Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsanspruch für durch Schädigungsfolgen verursachte weitere Gesundheitsstörungen
Leitsatz (amtlich)
Haben anerkannte Schädigungsfolgen einen Unterkieferbruch und die Unbrauchbarkeit einer schädigungsunabhängigen Unterkieferprothese verursacht, dann besteht Anspruch auf Erstattung der zur Wiederherstellung der Kaufähigkeit für eine neue Prothese verauslagten Kosten in angemessenem Umfang - BVG § 10 Abs 1, § 11 Abs 1 Nr 4, § 18 Abs 1 - (Fortentwicklung von Versorgungsgericht Hamburg 1925-10-08 M Nr 1177/25 = RVGE 5, 143).
Leitsatz (redaktionell)
Heilbehandlung nach BVG § 10 Abs 1 wird Beschädigten nicht nur für anerkannte Schädigungsfolgen, sondern auch für Gesundheitsstörungen gewährt, die durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind.
Normenkette
BVG § 10 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1974-08-07, § 11 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1974-08-07, § 18 Abs. 1 Fassung: 1966-12-28
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. März 1977 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlicher Kosten auch des Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Bei dem am 11. Januar 1924 geborenen Kläger sind seit 1967 als Schädigungsfolgen anerkannt:
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1.) |
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Provozierte Epilepsie nach traumatischer Hirnschädigung und Schlafentzug mit Behinderung in der rechten Hand. |
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2.) |
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Einige Narben und Stecksplitter am linken Arm und am Schädel. |
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3.) |
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Verlust des 1. Zahnes oben rechts, des 1. und 2. Zahnes oben links und des 1. Zahnes unten rechts, Schiefstellung der Zähne 1 bis 3 unten links, |
hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen iS des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), zu 3.) mittelbar. Hierfür erhält der Kläger Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH.
Am 17. Juli 1974 erlitt der als Bundesbahnobersekretär beschäftigte Kläger morgens gegen 7.00 Uhr ohne vorherige Ankündigungszeichen - wie mehrfach vorher - erneut einen epileptischen Anfall und fiel auf die linke Gesichtshälfte. Hierbei kam es zu einer Unterkieferquerfraktur vor dem 38. Zahn, die operativ behandelt werden mußte. Ferner konnte er seit dem Unfalltage keine feste Kost mehr zu sich nehmen, weil seine Zahnprothese, die er schädigungsunabhängig getragen hatte, beschädigt und wegen der veränderten Kieferverhältnisse unbrauchbar war.
Der Kläger ließ sich bei dem Zahnarzt Dr. J. W in T entsprechend dessen Heil- und Kostenplan vom 6. September 1977 eine neue Unterkieferprothese fertigen, wozu zwei im Unterkiefer noch vorhandene Zähne behandelt und ein Zahn überkront werden mußten. Der Kläger bezahlte die Behandlungskosten von 1.576,60 DM und beantragte die Anerkennung des Unterkieferbruches links als mittelbare Schädigungsfolge sowie die Übernahme der Zahnersatzkosten. Der Versorgungs-Arzt Dr. H wertete die Unfallfolgen als mittelbare Schädigungsfolgen. Mit Bescheid vom 29. April 1975 lehnte das Versorgungsamt T den Kostenersatz für die Anfertigung der neuen Zahnprothese im Unterkiefer ab, "weil es sich bei dem Bruch der Prothese nicht um eine Heilmaßnahme handele, sondern um einen Sachschaden, der nach den Bestimmungen des BVG nicht realisiert werden könne". Die Gewährung von Heilbehandlung nach § 10 Abs 2 BVG sei ausgeschlossen, da das Einkommen des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt die Jahresarbeitsverdienstgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung überstiegen habe. Es gewährte dem Kläger jedoch einen anteilmäßigen Zuschuß für die Beschaffung eines Zahnersatzes in Höhe von 67,95 DM für den als Schädigungsfolge anerkannten Zahnverlust (Zahn 1 unten rechts).
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 1975). Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, den Zustand nach Unterkieferbruch links als mittelbare Schädigungsfolge anzuerkennen und dem Kläger die Gesamtkosten der Heilbehandlung in Höhe von 1.576,60 DM zu erstatten; es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 18. Juni 1976).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Bundesrepublik Deutschland beigeladen und zu der Frage, in welcher Weise die Unterkieferprothese infolge des Unfalls unbrauchbar geworden sei, die Auskunft des behandelnden Arztes erhalten, die Herstellung einer neuen Prothese sei nicht nur wegen der Beschädigung, sondern auch wegen der veränderten Kieferverhältnisse erforderlich gewesen.
Daraufhin hat das LSG das Urteil des SG abgeändert, indem es den Erstattungsbetrag um 67,95 DM (gewährter Zuschuß zum Zahnersatz) auf 1.508,65 DM gekürzt hat; im übrigen aber die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 29.3.1977). Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die angefertigte Unterkieferprothese rechtfertige sich aus § 10 Abs 1 BVG. Die Herstellung der neuen Prothese sei erforderlich gewesen, um die durch den schädigungsbedingten epileptischen Anfall entstandenen Gesundheitsstörungen zu beseitigen. Es sei unerheblich, ob die alte Prothese bei dem Sturz beschädigt worden sei. Maßgeblich sei allein, daß durch den schädigungsbedingten Unfall und Bruch des Unterkiefers die Kieferverhältnisse, insbesondere das Prothesenlager, eine derartige Veränderung erfahren hätten, daß die alte Prothese keine Verwendung mehr habe finden können. Es gehe daher nicht um die Erstattung der Kosten für die Wiederherstellung eines beschädigten oder verlorenen Körperersatzstückes, sondern um die Kosten für die Neuherstellung einer Zahnprothese, die aufgrund der durch den schädigungsbedingten Unfall geänderten körperlichen Verhältnisse notwendig geworden sei.
Mit der Revision rügt der Beklagte eine unzutreffende Auslegung des § 10 Abs 1 BVG durch das LSG. Der "Zustand nach Unterkieferbruch links" sei zwar als mittelbare Schädigungsfolge anerkannt worden. Auch hätten sich die Kieferverhältnisse derart verändert, daß die bisher getragene Prothese nicht mehr habe verwendet werden können. Dies ändere jedoch nichts daran, daß der schädigungsbedingte Unfall außer einem Körper- auch einen Sachschaden zur Folge gehabt habe, der bei einem nicht fest in den Körper eingefügten Körperersatzstück nach den Bestimmungen des BVG nicht entschädigt werden könne (vgl Reichsversorgungsgericht - RVG - Bd 5, S. 143 und Bayer. LSG, Urteil vom 29.4.1955 in BVBl 1956, S. 78). Die zitierte Rechtsprechung befriedige zwar im Ergebnis wenig, doch lasse sich eine andere Entscheidung nur begründen, wenn im Hinblick auf § 548 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine Gesetzeslücke angenommen oder die bisherige Unterscheidung zwischen Körper- und Sachschaden aufgegeben werde. Die Höhe der Heilbehandlungskosten sei unstreitig.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 18. Juni 1976 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. März 1977 insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als dem Kläger Kosten für Heilbehandlung zu erstatten sind.
Die Beigeladene weist darauf hin, daß Zahnersatz nur für die Behandlung von Schädigungsfolgen gewährt werden könne. Hier habe der Kläger die bisherige Prothese aber schädigungsunabhängig getragen. Die Epilepsie habe zwar zur Zerstörung der früheren Zahnprothese geführt. Hierbei handele es sich jedoch um einen Sachschaden, für dessen Ersatz im BVG keine Regelung vorgesehen sei.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich der Kläger im wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Berufungsurteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die Kosten der Neuanfertigung einer Zahnprothese zu erstatten sind. Anspruchsgrundlage ist nicht - wie die Vorinstanzen meinen - "§ 10 Abs 1 BVG", der allein den Anspruch auf Heilbehandlung regelt. Der im Streit stehende Erstattungsanspruch kann vielmehr nur aus § 18 Abs 1 BVG, -allerdings unter Beachtung der §§ 10 Abs 1, 11 Abs 1 Nr 4 BVG - hergeleitet werden. Danach sind dem Berechtigten die Kosten für eine notwendige Heilbehandlung, die er vor der Anerkennung selbst durchgeführt hat, in angemessenem Umfang zu erstatten. Kostenerstattung darf in der Regel nur in der Höhe der Kosten erfolgen, die bei Inanspruchnahme der Krankenkasse oder Verwaltungsbehörde entstanden wären. Aus der Bestimmung, daß Ersatz in angemessenem Umfang zu leisten ist, kann jedoch folgen, daß in besonderen Fällen sogar über diese Beträge hinausgegangen werden darf (vgl Wilke/Wunderlich, Komm zum BVG, 4. Aufl, Anm II zu § 18). Dies gilt auch, wenn eine Anerkennung nicht möglich ist, weil nach Abschluß der Heilbehandlung keine Gesundheitsstörung zurückgeblieben ist (§ 18 Abs 1 Satz 2).
Das LSG hat den Erstattungsanspruch im Grunde zu Recht bejaht. Denn die vom Kläger selbst durchgeführte Behandlung war eine vor der Anerkennung des Unterkieferbruches und der daraus resultierenden Kauunfähigkeit erfolgte notwendige Heilbehandlung iS von § 10 Abs 1 Satz 1 iVm § 11 Abs 1 Nr 4 BVG.
Nach § 10 Abs 1 Satz 1 BVG (idF der Bekanntmachung vom 20. Januar 1967 - BGBl I S. 141, ber. I S. 180 - zuletzt geändert durch das 6. Anpassungsgesetz - AnpG-KOV - vom 23. August 1974 - BGBl I S. 2069 -) wird Beschädigten Heilbehandlung nicht nür für anerkannte Schädigungsfolgen, sondern auch für Gesundheitsstörungen gewährt, die durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind. Sie kann nach § 10 Abs 8 BVG auch vor der Anerkennung eines Versorgungsanspruchs gewährt werden. Der Heilbehandlungsanspruch setzt somit voraus, daß eine Gesundheitsstörung des Klägers vorlag, die mit einer anerkannten Schädigungsfolge ursächlich verknüpft war. Dies trifft hier zu. Denn nach den für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) erlitt der Kläger infolge der Epilepsie (anerkannte Schädigungsfolge) den Unterkieferbruch links, mit Unbrauchbarkeit der Zahnprothese und Kauunfähigkeit.
Bei dem Unterkieferbruch mit Kauunfähigkeit handelte es sich um eine Gesundheitsstörung, zu deren Beseitigung oder Besserung Heilbehandlung iS von § 10 Abs 1 BVG ua auch durch Gewährung von Zahnersatz (§ 11 Abs 1 Nr 4 BVG erforderlich war. Unter dem Begriff "Gesundheitsstörung" ist der behandlungsbedürftige Zustand zu verstehen (vgl Begründung zum Entwurf eines 3. Neuordnungsgesetzes - NOG-KOV -, BR-Drucks 370/66 S. 23 und BT-Drucks V/1012, S. 23). Er ist dem Begriff der "Krankheit" iS der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzusetzen. Als Krankheit hat das Bundessozialgericht (BSG) einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand angesehen, der ärztlicher Behandlung bedarf (vgl BSGE 13, 134; 26, 240; 30, 151). Ein solcher Zustand liegt vor, wenn die Ausübung der körperlichen Funktionen eingeschränkt ist. Von der Funktionstauglichkeit her hat das BSG auch den Krankheitswert von Kiefer- und Zahnanomalien beurteilt und im Urteil vom 20. Oktober 1972 (BSGE 35, 10) das Behandlungsbedürfnis dann bejaht, wenn durch zahnärztliche Behandlung die Beeinträchtigung einer oder mehrerer Funktionen des Kiefer- oder Zahnsystems behoben werden kann. Demnach muß die bei dem Kläger eingetretene Kauunfähigkeit als Gesundheitsstörung angesehen werden, die zahnprothetische Behandlung erforderte.
Der Gewährung von Heilbehandlung durch Versorgung mit Zahnersatz steht nicht entgegen, daß es sich bei der Unbrauchbarkeit der früheren Prothese infolge ihrer Beschädigung und wegen der veränderten Kieferverhältnisse auch um einen Sachschaden handelte. Denn auch der Sachschaden hatte die Gesundheitsstörung der eingeschränkten Kaufähigkeit zur Folge, welche nach § 10 Abs 1 BVG den Heilbehandlungsanspruch auslöst. Die in § 1 Abs 1 BVG erfolgte Beschränkung der Entschädigung auf die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer gesundheitlichen Schädigung greift somit hier nicht ein.
Zwar hat das Reichsversorgungsgericht in seinem Urteil vom 8. Oktober 1925 (RVGE Bd 5, S. 143 f) entschieden, für die Beschädigung eines künstlichen Gebisses, das schädigungsunabhängig getragen und durch ein als Dienstbeschädigung anerkanntes Leiden (epileptischer Anfall) beschädigt wurde, könne nach dem RVG kein Ersatz beansprucht werden, weil ein künstliches Gebiß kein Bestandteil des menschlichen Körpers sei. Seine Beschädigung könne weder eine Körperverletzung noch eine Gesundheitsstörung oder eine gesundheitsschädigende Einwirkung iS des RVG sein. Etwas anderes könne nur gelten, wenn das Ersatzstück mehr oder weniger fest mit dem menschlichen Körper verbunden sei, wie etwa bei einem Stiftzahn, einem Ersatzstück des Schädelknochens oder dergleichen. In solchen Fällen werde mit der Beschädigung des Ersatzstückes in der Regel eine Körperverletzung verbunden sein. Die gleiche Auffassung hat das Bayerische LSG für den Fall vertreten, daß eine Zahnprothese durch unmittelbare Kriegseinwirkung verloren geht (vgl Urt v 29.4.1955 - KBa 10566/52 - in BVBl 1956 S. 78 f). Auch im Geltungsbereich des BVG sei an dem Standpunkt des Reichsversorgungsgerichts festzuhalten. Die angeführten Entscheidungen lassen jedoch unbeachtet, daß die Beschädigung bzw der Verlust der Zahnprothese über den bloßen Sachschaden hinaus die Gesundheitsstörung der Kauunfähigkeit zur Folge hatten. Dies hat das LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 12. Januar 1955(-KV 700/1964 - BVBl 1955, S. 63) im Ergebnis richtig erkannt, wenn es auf die zivilrechtliche Unterscheidung, ob es sich bei der Zahnprothese um einen Bestandteil des Körpers oder um eine selbständige Sache handelt, nicht abhebt, weil versorgungsrechtlich ausschlaggebend ist, daß der Verlust einer Zahnprothese ebenso wie der Verlust natürlicher Zähne eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes herbeiführt.
Für den Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 Abs 1 BVG ist allein wesentlich, ob durch ein schädigungsbedingtes Ereignis (Sturz infolge Epilepsie) letztlich eine Gesundheitsstörung (Kauunfähigkeit infolge Unbrauchbarkeit der Prothese) eingetreten ist. Hierbei ist auf das letzte Glied der Kausalkette abzustellen. § 10 Abs 1 BVG ist nicht zu entnehmen, daß die Kausalkette unterbrochen wird, wenn die Gesundheitsstörung durch die Beschädigung oder den Verlust eines Körperersatzstückes allein oder mitverursacht wird. Vergleicht man nämlich den Zustand vor dem schädigenden Ereignis mit dem Zustand danach, so zeigt sich, daß "die durch die Beschaffung eines künstlichen Gebisses beseitigte Versehrtheit des Körpers durch das Unbrauchbarwerden des Gebisses erneut in Erscheinung" tritt (vgl unveröffentlichte Entscheidung des RVG vom 20.10.1922 - M 17005/21 -, zitiert in RVGE Bd 5, S. 144). Aus diesem Grunde kommt es hier nicht entscheidend darauf an, ob die frühere Prothese schädigungsabhängig oder -unabhängig getragen wurde.
Das Abstellen auf die Gesundheitsstörung als letztes Glied der Kausalkette führt zwar bei der Heilbehandlung zu einer weitgehenden Gleichstellung von der Beschädigung von Körperersatzstücken mit Körperschäden. Dies widerspricht indes nicht dem Grundsatz, daß Versorgung nach den Vorschriften des BVG nur für Körperschäden gewährt wird. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen kann nämlich die Unterscheidung zwischen Körper- und Sachschäden nur beinhalten, solche Schäden unberücksichtigt zu lassen, die - wie etwa die normal beschaffene Bekleidung - in keinem Zusammenhang mit der körperlichen Unversehrtheit stehen. Hat jedoch die schädigungsbedingte Beschädigung eines Körperersatzstückes eine Gesundheitsstörung iS des § 10 Abs 1 BVG zur Folge, so steht nicht der Ersatz eines Sachschadens, sondern die Heilbehandlung zur Wiederherstellung der Gesundheit im Vordergrund.
Für eine weitgehende Gleichstellung des Zahnersatzes mit anderen Körperschäden spricht auch der Umstand, daß die Versorgung mit einer Zahnprothese einen Einfluß auf die Höhe der MdE haben kann. So hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. März 1965 (- 10/11 RV 36/63 - in VersBea 1965, S. 67 Nr 48) entschieden, daß es eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 62 BVG darstellt, wenn die verminderte Kaufähigkeit durch eine paßgerechte Prothese gebessert wird. Die Versorgung mit einer Zahnprothese bewirkt zwar keine Änderung der anerkannten Schädigungsfolgen (ungünstig verheilter Unterkieferschußbruch; MdE 40 vH), doch die MdE nimmt infolge Besserung der durch die Schädigungsfolgen hervorgerufenen Kauunfähigkeit ab. Da sich die MdE aber nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben richtet (§ 30 Abs 1 Satz 1 BVG), stellt die Unbrauchbarkeit einer Zahnprothese eine körperliche Beeinträchtigung dar. Es steht daher durchaus im Einklang mit dem begrenzten Entschädigungsgedanken des BVG, die schädigungsbedingte Beschädigung eines Körperersatzstücks versorgungsrechtlich dann zu berücksichtigen, wenn durch die Unbrauchbarkeit des Körperersatzstücks eine Gesundheitsstörung eingetreten ist.
Dieser Rechtsgedanke hat auch in § 548 Abs 2 der RVO Ausdruck gefunden. Danach steht die Beschädigung eines Körperersatzstücks oder eines größeren orthopädischen Hilfsmittels dem Körperschaden gleich. Hierbei handelt es sich zwar um eine Ausnahme von dem auch in der Unfallversicherung geltenden Grundsatz, daß nur Körperschäden zu entschädigen sind (vgl Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd I, 3. Aufl 1977, Anm 89 zu § 548). Aus dem Fehlen einer gleichlautenden Vorschrift im BVG kann jedoch nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe Versorgungsansprüche bei der Beschädigung von Körperersatzstücken ausschließen wollen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber eine dem § 548 Abs 2 RVO entsprechende Regelung geschaffen hätte. wenn er die aufgezeigte Problematik erkannt hätte (vgl hierzu Wilke/Wunderlich, Anm III zu § 1 BVG, der - im Gegensatz zu früher, vgl Anm zum Urt des LSG Rheinland-Pfalz vom 12.1.1955 in BVBl 1955, S. 63 - die zitierte Rechtsprechung des RVG und des Bayer. LSG ablehnt und die Auffassung vertritt, Körperersatzstücke und orthopädische Hilfsmittel seien zu erneuern). Ist nämlich der Anspruch auf Heilbehandlung an die Voraussetzung der Gesundheitsstörung geknüpft, so zeigt sich, daß die Einfügung einer entsprechenden Vorschrift nur zur Verdeutlichung, nicht aber zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke erforderlich gewesen wäre. Für diese Auffassung spricht auch, daß der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Unfallversicherungsrechts die Ausdehnung der Entschädigungspflicht auch auf orthopädische Hilfsmittel nicht lediglich mit Billigkeitserwägungen (wie in der amtl. Begründung zum 5. Unfallversicherungs-Änderungsgesetz vom 17.2.1939 - RGBl I, S. 267 - in AN 1939, S. 98), sondern mit dem Ausgleich gestörter Körperfunktionen begründet hat (vgl Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik - 20. Ausschuß - über den Entwurf eines UVNG, BT-Drucks IV/938 - neu -). Daß es sich bei Beschädigungen von Körperersatzstücken nicht nur um gewöhnliche Sachschäden iS der versorgungsrechtlichen Grundentscheidung handeln kann, ist auch § 86 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) iVm den hierzu ergangenen Richtlinien zu entnehmen. Danach setzt die Ersatzgewährung für Sachschäden voraus, daß der Sachschaden bei einem mit einer Körperbeschädigung verbundenen Unfall eingetreten ist. Einem solchen Körperschaden steht nach Auffassung der Beigeladenen die Beschädigung eines Körperersatzstückes gleich (vgl Nr 2 Abs 2 der zu § 86 SVG ergangenen Richtlinien vom 31.1.1972 - BAnz Nr 97 vom 26.5.1972).
Damit bestehen gegen die von den Vorinstanzen gefundene Lösung keine Bedenken. Ihr steht auch nicht entgegen, daß Zahnersatz nach § 18 c Abs 1 BVG grundsätzlich von der Verwaltungsbehörde gewährt wird und nach § 12 Abs 2 BVG Zuschüsse zu den notwendigen Kosten der Beschaffung von Zahnersatz den Berechtigten unter bestimmten Voraussetzungen gewährt werden.
Nach allem ist der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung nach § 18 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 und § 11 Abs 1 Nr 4 BVG gegeben. Er ist dem Kläger vom LSG auch der Höhe nach zutreffend zuerkannt worden, weil nach der ausdrücklichen Erklärung des Beklagten gegenüber dem erkennenden Senat hierüber kein Streit besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen