Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage des Umfangs der Rechtskraft im sozialgerichtlichen Verfahren (Anschluß BSG 1958-12-10 11/9 RV 1148/57 = BSGE 9, 17).
2. Die Verwaltungsbehörde ist durch ein rechtskräftiges Urteil, mit dem bei Anerkennung des Todes als Schädigungsfolge ein Sterbe- (Bestattungs-) Geld zuerkannt worden ist, nicht gehindert, die Frage des Ursachenzusammenhangs erneut zu prüfen, wenn nachträglich auch ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung geltend gemacht wird (Fortsetzung BSG 1959-07-15 9 RV 122/55 = BSGE 10, 167).
Normenkette
SGG § 141 Fassung: 1953-09-03; BVG § 36 Fassung: 1956-06-06, § 38 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 12. November 1958 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der frühere Ehemann der Klägerin, der Angestellte Michael B..., beantragte am 18. März 1947 bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse M... in N... ihm wegen der durch einen Flugzeugabsturz am 11. Dezember 1941 eingetretenen gesundheitlichen Schäden - Verlust des linken Oberschenkels und unverheilte Mittelfußknochenbrüche rechts - Rente zu gewähren. Mit vorläufigem Bescheid vom 25. September 1948 bewilligte ihm die Landesversicherungsanstalt O... in N... nach dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte vom 26. März 1947 (KBLG) wegen "Oberschenkelamputation links, Bruch des rechten Mittelfußknochens" eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. Im Oktober 1948 erkrankte B... und wurde in der Medizinischen Universitätsklinik E... bis zum 15. Dezember 1948 stationär behandelt; dabei wurde eine myeloische Leukämie diagnostiziert. Vom 22. September 1949 an befand er sich wiederum in stationärer Behandlung der Klinik und starb dort am 4. Dezember 1949 an der bereits festgestellten chronischen myeloischen Leukämie unter den Zeichen eines Myeloischenschubes.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 1950 erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) N... als Leistungsgrund nach dem KBLG "Verlust des linken Oberschenkels, mit Dislokation verheilter Bruch der Mittelfußknochen 2 und 3 rechts, oberflächliche Narben im Gesicht und an der linken Hand" bei dem Verstorbenen an und bewilligte für die Zeit von 1. Februar 1947 an bis zum Ablauf des Todesmonats (Dezember 1949) eine Rente nach einer MdE um 80 v.H.
Im Berufungsverfahren vor dem Oberversicherungsamt (OVA) N... machte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes auch das Todesleiden, die chronische myeloische Leukämie, als Schädigungsfolge geltend und begehrte statt der zuerkannten Rente nach einer MdE um 80 v.H. die Rente eines Erwerbsunfähigen für den infrage stehenden Zeitraum; gleichzeitig beantragte sie die Gewährung des Sterbegeldes. Mit Urteil vom 31. Juli 1951 wies das OVA die Berufung, soweit die Klägerin mit ihr die Erhöhung der Beschädigtenrente geltend gemacht hatte, zurück, es erklärte jedoch den Beklagten für verpflichtet, nach der Vorschrift des § 586 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit Art. 1 KBLG Sterbegeld an die Klägerin zu zahlen. Die myeloische Leukämie sei zwar nicht die Folge einer Schädigung; die Amputation des Oberschenkels bei dem Verstorbenen habe aber die Abwehrkraft des körperlichen Organismus derart geschwächt, daß die im Körper vorhandene Leukämie früher in Erscheinung getreten sei und deshalb mit Wahrscheinlichkeit der Tod um mindestens ein Jahr früher herbeigeführt worden sei. Den gegen dieses Urteil eingelegten Rekurs nahm der Beklagte zurück.
Bereits am 26. Oktober 1950, also vor Abschluß des Verfahrens vor dem OVA N..., hatte die Klägerin bei dem VersorgA Nürnberg die Gewährung von Witwenversorgung beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheiden vom 15. Januar 1952 sowohl nach dem KBLG als auch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) abgelehnt, weil ein ursächlicher Zusammenhang des durch chronische Leukämie bedingten Todes des Ehemannes der Klägerin mit seinen kriegsbedingten Verletzungen nicht wahrscheinlich sei. Die Berufung gegen diese Bescheide wurde durch einen Vergleich erledigt (16. Dezember 1952), wobei sich der Beklagte verpflichtete, im Hinblick auf das Urteil des OVA N... vom 31. Juli 1951 (über die Gewährung von Sterbegeld an die Klägerin) die Frage der Gewährung von Witwenrente erneut zu prüfen und einen neuen Bescheid zu erteilen. Dieser Bescheid erging am 21. Januar 1953. Mit ihm lehnte das VersorgA N... den Anspruch auf Witwenrente nach dem KBLG und dem BVG mit der in den Bescheiden vom 15. Januar 1952 enthaltenen Begründung wiederum ab; das Urteil des OVA vom 31. Juli 1951 stehe der ablehnenden Entscheidung nicht entgegen, da es hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung nicht bindend sei.
Die von der Klägerin zum OVA N... eingelegte Berufung gegen den Bescheid vom 21. Januar 1953 ist nach dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG) Nürnberg übergegangen. Dieses hat mit Urteil vom 20. Juli 1954 die Klage abgewiesen. Das OVA habe mit seinem - rechtswirksamen - Urteil vom 31. Juli 1951 zwar den Ursachenzusammenhang zwischen den Kriegsverletzungen des verstorbenen Ehemannes und der myeloischen Leukämie sowie dem Tod bejaht und deshalb das Sterbegeld gewährt. Bei der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Witwenrente bestehe jedoch keine Bindung an dieses Urteil; dieses sei nur hinsichtlich des zuerkannten Sterbegeldes bindend, so daß bei einem neuen Streitgegenstand, wie vorliegend der Witwenrente, die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen anerkannt gewesenen Schädigungsfolgen und Tod erneut zu prüfen sei. Diese Prüfung habe bei Würdigung der Beweisunterlagen ergeben, daß der vom Ehemann der Klägerin geleistete Wehrdienst ebensowenig wie seine Kriegsverletzungen auf die erst später eingetretene Entwicklung der Leukämie irgendeinen entscheidenden Einfluß gehabt, insbesondere den Ablauf der Leukämie beschleunigt und damit zu einem verfrühten Tod geführt habe. Ein Ursachenzusammenhang sei nicht wahrscheinlich, deshalb stehe Witwenrente nicht zu.
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin könne sich bei ihrem jetzigen Klagebegehren auf Gewährung von Witwenrente nicht - unter Hinweis auf § 141 Abs. 1 SGG - auf das Urteil des OVA vom 31. Juli 1951 berufen, auch wenn dort die Zusammenhangsfrage zu ihren Gunsten entschieden worden sei. Denn dort habe es sich lediglich um das Sterbegeld nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt, während vorliegend ein völlig anderer Anspruch, nämlich der auf Witwenrente, im Streit stehe. Nach § 141 Abs. 1 SGG erstrecke sich die Bindungswirkung rechtswirksamer Urteile nur soweit, als mit ihnen über den im Streit befindlichen Anspruch, den Streitgegenstand, entschieden worden sei. Das sei im Urteil des OVA vom 31. Juli 1951 allein das Sterbegeld gewesen, während Streitgegenstand im jetzt anhängigen Verfahren der selbständige Anspruch auf Witwenrente sei. Deshalb müsse sachlich geprüft werden, ob der Klägerin die Witwenrente zustehe. Diese Frage sei zu verneinen, weil nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Ursachenzusammenhang zwischen dem anerkannten Schädigungsleiden des verstorbenen Ehemannes oder sonstigen wehrdienstlichen Einflüssen mit der zum Tode führenden Leukämie nicht wahrscheinlich sei. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 12. November 1958 verkündete, am 30. Dezember 1958 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 17. Januar 1959 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 14. Januar 1959 Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 141 Abs.1 SGG und trägt vor, das Urteil des OVA Ni... vom 31. Juli 1951 binde den Beklagten nicht nur hinsichtlich des damals zuerkannten Sterbegeldes, sondern auch hinsichtlich der jetzt im Streit stehenden Witwenrente. Denn das OVA habe bei seiner Entscheidung über das Sterbegeld die Frage des Ursachenzusammenhangs zu ihren Gunsten entschieden; ebenso wie der Urteilstenor (das Sterbegeld betreffend) seien auch die Urteilsgründe (Bejahung der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs) "in Rechtskraft erwachsen".
Die Revision beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 12. November 1958 aufzuheben und der Klägerin aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes Michael B... die Witwenrente bis zum Zeitpunkt ihrer Wiederverheiratung (17. August 1954) zu gewähren, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Berufungsgerichts für zutreffend.
Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 14. Januar 1959 und den des Beklagten vom 18. März 1959 wird verwiesen.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist deshalb zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Das LSG hat die Berufung, deren Zulässigkeit als Voraussetzung der Rechtswirksamkeit des gesamten weiteren Verfahrens vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist (BSG 2, 225, 227; 3, 124, 126; 4, 70, 72), mit Recht als zulässig angesehen, obwohl die Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts bereits wieder verheiratet war und Witwenrente deshalb nur noch für die Zeit von der Antragstellung an bis zu ihrer Wiederverheiratung am 17. August 1954, also für einen bereits abgelaufenen Zeitraum, im Streit stand; denn das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil des SG Nürnberg ist am 20. Juli 1954 ergangen und am 12. August 1954 zugestellt worden. Es betrifft im Hinblick darauf, daß mit ihm über die geltend gemachte Witwenrente sowohl rückwirkend vom Tage der Antragstellung an als auch über ihre laufende Gewährung an die - noch nicht wiederverheiratete - Klägerin entschieden worden ist, nicht nur Versorgung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum im Sinne des § 148 Nr. 2 SGG idF vor dem 2. ÄndG zum SGG vom 25. Juni 1958 (§ 148 Nr. 2 SGG aF).
Dabei bestehen hier gegen die Anwendung des § 148 Nr. 2 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 2. ÄndG zum SGG am 1. Juli 1958 geltenden Fassung keine Bedenken, auch wenn das Urteil des LSG erst nach diesem Zeitpunkt, am 12. November 1958, ergangen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, sind die Vorschriften des SGG idF des 2. ÄndG zum SGG nämlich auf Prozeßhandlungen, die - wie im vorliegenden Fall die Berufung der Klägerin - vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen waren, nicht anwendbar (BSG im SozR SGG § 143 Bl. Da 2 Nr. 2 und 3). Das bedeutet, daß auf die Berufung der Klägerin der diese nicht ausschließende § 148 Nr. 2 SGG aF angewandt werden muß.
Das LSG hat jedoch entgegen der Auffassung der Revision die Vorschrift des § 141 Abs. 1 SGG nicht verletzt, wenn es die Entscheidung des OVA N... vom 31. Juli 1951 über das der Klägerin zu gewährende Sterbegeld nicht als rechtserheblich für den vorliegenden Rechtsstreit angesehen hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Entscheidung vom 31. Juli 1951 um diejenige eines Gerichts im Sinne des Grundgesetzes, also um ein der Rechtskraft fähiges Urteil, oder um diejenige eines besonderen Spruchkörpers der Verwaltung gehandelt hat; denn der Beklagte hat das damals nach altem Recht zulässige - und zunächst auch eingelegte - Rechtsmittel des Rekurses zurückgenommen und sich damit der für ihn bestehenden gesetzlichen Möglichkeit begeben, die Aufhebung der Entscheidung zu seinen Gunsten zu erlangen. Für solche Fälle gilt die Vorschrift des § 214 SGG, nach der Entscheidungen der Oberversicherungsämter im Land Bayern (und dem früheren Land Württemberg-Baden), die vor dem Inkrafttreten des SGG ergangen und unangefochten geblieben sind, nicht mehr angefochten werden können, d.h. rechtswirksam geworden sind (Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 1961 - 8 RV 225/59 -). Diese Rechtswirksamkeit ist der Rechtskraft eines Urteils im Sinne des § 141 SGG gleichzusetzen.
Nach § 141 Abs. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese den Inhalt der §§ 322 und 325 der Zivilprozeßordnung (ZPO) enthaltende Vorschrift schreibt damit die bindende Wirkung rechtskräftiger Urteile sowohl in personeller Hinsicht (gegenüber den Beteiligten und ihren Rechtsnachfolgern) als auch hinsichtlich des Gegenstandes (soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist) vor. Dabei deckt sich der Begriff des Streitgegenstandes mit dem des "erhobenen Anspruchs" im Sinne des § 322 ZPO (BSG 9, 17); denn auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist über die erhobenen Ansprüche zu entscheiden (§ 123 SGG); unverbindlich ist für die Gerichte lediglich die Fassung der gestellten Anträge. Das hat zur Folge, daß im sozialgerichtlichen Verfahren der Umfang der Rechtskraft eines Urteils nicht anders als im Zivilprozeß beurteilt werden kann (vgl. auch § 84 VGG: "Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten ... für den Streitgegenstand"), zumal der rechtskräftige Inhalt des Urteils nicht anders, insbesondere nicht weiter umschrieben ist als im Zivilprozeß (BSG 9, 17, 20). Daß dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ist aus der amtlichen Begründung zu § 89 des Entwurfs zum SGG (Bundestagsdrucks. Nr. 4357, 1, Wahlperiode, S. 30) ersichtlich: "Diese Vorschrift befaßt sich nur mit der materiellen Rechtskraft. Die Lehre von der materiellen Rechtskraft ist im Zivilprozeß erarbeitet worden. Die so gewonnenen Grundsätze können im wesentlichen übernommen werden ...". Danach war zu prüfen, inwieweit für den Zivilprozeß nach § 322 ZPO Urteile der Rechtskraft fähig sind. Diese Frage hat der 11. Senat des BSG in seinem Urteil vom 10. Dezember 1958 (BSG 9, 17) eingehend beantwortet. Entschieden ist nach § 322 ZPO nur insoweit, als "der in der Urteilsformel enthaltene Gedanke reicht" (Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 25. Aufl., Anm. 2 zu § 322). Deshalb ist die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Entscheidung nicht der Rechtskraft fähig, so daß das Maß der Zuerkennung oder Aberkennung des geltend gemachten Anspruchs grundsätzlich nur aus der Urteilsformel entnommen werden kann. Dem steht nicht entgegen, daß ggf. Gegenstand und Umfang der Rechtskraft durch Auslegung aus dem ganzen Urteil, also auch aus dem Tatbestand und aus den Gründen, ermittelt werden müssen (Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., S. 754); denn der Urteilstenor ist immer im Zusammenhang mit dem gesamten Urteil zu verstehen. Jedenfalls schließt die Tatsache, daß die in den Urteilsgründen enthaltenen bedingenden Rechtsverhältnisse, die Urteilselemente, grundsätzlich an der Rechtskraft nicht teilnehmen, nicht aus, daß die Fragen worüber in einem Urteil entschieden worden ist, was die Urteilsformel erfaßt und worauf sich die Rechtskraft erstreckt, aus dem gesamten Urteil zu beantworten sind. Aus allem ergibt sich, daß die Gründe eines Urteils für den Umfang seiner Rechtskraft nur bedeutsam sind, soweit sie von der Urteilsformel erfaßt werden. Das gilt, wie bereits dargelegt, wie für den Zivilprozeß auch für das sozialgerichtliche Verfahren, da die Übereinstimmung des § 141 Abs. 1 mit § 322 ZPO eine unterschiedliche Beurteilung des Umfangs der Rechtskraft nicht zuläßt (vgl. auch BSG 1, 52, 56; Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, 2. Aufl., Anm. 3b, bb zu § 141; Thannheiser/Wende/Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, 3. Aufl., Erl. zu § 141 SGG).
Im vorliegenden Falle ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß mit dem Urteil des OVA Ni... vom 31. Juli 1951 ausschließlich über die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Rentenerhöhung und Gewährung von Sterbegeld, nicht auch über die Gewährung von Witwenrente, entschieden worden ist. Das ergibt sich überdies aus dem Inhalt des Urteils und aus der Tatsache, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils ein Bescheid der Versorgungsverwaltung über den am 26. Oktober 1950 selbständig gestellten Antrag auf Gewährung von Witwenversorgung noch gar nicht ergangen war. Für den Umfang der Rechtskraft bzw. der Rechtswirksamkeit des Urteils des OVA sind die Urteilsgründe und die in ihnen enthaltenen Feststellungen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen deshalb nur bedeutsam, soweit sie von der Urteilsformel - Ablehnung einer höheren Rente und Gewährung eines Sterbegeldes - erfaßt sind. Hinsichtlich der nunmehr im Streit stehenden Witwenrente haben die Urteilsgründe dagegen keinerlei Bedeutung. Daran ändert nichts, daß der Anspruch auf Sterbegeld nach dem KBLG (und auf Bestattungsgeld nach dem BVG) auf dem gleichen Tatbestand beruht wie der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem KBLG und dem BVG, nämlich auf dem Tode des Beschädigten; denn es ist nicht zweifelhaft, daß es sich bei dem Anspruch auf Sterbe- (Bestattungs-)geld und dem auf Witwenrente um völlig verschiedene, selbständige und voneinander unabhängige materiell-rechtliche Ansprüche handelt, bei denen die Entscheidung über einen von ihnen auch keine Entscheidung über eine Vorfrage für den anderen darstellt (vgl. BSG 4, 191). Das ergibt sich nicht zuletzt schon aus den Nrn. 4 und 5 des § 9 BVG (und den Nrn. 5 und 6 des § 3 des Reichsversorgungsgesetzes - RVG -) - die Versorgung nach dem KBLG regelte sich im wesentlichen nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung -, wo Bestattungs- (Sterbe-)geld und Hinterbliebenenrente als voneinander unabhängige Ansprüche auf einzelne Versorgungsleistungen nebeneinanderstehen, als Ansprüche also, die ihrem Zweck nach, in den Voraussetzungen und - oft auch - nach dem berechtigten Personenkreis verschieden sind. Unbeachtlich sind dabei die übereinstimmenden Voraussetzungen für Bestattungs- (Sterbe-)geld und Hinterbliebenenrente (Tod als Folge einer Schädigung) sowie die in den §§ 36 und 38 BVG (§§ 34 und 36 RVG) übereinstimmend normierten Rechtsvermutungen. Sie sollten zwar regelmäßig für die Verwaltungsbehörde Veranlassung sein, den Ursachenzusammenhang zwischen Tod und Schädigung bei Entscheidungen über das Bestattungsgeld und über die Hinterbliebenenversorgung einheitlich zu beurteilen, eine dahingehende Bindung aber besteht nicht.
Nach allem sind die Gründe des Urteils des OVA Nürnberg vom 31. Juli 1951, mit denen im Hinblick auf den damals geltend gemachten Anspruch auf Sterbegeld (nach § 586 RVO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 KBLG) der Ursachenzusammenhang zwischen dem Tod des früheren Ehemannes der Klägerin und den anerkannt gewesenen Schädigungsfolgen bejaht worden ist, entgegen der Auffassung der Revision nicht dahingehend in Rechtskraft erwachsen und bindend geworden, daß sie den Beklagten daran gehindert hätten, die Frage des Ursachenzusammenhangs erneut zu überprüfen; die Rechtskraft dieses Urteils erstreckt sich, wie auch das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, allein auf den damals "erhobenen Anspruch" auf Gewährung eines Sterbegeldes. Deshalb kann der von der Revision vorgetragene Einwand der bereits rechtskräftig entschiedenen Sache keinen Erfolg haben.
Bei seiner vorstehend dargelegten Rechtsauffassung befindet sich der erkennende Senat insoweit in Übereinstimmung mit dem 9. Senat des BSG, als dieser mit Urteil vom 15. Juli 1959 (BSG 10, 167) entschieden hat, daß die Anerkennung des Todes als Folge einer Schädigung in einem Bescheid über das Bestattungsgeld für die Entscheidung über den Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht bindend ist. In dieser Entscheidung ist auch zutreffend ausgeführt, daß den Bescheiden der Verwaltungsbehörde - sowohl den vor als auch den nach Erlaß des SGG (§ 77) und des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (§ 24) ergangenen - eine der materiellen Rechtskraft von Urteilen entsprechende bindende Wirkung zukommt (vgl. auch BSG 3, 251, 254, 255; 5, 96, 98; 6, 283, 285). Schließlich stimmt die Rechtsauffassung des Senats auch mit der des Reichsversicherungsamts (RVA) und des RVG überein: Das RVA hat zum Verhältnis der Ansprüche auf Sterbegeld und auf Hinterbliebenenrente nach der Unfallversicherung entschieden, daß durch eine rechtskräftige Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs auf Sterbegeld der Entscheidung über den Rentenanspruch der Hinterbliebenen nicht vorgegriffen wird. Diese Entscheidung ist damit begründet, daß Sterbegeld und Hinterbliebenenrente ihrem Wesen nach voneinander verschiedene Ansprüche seien und daß deshalb für beide verschiedene materiell-rechtliche Voraussetzungen bestünden. Das RVG hat zu den §§ 34 und 36 RVG entschieden, daß die Anerkennung des Todes als Folge einer Dienstbeschädigung in einem Bescheid über Sterbegeld nicht bindend für die Entscheidung über den Anspruch auf Hinterbliebenenrente ist (RVG 7, 225).
Danach hat das LSG, nachdem es auch die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG zutreffend verneint hat - der frühere Ehemann der Klägerin ist nicht an seinen anerkannt gewesenen Schädigungsfolgen gestorben -, zur Frage der Gewährung von Witwenrente zu Recht geprüft, ob die Schädigungsleiden oder sonstige schädigende Einflüsse des Wehrdienstes für den Tod ursächlich gewesen sind. Es hat diese Frage verneint. Gegen die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin Revisionsrügen, insbesondere solche, die das Verfahren betreffen, nicht erhoben. Die Feststellungen sind deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG), so daß es einer Überprüfung der Sachentscheidung nicht bedurfte.
Der Revision war somit der Erfolg zu versagen, sie mußte als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen