Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsnormcharakter allgemeiner Richtlinien. Befugnis zur Setzung autonomen Rechts. Ausschluß des Anspruchs auf Betriebshilfe

 

Orientierungssatz

1. Die von einer LAK zu § 9 Abs 1 S 1 GAL erlassenen "allgemeinen Richtlinien" sind Rechtsnormen, weil sie zur Durchführung eines Gesetzes verbindliches Recht setzen und dementsprechend von der Vertreterversammlung als dem Rechtsetzungsorgan der Beklagten erlassen und veröffentlicht werden (vgl BSG vom 10.7.1986 - 11a RLw 3/85 = SozR 5850 § 7 Nr 2).

2. § 9 Abs 1 und 3 iVm § 7 Abs 5 GAL nimmt die Vertreterversammlung mit ihrer Befugnis zur Setzung autonomen Rechts in Anspruch, nicht dagegen den Vorstand.

3. Die Vertreterversammlung einer landwirtschaftlichen Alterskasse kann den Anspruch auf Betriebshilfe durch Richtlinien für solche Sachverhalte ausschließen, in denen die Ursache, die zum Ausfall der Arbeitskraft des Versicherten führt, keine Leistungsansprüche in der Sozialversicherung begründet.

 

Normenkette

GAL § 9 Abs 1 S 1, § 7 Abs 5; SGB 4 § 33 Abs 1; SGB 4 § 34 Abs 2 S 1; GAL § 9 Abs 1 S 3; SGB 4 § 35

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 26.03.1987; Aktenzeichen L 10 Lw 16/86)

SG Hannover (Entscheidung vom 25.07.1986; Aktenzeichen S 9 Lw 51/85)

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Erstattung von Kosten einer Betriebshilfe (Ersatzkraft), den die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres während des sozialgerichtlichen Verfahrens am 23. Februar 1986 verstorbenen Ehemannes (Versicherter) geltend macht.

Der 1937 geborene Versicherte bewirtschaftete ein 28 ha umfassendes landwirtschaftliches Unternehmen. Er gehörte der beklagten H. landwirtschaftlichen Alterskasse (HLAK) an. Von der Versicherungspflicht der gesetzlichen landwirtschaftlichen Krankenversicherung hatte er sich 1972 befreien lassen; er war privat bei der L.                 L. krankenversichert.

Wegen eines malignen Lymphoms befand sich der Versicherte vom 29. Dezember 1984 bis zum 5. Februar 1985 in stationärer und anschließend bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit in ambulanter Behandlung.

Seinen bereits im Januar 1985 gestellten Antrag, ihm für die Zeit der ambulanten Behandlung ab 5. Februar 1985 den Einsatz einer selbstbeschafften betriebsfremden Ersatzkraft zu bewilligen, lehnte die Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 19. Februar 1985 ab, weil nach ihren allgemeinen Richtlinien (AR) Betriebshilfe nur gewährt werden könne, wenn eine gesetzliche Krankenkasse Kostenträger der Krankenhauspflege und der ambulanten Behandlung sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. September 1985).

Das Sozialgericht Hannover (SG) hat die Beklagte verpflichtet, den Versicherten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Urteil vom 25. Juli 1986). Das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat in der angefochtenen Entscheidung vom 26. März 1987 ausgeführt:

Die vom SG zugelassene Berufung sei begründet. Als Rechtsgrundlage komme allein § 9 Abs 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in Betracht, da die Voraussetzungen der §§ 6, 7 GAL wegen Fehlens gleichzeitiger Rehabilitationsleistungen nicht vorlägen. Von der den landwirtschaftlichen Alterskassen nach § 9 Abs 1 Satz 3 GAL eingeräumten Ermächtigung, zur Aufwendung von weiteren Mitteln für die Erhaltung der Gesundheit der landwirtschaftlichen Unternehmer und Aufrechterhaltung des Betriebs allgemein Richtlinien iS des § 7 Abs 5 GAL zu erlassen, habe die Beklagte Gebrauch gemacht. Bei der Gewährung von Betriebshilfe handele es sich um Ermessensentscheidungen. Die Beklagte habe die Betriebshilfe nicht rechtswidrig abgelehnt, weil sowohl für die ambulante als auch für die stationäre Behandlung keine gesetzliche Kasse, sondern ein privates Krankenversicherungsunternehmen die Kosten getragen habe (Hinweis auf § 38 Satz 1 AR und § 41 Abs 3 AR). Die AR der Beklagten, die als Selbstbindung der Verwaltung aufzufassen seien, verstießen auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da sich privat Krankenversicherte anders als die der gesetzlichen Krankenversicherung Angehörenden gegen den Ausfall ihrer Arbeitskraft ausreichend absichern könnten. § 9 GAL beruhe letztlich auf dem Gedanken eines finanziellen Ausgleichs innerhalb der Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Die landwirtschaftliche Alterskasse solle nicht mehr leisten als die landwirtschaftliche Krankenkasse zu erbringen hätte.

Mit der - vom 11a Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 des Grundgesetzes (GG). Daß ihr verstorbener Ehemann von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht habe und aus der landwirtschaftlichen Krankenversicherung ausgeschieden sei, berühre sein Verhältnis zur landwirtschaftlichen Alterskasse nicht; es handele sich um selbständige, voneinander unabhängige Träger. Im übrigen seien die AR erst später zu Ungunsten der Privatkrankenversicherten geändert worden, ohne daß dieser Personenkreis über die Folgen belehrt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. März 1987 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. Juli 1986 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, zusätzliche Leistungen nach § 9 GAL seien aufgrund der in dieser Vorschrift enthaltenen Ermächtigung Ermessensleistungen, die eng begrenzt und nur auf einen Ermessensmißbrauch überprüft werden könnten. Die AR verstießen nicht gegen den Gleichheitssatz. Die Mitglieder der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, Alterskassen und Krankenkassen seien weitgehend identisch; zwischen diesen Trägern bestünden auch Wechselbeziehungen, etwa in Form der Personalunion des Geschäftsführers, und es gebe den zusammenfassenden Ausdruck "Landwirtschaftliche Sozialversicherung" (LSV). Außerdem spielten finanzielle Erwägungen eine Rolle.

Soweit der 11a Senat des BSG im Urteil vom 10. Juli 1986 - 11a RLw 3/85 (= SozR 5850 § 7 Nr 2) und nunmehr der 4. Senat im Urteil vom 9. Juni 1988 - 4/11 RLw 3/85 nicht den Vorstand zum Erlaß der AR für kompetent hielten, sondern die Vertreterversammlung, könne dem nicht gefolgt werden. Die AR seien sog Ermessensrichtlinien (Verwaltungsvorschriften), die sich unmittelbar lediglich an nachgeordnete Organe und Bedienstete richten. Dafür sprächen der Wortlaut des § 7 Abs 5 GAL und die Entwicklungsgeschichte zu § 9 GAL, der dem § 1305 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nachgebildet sei. Zumindest habe sich inzwischen eine ständige Verwaltungsübung entwickelt, die beachtet werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Dabei kann offenbleiben, ob sich das Klagebegehren entsprechend dem in erster Instanz mit Erfolg gestellten Antrag in der "Neubescheidung" erschöpft, oder ob - da sich die Klägerin auf Bestimmungen beruft, die einzelne Voraussetzungen enthalten, bei deren Vorliegen der geltend gemachte Anspruch zuerkannt werden muß - hier neben der Anfechtungsklage eine (unechte) Leistungsklage iS von § 54 Abs 4 SGG angebracht ist, und es braucht insbesondere nicht entschieden zu werden, ob in der Revisionsinstanz gemäß § 123 SGG eine Aus- oder Umdeutung des geltend gemachten Anspruchs im vorgenannten Sinne zulässig ist. Denn in jedem Falle steht der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes kein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften, im landwirtschaftlichen Unternehmen des Versicherten eingesetzten Ersatzkraft ("Betriebshilfe") zu. Darüber hat der Senat in einem in allen wesentlichen Punkten gleichliegenden Fall bereits durch Urteil vom 9. Juni 1988 - 4/11a RLw 3/87 - entschieden. Was dort ausgeführt worden ist, gilt auch hier:

Der geltend gemachte Anspruch, der gemäß § 31 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB 1) unter Gesetzesvorbehalt steht, findet im GAL keine Grundlage; eine Vorschrift, die den Versicherten gegenüber der beklagten Alterskasse (LAK) entsprechend berechtigte, enthält dieses Gesetz nicht. Auch die Satzung (§ 34 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB 4) der Beklagten, die als Trägerin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung ist (vgl § 29 Abs 1 SGB 4 iVm §§ 4 Abs 2 Satz 1, 23 Abs 1 Nr 2 SGB 1 und Art II § 1 Nr 8 aaO iV ferner mit § 16 Abs 1 GAL), regelt hierzu nichts (vgl Abschnitt III/Leistungen/§§ 24 und 25 der Satzung der Beklagten vom 4. Dezember 1980 in der 1985 geltenden Fassung des 3. Nachtrags vom 5. Dezember 1984).

Rechtsgrundlage des streitigen Erstattungsanspruchs könnten demnach nur die §§33 ff ("Betriebs- und Haushaltshilfe") der "Allgemeinen Richtlinien der H.         landwirtschaftlichen Alterskasse über die Durchführung von Leistungen zur Rehabilitation (§ 7 Abs 5 GAL) und von Einzelmaßnahmen zur Erhaltung oder Erlangung der Erwerbsfähigkeit, zur Aufrechterhaltung des Betriebes im Falle des Todes oder zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse der landwirtschaftlichen Bevölkerung (§ 9 Abs 1 Satz 3 iVm § 7 Abs 5 GAL)" - Stand Januar 1984 - unter der Voraussetzung sein, daß sie "sonstiges autonomes Recht" (§§ 33 Abs 1, 34 Abs 2 Satz 1 SGB 4) der Körperschaft enthalten. Das ist indessen nicht der Fall, obschon eine in diese Richtung weisende höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt. Im einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:

§ 9 Abs 1 Satz 3 iVm § 7 Abs 5 GAL in der hier anwendbaren Fassung des 6. Änderungsgesetzes vom 26. Juli 1972 (BGBl I S 1293) ermächtigt die LAKen, die "zur Durchführung" des § 9 Abs 1 Satz 1 GAL "erforderlichen allgemeinen Richtlinien" zu erlassen. Regelungsgegenstand sind nach Satz 1 aaO ua "Einzelmaßnahmen zur Erhaltung oder zur Erlangung der Erwerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unternehmer". Zu diesen Einzelmaßnahmen zählt die Gewährung von Betriebs- und Haushaltshilfe (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 und 4 GAL) zum Zwecke der Gesundheitsförderung unabhängig von den in §§ 6 und 7 GAL aufgeführten Maßnahmen zur Rehabilitation (vgl dazu zB Noell, GAL 1983, S 744f). In bezug auf die von einer LAK zu § 9 Abs 1 Satz 1 GAL erlassenen "allgemeinen Richtlinien" hat der 11a Senat des BSG in seiner - veröffentlichten - Entscheidung vom 10. Juli 1986 - 11a RLw 3/85 (SozR 5850 § 7 Nr 2 = SdL 1987, 14) ausdrücklich klargestellt, daß sie, was der Senat bislang offengelassen habe (Hinweis auf die Entscheidungen in SozR Nr 1 zu § 7 GAL 1965 und Nr 2 zu § 9 GAL 1965), "Rechtsnormen" seien, "weil sie - wie die Richtlinien nach § 39 des Arbeitsförderungsgesetzes - zur Durchführung eines Gesetzes verbindliches Recht setzen und dementsprechend von der Vertreterversammlung als dem Rechtssetzungsorgan der Beklagten erlassen ... und veröffentlicht werden; dadurch unterscheiden sie sich von dem in SozR Nr 1 zu § 1307 RVO zu beurteilenden 'Grundsätzen', bei denen es sich lediglich um interne Verwaltungsregeln handelte ...".

Dem tritt der erkennende Senat bei. Der Bundesgesetzgeber hat im GAL landwirtschaftlichen Unternehmern außerhalb der Leistungen zur Rehabilitation nach § 6 keine Ansprüche auf "Einzelmaßnahmen zur Erhaltung oder zur Erlangung der Erwerbsfähigkeit" eingeräumt. Er hat aber solche Leistungen zumindest für bestimmte Fallgruppen für wünschenswert erachtet und deshalb die LAKen zu entsprechenden "allgemeinen Richtlinien" ermächtigt. Damit hat er die den LAKen durch §§ 33 Abs 1, 34 Abs 2 SGB 4 verliehene Rechtssetzungsmacht, die als Autonomie Ausfluß des ihnen durch Gesetz eingeräumten Rechts auf Selbstverwaltung ist (§§ 29, 31 Abs 1 SGB 4), in besonderer Weise in Anspruch genommen. Die von einer LAK gemäß der Ermächtigung durch § 9 Abs 1 GAL erlassene Regelung soll offenkundig nicht nur eine innerdienstliche Bindung bewirken, sondern soll in einem Leistungsbereich des Sozialgesetzbuchs auch gegenüber dem als Leistungsempfänger in Betracht kommenden Landwirt (oder seinen Familienangehörigen), also "mit Außenwirkung" verbindliche, generell-abstrakte Normen iS eines nach § 31 SGB 1 erforderlichen (materiellen) "Gesetzes" setzen.

Diese den LAKen vom Bundesgesetzgeber erteilte "Ermächtigung" ist unbedenklich. Freilich brauchte - und konnte - § 9 Abs 1 GAL die Beklagte zur Rechtssetzung nicht besonders zu ermächtigen: Innerhalb ihres Aufgabenbereichs können die Versicherungsträger zufolge ihrer Autonomie ohnedies Rechtsnormen erlassen. In der vom Bundesgesetzgeber in § 9 Abs 1 Satz 3 iVm § 7 Abs 5 GAL in bezug auf eine Betriebs- und Haushaltshilfe erteilten "Richtlinien-Ermächtigung" steckt aber eine entsprechende Erweiterung des Aufgabenbereichs der LAKen im Sektor des Leistungsrechts. Die Zuweisung - weiterer - sowohl "eigener" wie "übertragener Aufgaben" an die Versicherungsträger steht dem Gesetzgeber aber nach § 30 SGB 4 frei.

Im konkreten Fall hat die Beklagten mit ihren AR nach dem Stand vom 1. Januar 1984 gleichwohl kein autonomes Recht gesetzt. Diese Richtlinien sind vom Vorstand (§ 35 SGB 4) der Beklagten erlassen; ausschließlich zuständig für die Rechtsetzung ist jedoch nach § 33 Abs 1 SGB 4 ihre Vertreterversammlung. Fehlt einer normgebenden Stelle die Zuständigkeit zur Rechtssetzung, können wirksame Rechtssätze nicht entstehen (allg Meinung, vgl zB Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, 10. Aufl, S 141; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, S 149; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl, S 250 f; zur Frage der Nichtigkeit selbst schon von Verwaltungsakten bei absoluter Unzuständigkeit der erlassenden Stelle vgl ferner § 40 Abs 1 und Abs 3 Nr 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches - SGB 10 sowie § 44 Abs 1 und Abs 2 Nr 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes). Schon wegen Unzuständigkeit des Vorstands enthalten dessen AR nach dem Stand vom 1. Januar 1984 kein autonomes Körperschaftsrecht. Die Frage der öffentlichen Bekanntmachung der AR und der aufsichtsbehördlichen Genehmigung als notwendige Mitwirkung an der körperschaftlichen Rechtsetzung (§ 34 Abs 1 und 2 SGB 4) bedarf daher keiner Erörterung.

Die durch ein unzuständiges Verwaltungsorgan unwirksam "versuchte" Setzung autonomen Rechts hinterläßt aber nicht, wie dies das LSG anzunehmen scheint, eine wirksame Verwaltungsregelung, die unter Zuhilfenahme des Gleichheitssatzes aus Art 3 Abs 1 GG, also auf Grund einer dogmatischen Hilfskonstruktion zu einer "Selbstbindung der Verwaltung" (vgl dazu Ossenbühl in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl S 91 f und das dort angezogene umfangreiche Schrifttum) und damit zu einer normähnlichen Außenwirkung führt. Wie oben im Anschluß an die Entscheidung des 11a Senats vom 10. Juli 1986 dargestellt, nimmt § 9 Abs 1 und 3 iVm § 7 Abs 5 GAL die Vertreterversammlung der Beklagten mit ihrer Befugnis zur Setzung autonomen Rechts in Anspruch, nicht dagegen den Vorstand mit dem Auftrag, allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen; der Vorstand der Beklagten kann durch Erlaß von Verwaltungsregelungen Rechtsnormen, die zu erlassen allein die Vertreterversammlung befugt gewesen wäre, nicht ersetzen und so die Vertreterversammlung in ihren Befugnissen nicht "überspielen". Der Vorstand hat mit den von ihm erlassenen Richtlinien daher zur Durchführung des § 9 Abs 1 Satz 1 GAL keine wirksamen Verwaltungsregelungen zustandegebracht. Dann aber fehlt einer Erörterung die Grundlage, ob und welche Wirkung in bezug auf sie der Gleichheitssatz hätte zeitigen können.

