Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhungsanspruch nach SVAbk AUT Art 21
Leitsatz (redaktionell)
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zu Art 21 an. Fremde Versicherungszeiten, auch die aufgrund des SVAbk AUT Art 24 fremd gewordenen Versicherungszeiten, dürfen bei der Ermittlung der Vergleichsrente nicht herangezogen werden. Die gegenteilige Auffassung entspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Art 21. Die Vertragsparteien haben die fremden Versicherungszeiten nur bei den Anspruchsvoraussetzungen den eigenen Versicherungszeiten gleichstellen wollen.
Normenkette
SVAbk AUT Art. 21 Fassung: 1951-04-21, Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Fassung: 1951-04-21
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 1966 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin erhält aus der Rentenversicherung ihres im August 1962 verstorbenen Ehemannes von der Beklagten eine Witwenrente (Bescheid vom 1. März 1963) und von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in W einen laufenden Vorschuß auf die Witwenpension ("Verständigung" vom 26. Juni 1963). Sie erstrebt eine Erhöhung der deutschen Rente (um rund 70 DM monatlich) gemäß Art. 21 des ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens vom 21. April 1951 - BGBl 1962, II 317 (Abkommen). In Satz 1 dieses Artikels haben die Vertragspartner bestimmt: "Ist die Summe der nach diesem Abkommen berechneten Renten geringer als die Rente, die einem Berechtigten in einem der beiden Vertragsstaaten allein nach den Vorschriften dieses Staates ohne Berücksichtigung des Art. 17 zustehen würde" (im folgenden Vergleichsrente genannt), "so hat der Versicherungsträger dieses Staates die von ihm zu tragende Rente um den Unterschiedsbetrag zu erhöhen". Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte bei der Feststellung der Vergleichsrente die vom Ehemann der Klägerin von 1939 bis 1945 zurückgelegten Versicherungszeiten, die nach Art. 24 des Abkommens in die österreichische Versicherungslast gefallen sind, mitberücksichtigen, d.h. bei der Ermittlung der Vergleichsrente wie deutsche Versicherungszeiten behandeln muß. Das wird von der Klägerin unter Berufung auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 15. August 1961 (SGb 1962 S. 60) bejaht, von der Beklagten dagegen verneint. Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren erklärte sich die Beklagte bereit, für die Zeit vom 1. Juli 1965 an aufgrund des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 einen neuen Bescheid zu erteilen. Die Klägerin beschränkte darauf ihre Klage auf die Zeit von September 1962 bis Juni 1965. Das LSG wies die Berufung der Klägerin zurück. Die Klägerin habe keinen Erhöhungsanspruch nach Art. 21 des Abkommens. Vergleichsrente sei "die Rente, die entsprechend dem Abkommen als innerstaatliche Rente unter Berücksichtigung der in dem betreffenden Staat zurückgelegten Versicherungszeiten errechnet wird"; die in die österreichische Versicherungslast gefallenen Versicherungszeiten könnten deshalb bei der Feststellung der Vergleichsrente nicht berücksichtigt werden. Insoweit verletze das Abkommen auch nicht Art. 3 oder 14 des Grundgesetzes (GG) - Urteil vom 13. Juli 1966 -.
Mit der zugelassenen Revision beantragte die Klägerin,
das angefochtene Urteil vom 13. Juli 1966 abzuändern und die Beklagte unter entsprechender Abänderung ihres Bescheides vom 1. März 1963 zu verurteilen, der Klägerin einen neuen Bescheid zu erteilen über die Gewährung der Witwenrente für die Zeit vom 1. September 1962 bis zum 30. Juni 1965 und dabei die Rente um den Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der beiden Vertragsrenten und der allein nach deutschem Recht unter Berücksichtigung der österreichischen Versicherungszeiten berechneten Rente zu erhöhen.
Die Klägerin rügt eine Verletzung der Art. 21 des Abkommens und Art. 3 und 14 GG.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligte erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat, wie das LSG zutreffend erkannt hat, keinen Erhöhungsanspruch nach Art. 21 des ersten deutschösterreichischen Sozialversicherungsabkommens. Die Auslegung des Art. 21 durch das LSG entspricht der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG 21, 199, 202 ff; 23, 74, 75), der sich der erkennende Senat anschließt; die gegenteilige Auffassung des Hessischen LSG (SGb 1962, S. 60) vermag nicht zu überzeugen.
Art. 21 gehört zum Abschnitt IV des Abkommens, der die üblichen Bestimmungen zwischenstaatlicher Gegenseitigkeitsverträge über die Rentenversicherung enthält. Zwischen diesen Bestimmungen und der im folgenden Abschnitt V (Art. 23, 24) geregelten Aufteilung der Versicherungslast ("Verteilung von Ansprüchen und Anwartschaften") besteht kein Zusammenhang, auch ist die Artikel- und Abschnittsfolge ohne Bedeutung. Abschnitt IV setzt die Verschiedenheit der Versicherungslast voraus; das BSG hat deshalb schon entschieden, daß bei der Anwendung des Abschnitts IV (Art. 17 ff) die Aufteilung der Versicherungslast in Art. 23 und 24 zugrunde zu legen ist (SozR Nr. 1 zu Art. 17, vgl. auch BSG 22, 21, 23).
Aufgrund des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Abkommens sind die vom Ehemann der Klägerin in Österreich von 1939 bis 1945 zurückgelegten ursprünglich deutschen Versicherungszeiten, in denen Beiträge an die RfA gezahlt worden waren, in die österreichische Versicherungslast gefallen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (ua BSG 18, 113; 23, 74; Urteil des Senats vom 28. Juni 1966, 11 RA 356/63) hat das zur Folge, daß die Versicherungszeiten nach keiner innerstaatlichen Vorschrift der Bundesrepublik mehr als deutsche Versicherungszeiten behandelt werden können; sie sind fremde Versicherungszeiten geworden. Die weitere Folge dieser Zuordnung ist, daß sie auch bei der von der Beklagten festzustellenden Vergleichsrente nicht berücksichtigt werden können. Vergleichsrente ist für die Beklagte die Rente, die der Klägerin allein nach den Vorschriften der Bundesrepublik ohne Berücksichtigung des Art. 17 des Abkommens zustehen würde. Bei der Ermittlung dieser Rente müssen die Versicherungszeiten von 1939 bis 1945 außer Betracht bleiben, weil sie nach den Vorschriften der Bundesrepublik keine hier anrechnungsfähigen deutschen Versicherungszeiten mehr sind. Fremde Versicherungszeiten, auch die aufgrund des Art. 24 des Abkommens fremd gewordenen Versicherungszeiten, dürfen bei der Ermittlung der Vergleichsrente nicht herangezogen werden. Die gegenteilige Auffassung entspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Art. 21. Dieser Artikel "verweist" nicht auf Art. 17 des Abkommens, wie das Hessische LSG meint; der Wortlaut "ohne Berücksichtigung des Art. 17" besagt und bestätigt im Gegenteil, daß die Vergleichsrente ohne fremde Versicherungszeiten zu ermitteln ist, d.h., daß bei ihr die in Art. 17 des Abkommens vorgesehene Zusammenrechnung deutscher und fremder Versicherungszeiten zu unterbleiben hat. Es trifft nicht zu, daß dann Art. 21 keinen rechten Sinn hätte. Nach dem Memorandum zum Abkommen (BABl 1962 S. 78), soll Art. 21 die Berechtigten vor einer Schädigung bewahren, wenn die Summe der nach Art. 18 errechneten Renten geringer ist als der Leistungsanspruch, der sich allein nach den innerstaatlichen Vorschriften eines Staates ergibt. Eine solche Schädigung konnte beim Inkrafttreten des Abkommens (1. Januar 1953) und kann in vermindertem Umfang auch heute noch z.B. infolge der Kürzung der festen Rentenbestandteile gemäß der in Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b enthaltenen "pro rata temporis"-Regelung eintreten. Das soll Art. 21 verhindern, der Versicherte soll nicht schlechter stehen, als wenn er allein nach innerstaatlichem Recht behandelt würde (vgl. auch Art. 20 und die Ausführungen hierzu in SozR Nr. 1 zu Art. 18). Über diesen Sinn und Zweck des Art. 21 geht die Auslegung durch die Klägerin und das Hessische LSG weit hinaus; ihre Auslegung des Art. 21 führt dazu, daß die Versicherungsträger letztlich auch bei der Rentenberechnung die fremden Versicherungszeiten wie eigene behandeln müßten, was die Vertragsparteien, wie Art. 18 ergibt, nicht gewollt haben, sie haben die fremden Versicherungszeiten nur bei den Anspruchsvoraussetzungen (vgl. Art. 17) den eigenen Versicherungszeiten gleichstellen wollen.
Im Ergebnis zu Recht hat das LSG auch eine Verletzung der Art. 3 und 14 GG verneint. Nach der Revisionsbegründung sieht die Klägerin die Verletzung des Art. 3 GG nicht in der Regelung des Art. 21, sondern in der Zuordnung der ursprünglich deutschen Beitragszeiten ihres Ehemannes zur österreichischen Versicherungslast. Diese Zuordnung hat zwar Folgen gehabt, die von den Betroffenen, besonders nach der deutschen Rentenneuregelung im Jahre 1957, verständlicherweise als unbillig empfunden werden (BSG 21, 199, 203 ff). Wie der 1. Senat des BSG jedoch schon dargelegt hat (BSG 23, 74, 78), wird durch die Zuordnung zur österreichischen Versicherungslast Art. 3 GG nicht verletzt. Die Zuordnung ist die Folge einer gedanklich rückwirkenden Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit Österreichs für die Jahre 1938 bis 1945; von einer willkürlichen Handlungsweise des deutschen Gesetzgebers kann hier um so weniger die Rede sein, als es sich gerade um vertragliche Vereinbarungen mit der 1945 wiedererstandenen Republik Österreich handelt. Eine Verletzung des Art. 14 GG durch das Abkommen zum Nachteil der Klägerin scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin beim Inkrafttreten des Abkommens (1. Januar 1953) keine Rechtsposition hatte, die durch das Abkommen hätte beeinträchtigt werden können; die Klägerin ist erst nach dem Inkrafttreten des Abkommens Witwe geworden, vor dem Tode ihres Ehemannes hatte sie aus dessen Versicherungszeiten weder Ansprüche noch Anwartschaften gegenüber der Beklagten oder einem sonstigen Versicherungsträger.
Die Revision der Klägerin muß daher ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Fundstellen