Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betrieb ist auch dann förderungsfähig, wenn die unmittelbar am Bau ausgeführten Arbeiten - hier: Faschinenverbau - nicht, wohl aber die Vorbereitungsarbeiten - hier: Herstellen und Zurichten der Faschinen - mit Mitteln der Winterbauförderung witterungsunabhängig gemacht werden können.
2. Ein Unternehmer kann auch dann zum Kreis der umlagepflichtigen Arbeitgeber des Baugewerbes gehören, wenn er sich mit eigenen Mitteln witterungsunabhängig gemacht hat, so daß sein Betrieb gegenwärtig nicht förderungsfähig ist.
Normenkette
AFG § 76 Abs 1 Fassung: 1972-05-19; AFG § 76 Abs 2 Fassung: 1971-05-19; BaubetrV § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst c Fassung: 1972-07-19; AFG § 186a Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.03.1980; Aktenzeichen L 9 Ar 118/79) |
SG Münster (Entscheidung vom 04.10.1979; Aktenzeichen S 2 Ar 106/78) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) von dem Kläger für die Zeit von Dezember 1973 bis Dezember 1976 Winterbauumlage verlangen darf.
Das hängt davon ab, ob der Kläger Arbeitgeber des Baugewerbes ist (§§ 186a Abs 1, 76 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-, § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst r und Nr 2 Buchst c der Baubetriebe-Verordnung -Baubetriebe-VO- vom 19. Juli 1972 - BGBl I 1257 -).
Das Landessozialgericht (LSG) hat dazu festgestellt: Der Kläger, der zwei Arbeitnehmer beschäftigt, stellt Faschinen (Flechtzäune) für Straßenböschungen her. Das hierfür benötigte Reisig wird vom Kläger zum Teil aufgekauft, zum Teil im Wald geschlagen. Das Zusammensetzen der Faschinen - Holz auf die richtige Länge schneiden und binden - wird vom Kläger teilweise im Wald, teilweise an den Baustellen und im übrigen, insbesondere bei schlechter Witterung, in einer eigenen Halle vorgenommen. Dieses Herstellen der Faschinen macht etwa zwei Drittel der Gesamttätigkeit des Klägers aus. Die fertigen Faschinen werden vom Kläger an den Baustellen verlegt und, soweit erforderlich, mit Erde überschüttet. Diese Arbeit macht etwa ein Drittel der Gesamttätigkeit des Klägers aus. Der Kläger verbaut den weitaus größten Teil der von ihm hergestellten Faschinen selbst, den Rest verkauft er.
Der Kläger hatte im bisherigen gerichtlichen Verfahren Erfolg. Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Heranziehungsbescheid vom 20. Oktober 1977 und den Widerspruchsbescheid vom 13. April 1978 aufgehoben (Urteil vom 4. Oktober 1979). Das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen hat dieses Urteil bestätigt: Der Betrieb des Klägers erfülle nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst r Baubetriebe-VO, weil er kein Meliorationsbetrieb (Betrieb, dessen Gegenstand die Bodenverbesserung ist) sei. Er sei vielmehr ein Betrieb des Garten- oder Landschaftsbaus iS des § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst c Baubetriebe-VO. Die Baubetriebe-VO erfasse solche Betriebe aber ausdrücklich nur, wenn sie die hier genannten Arbeiten, den Faschinenbau, mindestens überwiegend betreiben. Der eigentliche Faschinenbau umfasse aber, wie festgestellt, nur ein Drittel der Gesamttätigkeit (Urteil vom 20. März 1980).
Die Beklagte rügt mit der von dem Bundessozialgericht (BSG) nachträglich zugelassenen Revision eine Verletzung des § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst c Baubetriebe-VO.
Sie beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 20. März 1980 und des
Sozialgerichts Münster vom 4. Oktober 1979
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die angefochtenen Urteile sind aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Nach § 186a Abs 1 Satz 1 AFG erhebt die BA zur Aufbringung der Mittel für die produktive Winterbauförderung von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist, eine Umlage. In welchen Betrieben die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist, bestimmt, worauf § 186a Abs 1 Satz 1 AFG hinweist, der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) nach der Ermächtigung des § 76 Abs 2 AFG durch Rechtsverordnung. Nach § 76 Abs 2 Satz 2 AFG darf er in die Förderung nur Betriebe einbeziehen, deren Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit dadurch voraussichtlich in wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschter Weise belebt wird. Nach § 76 Abs 2 Satz 3 AFG darf er in die Förderung ua nicht einbeziehen Betriebe, die überwiegend Baustoffe oder Bauteile für den Markt herstellen.
Der BMA hat ohne Rechtsverstoß den Betrieb des Klägers in den Kreis der förderungsfähigen - und damit umlagepflichtigen - Betriebe einbezogen. Der Betrieb des Klägers wird seiner Art nach - darüber sind sich auch die Beteiligten inzwischen einig geworden - von § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst c Baubetriebe-VO erfaßt, weil es sich um einen Betrieb des Garten- oder Landschaftsbaus handelt, in dem Faschinenbau betrieben wird. Streitig ist nur noch, ob der Faschinenbau iS dieser Vorschrift auch "überwiegend" betrieben wird, wie dies § 1 Abs 1 Nr 2 Baubetriebe-VO verlangt. Dies ist entgegen der Meinung der Vorinstanzen zu bejahen.
Nach § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst c Baubetriebe-VO sind förderungsfähig Betriebe des Garten- und Landschaftsbaus, in denen fortgesetzt und ausschließlich oder überwiegend folgende Arbeiten verrichtet werden: "Deich-, Hang-, Halden- und Böschungsverbau einschließlich Faschinenbau". Auffallend ist hier zunächst vom "Verbau", im Zusammenhang mit den Faschinen aber vom "Bau" die Rede. Diese Wortwahl entspricht aber dem Sinn der Vorschrift. Zum Faschinenbau nach § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst c Baubetriebe-VO gehört neben dem Verbau, dh dem Einbau in die Erde, auch die Herstellung und das Zurichten der Faschinen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Herstellung und das Zurichten für den eigenen Bedarf geschieht.
Wäre nur der "Verbau" gemeint, so wäre fraglich, ob ein Betrieb, der nur oder überwiegend diese Arbeiten verrichtet, förderungsfähig ist. Denn es ist ohne weitere Ermittlungen nicht festzustellen, daß das Einbauen und Befestigen der Faschinen im Erdreich durch Förderungsmaßnahmen nach den §§ 77 ff AFG überhaupt im Winter erleichtert werden kann. Diese Feststellung wäre aber erforderlich, weil die Baubetriebe-VO andernfalls nicht der gesetzlichen Ermächtigung (§ 76 Abs 2 AFG idF vor dem 5. ÄndG vom 23. Juli 1979 -BGBl I 1189-) entspräche, die die unmittelbare Förderungsfähigkeit des einzelnen Betriebs verlangt (vgl BSG SozR 4100 § 186a Nr 2). Der Faschinenbau ist aber förderungsfähig, wenn dazu auch die Herstellung und das Zurichten gehören. Denn diese Arbeiten können jedenfalls zum Teil vom Freien in geschlossene Räume verlegt werden. Sie können witterungsunabhängig gemacht werden. Dafür können Zuschüsse iS des § 77 Abs 2 AFG gewährt werden.
Die ermächtigungskonforme Auslegung des § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst c Baubetriebe-VO wird dadurch bestätigt, daß die VO in anderem Zusammenhang die Bauarbeiten regelmäßig nicht auf die unmittelbar am Bau durchgeführten Arbeiten beschränkt. Denn wenn diese Beschränkung gewollt ist, wird es ausdrücklich hervorgehoben (vgl § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b, h, j, k Baubetriebe-VO). Die Herstellung von Gegenständen, die später unmittelbar beim Bauen verwendet werden, gehören dann zu den förderungsfähigen Bauarbeiten, wenn sie überwiegend für den eigenen Bedarf angefertigt werden (§ 1 Abs 1 Nr 1 Buchst d und s Baubetriebe-VO).
Wollte man wie die Vorinstanzen die nicht unmittelbar am Bau ausgeführten Arbeiten ausklammern, würden die Betriebe von der Umlagepflicht freigestellt, die sich bereits durch eigene Initiative und ohne Förderung durch die Beklagte von Witterungseinflüssen unabhängig gemacht haben. Die Förderungsfähigkeit nach der Art der Arbeiten, die in diesen Fällen gegeben ist, muß aber zur Bildung der Solidargemeinschaft der förderungsfähigen und daher umlagepflichtigen Arbeitgeber des Baugewerbes ausreichen (vgl BSG SozR 4100 § 168a Nr 9). Die Heranziehung von Arbeitgebern, die gegenwärtig nicht förderungsfähig sind, weil sie sich selbst witterungsunabhängig gemacht haben, ist jedenfalls dann geboten, wenn nicht ausgeschlossen ist, daß sie oder ihre Arbeitnehmer in absehbarer Zeit Förderungsmittel in Anspruch nehmen können. So ist es hier. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Kläger in absehbarer Zeit Zuschüsse für Gegenstände in Anspruch nehmen kann, die in § 77 Abs 2 AFG aufgeführt sind. Als Beispiele sind hier ausdrücklich Winterbauhallen und Heizaggregate genannt, die der Kläger offenbar benötigt, um seinen Betrieb über den Winter voll aufrechterhalten zu können. Daß sich der Kläger diese Gegenstände ohne Mittel der Winterbauförderung beschafft hat, schließt die Förderung insoweit möglicherweise gegenwärtig, nicht aber bei späterem erneuten Bedarf aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen