Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung - Mitgliedschaft - Ende - unbezahlter Urlaub - erneuter Beginn - Wiedereintritt in die Beschäftigung - Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat in der Krankenversicherung die Mitgliedschaft eines Beschäftigten wegen eines längeren unbezahlten Urlaubs geendet, so ist für ihren erneuten Beginn nach Ende des Urlaubs der Wiedereintritt in die Beschäftigung erforderlich.
2. Am Wiedereintritt in die Beschäftigung fehlt es, wenn die Arbeit am vereinbarten Tage wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht wiederaufgenommen wird (Fortführung von BSG vom 3.6.1981 - 3 RK 24/80 = SozR 2200 § 306 Nr 10).
Normenkette
SGB I § 6 Fassung 1975-12-11; SGB V § 44 Fassung 1988-12-20; RVO § 311 S. 1 Fassung 1985-12-06, § 306 Abs. 1 Fassung 1981-07-27; SGB I § 4 Abs. 2 Fassung 1975-12-11, § 2 Abs. 2 Fassung: 1975-12-11; SGB V § 186 Abs. 1 Fassung 1988-12-20, § 190 Abs. 2 Fassung 1988-12-20, § 192 Abs. 1 Fassung 1988-12-20; RVO § 165 Abs. 2 S. 1 Fassung 1956-06-12, Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fassung 1988-12-20
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung und einen Anspruch auf Krankengeld.
Der 1954 geborene Kläger war seit 1984 als Krankenpfleger beim Land Berlin beschäftigt. Als solcher war er krankenversicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Betriebskrankenkasse, in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig und beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit (BA). Zur Betreuung seines im September 1987 geborenen Sohnes erhielt er vom 15. Juli 1988 bis zum 14. Mai 1989 unbezahlten Urlaub ("Erziehungs- und Familienurlaub"). Während dieser Zeit bezog er kein Erziehungsgeld und war zuletzt über seine Ehefrau familienversichert. Vom 3. April bis zum 20. August 1989 war er arbeitsunfähig krank und wurde zeitweise stationär behandelt. Er nahm deshalb nach Ende des unbezahlten Urlaubs die Arbeit nicht wieder auf, erhielt jedoch von seinem Arbeitgeber für die Zeit vom 15. Mai bis 25. Juni 1989 eine tarifliche Entgeltfortzahlung. Nach Ende der Arbeitsunfähigkeit am 21. August 1989 hatte der Kläger zunächst Urlaub und trat dann im September 1989 in ein anderes Beschäftigungsverhältnis mit Wechsel der Krankenkasse ein. Mit Bescheid vom 15. August 1989 und Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1989 stellte die Beklagte fest, daß der Kläger vom 15. Mai 1989 an nicht wieder in einem versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, weil er an diesem Tage die Arbeit wegen Arbeitsunfähigkeit nicht aufgenommen habe. Daher lehnte sie auch die Zahlung von Krankengeld ab.
Das Sozialgericht (SG) hat nach Beiladung der Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin, der BA (Beigeladene zu 2) und des Landes Berlin (Beigeladener zu 3) die Klage mit Urteil vom 16. Oktober 1990 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Aufhebung der Beiladung der LVA Berlin und nach Beiladung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 1) mit Urteil vom 15. Januar 1992 der Berufung des Klägers stattgegeben. Es hat festgestellt, daß er in der Zeit vom 15. Mai 1989 bis 31. August 1989 bei der Beklagten krankenversicherungspflichtig, in der Angestelltenversicherung rentenversicherungspflichtig sowie zur BA beitragspflichtig war, und die Beklagte verurteilt, ihm für die Zeit vom 26. Juni bis 20. August 1989 Krankengeld zu gewähren. Der Versicherungsschutz müsse erhalten bleiben, wenn ein Arbeitsverhältnis rechtlich fortbestehe und die Rechte und Pflichten infolge von Erziehungsurlaub zeitweise ruhten. Sinn und Zweck der Begünstigung der Kindererziehung in der jüngeren Sozialgesetzgebung würden unterlaufen, wenn bei einer derartigen Sachlage die strengen Maßstäbe über den mißglückten Arbeitsversuch zur Anwendung kämen, nur weil der Berechtigte zum Zeitpunkt der vorgesehenen Wiederaufnahme der Arbeit arbeitsunfähig erkrankt sei. Insoweit stritten für den Kläger das Sozialstaatsprinzip und die sozialen Rechte des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I), welche gemäß § 2 Abs 2 SGB I bei der Auslegung der Vorschriften des SGB zu beachten seien.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 186 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Sie hat mit Schriftsatz vom 2. Dezember 1994 klargestellt, daß sich ihre Revision nur auf die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung für die Zeit vom 15. Mai bis zum 20. August 1989 und den Anspruch auf Krankengeld bezieht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Januar 1992 aufzuheben, soweit die
Versicherungspflicht in der Krankenversicherung für die Zeit vom 25. Mai
bis zum 20. August 1989 festgestellt und die Beklagte zur Gewährung von
Krankengeld verurteilt worden ist, sowie in diesem Umfang die Berufung des
Klägers gegen das Urteil des SG vom 16. Oktober 1990 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die auf die Krankenversicherungspflicht und das Krankengeld sowie auf die Zeit vom 15. Mai bis zum 20. August 1989 beschränkte Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid zu Unrecht aufgehoben, soweit darin eine krankenversicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers in dem genannten Zeitraum und ein Anspruch auf Krankengeld verneint worden sind.
Der Kläger war nach den Feststellungen des LSG vor Beginn seines unbezahlten Urlaubs am 15. Juli 1988 versicherungspflichtig beschäftigt. Seine Versicherungspflicht, die auf dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden § 165 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beruhte, endete aus Anlaß des unbezahlten Urlaubs. In dem hier maßgebenden, bis Ende 1988 geltenden Recht der Krankenversicherung war zwar das Ende von Versicherungspflicht und Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter nicht ausdrücklich geregelt. Entfielen aber die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nrn 1 oder 2 iVm Abs 2 Satz 1 RVO, endete die darauf beruhende Mitgliedschaft. Das ergibt eine entsprechende Anwendung der Vorschrift über den Beginn der Mitgliedschaft (§ 306 Abs 1 RVO; § 186 Abs 1 SGB V). Wie danach die Mitgliedschaft mit dem Tage des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung begann, so endete sie mit dem Tage des "Austritts" aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung. Damit waren beim Kläger die Versicherungspflicht und - abgesehen von etwaigen Erhaltenstatbeständen (§ 311 RVO) - die Mitgliedschaft beendet, als infolge des unbezahlten Urlaubs die Beschäftigung nicht mehr ausgeübt und Entgelt nicht mehr gezahlt wurde.
An dieser versicherungsrechtlichen Beurteilung ändert das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses während des unbezahlten Urlaubs nichts. Die Versicherungspflicht und die Mitgliedschaft hängen nicht allein vom Bestehen eines Arbeitsvertrages ab, sondern davon, daß die gesetzlichen Vorschriften über Versicherungspflicht und Mitgliedschaft erfüllt sind. War nämlich für den Beginn der Versicherungspflicht und der Mitgliedschaft nach § 306 Abs 1 RVO der Eintritt in die versicherungspflichtige (entgeltliche) Beschäftigung, dh in der Regel der Tag der tatsächlichen Aufnahme der Arbeit und nicht etwa nur der arbeitsvertraglich für die Arbeitsaufnahme vereinbarte Tag maßgebend, so mußte auch das Ende der Versicherungspflicht und der Mitgliedschaft in der Regel schon eintreten, wenn ein Element des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses, also die Beschäftigung oder die Entgeltlichkeit oder beide Elemente nicht mehr gegeben waren. Dieses wird durch die bis zum 31. Dezember 1988 geltende Vorschrift des § 311 Satz 1 RVO (jetzt § 192 Abs 1 SGB V) bestätigt, wonach die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten blieb, solange das "Arbeitsverhältnis" ohne Entgeltzahlung, längstens für drei Wochen, fortbestand (Nr 1) oder solange bestimmte Leistungen gewährt wurden (Nrn 2 und 3). Denn wenn schon bei fortbestehendem "Arbeitsverhältnis" ohne Beschäftigung und Entgeltzahlung die Kassenmitgliedschaft erhalten bliebe, wäre die in § 311 Satz 1 RVO (§ 192 Abs 1 SGB V) getroffene Regelung überflüssig und hinsichtlich der Dreiwochenfrist in § 311 Satz 1 Nr 1 RVO (jetzt: Monatsfrist des § 192 Abs 1 Nr 1 SGB V) unerklärlich. Aus dem seit dem 1. Januar 1989 geltenden neuen Recht des SGB V ergibt sich nichts anderes; vielmehr wird das hier gefundene Ergebnis bestätigt. Denn die Voraussetzungen des neuen Rechts für die Versicherungspflicht Beschäftigter (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V), für den Beginn (§ 186 Abs 1 SGB V) und für das Fortbestehen (§ 192 Abs 1 Nr 1 SGB V) ihrer Mitgliedschaft entsprechen im wesentlichen dem früheren Recht. Auch mit § 190 Abs 2 SGB V, wonach die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages endet, an dem das Beschäftigungsverhältnis endet, sollte nicht inhaltlich neues Recht gesetzt, sondern die frühere, sich aus der entsprechenden Anwendung des § 306 Abs 1 RVO ergebende Rechtslage bestätigt werden (vgl Begründung zu § 199 Abs 2 des Entwurfs eines Gesundheits-Reformgesetzes ≪GRG≫, BT-Drucks 11/2237 S 216). Zwar wird in § 190 Abs 2 SGB V nicht wie in § 306 Abs 1 RVO und § 186 Abs 1 SGB V auf die "Beschäftigung", sondern auf das "Beschäftigungsverhältnis" abgestellt. Aus § 192 Abs 1 Nr 1 SGB V folgt aber, daß damit nicht das Bestehenbleiben der Mitgliedschaft bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auch dann gemeint sein kann, wenn zuvor die Beschäftigung aufgegeben wurde und die Entgeltlichkeit entfallen ist. Vielmehr ist mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses in § 190 Abs 2 SGB V nur der Regelfall der Beendigung von Versicherungspflicht und Mitgliedschaft durch Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses gemeint, ohne daß damit eine frühere Beendigung bei Entfallen eines entscheidenden Elementes der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden sollte.
War der Kläger somit grundsätzlich von Beginn des unbezahlten Urlaubs an (15. Juli 1988) nicht mehr krankenversicherungspflichtig, so kam für ihn nur noch eine erhaltene Mitgliedschaft iS des § 311 Satz 1 RVO bzw des § 192 Abs 1 SGB V in Betracht. Etwaige Erhaltenstatbestände nach dieser Regelung reichten jedoch nicht bis zum 15. Mai 1989, dem Tag der geplanten Wiederaufnahme der Beschäftigung. Dieses ist den Ausführungen des LSG im Zusammenhang zu entnehmen und entspricht der Gesetzeslage. Denn gemäß § 311 Satz 1 Nr 1 RVO wäre die Mitgliedschaft allenfalls für die auf den 14. Juli 1988 folgenden drei Wochen, dh bis zum 4. August 1988, erhalten geblieben. Wegen Bezuges von Erziehungsgeld (§ 311 Satz 1 Nr 2 RVO; seit 1. Januar 1989 § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung) konnte die Mitgliedschaft des Klägers nicht erhalten bleiben, weil er nach den Feststellungen des LSG während des unbezahlten Urlaubs Erziehungsgeld nicht bezogen hat. Sofern es sich bei dem Urlaub um einen nach gesetzlichen Vorschriften gewährten Erziehungsurlaub gehandelt haben sollte, führte dies nach § 311 Satz 1 Nr 2 RVO (bis Ende 1988) und der hier maßgeblichen, von 1989 bis 1991 geltenden Fassung des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ebenfalls nicht zum Erhalt der Mitgliedschaft. Dieses gilt vielmehr erst vom 1. Januar 1992 an; von diesem Zeitpunkt an ist neben dem Bezug von Erziehungsgeld auch die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ein die Mitgliedschaft erhaltender Tatbestand (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V idF des Art 3 des Zweiten Änderungsgesetzes des Bundeserziehungsgeldgesetzes ≪BErzGG≫ vom 6. Dezember 1991 ≪BGBl I 2142≫). Eine Ausdehnung der gesetzlichen Erhaltenstatbestände aus allgemeinen familienpolitischen Gründen ist im Wege der Rechtsanwendung nicht zulässig, weil das Gesetz die Erhaltenstatbestände, auch die familienpolitischen, eingehend und abschließend geregelt hat.
Eine Versicherungspflicht des Klägers und eine Mitgliedschaft bei der Beklagten haben nach dem Ende seines unbezahlten Urlaubs am 15. Mai 1989 nicht neu begonnen. An diesem Tage sollte der Kläger zwar nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Beschäftigung gegen Entgelt wieder aufnehmen. Deswegen allein lebten aber seine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) und die Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht wieder auf. Denn wenn die Versicherungspflicht geendet hat und die Mitgliedschaft nicht mehr fortgesetzt worden ist, ist das Krankenversicherungsverhältnis abgeschlossen. Es besteht nicht etwa latent weiter. Vielmehr muß es neu begründet werden. Dazu müssen alle Voraussetzungen, die für den erstmaligen Eintritt der Versicherungspflicht erforderlich sind, erneut gegeben sein, nämlich die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V und der Eintritt in die Beschäftigung nach § 186 Abs 1 SGB V, dh im Regelfall die Aufnahme der Arbeit. Von letzterem hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung zu § 306 Abs 1 RVO, die wegen der weitgehenden Übereinstimmung dieser Vorschrift mit § 186 Abs 1 SGB V nach wie vor maßgebend ist, bestimmte Ausnahmen zugelassen und trotz Nichtaufnahme der tatsächlichen Arbeit Versicherungspflicht bejaht: Bei einem Unfall des Arbeitnehmers auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme (BSGE 26, 124 = SozR Nr 3 zu § 306 RVO), bei einem Gastarbeiter, der nach Aushändigung der Arbeitspapiere an den Arbeitgeber und nach Unterbringung auf dem Werksgelände einen Unfall erlitten hatte (BSGE 29, 30 = SozR Nr 4 zu § 306 RVO), bei fristgerechter Kündigung durch den Arbeitgeber vor Arbeitsantritt und Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit bis zum Wirksamwerden der Kündigung (BSGE 36, 161, 164 = SozR Nr 73 zu § 165 RVO), bei nahtloser Überführung eines versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses in ein beim selben Arbeitgeber bestehendes reguläres und ebenfalls versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, zu dessen Beginn jedoch Arbeitsunfähigkeit bestand (BSGE 48, 235 = SozR 2200 § 306 Nr 5). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt beim Kläger nicht vor. Er war vor dem 15. Mai 1989 (Tag der vereinbarten Wiederaufnahme der Arbeit) schon längere Zeit nicht mehr Mitglied der Beklagten sowie mehrere Wochen vor diesem Termin und darüber hinaus arbeitsunfähig krank. In einem solchen Fall beginnen Versicherungspflicht und Mitgliedschaft auch dann nicht, wenn die grundsätzlich erforderliche Arbeitsaufnahme daran scheitert, daß der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist (so: BSG SozR 2200 § 306 Nr 10; BSG USK 8201). Diese Auslegung des § 306 Abs 1 RVO und des § 186 Abs 1 SGB V trägt dem Versicherungsprinzip Rechnung. Denn dazu, daß die Versicherung in der Regel erst mit der Arbeitsaufnahme beginnen und erst danach bei Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld begründen kann, steht es in Widerspruch, eine Versicherung entstehen zu lassen, wenn die Arbeitsaufnahme an der Arbeitsunfähigkeit scheitert.
Entgegen der Ansicht des LSG gilt nicht deswegen etwas anderes, weil an der Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs nicht mehr festzuhalten sei. Zwar hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. Mai 1993 (BSGE 72, 221, 224, 225 = SozR 3-2200 § 165 Nr 10) die Kritik an dieser Rechtsfigur als gewichtig bezeichnet und die Frage offen gelassen, ob an ihr festzuhalten ist. Selbst wenn die Rechtsprechung zum mißglückten Arbeitsversuch aber aufgegeben würde, wäre das auf die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ohne Einfluß. Beim mißglückten Arbeitsversuch wird nämlich der Eintritt der Versicherungspflicht verneint, obwohl die Arbeit tatsächlich aufgenommen worden ist. Jedenfalls hierauf kann nach dem Gesetz für das Eintreten von Versicherungspflicht grundsätzlich nicht verzichtet werden.
Das Ergebnis ändert sich auch nicht dadurch, daß der Kläger vom Zeitpunkt der beabsichtigten Aufnahme der Arbeit am 15. Mai 1989 an wegen Arbeitsunfähigkeit für sechs Wochen Entgeltfortzahlung erhalten hat. Eine derartige Regelung sieht der bis zum 31. Dezember 1994 geltende § 616 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für Angestellte wie den Kläger (vgl hierzu BAGE 24, 107, 110; BAG AP Nrn 86 und 87 zu § 1 Lohnfortzahlungsgesetz ≪LFZG≫) und ab 1. Januar 1995 § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG, Art 53 des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 ≪BGBl I 1014≫) einheitlich für Arbeiter und Angestellte vor. Im Gegensatz dazu verliert nach der am 31. Dezember 1994 auslaufenden entsprechenden Regelung des § 1 Abs 1 Satz 1 des LFZG ein Arbeiter den Anspruch auf Arbeitsentgelt nur dann nicht, wenn er "nach Beginn der Beschäftigung" durch Arbeitsunfähigkeit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird (zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten vgl BAG AP Nr 72 zu § 1 LFZG). Ein Anspruch auf Entgeltzahlung mag erst recht bestehen, wenn unbezahlter Urlaub bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gewährt wird und der Angestellte am Tage der beabsichtigten Wiederaufnahme der Arbeit arbeitsunfähig erkrankt ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Gesetzgeber dieser arbeitsrechtlichen Lösung jedoch bis heute nicht gefolgt, sondern verlangt nach wie vor den Eintritt in die Beschäftigung, also grundsätzlich deren Aufnahme, die dementsprechend auch für den Wiederbeginn von Versicherungspflicht und Mitgliedschaft zu verlangen ist. Scheitert sie an krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, so kann sie durch die arbeitsrechtliche Entgeltzahlung nicht ersetzt werden; vielmehr tritt Versicherungspflicht nicht ein, und auch die Mitgliedschaft beginnt nicht. Die Rechtsprechung ist an die gesetzliche Regelung gebunden, nach welcher der Eintritt in die Beschäftigung Voraussetzung für den Beginn der Mitgliedschaft und mithin für das Entstehen von Versicherungspflicht ist. Erwägungen, wie sie das LSG im Zusammenhang mit sozialen Rechten und § 2 Abs 2 SGB I angestellt hat, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Durch die vorliegende Entscheidung wird das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 Grundgesetz nicht verletzt. Dem Kläger ist mit der Ablehnung der Pflichtmitgliedschaft der Zugang zur Krankenversicherung nicht versperrt worden. Er blieb entweder wie vor dem Ende des unbezahlten Urlaubs über seine Ehefrau familienversichert, oder er konnte sich nach einem etwaigen Ende der Familienversicherung freiwillig versichern (§ 9 Abs 1 Nr 2 SGB V). Damit ist den Anforderungen des Sozialstaatsprinzips im Bereich der Krankenversicherung Genüge getan.
War der Kläger somit in der Zeit vom 15. Mai 1989 an nicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungspflichtig, so steht ihm für die Zeit vom 26. Juni bis 20. August 1989 auch kein Anspruch auf Krankengeld zu (§ 44 SGB V).
Da die Revision Erfolg hat, war das Urteil des LSG, soweit es mit der Revision angefochten ist, aufzuheben und insofern durch Zurückweisung der Berufung des Klägers das klageabweisende Urteil des SG wiederherzustellen. Soweit das Urteil des LSG von der Beklagten nicht angefochten ist, verbleibt es bei der für den Kläger günstigen Entscheidung des LSG, die insofern rechtskräftig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Dem Kläger ist für das Klage- und das Berufungsverfahren die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten, weil das ihm günstige Urteil des LSG rechtskräftig geworden ist, soweit es die Beklagte mit der Revision nicht angefochten hat. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Fundstellen
BSGE 75, 277-282 (LT1-2) |
BSGE, 277 |
NJW 1995, 3077 |
NJW 1995, 3077-3078 (LT) |
BuW 1995, 514 (K) |
RegNr, 21843 (BSG-Intern) |
DOK 1995, 156-157 (KT) |
EEK, I/1164 (ST1-2) |
USK, 9450 (LT1-2) |
WzS 1995, 53-54 (T) |
ZAP, EN-Nr 736/95 (S) |
AuA 1996, 402-403 (LT1-2) |
Die Beiträge 1995, 374-379 (LT1-2) |
SGb 1996, 232-234 (LT1-2) |
SozR 3-2500 § 186, Nr 2 (LT1-2) |
ZfS 1995, 101 (KT) |