Das gleiche gilt für die Frage, ob den AR nicht etwa normähnliche Wirkung iS eines eine Regelungslücke füllenden "Übergangsrechts" beigemessen werden könnte (vgl dazu BVerwG DVBl 1982, 301; Ossenbühl aaO S 94 und 97 mwN). Wie oben ausgeführt, hat das BSG bereits in seiner veröffentlichten Entscheidung vom 10. Juli 1986 (aaO) nachdrücklich klargestellt, daß Richtlinien iS von §§ 9 und 7 GAL nur durch die Vertreterversammlung der LAK als autonome Rechtsnormen erlassen werden können. Seither sind über zwei Jahre vergangen, ohne daß die - von diesem höchstrichterlichen Urteil angesprochene - Vertreterversammlung der Beklagten entsprechend reagiert hätte. Hiernach muß offenbleiben, ob die Vertreterversammlung als das zuständige Körperschaftsorgan überhaupt bereit ist, autonomes Recht mit dem Inhalt der bisherigen AR zu setzen, die unzuständig und unwirksam vom Vorstand erlassen worden sind. Deshalb läßt sich eine "Übergangslage", deren Beendigung durch ein Handeln der allein zuständigen Vertreterversammlung möglich und zu gewärtigen wäre, nicht ausmachen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf es keiner Ausführungen dazu, welche Auswirkungen der Umstand hat, daß die AR von einer landesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts mit nicht über das Land Niedersachsen hinausreichendem Zuständigkeitsbezirk (vgl § 4 der Satzung) erlassen sind und damit weder als autonomes Recht noch als normähnliche Verwaltungsregelung nach § 162 Alt 1 SGG vor dem BSG revisibel wären (zur revisionsgerichtlichen Überprüfung sog partiellen Bundesrechts gemäß § 162 Alt 2 SGG nur auf spezifizierte Rüge vgl im übrigen BSGE 56, 45 = SozR 2100 § 70 Nr 1 und BSG SozR 4100 § 117 Nr 14).

Der Senat sieht unter Berücksichtigung der erneuten Einwendungen der Beklagten keine Veranlassung, hinsichtlich der Rechtsnatur "allgemeiner Richtlinien" über die Voraussetzungen für die Gewährung von "Betriebshilfe" und der Kompetenz der Vertreterversammlung von seinem im Urteil vom 9. Juni 1988 eingenommenen Rechtsstandpunkt abzugehen. Das Bundesgesetz (§ 9 Abs 1 Satz 3 iVm § 7 Abs 5 GAL) hat im Rahmen einer "Richtlinien-Ermächtigung" den LAKen die Möglichkeit eingeräumt, auf Sektoren des Leistungsrechts, insbesondere der Gewährung von "Betriebshilfe", allgemeine Regelungen zu erlassen, aufgrund derer unter bestimmten Voraussetzungen Leistungsansprüche iS von § 40 SGB 1 entstehen. Es handelt sich also um eine besonders weitgehende Befugnis (wie sie in anderen Sozialleistungsbereichen - § 1 Abs 1 SGB 4 - mit dieser Bedeutung und in diesem Ausmaß kaum vorkommt), für die Versicherten im Sozialleistungsbereich der Altershilfe für Landwirte Recht zu setzen und so den Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB 1 zu wahren. Für solche weitreichenden Befugnisse im Leistungsbereich ist aber gerade die Vertreterversammlung als "Legislativorgan" prädestiniert (vgl § 33 Abs 1 SGB 4).

Nach alledem trifft die ablehnende Entscheidung des LSG im Ergebnis zu, so daß die Revision als unbegründet zurückzuweisen war.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin waren indessen gemäß § 193 Abs 1 SGG der Beklagten aufzuerlegen, weil sie durch die von einem unzuständigen Organ erlassenen AR zunächst den Versicherten und später die Klägerin dazu veranlaßt hat, die Auslegung einer unwirksamen Regelung im Rechtszug klären zu lassen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665870

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