Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Der 1946 geborene Kläger, gelernter Bauschlosser, arbeitete von 1967 bis 1976 vorwiegend als Sanitäter. Ab Oktober 1976 besuchte er eine Lehranstalt für Massage und legte im September 1977 die Prüfung ab. Den Besuch der Schule förderte die Beklagte durch Unterhaltsgeld (Uhg) und notwendige Kosten.
Den im November 1977 gestellten Antrag des Klägers, auch das am 1. Oktober 1977 begonnene 1 1/2-jährige Praktikum zu fördern, lehnte die Beklagte ab; es sei nicht Bestandteil der Maßnahme und daher nicht zu fördern (Bescheid vom 17. November 1977, Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1978).
Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 7. Februar 1979); auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil abgeändert, die ergangenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger auch für die Teilnahme an dem im Rahmen seiner Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister vorgeschriebenen Praktikum Förderungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 22. Oktober 1979). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, Maßnahmen der beruflichen Umschulung seien erst abgeschlossen, wenn sie zu einem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf geführt hätten. Zur Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister gehöre Lehrgang, die den Lehrgang abschließende Prüfung und das nachfolgende Praktikum; denn vor Ableistung des Praktikums dürfe der erstrebte Beruf auch nicht als Hilfskraft ausgeübt werden. Lehrgang, Prüfung und Nachpraktikum seien nach dem Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten (vom 21. Dezember 1958 BGBl I 985 -MassG-) zu einem einheitlichen Bildungsgang verbunden. Während des 1 1/2-jährigen Praktikums erhalte der angehende Praktikant nicht nur 150 Stunden Unterricht, sondern stehe unter Aufsicht von qualifizierten Masseuren und Ärzten in einer zur Annahme von Praktikanten besonders ermächtigten Anstalt. Der § 34 Abs. 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975, BGBl I 3113 -AFG-) stehe der Förderung nicht entgegen. Die Vorschrift spreche nur von Beschäftigungszeiten, die nach Abschluß der Bildungsmaßnahme für die staatliche Anerkennung oder Erlaubnis erforderlich seien, mithin nicht von Zeiten, die, wie das Praktikum beim Masseur und medizinischen Bademeister durch praktische und in gewissem Umfange auch theoretische Unterweisung geprägt seien.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG und bringt hierzu insbesondere vor: Seit Inkrafttreten des AFG sei ein Nachpraktikum als Beginn der Berufsausübung gewertet worden, wenn das Praktikum nur dem Erwerb der staatlichen Anerkennung oder der Erlaubnis zur eigenverantwortlichen Ausübung des Berufes diene. Nachdem der erkennende Senat bezweifelt habe, ob eine entsprechende Anordnungsregelung mit dem Gesetz vereinbar sei (SozR 4100 § 47 Nr. 12), sei die evtl. erforderliche Absicherung durch die Einfügung des § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG vorgenommen worden. Es sei die erklärte Absicht des Gesetzgebers gewesen, unter Aufsicht ausgeübte Berufspraxis von der Förderung auszuschließen, bei der theoretisches Wissen nur in geringerem Umfange vermittelt werde. Daß während des Praktikums kein hoher Lohn gezahlt werde, begründe keine von der Beklagten zu fördernde Bildungsmaßnahme. Die Höhe der Entlohnung sei Angelegenheit der Tarifpartner bzw. der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; die in Frage kommenden Träger seien gesetzlich verpflichtet, eine angemessene Vergütung zu gewähren (§§ 10, 19 Berufsbildungsgesetz).
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er macht geltend, eine Berufsausübung sei ohne das Praktikum nicht möglich. Es schaffe erst die theoretischen und praktischen Voraussetzungen, den Beruf auszuüben, und diene daher nicht dazu, vorhandenes Können darzutun.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Von der Zulässigkeit der Berufung, die das Revisionsgericht bei einer zugelassenen Revision als eine von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzung zu prüfen hat (vgl. für viele BSG SozR 1500 § 150 Nrn. 11 und 18 m.w.N.), ist das LSG zu Recht ausgegangen, soweit der Kläger Uhg begehrt; insoweit greift keiner der Gründe ein, die nach den §§ 144, 147 SGG die Berufung ausschließen. Zu Unrecht hat das LSG der Berufung insoweit stattgegeben; der Kläger hat keinen Anspruch auf Uhg für die Zeit des Praktikums.
Voraussetzung für die Gewährung von Uhg ist gem. §§ 41, 44 Abs. 1 AFG bzw. §§ 47 Abs. 1, 44 Abs. 1 AFG die Teilnahme an einer beruflichen Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme. Der § 34 Abs. 2 Satz 1 AFG bestimmt, daß Zeiten eines Vor- oder Zwischenpraktikums, deren Dauer und Inhalt in Ausbildungs- oder Prüfungsbestimmungen festgelegt sind, Bestandteil der beruflichen Bildungsmaßnahmen sind. Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG sind hingegen Zeiten einer der beruflichen Bildungsmaßnahme folgenden Beschäftigung, die der Erlangung der staatlichen Anerkennung oder der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung des Berufes dienen, nicht Bestandteil der Maßnahme. Diese Regelung trifft nach ihrem Wortlaut, der begrifflichen Gesetzessystematik sowie nach dem Zweck, den der Gesetzgeber mit ihr verfolgt, auf das Praktikum, dessen Förderung der Kläger begehrt, zu.
Gem. § 1 MassG benötigt der Kläger für eine Tätigkeit unter der Bezeichnung "Masseur und medizinischer Bademeister" einer Erlaubnis. Diese wird nur erteilt, wenn der Kläger an einem Lehrgang teilgenommen, die Prüfung bestanden und danach eine praktische Tätigkeit abgeleistet hat (§ 2 Abs. 1 und 2 MassG). Die praktische Tätigkeit dient also der Erlangung der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung des Berufes unter der Bezeichnung "Masseur und medizinischer Bademeister" und ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG nicht Bestandteil der beruflichen Bildungsmaßnahme.
Das entspricht auch der begrifflichen Systematik des Gesetzes. Gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 AFG erstreckt sich die Förderung der Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen auf Maßnahmen mit Vollzeitunterricht, Teilzeitunterricht und Fernunterricht, d.h., die Maßnahme muß ihr Gepräge durch die Vermittlung theoretischer Kenntnisse und praktischer Unterweisung durch Lehrkräfte erhalten (BSG SozR 4100 § 47 Nr. 12). Ein Praktikum hingegen dient der Sammlung praktischer Erfahrungen. Deshalb ist es in das begriffliche System nur als Ausnahme einzuordnen, wie das auch in § 34 Abs. 2 Satz 1 AFG hinsichtlich des Vor- und Zwischenpraktikums geschehen ist. Darüber hinaus wird in § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG unterstrichen, daß diese Ausnahme nicht für Zeiten einer der beruflichen Bildungsmaßnahme folgenden Beschäftigung gilt, die der Erlangung der staatlichen Anerkennung oder der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung des Berufes dienen.
Daß nur diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, folgt aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens. Der Entwurf der Bundesregierung des § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG lautete: "Zeiten einer der beruflichen Bildungsmaßnahme folgenden Beschäftigung, die der Erlangung der staatlichen Anerkennung des Berufes dienen, sind nicht Bestandteile der Maßnahme". Damit sollte klargestellt werden, daß Anerkennungspraktika nicht zu den Bildungsmaßnahmen gehören (BT-Drucks. 7/4127 S 48). Ihre jetzige Fassung erhielt die Vorschrift auf Vorschlag des Haushaltsausschusses (BT-Drucks. 7/4224 S 31) durch die Einfügung der Worte "oder der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung". Diese Fassung diente nach dem Bericht der Abgeordneten Dr. von Bülow und Schröder (Lüneburg) der Klarstellung, daß alle Nachpraktika, gleich unter welcher Bezeichnung sie ausgeübt würden, von der Förderung ausgeschlossen seien (BT-Drucks. 7/4243 S. 8). Aus diesen Gründen kann der Senat der Auffassung, Beschäftigungszeiten, die einer Anerkennung dienten, seien mit einem Nachpraktikum nicht identisch (vgl. Gagel/Jülilicher, Kommentar zum AFG, § 34 RdNrn. 11 und 12), nicht folgen. Schließlich spricht auch der Umstand, daß der Senat in seinen Urteilen vom 3. Juni 1975 (7 RAr 56/73 und 7 RAr 141/74, letzteres veröffentlicht in SozR 4100 § 47 Nr. 12) nach der damals geltenden Rechtslage entschieden hat, auch Nachpraktika seien zu fördern, wenn ohne sie das Maßnahmeziel nicht erreicht werden könne, für die vorstehende Ansicht. Der Senat hatte in diesen Urteilen ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob § 6 Abs. 3 Satz 2 der Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) vom 9. September 1971 (ANBA 1971, 797), der wörtlich mit dem jetzigen § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG übereinstimmte, mit dem Gesetz konform gehe. Offenbar um entsprechende Bedenken auszuräumen, ist dann die Vorschrift in das Gesetz aufgenommen worden (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 34 Anm. 11, Stand August 1976; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 34 Anm. 5, Stand Februar 1983).
Der § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG läßt sich auch nicht dahin auslegen, daß er für Maßnahmen der beruflichen Umschulung keine Anwendung findet. Nach § 47 Abs. 1 AFG fördert die Bundesanstalt für Arbeit die Teilnahme von Arbeitsuchenden an Maßnahmen, die das Ziel haben, den Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit zu sichern oder zu verbessern. In den Fällen, in denen das Nachpraktikum erforderlich ist, um die staatliche Anerkennung oder Erlaubnis zur Ausübung des Berufes zu erlangen, führen Lehrgang und Prüfung allein noch nicht zu einem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf. Damit kann also das vom Gesetz gesteckte Ziel nicht erreicht werden, so daß nach dem Sinngehalt von § 47 Abs. 1 AFG das Nachpraktikum zu fördern wäre. Dem steht jedoch entgegen, daß die Frage, welche Teile eines Bildungsganges Bestandteil der beruflichen Bildungsmaßnahme sind, einheitlich für die verschiedenen Arten der beruflichen Bildung gelten. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber dies zu erkennen gegeben, zumal davon ausgegangen werden muß, daß ihm die Rechtsprechung des Senats, nach der das Nachpraktikum in die Förderung einzubeziehen war, bekannt gewesen ist und diese Urteile Maßnahmen der Umschulung betrafen. § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG ist daher nur so zu verstehen, daß Nachpraktika, die der Erlangung der staatlichen Anerkennung oder der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung des Berufes dienen, nicht förderungsfähige Bestandteile der Maßnahme sein sollen; dies gilt vor allem für Nachpraktika, die der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung des Berufes unter einer bestimmten Bezeichnung dienen. Die vorhergehenden Bildungsteile wollte der Gesetzgeber allerdings nicht von der Förderung ausschließen. Folgerichtig ist deshalb in § 2 Abs. 2 Satz 2 AFuU vom 23. März 1976 (ANBA 1976, 559) klargestellt worden, daß eine Bildungsmaßnahme auch dann den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit ermöglicht, wenn diese erst nach Ablauf einer der Maßnahme folgenden Beschäftigung i.S. des § 34 Abs. 2 AFG aufgenommen werden kann. Es kommt daher nicht darauf an, ob, wie die Beklagte und das LSG angenommen haben, die Bildungsmaßnahme für den Kläger eine Umschulung darstellte.
Diese Regelung ist, soweit sie für den vorliegenden Fall in Betracht kommt, nach der auf Vorlagebeschluß des Senats vom 17. Juli 1980 - 7 RAr 78/79 - ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1982 - 1 BvL 39/80 -, verfassungsgemäß. Hiernach hat die Beklagte zu Recht die Gewährung von Uhg abgelehnt, so daß die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG insoweit ohne Erfolg bleiben muß.
Begründet ist die Revision ferner, soweit das LSG die Beklagte dem Grunde nach verurteilt hat, die notwendigen Kosten des Praktikums zu tragen.
Ob und inwieweit die Berufung, die das SG nicht zugelassen hat, diesbezüglich den Berufungsausschlüssen des § 144 Abs. 1 SGG unterfällt, bleibt offen. Die Verpflichtung der Beklagten gem. § 45 AFG die notwendigen Kosten, die durch eine zu fördernde Bildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, ganz oder teilweise zu tragen, betrifft, wie der Senat wiederholt entschieden hat, keinen einheitlichen Anspruch, der von den einzelnen Kostengründen her nur der Höhe nach bestimmt wird; vielmehr sind in § 45 AFG eine Reihe einzelner Ansprüche zusammengefaßt geregelt, die sowohl gegenüber den jeweils anderen Ansprüchen im Rahmen des § 45 AFG als auch gegenüber sonstigen Ansprüchen im Rahmen der Förderung der beruflichen Bildung (z.B. gegenüber dem Unterhaltsgeldanspruch) selbständigen Charakter haben (BSGE 39, 119, 120 = SozR 4100 § 45 Nr. 4; SozR 1500 § 144 Nr. 16 und § 162 Nr. 4). Die einzelnen Ansprüche bilden selbständige Streitgegenstände, so daß - auch bei einem Grundurteil (SozR 1500 § 144 Nr. 16) - für jeden prozessualen Anspruch die Statthaftigkeit der Berufung gesondert zu prüfen ist (vgl. für viele SozR 1500 § 144 Nr. 4 m.w.N.), was das LSG unterlassen hat. In Ermangelung der an sich gebotenen Konkretisierung des Klagebegehrens läßt sich nicht beurteilen, welche einzelnen Ansprüche geltend gemacht sind und inwieweit diese Ansprüche dem § 144 Abs. 1 SGG unterfallen. Im vorliegenden Falle ist es jedoch entbehrlich, diese Frage einer Klärung zuzuführen. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie nach den obigen Ausführungen unbegründet; denn da das Praktikum nicht Bestandteil der Bildungsmaßnahme ist, können Kosten des Praktikums nicht zu den notwendigen Kosten der Bildungsmaßnahme gehören, die die Beklagte ganz oder teilweise nach § 45 AFG trägt. Soweit die Berufung aber unzulässig ist, bleibt es bei einer Verwerfung der Berufung ebenfalls bei dem die Klage abweisenden Urteil des SG. Für die Bindungswirkung des durch die Klageabweisung bestätigten ablehnenden Bescheides (in Gestalt des Widerspruchsbescheides) ist es mithin ohne Bedeutung, ob die Berufung des Klägers teilweise unzulässig oder unbegründet ist, so daß diese Frage letztlich keiner Klärung bedarf. Der Senat hat daher die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG insgesamt zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen