Unterhaltsvorausleistung" (so BSGE 43, 37 = SozR 2200 § 1265 Nr 24; vgl auch BSGE 47, 162, 163 = SozR 2200 Nr 36) handelt, die auch noch auf die im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten fällig werdenden laufenden Unterhaltsansprüche geleistet worden ist. Wird im Zusammenhang mit der Vorausleistung auf weitergehende Unterhaltsansprüche verzichtet, ist außerdem erforderlich, daß die Vorausleistung auch auf die Unterhaltsansprüche bezogen war, die im Jahr nach dem Tode des Versicherten entstanden wären (BSGE 37, 50, 53 = SozR Nr 70 zu § 1265 RVO).
Dazu hat das Berufungsgericht zwar ausgeführt, tatsächliche Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten habe die Klägerin weder behauptet, noch gebe es dafür Anhaltspunkte (S 7 des LSG-Urteils). An diese Feststellungen ist der Senat jedoch nicht gebunden, weil sie anderen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts widersprechen (vgl Bundesarbeitsgericht -BAG- NJW 1967, 2226; Meyer-Ladewig, SGG, 3. Auflage 1987, § 163 RdNr 3). Anhaltspunkte für eine tatsächliche Unterhaltsleistung iS von Satz 1 Regelung 3 aaO, die eine weitere Sachaufklärung erforderlich machen, ergeben sich nämlich aus der - insoweit bindenden (§ 163 SGG) - tatsächlichen Feststellung des LSG, der Unterhaltsverzicht sei "als teilweise Gegenleistung für die Grundstücksübertragung, also als Preis gegeben worden" (S 8 des LSG-Urteils), der Versicherte habe "als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung ... endgültig von der Unterhaltspflicht befreit werden", also "keinerlei Unterhaltsansprüchen mehr ausgesetzt sein" sollen (S 9 des LSG-Urteils) und der Unterhaltsverzicht sei "Teil des Preises" gewesen, den die Klägerin habe zahlen müssen, um "das Hausgrundstück zu bekommen und dieses der Familie zu erhalten" (S 12 des LSG-Urteils). Diese Tatsachen sprechen dafür, daß das Grundstück, soweit sein damaliger Marktpreis (Verkehrswert) den Wert der vor der Klägerin übernommenen Lasten, Drittforderungen und Freistellungsverpflichtungen überstieg, aufgrund einer vertraglichen Unterhaltsabrede zu Unterhaltszwecken, dh als Unterhalt zugewendet worden ist. Dem steht nicht entgegen, daß der Klägerin vertraglich ein Grundstück, nicht aber ein Geldbetrag zugewendet worden ist. Nach § 62 Abs 1 Satz 1 EheG, der gemäß Art 12 Nr 3 Abs 2 EheRG noch anwendbar ist, weil die Ehe der Klägerin vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, hatte der Verpflichtete zwar laufenden Unterhalt durch Zahlung einer Geldrente und unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 2 EheG als Unterhaltsabfindung Kapital zu gewähren. Die Geschiedenen konnten aber eine andere Art der Leistung vereinbaren (§ 72 Satz 1 EheG; BSG MittlRuhrknappschaft 1962, 65; Diederichsen in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 33. Aufl 1974, Anm 2 zu § 62 EheG), die ua in der Übertragung des Eigentums an einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück bestehen konnte, wenn die Eigentumsübertragung Unterhaltszwecken diente und der Wert des Grundstückes die darauf liegenden Lasten erheblich überstieg (BSG aaO S 66). Zwar liegt in einer Übereignung eines Grundstücks keine Leistung von Unterhalt in Natur, weil keine zum Verbrauch bestimmten Mittel, sondern Anlagekapital zugewendet wird, dessen den laufenden Lebensunterhalt ganz oder teilweise deckende Nutzung sodann aus dem eigenen Vermögen des Berechtigten fließt (so BSG SozR Nr 19 zu § 1265 RVO; BSGE 47, 162 = SozR 2200 § 1265 Nr 36, BSGE 50, 287, 289 = SozR aaO Nr 52). Anders liegt der Fall aber, wenn die Grundstücksübertragung zu Unterhaltszwecken und im Zusammenhang mit einem Verzicht des Berechtigten auf weitergehende Unterhaltsansprüche erfolgt, also die Vermögenszuwendung nach dem Willen der Vertragsparteien in einem bestimmten oder aus dem Vertrag bestimmbaren Verhältnis zur Unterhaltsschuld steht (vgl BSGE 43, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24). Die Geschiedenen, die die Art der Unterhaltsleistung einverständlich regeln können (so), haben auch die Rechtsmacht, statt der Zahlung eines Geldbetrages die Übereignung eines gleichwertigen Vermögensobjektes zu vereinbaren. Das kann - wie möglicherweise auch im vorliegenden Fall - besonders dann im Interesse des Berechtigten liegen, wenn der Verpflichtete Barunterhalt nur nach vorheriger, uU verlustbringender (Zwangs-)Veräußerung des Vermögensobjekts zahlen könnte. Falls die Klägerin und der Versicherte eine derartige Zuwendung als Unterhalt gewollt haben, was festzustellen dem LSG vorbehalten ist, kann durch die Grundstücksübertragung tatsächlich Unterhalt geleistet worden sein.
Falls das LSG feststellt, das Grundstück sei zT als Unterhalt zugewendet worden, kann dies, worauf das Berufungsgericht nicht näher eingegangen ist, zu unterschiedlichen rechtlichen Folgerungen Anlaß geben: Einerseits könnten die Vertragsparteien damals eine Unterhaltsabfindung vereinbart haben, die im Augenblick der Leistung sogar schon das Stammrecht auf wiederkehrenden Unterhalt zum Erlöschen hätte gebracht haben können. Dann wäre die Grundstücksübertragung als im Jahre 1977 erfolgte einmalige Zuwendung keine "regelmäßige" Unterhaltsleistung, die bis ins letzte Jahr vor dem Tode des Versicherten, also bis 1983 hätte "reichen" können. Das könnte aber dann der Fall sein, wenn die Parteien 1977 vereinbart haben sollten, daß der Klägerin das Grundstück zT als Unterhaltsvorausleistung uU auch für das - spätere - Todesjahr 1983 und für die Zeit bis Juli 1984 zugewendet sein sollte.
Auf einen dahin gehenden Geschäftswillen der Klägerin und des Versicherten könnten zT die og Feststellungen des LSG, aber auch der Inhalt der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Akten deuten. So hat ua die Klägerin zur Begründung ihres Widerspruchs vorgetragen, sie habe das Grundstück, dessen Wert die von ihr vertraglich übernommenen Lasten und Drittforderungen um ca 70.000,- DM überstiegen habe, erworben, um den Versicherten von seiner Unterhaltslast "für Vergangenheit und nächste Zukunft" zu entlasten und um an Unterhalt zu kommen. Auch war auf das Grundstück, das noch im Eigentum des Versicherten stand, der damals nach Angaben der Klägerin Barunterhalt nicht leisten konnte, ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen. Da aber die Feststellung des sachlich-rechtlichen Inhalts des Vertrages Aufgabe der Tatsacheninstanz ist (so), wird das LSG zu prüfen und uU im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu klären haben, ob die Vertragsparteien damals im Blick auf die Differenz zwischen dem - behaupteten - Grundstückswert einerseits und der von der Klägerin übernommenen Lasten, Drittforderungen und Freistellungsverpflichtungen andererseits nach Abzug rückständiger Unterhaltsschulden des Versicherten im og Sinne eine Unterhaltsvorausleistung für einen bestimmten Zeitraum unter Erlaß weitergehender Unterhaltsverpflichtungen oder aber eine echte Unterhaltsabfindung angestrebt haben. Dabei wird neben den damaligen Vermögens- und Erwerbsverhältnissen des Versicherten zu berücksichtigen sein, ob er davon auszugehen hatte, die Klägerin sei trotz ihrer Erbschaft und evtl Einkünfte aus Vermögen oder Vermietung etc weiterhin unterhaltsbedürftig. Ggf wäre unter Berücksichtigung des Betrags der Jahresunterhaltsrente zu prüfen, ob der Zeitraum, für den Unterhalt vorausgeleistet worden ist, vor Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Versicherten abgelaufen war (vgl BSGE 37, 50, 53 = SozR Nr 70 zu § 1265 RVO).
Sollte die weitere Sachaufklärung ergeben, daß Rente nach § 42 Satz 1 Regelung 3 AVG nicht zu gewähren ist, wird das Berufungsgericht tatsächliche Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die Voraussetzungen des Satzes 2 aaO erfüllt sind.
Davon hat es freilich im angefochtenen Urteil aufgrund seines von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung geteilten Rechtsstandpunktes zu Recht abgesehen. Denn das BSG hat in langjähriger gesicherter Rechtsprechung die Auffassung vertreten, ein endgültiger, umfassender Unterhaltsverzicht schließe jegliche Unterhaltsverpflichtung iS von Satz 1 Regelungen 1 und 2 und von Satz 2 Nr 1 aaO aus (SozR 2200 § 1265 Nr 40 mwN). Die Anwendung des § 42 Satz 2 AVG sei ausgeschlossen, so zB der erkennende Senat im Urteil vom 28. März 1979 (SozR aaO Nr 40), weil "unter Nr 1 nicht alle, sondern nur bestimmte Gründe für das Fehlen einer (konkreten) Unterhaltspflicht unschädlich sind, um gleichwohl - beim Vorliegen der unter Nr 2 und 3 normierten weiteren Voraussetzungen - den Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem früheren Ehemann entstehen zu lassen". Inzwischen hat der 5. Senat des BSG am 23. November 1988 entschieden (5/5b RJ 100/86), daß ein "deklaratorischer" Unterhaltsverzicht, der im wesentlichen wegen der in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO; = § 42 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AVG) genannten Tatbestandsmerkmale erklärt worden ist, der Rentengewährung nach Satz 2 aaO nicht entgegenstehe. Zuvor hatte der 5. Senat beim 1. und 4. Senat des BSG angefragt (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 74), ob an der Rechtsprechung festgehalten wird, wonach "in jedem Fall ein umfassender, endgültiger Verzicht auf Unterhalt die Anwendung des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO bzw § 42 Abs 1 Satz 2 AVG ausschließt" (Anfrage-Beschluß vom 3. Februar 1988). Der 1. Senat des BSG hat geantwortet, an der bisherigen Rechtsprechung werde "insofern nicht festgehalten", als danach ein derartiger Unterhaltsverzicht die Anwendung der og Vorschriften "auch dann ausschließt, wenn der Unterhaltsverzicht den dort genannten Verhältnissen Rechnung trägt" (Beschluß vom 6. Oktober 1988). Der erkennende Senat hat geantwortet, er halte nicht daran fest, daß ein solcher Verzicht auch dann den Anspruch auf "Geschiedenen-Witwenrente" vereitele, wenn er "ausschließlich wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten ... bzw wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit - also insbesondere nicht auch, um eine sog Konventionalscheidung durch 'Übernahme' der Allein- oder überwiegenden Schuld vom Versicherten zu ermöglichen - erklärt worden ist" (Beschluß vom 15. November 1988). Deshalb muß damit gerechnet werden, daß zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Große Senat des BSG angerufen werden könnte. Da dies nur zulässig ist, wenn Rechtsfragen zu beantworten sind, die für die zu treffende Entscheidung zwingend von rechtlicher Bedeutung sind (BSGE 51, 23, 25 = SozR 1500 § 42 Nr 7 mwN), dh alle Tatsachen festgestellt worden sind, von denen die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der vorzulegenden Rechtsfrage abhängt, ist eine lückenlose Aufhellung der Tatumstände des Falles unumgänglich.
Fraglich ist im vorliegenden Fall in tatsächlicher Hinsicht insbesondere, ob eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten "zur Zeit seines Todes" (Satz 2 iVm Satz 1 aaO - dazu zuletzt BSG SozR 2200 § 1265 Nr 82 mwN) allein mangels Unterhaltsfähigkeit des Versicherten oder mangels Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin nicht bestanden hat (Satz 2 Nr 1 aaO). Soweit es dabei auf die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin ankommt, ist ferner abzugrenzen, ob sie ihren angemessenen Lebensunterhalt aus den Erträgnissen einer Erwerbstätigkeit oder aber durch andere Einkünfte (aus Vermögen bzw aus Vermietung oder Verpachtung) sichergestellt hat oder in zumutbarer Weise hätte sichern können. Ferner ist zu klären, wie lange sie ein waisenrentenberechtigtes Kind erzogen hat oder berufsunfähig oder erwerbsunfähig gewesen ist (Satz 2 Nr 3 aaO).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen