Leitsatz (amtlich)
Das Recht, bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach Stellung des Antrages auf Versicherungspflicht Beiträge nur für jeden zweiten Monat zu entrichten (AVG § 127a Abs 2 = RVO § 1405a Abs 2), kann nicht mehr nach der Entrichtung der Beiträge ausgeübt werden.
Normenkette
AVG § 127a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1405a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; RVBeitrV 1969 § 2 Abs 2 Fassung: 1969-11-26
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.04.1979; Aktenzeichen L 1 An 140/78) |
SG Hannover (Entscheidung vom 21.06.1978; Aktenzeichen S 1 An 12/78) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der gemäß § 2 Abs 1 Nr 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) pflichtversicherte Kläger das Recht, bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach Stellung des Antrages auf Versicherungspflicht Beiträge nur für jeden zweiten Monat zu entrichten (§ 127a Abs 2 AVG), auch noch nach der Entrichtung der Beiträge ausüben darf.
Aufgrund seines im Jahre 1973 gestellten Antrags ist der Kläger ab Januar 1973 gemäß § 2 Abs 1 Nr 11 AVG pflichtversichert. Bis Dezember 1975 hat er - trotz Belehrung über das in § 127a Abs 2 AVG eingeräumte Recht - Beiträge für jeden Kalendermonat entrichtet. Für die erste Zeit hat er die Beiträge durch Einzelüberweisungen gezahlt. Später hat die Beklagte auf den vom Kläger am 5. Mai 1975 gestellten Formblattantrag die Beiträge ab August 1975 von einem Girokonto des Klägers bei der Stadtsparkasse Hannover abgebucht.
Mit seinem am 8. Oktober 1976 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 7. Oktober 1976 erklärte der Kläger, er wolle rückwirkend) für die ersten drei Jahre der Versicherungspflicht nur für die ersten drei Jahre der Versicherungspflicht nur für jeden zweiten Kalendermonat Beiträge entrichten und bitte um Anpassung der laufenden Beiträge sowie um Verrechnung des verbleibenden Guthabens mit den ab 1. Januar 1977 fällig werdenden Beiträgen. Mit Bescheid vom 4. April 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 1978 ließ die Beklagte noch die Beitragsentrichtung für jeden zweiten Kalendermonat des Jahres 1976 zu; insoweit sind die Bescheide auch nicht angefochten worden. Die rückwirkende Zulassung zur Entrichtung der Beiträge nur für jeden zweiten Kalendermonat und die Verrechnung von jeweils sechs Monatsbeiträgen für die Jahre 1973 bis 1975 auf die ab Januar 1977 fälligen Beiträge lehnte die Beklagte dagegen ab. Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Hannover vom 21. Juni 1978). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung durch Urteil vom 27. April 1979 mit der Begründung zurückgewiesen, die Vorschrift des § 127a Abs 2 AVG eröffne dem Versicherten nur das Recht auf künftige Gestaltung des Umfanges seiner Beitragsleistung. Daher sei die vom Kläger begehrte Verschiebung der Hälfte seiner für die Jahre 1973 bis 1975 geleisteten Monatsbeiträge und deren Verrechnung auf die ab Januar 1977 fälligen Beiträge nicht statthaft.
Gegen dieses Urteil richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision des Klägers. Dieser macht zur Begründung geltend, die vom LSG vertretene Rechtsauffassung entspreche nicht dem Gesetzeszweck des § 127a Abs 2 AVG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 27. April 1979, das Urteil des
SG Hannover sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. April 1977
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 1978
aufzuheben,
die Beklagte zu verurteilen, die vom Kläger für die Jahre 1973
bis 1975 entrichteten Beiträge so zu verbuchen, daß nur jeder
zweite Kalendermonat mit einem Betrag belegt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die vom Kläger begehrte Verschiebung der Hälfte der von ihm in den Jahren 1973 bis 1975 jeweils monatlich geleisteten Beiträge auf einen späteren Zeitraum nicht statthaft ist.
Nach § 127 iVm § 127a Abs 1 Satz 1 AVG sind Antrags-Pflichtversicherte iSd § 2 Abs 1 Nr 11 AVG verpflichtet, selbst die vollen Beiträge zu entrichten. Da die Rentenversicherungs-Beitragsentrichtungsverordnung (RV-BEVO) vom 21. Juni 1976 (BGBl I 1667) erst am 1. Januar 1977 in Kraft getreten ist, richtete sich die Beitragsentrichtung im Falle des Klägers noch nach der VO über die bargeldlose Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter und zur Rentenversicherung der Angestellten vom 26. November 1969 (BGBl I 2181), geändert durch VO vom 4. Dezember 1972 (BGBl I 2233). Nach § 2 Abs 2 Satz 3 dieser VO mußte der Versicherte sich zwischen der Überweisung oder der Teilnahme am Abbuchungsverfahren entscheiden. Im Abbuchungsverfahren zog der Versicherungsträger die Beiträge von einem Konto des Versicherten entsprechend dessen Angaben im Abbuchungsantrag ein. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger im Mai 1975 die Teilnahme am Abbuchungsverfahren beantragt; demgemäß hat die Beklagte die laufenden monatlichen Beiträge ab August 1975 vom Girokonto des Klägers bei der Stadtsparkasse Hannover abgebucht.
Anders als die RV-BEVO (vgl deren § 6 Nr 2) enthielt die VO vom 26. November 1969 keine Bestimmungen über den Zeitpunkt der Beitragsentrichtung im Falle der Abbuchung. Ob unter diesen Umständen - entsprechend den für den bargeldlosen Bankverkehr allgemein geltenden Grundsätzen - der Tag der Abbuchung (oder ggf der einer davon abweichenden Wertstellung) als Entrichtungstag in Betracht kam oder ob - als spätester möglicher Zeitpunkt - der Tag der Gutschrift auf dem Beitragskonto des Versicherten der rechtserhebliche Zeitpunkt der Zahlung und damit der Entrichtung iSd § 127 AVG war, hat der Senat offen gelassen. Denn im Falle des Klägers ist auch die Gutschrift der im Abbuchungsverfahren gezahlten Beiträge für die Jahre 1973 bis 1975 auf dem Beitragskonto des Klägers schon vor Ablauf des Jahres 1975 erfolgt. Damit sind die für die Jahre 1973 bis 1975 bestimmt gewesenen jeweils 12 Monatsbeiträge spätestens am 31. Dezember 1975 "entrichtet" gewesen.
Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits wiederholt und mit ausführlicher Begründung entschieden hat (vgl Urteil vom 14. Februar 1973 - 1 RA 267/71 -, BSGE 35, 178, 180 mwN), gestaltet ein wirksam entrichteter Beitrag das Versicherungsverhältnis unmittelbar und endgültig. Das BSG, insbesondere auch der erkennende Senat für den Bereich der Beitragsnachentrichtung (vgl Urteil vom 13. September 1979 - 12 RK 60/78 -, SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 30), hat diese Rechtsfolge aus dem Wesen des Versicherungsverhältnisses in der gesetzlichen Rentenversicherung hergeleitet, das grundsätzlich nachträglich nicht mehr geändert werden könne. Danach sind in der gesetzlichen Rentenversicherung die nachträgliche Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung bereits entrichteter Beiträge unzulässig (erkennender Senat aaO).
Dieser Grundsatz ist auch durch das den Antrags-Pflichtversicherten in § 127a Abs 2 AVG eingeräumte Recht der verminderten Beitragsleistung in den ersten drei Jahren nach Antragstellung nicht eingeschränkt worden. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. Danach "braucht" der Versicherte in dem genannten Zeitraum "Beiträge nur für jeden zweiten Monat zu entrichten". Die ihm damit für eine bestimmte Zeit eröffnete Möglichkeit, die Zahl der Beitragsmonate gegenüber den im Regelfall zu entrichtenden Beiträgen um die Hälfte zu verringern, betrifft den Umfang der Beitragsleistung; insofern findet sich auch in der Antrags-Pflichtversicherung ein der Beitragsleistung in der freiwilligen Rentenversicherung entsprechendes Gestaltungsrecht des Versicherten. Es liegt in seiner freien Entscheidung, ob er - innerhalb der in § 127a Abs 2 AVG bestimmten zeitlichen Grenzen - für jeden Monat oder nur für jeden zweiten Monat Beiträge entrichtet. Macht er von der Befugnis des § 127a Abs 2 AVG keinen Gebrauch und leistet er auch schon in den ersten Jahren des Versicherungsverhältnisses für jeden Monat Beiträge, so tritt auch für die über die Mindestzahl hinausgehenden Beiträge sofort mit der wirksamen Entrichtung die volle rechtsgestaltende Wirkung der Beitragsentrichtung ein, die der Versicherte - wie im Regelfall - auch hier nicht rückgängig machen kann.
Diesem Umstand hatte der Gesetzgeber bei der Regelung des bargeldlosen Entrichtungsverfahrens in der VO vom 26. November 1969 Rechnung getragen. Nach § 2 Abs 2 Satz 1 dieser VO mußte sich der Versicherte in dem Antrag auf Teilnahme am Abbuchungsverfahren verpflichten, Beiträge entweder jeden Monat oder jeden zweiten Monat zu entrichten. Diese Entscheidung hatte der Kläger nach der unwidersprochenen Feststellung des LSG getroffen. Er hatte von Anfang an monatlich Beiträge entrichtet und sich noch in seinem am 5. Mai 1975 bei der Beklagten eingegangenen Antrag zur monatlichen Entrichtung von Beiträgen verpflichtet. Wollte er erst nach dem Beginn des Abbuchungsverfahrens von der Vergünstigung des § 127a Abs 2 AVG Gebrauch machen, so mußte er seine Verpflichtungserklärung widerrufen (§ 2 Abs 2 Satz 2 der VO vom 26. November 1969). Einen solchen Widerruf hat der Kläger frühestens mit seinem Schreiben vom 7. Oktober 1976 erklärt. Da zu dieser Zeit die Beiträge für die Jahre 1973 bis 1975 bereits wirksam entrichtet waren, konnte sich der Widerruf nicht mehr auf die für diese jahre entrichteten Beiträge auswirken, unabhängig davon, in welcher Zahlungsart sie entrichtet worden waren.
Ob die Beklagte die Rechtslage für 1976 zutreffend beurteilt hat, war nicht zu entscheiden, da insoweit unter den Beteiligten kein Streit besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen