Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Sozialhilfeträger keinen übergeleiteten Anspruch des Versorgungsberechtigten (BSHG § 90), sondern einen eigenen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend, so ist die Zulässigkeit der Berufung nach SGG § 149 und nicht nach SGG § 148 zu beurteilen (Ergänzung zu Urteil BSG vom 1971-09-21 8 RV 607/70 = SozR Nr 36 zu § 148 SGG).
2. Bei dem Anspruch auf Krankenbehandlung nach BVG § 10 Abs 3 ist von dem Krankheitsbegriff der RVO auszugehen.
3. Kommt aus medizinischen Gründen nur Krankenhausbehandlung in Betracht, so ist für eine Ermessensausübung der Versorgungsverwaltung nach BVG § 12 Abs 2 idF vor dem 3. NOG kein Raum.
4. Eine Zwangseinweisung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schließt die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung nicht aus.
Leitsatz (redaktionell)
Erstattungsanspruch zwischen Sozialhilfe- und Versorgungsträger: 1. Im öffentlichen Recht gilt ganz allgemein - auch ohne ausdrückliche Normierung im Gesetz - der Grundsatz, daß Leistungen , die ohne rechtlichen Grund bewirkt sind, von dem zu erstatten sind, der eigentlich zur Leistung verpflichtet war. Dabei ist dem Mangel des rechtlichen Grundes zur Leistung der spätere Wegfall des ursprünglich vorhandenen rechtlichen Grundes gleichzustellen. Die Anwendung dieses Grundsatzes ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen es sich um Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen handelt, sondern findet auch auf die Fälle Anwendung, in denen ein nichtverpflichteter Träger des öffentlichen Rechts eines berechtigten Dritten Leistungen gewährt hat. Es besteht kein Hinderungsgrund, diesen im öffentlichen Recht allgemein anerkannten Grundsatz auch auf den Erstattungsanspruch zwischen dem Fürsorgeträger und dem Versorgungsträger anzuwenden(vergleiche BSG 1968-12-11 10 RV 606/65 = BSGE 29, 44, 50).
2. Die Überleitungsanzeige iS des BSHG § 90 bedarf der Schriftform und muß deutlich den Willen des Fürsorgeverbandes erkennen lassen, daß ein bestimmter Anspruch übergeleitet werden soll. Ferner ist der Hilfeempfänger durch einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid von der Überleitung zu verständigen.
3. Der Grundsatz des BVG § 11 Abs 1 S 3, wonach Art und Umfang der Heilbehandlung sich mit den Leistungen decken, zu denen die KK ihren Mitgliedern verpflichtet ist, gilt auch für die Krankenbehandlung.
Der Begriff der Krankheit iS der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung ist mit dem Fortschreiten der medizinischen Erkenntnisse dauernden Wandlungen unterworfen. "Krankheit" ist ein objektiv faßbarer regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes oder beider zugleich, der von der Norm abweicht und der durch eine Heilbehandlung behoben, gelindert oder zumindest vor einer drohenden Verschlimmerung bewahrt werden kann. Behandlungsmaßnahmen, welche bei einer Geisteskrankheit Unruhe- oder Erregungszustände mindern oder eine Verschlimmerung verhüten können, gehören zur Krankenpflege im Sinne der RVO und damit zur Krankenbehandlung. Die Zwangseinweisung eines Geisteskranken steht der Annahme einer Krankheit nicht entgegen.
BVG § 12 Abs 2 (NOG 1. und 2.) - kein freies Ermessen der Versorgungsbehörde:
4. Nach BVG § 12 Abs 2 idF des NOG 1. und 2. "kann" anstelle der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung stationäre Behandlung in einem Krankenhaus ("Krankenhausbehandlung") gewährt werden. Bei dem der Verwaltung nach BVG § 12 Abs 2 eingeräumten Ermessen handelt es sich nicht um ein sogenanntes "freies Ermessen" (vergleiche BSG 1967-03-14 10 RV 504/66 = BSGE 26, 146).
Steht aus medizinischen Gründen fest, daß in einem bestimmten Fall nur Krankenhausbehandlung in Betracht kommen kann, so besteht für die Versorgungsbehörde keine Wahl, entweder ambulante Behandlung oder Krankenhausbehandlung zu gewähren die Versorgungsbehörde ist dann vielmehr verpflichtet, die nach Lage und Dinge einzig richtige Entscheidung zu treffen und Krankenhausbehandlung zu gewähren.
Die Rechtslage ist in Fällen dieser Art nicht wesentlich anders, als wenn ein Rechtsanspruch auf Krankenhausbehandlung bestehen würde (vgl BVG § 12 Abs 1 iVm § 11 Abs 1 Nr 4 idF des 3. NOG). Für ein Ermessen der Versorgungsverwaltung besteht insoweit kein Raum mehr (vergleiche BSG 1967-03-14 10 RV 504/66 = BSGE 26, 146; so auch BSG 1963-08-27 9 RV 590/60 = BSGE 19, 286).
Normenkette
BVG § 10 Abs. 3 Buchst. c Fassung: 1960-06-27, § 12 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Fassung: 1964-02-21, Abs. 1 Fassung: 1966-12-28, § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1966-12-28, S. 3 Fassung: 1966-12-28; BSHG § 90 Fassung: 1969-09-18; SGG § 148 Fassung: 1958-06-25, § 149 Fassung: 1958-06-25
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Juli 1970 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der im März 1937 geborene A St. bezog Waisenrente. Am 17. Mai 1963 wurde er durch das Amtsgericht Regensburg gemäß Art. 1 und 5 des Bayerischen Verwahrungsgesetzes (Gesetz über die Verwahrung geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- und alkoholsüchtiger Personen vom 30. April 1952, Bayer. GVBl 1952, 163) als "gemein- und selbstgefährlich geisteskrank" in die Heil- und Pflegeanstalt der Stadt R eingewiesen. Die Heilanstaltskosten wurden vom Kläger getragen. Durch Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) vom 8. Juni 1965 wurde St. vom 1. Juni 1963 an (Antragsmonat) Waisenrente nach Vollendung des 18. Lebensjahres gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wegen Gebrechlichkeit gewährt. Der Kläger leitete darauf durch schriftliche Anzeige vom 2. Juni 1965 den Anspruch des St. auf BVG-Waisenrente "in Höhe der Ausgleichsrente" auf sich über. Die Nachzahlung in Höhe von 1630,- DM wurde an den Kläger geleistet. Mit Schreiben vom 9. Juli 1965 beanspruchte der Kläger die Erstattung der vollen "bisher verauslagten Beträge", da St. Anspruch auf Krankenversorgung gemäß § 10 BVG habe. Das VersorgA holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M ein und lehnte die Erstattung der Kosten mit der Begründung ab, bei St. habe es sich um einen Verwahrfall und nicht um eine Krankheit i.S. der Reichsversicherungsordnung (RVO) gehandelt.
Der Kläger erhob am 30. Dezember 1966 Klage mit dem Antrag, ihm die für die Zeit vom 17. Mai 1963 bis 31. Mai 1965 aufgewendeten Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 10.732,- DM zu ersetzen. Das Sozialgericht (SG) hat ein Gutachten von Prof. Dr. P eingeholt und die Klage durch Urteil vom 1. Februar 1968 mit der Begründung abgewiesen, der Zweck der Unterbringung habe nicht in der Durchführung einer aussichtslosen Krankenbehandlung, sondern in der Wahrung öffentlicher Belange bestanden. Im Berufungsverfahren brachte der Kläger einen Behandlungsbericht des Nervenkrankenhauses R bei; die Krankengeschichte dieses Krankenhauses wurde beigezogen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers durch Urteil vom 16. Juli 1970 das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger die für den versorgungsberechtigten St. aufgewendeten Krankenhausbehandlungskosten für die Zeit vom 1. Juni 1963 bis zum 31. Mai 1965 zu ersetzen; im übrigen - d.h. für die Zeit vom 17. bis 31. Mai 1963 - hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Berufung sei gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, da keiner der in den §§ 144 bis 149 SGG genannten Berufungsausschließungsgründe vorliege. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei gegeben. Die Zulässigkeit des Klagebegehrens ergebe sich aus § 54 Abs. 5 SGG. Die Berufung sei im wesentlichen begründet. Der Kläger habe nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) für St. vorläufig Krankenbehandlungskosten aufgewendet, da dieser mittellos gewesen sei und nicht festgestanden habe, ob ein anderer Leistungspflichtiger vorhanden sei. Zur Tragung dieser Krankenbehandlungskosten sei jedoch der Beklagte verpflichtet. Dies ergebe sich daraus, daß St. Kriegshinterbliebener und seit dem 1. Juni 1963 wieder versorgungsberechtigt sei und somit Anspruch auf Krankenbehandlung gegen den Beklagten gemäß § 10 Abs. 3 Buchst. c BVG (idF des 1. und 2. NOG) habe. Die Schizophrenie des St. während des Zeitraumes seiner Unterbringung von Mai 1963 bis Mai 1965 sei eine Krankheit i.S. der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen. Die Tatsache, daß das Leiden des St. nicht heilbar und auch nicht besserungsfähig sei, schließe nicht ohne weiteres aus, daß ärztliche Behandlungsmaßnahmen notwendig oder angezeigt seien. Auch der Umstand, daß die Einweisung des St. in die Anstalt ganz überwiegend aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geboten gewesen sei, stehe einem versorgungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruch nicht entgegen. Behandlungsmaßnahmen, welche die Krankheitserscheinungen - etwa Unruhe -- und Erregungszustände - mindern oder Verschlimmerungen verhindern könnten, gehörten zur Krankenbehandlung i.S. des § 10 Abs. 3 BVG. Das Ziel der Behandlung sei die Vermeidung oder Beseitigung von Verschlechterungen des Zustandes gewesen. Daß die Behandlungen nicht sinnlos gewesen seien, werde dadurch bewiesen, daß St. zeitweise gelockerter und zugänglicher geworden sei. Die Vorschrift des § 216 Abs. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) über das Ruhen des Anspruchs auf Krankenhilfe bei Unterbringung zur dauernden Pflege in einer Anstalt gelte nur für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und sei auf das Versorgungsrecht nicht ohne weiteres anwendbar.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 19. August 1970 zugestellt, der dagegen am 27. August Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 19. November 1970 rechtzeitig begründet hat.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Juli 1970 - Nr. L 7/V 300/68 - aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
In seiner Revisionsbegründung rügt er die Verletzung der Vorschriften der §§ 12 Abs. 2, 14 Abs. 3 BVG - 1. NOG -, § 54 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er trägt dazu vor, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 11 ff BVG neben denen des § 10 BVG erfüllt sein müßten. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BVG - 1. NOG - könne der Beklagte anstelle der ambulanten ärztlichen Behandlung eine stationäre Behandlung in einem Krankenhaus gewähren. Diese Leistung habe also in der fraglichen Zeit im Ermessen des Beklagten gestanden; erst das 3. NOG habe einen Rechtsanspruch der Hinterbliebenen auf Krankenhausbehandlung gebracht. Der Prüfungsbefugnis des LSG seien daher durch § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG Grenzen gesetzt. Die Weigerung des Beklagten, die Unterbringungskosten zu erstatten, sei nicht ermessensfehlerhaft im Sinne dieser Vorschrift. § 12 Abs. 2 BVG - 1. und 2. NOG - lasse die Unterscheidung zwischen heilbehandlungsbedürftigen Gesundheitsstörungen einerseits und anstaltspflegebedürftigen Gesundheitsstörungen andererseits zu. Auch die Grenze zwischen Heilbehandlung einer Krankheit und Anstaltspflege habe der Beklagte nicht ermessensfehlerhaft gezogen. Es sei ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß im Rahmen einer Anstaltspflege mit absoluter Regelmäßigkeit auch ärztliche Maßnahmen zur Linderung der Beschwerden und zur Verhütung oder Verzögerung weiterer Leidensverschlimmerungen zu treffen seien. Nicht gefolgt werden könne der Feststellung des Berufungsgerichts, daß das BVG - anders als die RVO in § 216 Abs. 1 Nr. 4 - keine Bestimmung enthalte, welche den Anspruch auf Krankenbehandlung ausschließe, wenn der Kranke zur dauernden Pflege untergebracht sei, in deren Rahmen er auch Krankenbehandlung i.S. des § 182 RVO erhalte. Das Berufungsgericht habe auch übersehen, daß der von ihm zitierte § 216 Abs.1 Nr. 4 RVO auf die Krankenbehandlungsfälle des BVG entsprechend anzuwenden wäre, wenn nicht das BVG selbst eine entsprechende Regelung enthalten würde. Nach § 11 Abs. 1 letzter Satz BVG - 1. NOG - habe der Versorgungsträger für die Kosten der Heilbehandlung des Beschädigten in den Umfange aufzukommen, wie die gesetzliche Krankenkasse ihren Mitgliedern verpflichtet sei. Wenn der Versorgungsgesetzgeber dem Beschädigten Heilbehandlung einerseits und die Übernahme der Anstaltspflegekosten andererseits zugesprochen, für die Hinterbliebenen aber die Übernahme der Anstaltspflegekosten nicht vorgesehen und ihren der Heilbehandlung des Beschädigten entsprechenden Krankenbehandlungsanspruch noch mit einem wesentlich engeren Leistungskatalog ausgestattet habe, dann könne die analoge. Übernahme dieser Abgrenzung für die Hinterbliebenen-Krankenversorgung nach § 12 BVG - 1. NOG - nicht ermessensfehlerhaft i.S. des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sein.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Juli 1970 zurückzuweisen.
Er meint, die Entscheidungsgründe des LSG entsprächen in vollem Umfang der Rechtslage und verletzten keine Bestimmung des BVG in der jeweils geltenden Fassung. Im Falle der Kriegerwaise St. sei eine Krankenhausbehandlung in der Zeit bis Ende Mai 1965 notwendig gewesen. Für die spätere Zeit, in welcher es sich um einen Pflegefall gehandelt habe, werde gegen den Revisionskläger keine Forderung mehr geltend gemacht.
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist von dem Beklagten frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und somit zulässig. Die Revision ist jedoch sachlich unbegründet.
Das LSG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gem. § 51 SGG gegeben ist (vgl. BSG 29, 44). Der Klageforderung liegt ein Versorgungsanspruch des St. zugrunde. Dessen Anspruch auf Gewährung einer Waisenrente nach Vollendung des 18. Lebensjahres (vgl. § 45 Abs. 3 BVG) ist durch Bescheid des VersorgA vom 8. Juni 1965 mit Wirkung vom 1. Juni 1963 an anerkannt worden. Seither hat St. gem. § 10 Abs. 3 Buchst. c BVG idF des 1. NOG einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Der Streit der Beteiligten geht dahin, ob dieser Anspruch auf Krankenbehandlung auch die Krankenhausbehandlung in der Zeit vom 1. Juni 1963 bis 31. Mai 1965 umfaßt. Der Kläger, der die Kosten für diese Krankenhausbehandlung getragen hat, macht somit einen Anspruch aus der Übernahme einer Versorgungsverpflichtung geltend, die - wenn der Klagvortrag richtig ist - ursprünglich dem St. gegenüber bestand. Für diesen Anspruch, der seine Grundlage im materiellen Recht der Kriegsopferversorgung (KOV), nämlich im BVG hat, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (vgl. BSG aaO).
In Übereinstimmung mit dem LSG ist auch davon auszugehen, daß die Berufung des Beklagten zulässig gewesen ist. Der 8. Senat des BSG hat zwar in einem - scheinbar - gleichgelagerten Fall entschieden, daß bei einem Erstattungsanspruch zwischen dem Fürsorgeträger und der Versorgungsverwaltung die Berufung trotz Überschreitens des Beschwerdewertes von 500,- DM (vgl. § 149 SGG) ausgeschlossen ist, wenn ein "übergeleiteter Anspruch" nur Versorgung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum i.S. des § 148 Nr. 2 SGG betrifft (vgl. Urteil vom 21. September 1971 - 8 RV 607/70). Dieser Fall war jedoch dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger (Bezirksfürsorgeverband) lediglich einen Anspruch des Versorgungsberechtigten geltend machte, den er durch zwei Überleitungsanzeigen auf sich übergeleitet hatte, bei dem er also sowohl in materiell-rechtlicher als auch in prozessualer Hinsicht in die Gläubigerstellung des Anspruchsberechtigten eingetreten war. Der 8. Senat hat in dieser Entscheidung ausdrücklich die Frage offengelassen, ob anders zu entscheiden ist, wenn von dem Fürsorgeträger Ersatz- oder Erstattungsansprüche aus eigenem Recht geltend gemacht werden (vgl. BSG aaO; s. §§ 19, 20 BVG und § 59 Abs. 2 Satz 2 BSHG). So liegt der Fall aber hier. Durch Überleitungsanzeige vom 2. Juni 1965 hat der Kläger lediglich den Anspruch des St. "auf BVG-Waisenrente...in Höhe der Ausgleichsrente" auf sich übergeleitet. - Eine Überleitung der Grundrente kam gem. § 76 BSHG ohnehin nicht in Betracht. - Dieser Anspruch ist von dem Beklagten befriedigt worden und somit nicht mehr im Streit. Unabhängig davon hat der Kläger mit Schreiben vom 9. Juli 1965 die Erstattung der vollen bisher verauslagten Beträge verlangt. Dabei kann dahinstehen, ob eine "Überleitung" des Anspruchs auf Krankenbehandlung, bei dem es sich im Regelfalle um eine Sachleistung und um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, überhaupt rechtlich möglich ist (vgl. auch BVerwG 19, 198), denn jedenfalls hat der Kläger eine solche Überleitung nicht vorgenommen. Sie kann auch seinem Schreiben vom 9. Juli 1965, mit dem er um "Erstattung" der aufgewendeten Kosten gebeten hat, nicht entnommen werden. Die Überleitungsanzeige i.S. des § 90 BSHG bedarf nicht nur der Schriftform, sondern sie muß deutlich den Willen des Fürsorgeverbandes erkennen lassen, daß ein bestimmter Anspruch übergeleitet werden soll (vgl. Knopp-Fichtner, BSHG, 2. Aufl. 1971, § 90 Anm. IX; vgl. Urteil BGH vom 23. Februar 1955 in Verw. Rechtspr. Bd. 8 Nr. 24). Ferner ist der Hilfeempfänger durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid von der Überleitung zu verständigen (vgl. Gottschick-Giese, Das Bundessozialhilfegesetz, 4. Aufl. 1970, § 90 Anm. 11; Keese, Sozialhilferecht, 3. Aufl. 1969, § 90 Anm. 4; Fuchs, Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge, Siegburg 1963, S. 87). Auch dies trifft nach den Aktenunterlagen nur für die formelle Überleitungsanzeige vom 2. Juni 1965, nicht aber für das Schreiben vom 9. Juli 1965 zu. Ist aber eine Überleitung - der die Wirkung einer Abtretung kraft Verwaltungsakt bzw. kraft Verwaltungshandeln zukommt (vgl. BGHZ 20, 127; BVerwG 4, 215) -, insoweit nicht erfolgt, so ist der Kläger auch nicht in eine etwaige Gläubigerstellung des St. eingetreten. Der Kläger macht somit keinen Anspruch aus übergeleitetem, sondern aus eigenem Recht, nämlich - wie noch zu zeigen sein wird - einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend. Die Zulässigkeit der Berufung ist also nicht nach § 148, sondern nach § 149 SGG zu beurteilen. Danach ist die Berufung nicht zulässig bei Ersatz- und Erstattungsstreitigkeiten, wenn der Beschwerdewert 500,- DM nicht übersteigt. Dieser Betrag wird im vorliegenden Fall weit überschritten. Die Berufung ist also nicht nach §§ 148 oder 149 SGG ausgeschlossen gewesen. Auch sonstige Berufungsausschließungsgründe sind nicht ersichtlich; insbesondere ist die Berufung nicht nach § 144 SGG ausgeschlossen gewesen. Der Senat hat bereits entschieden, daß es sich bei § 149 SGG um eine eigene Regelung nur für die in dieser Vorschrift genannten Streitigkeiten handelt, die als lex specialis die Anwendung des § 144 SGG ausschließt (vgl. Urteil vom 9. Oktober 1969 - 10 RV 231/68; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 144 Anm. 1 und § 149 Anm. 1; BSG 3, 234; 6, 47, 50; s. auch BSG in SozR SGG Nr. 2 und Nr. 25 zu § 144; Urteil BSG vom 28. Januar 1972 - 5 RKn 51/70).
Die Zulässigkeit der Klageart ergibt sich aus § 54 Abs. 5 SGG. Danach kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Letzteres trifft hier zu, da sich die Beteiligten nicht in einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis i.S. der Über- und Unterordnung gegenüberstehen, sonder als gleichberechtigte Sozialleistungsträger, denen eine Hoheitsgewalt untereinander nicht zukommt (vgl. BSG 13, 94, 96). Eine ausdrückliche gesetzliche Anspruchsgrundlage, wie sie sich z.B. in den §§ 1531 ff RVO für die Beziehungen zwischen den Sozialhilfeträgern und den Sozialversicherungsträgern findet, ist allerdings nicht gegeben (vgl. auch § 81 b BVG). Der Rechtsanspruch des Klägers auf die begehrte Leistung ist aber als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch begründet. Wie der erkennende Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. BSG 29, 44, 50), gilt im öffentlichen Recht ganz allgemein - auch ohne ausdrückliche Normierung im Gesetz - der Grundsatz, daß Leistungen, die ohne rechtlichen Grund bewirkt sind, von dem zu erstatten sind, der eigentlich zur Leistung verpflichtet war. Dabei ist dem Mangel des rechtlichen Grundes zur Leistung der spätere Wegfall des ursprünglich vorhandenen rechtlichen Grundes gleichzustellen (vgl. Haueisen, Erstattungsansprüche im öffentlichen Recht, in NJW 1954, 977). Die Anwendung dieses Grundsatzes ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen es sich um Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen handelt, sondern findet auch auf Fälle der hier streitigen Art Anwendung, in denen ein nichtverpflichteter Träger des öffentlichen Rechts einem berechtigten Dritten Leistungen gewährt hat. Der erkennende Senat sieht keinen Hinderungsgrund, diesen im öffentlichen Recht allgemein anerkannten Grundsatz auch auf den Erstattungsanspruch zwischen dem Fürsorgeträger und dem Versorgungsträger anzuwenden (vgl. BSG aaO). Die Vorschrift des § 59 Abs. 2 Satz 2 BSHG, wonach "die verpflichtete Stelle die dem Träger der Sozialhilfe entstandenen Kosten zu erstatten" hat, steht zwar im Unterabschnitt 8 "Tuberkulosehilfe" und bezieht sich unmittelbar nur auf die Ausgaben bei Tuberkulosebehandlung. Diese Regelung ist jedoch Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, das sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Fürsorge- und Sozialhilfeleistungen ergibt, wonach der Sozialhilfeträger nur dann in Anspruch genommen bzw. nur dann endgültig mit den Kosten belastet bleiben soll, wenn ein anderer privater oder öffentlicher Leistungsträger nicht vorhanden ist (vgl. BSG aaO S. 51 mit weiteren Hinweisen).
Der Kläger hat dem St. nach den Vorschriften des BSHG (§§ 1, 2) vorläufig Krankenhilfe (vgl. § 37 BSHG) gewährt und Krankenhausbehandlungskosten aufgewendet, da St. mittellos war und zunächst nicht feststand, ob ein anderer als der Träger der Sozialhilfe zur Hilfe verpflichtet war. Diese Kosten kann er von dem Beklagten erstattet verlangen. Der Beklagte hat nämlich dem St. rückwirkend vom 1. Juni 1963 an Waisenrente gem. § 45 Abs. 3 BVG gewährt. Als versorgungsberechtigtem Hinterbliebenen stand St. damit gem. § 10 Abs. 3 Buchst. c BVG auch ein Anspruch auf Krankenbehandlung zu. Nach § 12 Abs. 1 BVG idF des 1. NOG umfaßt die Krankenbehandlung, die dem in § 10 Abs. 3 BVG genannten Personenkreis gewährt wird, "ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung". § 11 Abs. 1 BVG schreibt vor, daß die Heilbehandlung - für die Beschädigten selbst (vgl. § 10 Abs. 1 BVG) - "ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung" umfaßt. Ergänzend dazu bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG, daß sich Art und Umfang der Heilbehandlung mit den Leistungen decken, zu denen die Krankenkasse (§ 14 Abs. 2 BVG) ihren Mitgliedern gegenüber verpflichtet ist, sofern dieses Gesetz - das BVG - nichts anderes bestimmt. Diese Vorschrift bezieht sich zwar ihrem unmittelbaren Wortlaut nach nur auf die Heilbehandlung für Beschädigte. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum die ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung bei dem Personenkreis des § 10 Abs. 3 BVG anders abgegrenzt werden soll als bei den Beschädigten selbst. Die wörtliche Übernahme der Ziffer 1 des Leistungskatalogs für Beschädigte in dem Krankenbehandlungskatalog des § 12 BVG spricht vielmehr für die Absicht des Gesetzgebers, die Abgrenzung ganz allgemein nach den Leistungen der Krankenkasse vorzunehmen. Diese Absicht des Gesetzgebers wird durch die Neufassung bestätigt, die § 12 Abs. 1 BVG durch das 3. NOG erfahren hat. Danach gilt für die Krankenbehandlung § 11 Abs. 1 des Gesetzes mit Ausnahme der Nr. 3 - Versorgung mit Zahnersatz - entsprechend. In § 11 Abs. 1 BVG idF des 3. NOG ist aber hinsichtlich der Art und des Umfangs der Heilbehandlung wiederum auf die Leistungen der Krankenkasse verwiesen.
Decken sich aber Art und Umfang der Krankenbehandlung mit den Leistungen der Krankenkasse, dann ist es naheliegend und unbedenklich, auch hinsichtlich des Begriffs der Krankheit auf die einschlägigen Vorschriften des 2. Buches der RVO (Krankenversicherung) und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen. Die Verwaltungsvorschrift Nr. 4 bzw. 3 zu § 10 BVG (idF des 1. und 2. NOG), wonach Krankenbehandlung nur gewährt wird, wenn eine "Krankheit" i.S. der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegt, bestätigt diese Auffassung und steht insoweit mit dem Gesetz in Einklang. Die RVO enthält allerdings keine Legaldefinition des Begriffs "Krankheit". Rückschauend läßt sich lediglich feststellen, daß dieser Begriff nicht stets unverändert geblieben und im gleichen Sinne verstanden worden ist. Sein Inhalt ist vielmehr, wie das LSG zutreffend betont, mit dem Fortschreiten der medizinischen Erkenntnisse dauernden Wandlungen unterworfen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, S. 384 c). Daneben hat aber auch der Wandel der sozialen und gesellschaftlichen Anschauungen zu einem umfassenderen, tiefergehenden Verständnis des Krankheitsbegriffs geführt. Nach der ständigen Rechtsprechung des RVA war Krankheit i.S. des 2. Buches der RVO ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der eine Heilbehandlung erforderte oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte (vgl. BSG 13, 134, 136) und bei dem ohne die Fortdauer ärztlicher Behandlung oder arzneilicher Versorgung eine Besserung des Leidens ausgeschlossen oder dessen Verschlimmerung zu erwarten war (vgl. RVA, GE Nr. 2577 in AN 1920 S. 319). Bei körperlichen und geistigen Gebrechen hat das RVA die Heilbehandlung dann als erforderlich angesehen, wenn sich besondere Beschwerden oder Schmerzen einstellten oder die Gefahr einer wesentlichen Verschlimmerung des Zustandes drohte (vgl. GE Nr. 2140 in AN 1916 S. 341; Nr. 2577 in AN 1920 S. 319; Urteil RVA vom 24. Januar 1940 in EuM Bd. 46 S. 149). In der letztgenannten Entscheidung hat das RVA jedoch einschränkend ausgeführt, das kennzeichnende Unterscheidungsmerkmal der Krankheit i.S. des 2. Buches der RVO gegenüber der Krankheit im allgemein-medizinischen Sinne, insbesondere der krankhaften Anlage, sei die augenblickliche Behandlungsbedürftigkeit. Diese Auffassung ist jedoch von dem zuständigen 3. Senat des BSG schon in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1960 (BSG 13, 134) als zu eng angesehen worden. In weiteren Entscheidungen hat das BSG betont, daß der klassische Krankheitsbegriff auch bei Dauerleiden unverkürzt zur Geltung zu bringen ist und die Versuche zur Einschränkung dieses Begriffs mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen KrV unvereinbar sind (vgl. BSG 26, 240; 26, 285, 287; s. auch Krasney in Deutsche Rentenversicherung 1971 Folge 6 S. 325). In den Entscheidungen vom 18. Juni 1968 (BSG 28, 114) und vom 17. Oktober 1969 (SozR RVO Nr. 23 zu § 184) hat der 3. Senat des BSG ausgesprochen, daß als Krankheit ein objektiv fassbarer regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes oder beider zugleich anzusehen ist, der von der Norm abweicht und der durch eine Heilbehandlung behoben, gelindert oder zumindest vor einer drohenden Verschlimmerung bewahrt werden kann. Behandlungsmaßnahmen, welche die Krankheitserscheinungen, z.B. Unruhe- und Erregungszustände, mindern oder Verschlimmerungen verhindern können, gehören also zur Krankenpflege i.S. der RVO und damit auch zur Krankenbehandlung i.S. des § 10 Abs. 3 BVG.
Der Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf Spielmeyer ("Zum Krankheitsbegriff der Sozialversicherung" in Die Ortskrankenkasse 1971 Nr. 21/22 S. 836). Dieser Autor betont gerade die inhaltlichen Veränderungen des Begriffs "Krankheit" bzw. "regelwidriger Körper- oder Geisteszustand" und verweist mit Nachdruck darauf, daß die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft allen Gruppen der Bevölkerung ohne Unterschied ihrer sozialen oder wirtschaftlichen Lage in grundsätzlich gleicher Weise zugute kommen müssen, also auch den Sozialversicherten und - was ganz selbstverständlich ist - auch den Versorgungsberechtigten. Spielmeyer weist weiter darauf hin, daß bei einer Krankenbehandlung die Heilungs- oder Besserungsaussicht, aber auch die Verhütung einer Verschlimmerung oder - bei unheilbaren Leiden - die Linderung von Beschwerden nur hinreichend wahrscheinlich sein müsse, wobei eine "begründete Aussicht" auf Besserung genüge (vgl. BSG in SozR RVO Nr. 20 und 23 zu § 184). Die Beurteilung dieser Frage darf nach Auffassung des Senats auch nicht nachträglich, lediglich unter dem Gesichtspunkt der effektiven Wirksamkeit getroffen, sondern sie muß bereits bei Beginn der Behandlung und immer wieder im Verlaufe der Behandlung gestellt werden, wobei der objektive Maßstab eines verantwortungsbewußten Arztes unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft anzulegen ist. Dabei dürfen aber auch die sozialen und menschlichen Probleme nicht unberücksichtigt bleiben, die es verbieten, einen Kranken lediglich deshalb als Pflegefall anzusehen, weil die Behandlung langwierig und der Erfolg nicht "garantiert" ist.
Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, dann zeigt sich, daß bei St. jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Juni 1963 bis 31. Mai 1965 eine behandlungsbedürftige Krankheit vorgelegen hat. Nach den Feststellungen des LSG leidet St. an einer Geisteskrankheit, die zu unkontrollierten Handlungen, Aggressionen und Gewalttätigkeiten (vgl. Einweisungsbeschluß des AG Regensburg vom 18. Mai 1963) geführt hatte. Die Notwendigkeit der Krankenbehandlung für St., der bis dahin bei seiner Mutter gewohnt und auf deren landwirtschaftlichem Anwesen geholfen hatte, ergab sich daraus, daß die im Frühjahr 1963 verstärkt aufgetretene und in einer akuten Phase befindliche Psychose gebessert, Auswirkungen der Krankheit auf das Verhalten des Erkrankten zu seiner Umwelt in gewissem Sinne normalisiert und drohende Verschlimmerungen verhindert werden sollten. Das LSG hat sich für diese Feststellungen, die von dem Beklagten substantiiert nicht angegriffen und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), auf den ausführlichen Krankenbericht und die Krankengeschichte des Nervenkrankenhauses R stützen können. Prof. Dr. P hat im übrigen bestätigt, daß die Schockbehandlungen und medikamentösen Behandlungen durchgeführt wurden, um die Unruhe- und Erregungszustände zu dämpfen und Exazerbationen des Leidens günstig zu beeinflussen. Das aber reicht für die Annahme einer Krankenbehandlung aus.
Nach § 12 Abs. 2 BVG idF des 1. und 2. NOG, die auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind, "kann" anstelle der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung stationäre Behandlung in einem Krankenhaus ("Krankenhausbehandlung") gewährt werden. Nahezu gleichlautend bestimmt § 184 Abs. 1 RVO, daß die Kasse anstelle der Krankenpflege und des Krankengeldes Kur und Verpflegung in einem Krankenhaus gewähren "kann". Auf beiden Rechtsgebieten handelt es sich also um eine Kannleistung, die in das Ermessen des Versorgungs- bzw. Versicherungsträgers gestellt ist. Die Folgerungen, die der Beklagte aus dieser Kannbestimmung ziehen will, treffen allerdings nicht zu. Das Ermessen des Beklagten bezieht sich nicht etwa auf die nach rein medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage, ob eine Krankheit oder ein Pflegefall vorliegt, sondern allein auf die Frage, ob - bei Vorliegen einer Krankheit - ambulante ärztliche Behandlung oder ob - im Hinblick auf die Schwere oder die besondere Behandlungsbedürftigkeit der Krankheit - Krankenhausbehandlung zu gewähren ist. Bei dem der Verwaltung nach § 12 Abs. 2 insoweit eingeräumten Ermessen handelt es sich jedoch nicht um ein sogenanntes "freies Ermessen" (s. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14. März 1967 in BSG 26, 146). Die Versorgungsbehörde ist also nicht befugt, nach ihrem freien Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie Krankenhausbehandlung gewähren will oder nicht. Steht nämlich aus medizinischen Gründen fest, daß in einem bestimmten Fall nur Krankenhausbehandlung in Betracht kommen kann, so besteht für die Versorgungsbehörde keine Wahl, entweder ambulante Behandlung oder Krankenhausbehandlung zu gewähren; die Versorgungsbehörde ist dann vielmehr verpflichtet, die nach Lage der Dinge einzig richtige Entscheidung zu treffen und Krankenhausbehandlung zu gewähren. Die Rechtslage ist in Fällen dieser Art nicht wesentlich anders, als wenn ein Rechtsanspruch auf Krankenhausbehandlung bestehen würde (vgl. § 12 Abs. 1 iVm § 11 Abs. 1 Ziff. 4 BVG idF des 3. NOG). Für ein Ermessen der Versorgungsverwaltung besteht insoweit kein Raum mehr (vgl. BSG aaO; s. auch BSG 19, 286). Entsprechend hat auch der 3. Senat des BSG wiederholt ausgesprochen, daß der Versicherte einen "Anspruch" auf Krankenhausbehandlung hat, wenn Art und Schwere seiner Krankheit dies aus medizinischen Gründen erfordern. In einem solchen Falle darf die Krankenkasse die Krankenhauspflege nicht verweigern, ohne die Grenzen ihres Ermessens zu überschreiten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Anspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse auf richtigen Ermessensgebrauch verdichtet sich dann zu einem Anspruch auf die Leistung selbst, d.h. auf die Gewährung von Krankenhauspflege (vgl. BSG 9, 112, 124; SozR RVO Nr. 21, 27 und 28 zu § 184 mit zahlreichen Hinweisen; Urteil BSG vom 23. Juni 1971 - 3 RK 68/70 -). Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, daß hier nur eine Krankenhausbehandlung, nicht aber eine ambulante ärztliche Behandlung in Betracht kam. Das wird im übrigen durch den Einweisungsbeschluß des AG Regensburg und die langfristige stationäre Behandlung mit den dabei angewandten Elektroschock- und medikamentösen Kuren bestätigt. Kam aber nur eine Krankenhausbehandlung in Betracht, dann blieb hier für die Ausübung des Ermessens durch den Beklagten kein Raum und die Krankenhausbehandlung mußte anstelle der ambulanten ärztlichen Behandlung gewährt werden (vgl. BSG aaO).
Dieser "Anspruch" wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß St. aufgrund des Bayerischen Verwahrungsgesetzes in die Nervenklinik eingewiesen worden ist, wobei die sofortige Unterbringung des Betroffenen "aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" als zwingend notwendig angesehen wurde. Zunächst ist es für die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ohne Bedeutung, ob der Kranke aus eigenem Entschluß oder in bewußtlosem Zustand oder aufgrund einer Zwangseinweisung in das Krankenhaus eingeliefert wird. Zum anderen schließt eine Zwangseinweisung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung das Vorliegen einer Krankheit und die Leistungspflicht der Krankenkasse - bzw. der Versorgungsverwaltung - gerade nicht aus (vgl. BSG in SozR RVO Nr. 23 und 28 zu § 184; Urteil BSG vom 23. Juni 1971 aaO). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat der 1. Senat des BSG ausgesprochen (Urteil vom 9. August 1966 - 1 RA 271/62 -), daß der Geisteskranke, der die öffentliche Sicherheit oder Ordnung stört und deshalb überwiegend aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder im eigenen Interesse in eine Anstalt eingewiesen wird, nicht nur "Störer", sondern immer auch "Kranker" ist, der durch seine Erkrankung außerstande ist, sich in Freiheit geordnet am allgemeinen gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Entscheidung auch darin zu folgen ist, daß die Anstaltsunterbringung "niemals nur als Entfernung des Geisteskranken aus der Öffentlichkeit zu verstehen ist" (vgl. BSG aaO), denn jedenfalls sollte im vorliegenden Fall der Betroffene nicht nur zwangsasyliert sondern nach den Feststellungen des LSG der notwendigen Krankenbehandlung zugeführt werden, die im Hinblick auf die Schwere der Erkrankung und die erforderlichen Behandlungsmethoden nur in einem Krankenhaus durchgeführt werden konnte.
Der Hinweis des Beklagten auf § 216 Abs. 1 Nr. 4 RVO vermag gleichfalls zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Nach dieser Vorschrift ruht die Krankenhilfe für die in § 165 Abs.1 Nr. 3 und 4 - jetzt nur noch Nr. 3 - bezeichneten Versicherten - also Rentner - und deren anspruchsberechtigte Familienangehörige, solange sie in einer Anstalt dauernd zur Pflege untergebracht sind, in der sie im Rahmen ihrer gesamten Betreuung Krankenpflege erhalten. Diese Vorschrift geht zurück auf § 11 Abs. 1 der VO des RAM über die KrV der Rentner vom 4. November 1941 (RGBl I S. 689). Die Neuregelung bezweckte, Doppelleistungen zu verhindern und das Risiko der Rentner-KrV durch den Ausschluß der dauernd Pflegebedürftigen von der Leistungsberechtigung einzuengen, weil ohne eine solche Regelung eine KrV der Rentner zu den vorgesehenen niedrigen Beitragssätzen nicht möglich gewesen wäre (vgl. BSG in SozR RVO Nr. 1 zu § 216). Diese Regelung, durch die eine unzumutbare Belastung der Versichertengemeinschaft durch die KrV der Rentner vermieden werden sollte, kann also schon ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Grundgedanken nach nicht auf das ganz anders geartete Versorgungsrechtsverhältnis übertragen werden, ganz abgesehen davon, daß der Rentner i.S. der Sozialversicherung, also der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Versicherte, der ursprünglich überhaupt nicht Pflichtmitglied der gesetzlichen KrV war, nicht mit dem Rentenbezieher i.S. der KOV verglichen werden kann. Bei der Einfügung des § 216 Abs.1 Nr. 4 RVO durch das Gesetz über die KrV der Rentner vom 12. Juni 1956 (BGBl I S. 500) ist das Ruhen der Krankenhilfe ferner ausdrücklich auf die Fälle beschränkt worden, in denen der Rentner oder seine berechtigten Familienangehörigen "dauernd" und "zur Pflege" untergebracht sind, somit auf die "Dauerpflegefälle" (vgl. BSG aaO; s. auch Amtliche Begründung zu § 216 Abs. 1 Nr. 4 RVO, BT-Drucks. Nr. 1234, 2. Wahlperiode, S. 11). Ein Dauerpflegefall lag aber nach den Feststellungen des LSG für die hier streitige Zeit gerade nicht vor. Für die Zeit vor dem 1. Juni 1963, also vor dem Antragsmonat (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. Oktober 1969 - 10 RV 231/68 -), und für die Zeit nach dem 31. Mai 1965 besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.
Der Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger als Sozialhilfeträger die in der Zeit vom 1. Juni 1963 bis 31. Mai 1965 entstandenen Krankenhauskosten zu erstatten. Das LSG hat zu Recht ein Grundurteil (§ 130 iVm § 54 Abs. 5 SGG) erlassen, weil eine genaue Abrechnung zwischen den Beteiligten - unter Berücksichtigung der von dem Beklagten bereits gezahlten Ausgleichsrente - noch aussteht. Die Revision des Beklagten war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen