Orientierungssatz

Kostenersatz nach BVG § 19 - Anwendung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ersatz- und Erstattungsanspruchs - Heilbehandlungskosten vor Anerkennung:

1. Für die Kostenabwicklung in Fällen, in denen eine KK sowohl nach dem Recht der gesetzlichen KV (RVO § 182 Abs 1 Nr 1, Abs 2, § 184) als auch nach dem BVG (§ 18c Abs 2, § 10 Abs 2 und 3, § 11 Abs 1 Nr 5 in der hier maßgeblichen Fassung vom 1966-12-28) Krankenhauspflege gewährt hat, regelt sich die Rechtsbeziehung zwischen der KK und dem Träger der KOV nach BVG § 19. Diese Vorschrift betrifft sogar den Fall der Duplizität, nämlich einer stationären Behandlung wegen einer Schädigungsfolge und außerdem einer anderen - zweiten - Erkrankung. BVG § 19 normiert, abgesehen von der im gegenwärtigen Zusammenhang nicht eingreifenden Bestimmung des BVG § 20, den finanziellen Ausgleich zwischen den genannten Verwaltungsträgern abschließend und erschöpfend. Daneben ist für eine Anwendung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ersatz- und Erstattungsanspruchs kein Raum (Anschluß an BSG vom 1978-03-14 9 RV 16/77 = SozR 3100 § 19 Nr 6; vgl auch BSG vom 1978-09-06 10 RV 59/77).

2. Für Kosten der Heilbehandlung, die in der Zeit vor dem Wirksamwerden der Anerkennung erwachsen sind, hat der Versorgungsträger gegenüber der KK nicht aufzukommen (Festhaltung an BSG vom 1978-09-06 10 RV 59/77 = SozR 3100 § 19 Nr 7, BSG vom 1978-12-01 10 RV 59/78 und BSG vom 1974-04-05 9 RV 80/73 = USK 7447).

3. Die Vorschriften des RehaAnglG § 6 Abs 3 S 1 und SGB 1 § 43 Abs 3 stehen dieser Entscheidung nicht entgegen. Durch beide Gesetze ist BVG § 19 in dem hier für maßgebend erachteten Zusammenhang nicht berührt worden.

 

Normenkette

BVG § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Fassung: 1966-12-28, Abs. 3 S. 1; RVO § 184; BVG § 11 Abs. 1 Nr. 5 Fassung: 1966-12-28; RehaAnglG § 6 Abs. 3 S. 1; SGB 1 § 43 Abs. 3 Fassung: 1975-12-11

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 13.06.1978; Aktenzeichen S 46 V 368/77)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 1978 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die klagende Krankenkasse hatte dem Kriegsbeschädigten K. zuerst wegen Silikoseverdachts und dann zur Behandlung dieses Leidens Krankenhausbehandlung in der Zeit vom 17. September 1974 bis 4. Oktober 1974 gewährt. Das zuständige Versorgungsamt bewilligte dem Kriegsbeschädigten entsprechend seinem Antrag vom 4. Oktober 1974 wegen Silikotuberkulose die Beschädigtenversorgung rückwirkend zum 1. Oktober 1974 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vH. Die Versorgungsverwaltung übernahm für die Zeit vom 1. Oktober 1974 an die Kosten der stationären Behandlung, lehnte aber einen Aufwendungsersatz für die vorhergehende Zeit in Höhe von 2.089,50 DM ab.

Die Klage der Krankenkasse hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Seines Erachtens hat die Klägerin die von ihr erbrachte Leistung nicht ohne Rechtsgrund bewirkt. Sie habe als Trägerin der Krankenversicherung die ihr gegenüber ihrem Mitglied obliegende Aufgabe erfüllt. Ihrer Verpflichtung sei auch nicht die Verantwortlichkeit des Trägers der Kriegsopferversorgung vorangegangen. Dessen Leistungspflicht habe erst mit dem 1. Oktober 1974, dem Beginn des Monats, in dem der Versorgungsantrag gestellt worden sei, eingesetzt (§ 19 Abs 2 Satz 1, § 1 Abs 1, § 60 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz - BVG - idF des 3. NOG vom 28. Dezember 1966, BGBl I, 750). Zwar könne gemäß § 10 Abs 8 BVG Heil- oder Krankenhausbehandlung auch vor der Anerkennung eines Versorgungsanspruchs zugestanden werden, jedoch nicht vor Antragstellung.

Das SG hat die (Sprung-)Revision zugelassen. Die Klägerin hat das Rechtsmittel mit Zustimmung des Beklagten eingelegt. Sie meint, für Entstehung und Bestehen des Ersatzanspruchs könne es auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Versorgungsanspruchs nicht ankommen. Eine solche Gesetzesauslegung widerstreite dem Prinzip, daß der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Interesse einer raschen Krankenhilfe ohne zeitraubende Untersuchung der Zuständigkeitsfrage jedenfalls zunächst einmal mit seiner Leistung eintreten müsse. Dies beziehe sich insbesondere auch auf die Frage, ob der Verdacht auf ein Leiden, zumal ein Versorgungsleiden, begründet sei. Bestätige sich aber dieser Verdacht, dann stehe auch für die Vergangenheit die Leistungspflicht des Versorgungsträgers fest. Dieser Gedanke habe gesetzgeberisch in § 6 Abs 2 und 3 Rehabilitations-Angleichungsgesetz (RehaAnglG) und § 43 Abs 3 Sozialgesetzbuch (SGB 1) seinen Ausdruck gefunden.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 2.089,50 DM an die Klägerin zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene weist zusätzlich darauf hin, daß die bereits erwähnte Gesetzesbestimmung des § 10 Abs 8 BVG keine generelle Ausnahme von der Anspruchsvoraussetzung des Antrags enthalte.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Ersatzanspruch hat das SG in dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch gesehen, der im Sinne des sogenannten Abwälzungsanspruchs auf den Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung zwischen zwei Trägern der öffentlichen Verwaltung gerichtet ist (BSGE 16, 151, 156; 36, 43, 44; 39, 137, 138). Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Für die Kostenabwicklung in Fällen, in denen - wie hier - eine Krankenkasse sowohl nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 182 Abs 1 Nr 1, Abs 2, § 184 Reichsversicherungsordnung - RVO -) als auch nach dem BVG (§ 18 c Abs 2, § 10 Absätze 2 und 3, § 11 Abs 1 Nr 5 BVG in der hier maßgeblichen Fassung - aF - vom 28. Dezember 1966) Krankenhauspflege gewährt hat, regelt sich die Rechtsbeziehung zwischen der Krankenkasse und dem Träger der Kriegsopferversorgung nach § 19 BVG. Diese Vorschrift betrifft sogar den Fall der Duplizität, nämlich einer stationären Behandlung wegen einer Schädigungsfolge und außerdem einer anderen - zweiten - Erkrankung. § 19 BVG normiert, abgesehen von der im gegenwärtigen Zusammenhang nicht eingreifenden Bestimmung des § 20 BVG, den finanziellen Ausgleich zwischen den genannten Verwaltungsträgern abschließend und erschöpfend. Daneben ist für eine Anwendung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ersatz- und Erstattungsanspruchs kein Raum (BSG SozR 3100 § 19 Nr 6 S 16; vgl auch BSG Urteil vom 6. September 1978 - 10 RV 59/77 -, maschinenschriftl. Vervielfältigung S 8).

Die Krankenkasse hat Ersatz für solche Aufwendungen zu verlangen, welche durch Krankenhausbehandlung "anerkannter" Schädigungsfolgen entstanden sind (§ 19 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 BVG aF). Während des streitigen Zeitabschnitts - im September 1974 - und für ihn war das in Betracht kommende Leiden jedoch noch nicht als Schädigungsfolge bestätigt worden. Dies geschah erst später aufgrund des im Oktober 1974 gestellten Antrags auf Beschädigtenversorgung, und dann rückwirkend zum 1. Oktober (§ 60 Abs 1 und 2, § 1 Abs 1 BVG). Für diesen Fall ordnet § 19 Abs 2 Satz 1 BVG aF an, daß Ersatz erst nach der "Anerkennung" der Schädigungsfolge zu gewähren ist. Für Kosten der Heilbehandlung, die in der Zeit vor dem Wirksamwerden der Anerkennung erwachsen sind, hat der Versorgungsträger gegenüber der Krankenkasse nicht aufzukommen. Diese Gesetzesauslegung ist in den Urteilen des BSG vom 6. September 1978 - 10 RV 59/77 - und vom 1. Dezember 1978 - 10 RV 59/78 - (auch Urteil vom 5. April 1974 - 9 RV 80/73 = Versorgungsbeamter 1974, 107) eingehend erläutert worden. Auf diese Entscheidungen kann Bezug genommen werden; an der dort vertretenen Rechtsauffassung wird bei Beurteilung des gegenwärtigen Sachverhalts festgehalten, da der erkennende Senat keinen Anlaß zu Bedenken dagegen hat.

Gegenüber der klaren gesetzlichen Regelung hat die Erwägung zurückzutreten, daß dem Beschädigten selbst schon vor der Anerkennung des Versorgungsanspruchs, ja sogar schon vor dessen Anmeldung, Heilbehandlung unter Umständen zugebilligt werden kann (§ 10 Abs 8 BVG; BSGE 42, 135, 136). Das gleiche Entgegenkommen gilt jedoch nicht für den Ersatzanspruch der Krankenkasse gegen den Versorgungsträger; dieser Anspruch ist vielmehr durch die Zäsur des Anerkanntseins einer Schädigungsfolge gekennzeichnet. Dafür ist es auch belanglos, daß der allgemeine öffentlich-rechtliche Ersatzanspruch oder andere Ersatzforderungen in zeitlicher Hinsicht nicht ebenso von dem Antrag des Beschädigten und der verbindlichen Feststellung seiner Berechtigung abhängig sind (RehaAnglG 7. August 1974, § 6 Abs 3 Satz 1; SGB 1 § 43 Abs 3; BSGE 42, 136; außerdem: BSGE 39, 137, 139; SozR 3100 § 18 c Nr 3; Urteil vom 7. August 1975 - 10 RV 437/74; 31. Mai 1978 - 5 RKn 36/76). Insbesondere stehen die Vorschriften des § 6 Abs 3 Satz 1 RehaAnglG und des § 43 Abs 3 SGB 1 dieser Entscheidung nicht entgegen. Durch beide Gesetze ist § 19 BVG in dem hier für maßgebend erachteten Zusammenhang nicht berührt worden (dazu § 21 Nr 11 RehaAnglG und Art II § 1 Nr 11 SGB 1).

Hiernach erweist sich das angefochtene Urteil als zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653368

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