Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. Wie-Beschäftigung. Arbeitnehmerähnlichkeit. Sonderbeziehung. Gefälligkeit. langjähriges und gutes Freundschaftsverhältnis zum Bauherrn. nicht gewerbsmäßige Eigenbaumaßnahme
Orientierungssatz
Ein langjähriger und guter Freund des Bauherrn steht während der Mithilfe bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten nicht gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn die verrichtete Tätigkeit ihr maßgebliches Gepräge aus der Sonderbeziehung (hier: 20-jährige Freundschaft) zum Bauherrn erhielt.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 192
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger unter Unfallversicherungsschutz stand, als er sich bei der Mithilfe bei dem Bauvorhaben eines Freundes verletzte.
Der Kläger half dem Beigeladenen, einem privaten Bauherrn, bei dessen Bauvorhaben. Am 17.12.2012 brachte er Zierbalken in dem zukünftigen Esszimmer an. Dabei löste sich ein Eisenspan vom Meißel, wodurch der Kläger eine Augenverletzung erlitt. Der Beigeladene hatte das Eigenbauvorhaben und die Beteiligung privater Helfer vorab bei der Beklagten angemeldet. In der Unfallanzeige teilte der Beigeladene mit, der Kläger habe ihm als Freundschaftsdienst beim Anbringen der Zierbalken geholfen. Er und der Kläger würden sich gegenseitig häufig Gefälligkeiten erweisen, wie zB Hilfe bei Renovierungsarbeiten. Zu dem Kläger bestehe seit ca 20 Jahren eine freundschaftliche Beziehung (Freundeskreis, Kolping, Jugendferienlager). Der Kläger habe ihm bis zum Zeitpunkt des Unfalls schon ca 36 Stunden bei Trockenbauarbeiten geholfen. Ohne den Unfall hätte der Kläger voraussichtlich noch 10 Stunden Spachtelarbeiten erbracht.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Kläger habe am 17.12.2012 keinen Arbeitsunfall erlitten. Weder sei der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden noch sei er "Wie-Beschäftigter" gewesen. Seine Tätigkeit habe sich vielmehr im Rahmen dessen bewegt, was üblicherweise unter engen, seit Jahren verbundenen Freunden als Mithilfe aus Gefälligkeit geleistet werde (Bescheid vom 28.5.2013 und Widerspruchsbescheid vom 27.3.2014). Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses als Arbeitsunfall begehrt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12.1.2017), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.12.2018). Der Kläger sei nicht gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII als sog "Wie-Beschäftigter" tätig gewesen. Zwar sei seine objektivierbare Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfalls darauf gerichtet gewesen, wie ein Bauhelfer auf der Baustelle des Beigeladenen untergeordnete Hilfstätigkeiten zu verrichten. Obwohl er damit beschäftigtenähnlich tätig geworden sei, sei der Versicherungsschutz zu verneinen, weil die Verrichtung wegen der Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgt sei. Es habe sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung aufgrund der jahrelangen Freundschaftsbeziehung zum Beigeladenen gehandelt. Die Motivation für das Tätigwerden habe darin bestanden, die langjährige Freundschaft zu pflegen und das System des gegenseitigen Helfens aufrechtzuerhalten. Auch der Umfang der Hilfeleistung stehe dem nicht entgegen, denn im Rahmen eines engen freundschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses könnten auch Tätigkeiten von erheblichem Umfang und größerer Zeitdauer ihr Gepräge durch das Gemeinschaftsverhältnis erhalten. Kläger und Beigeladener hätten die Hilfe als selbstverständlich angesehen.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 2 Abs 2 SGB VII. Seine Mithilfe sei über das hinausgegangen, was von ihm als Freund hätte erwartet werden können.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2018 und das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12. Januar 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2014 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 17. Dezember 2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. |
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Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt in dem Bescheid der Beklagten vom 28.5.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.3.2014 ist rechtmäßig. Der Kläger hat am 17.12.2012 keinen Arbeitsunfall erlitten.
1. Im Revisionsverfahren ist nur noch über die kombinierte Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) zu entscheiden, mit der der Kläger unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 17.12.2012 als Arbeitsunfall begehrt.
2. Der angefochtene Verwaltungsakt ist formell rechtmäßig, denn die Beklagte war für das geltend gemachte Unfallgeschehen gemäß § 121 Abs 1, § 114 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VII iVm Anlage 1 Nr 5 zu § 114 SGB VII der zuständige Versicherungsträger. Die Zuständigkeit der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen gemäß § 129 Abs 1 Nr 3 SGB VII war nicht gegeben. Hierfür müssten in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführte Bauarbeiten vorliegen, für die nicht mehr als die im Bauhauptgewerbe geltende tarifliche Wochenarbeitszeit (40 Stunden - § 3 BRTV Baugewerbe) tatsächlich aufgewandt wurde. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil die einzelne geplante Bauarbeit (§ 129 Abs 1 Nr 3 SGB VII) sich nach den Feststellungen des LSG aus ca 36 Stunden Tätigkeit bis zu dem Tag der Verletzung, 3 Stunden (Zierbalkenbefestigung) am Tag des Schadensereignisses sowie prognostisch 10 weiteren Stunden beabsichtigte Spachtelarbeiten, die dann anderweitig vergeben wurden, zu insgesamt ca 49 Stunden Tätigkeit summierte. Dass die Arbeiten nach 36 Stunden gewerblich vergeben wurden, führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung, die andernfalls von Zufälligkeiten abhängig wäre. Welche Arbeitszeit als tatsächlich aufgewandt iS des § 129 Abs 1 Nr 3 SGB VII gilt, ist sach- und nicht personenbezogen zu betrachten. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Arbeiten nach dem Schadensereignis - anders als hier - insgesamt aufgegeben werden (vgl BSG Urteil vom 11.10.1973 - 2 RU 196/71 - BSGE 36, 203, 204 = SozR Nr 6 zu § 657 RVO, juris RdNr 14).
3. Zu Recht hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die Anerkennung des Ereignisses vom 17.12.2012 als Arbeitsunfall abgelehnt. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII erlitten, als er am 17.12.2012 Zierbalken im zukünftigen Esszimmer des Beigeladenen mit einem Meißel in die richtige Position schlug und sich durch einen gelösten Eisenspan am Auge verletzte.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (stRspr; vgl zuletzt BSG Urteile vom 15.12.2020 - B 2 U 4/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, vom 6.10.2020 - B 2 U 13/19 R - RdNr 8, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, vom 26.11.2019 - B 2 U 24/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 52 RdNr 9, vom 5.7.2016 - B 2 U 5/15 R - BSGE 122, 1 = SozR 4-2700 § 2 Nr 35, RdNr 13 und vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; jeweils mwN).
Der Kläger erlitt zwar einen Unfall, als ein Eisenspan sein Auge von außen traf und ihn verletzte. Er übte im Zeitpunkt der zum Unfall führenden Verrichtung jedoch keine in der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach versicherte Tätigkeit aus. Er war weder als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII(dazu unter a) noch als "Wie-Beschäftigter" iS des § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII(dazu unter b) oder wegen Selbsthilfetätigkeiten iS des § 2 Abs 1 Nr 16 SGB VII(dazu unter c) versichert. Es bestand auch keine Formalversicherung (dazu unter d) oder ein formales Versicherungsverhältnis (dazu unter e). Auch ein Anspruch auf Anerkennung des Arbeitsunfalls nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs besteht nicht (dazu unter f).
a) Der Kläger war nicht Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter liegt vor, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen nach dessen Weisungen (vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll (vgl BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 2 U 32/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 43 RdNr 15). Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (vgl BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 2 U 32/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 43 RdNr 15).
Der Kläger wurde nicht im Rahmen oder in Erfüllung der Pflichten eines Beschäftigungsverhältnisses tätig. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) bestand zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen kein Arbeitsverhältnis. Es lag auch kein Rechtsbindungswillen vor, wie er für einen Auftrag (§ 662 BGB) erforderlich wäre. Ebenso wenig bestand zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis mit einklagbaren Erfüllungsansprüchen, denn der Kläger half nur nach jeweiliger Absprache unter Berücksichtigung seiner zeitlichen Möglichkeiten, ohne insoweit an Weisungen gebunden zu sein.
b) Der Kläger war während seines Unfalls auch nicht als "Wie-Beschäftigter" gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII versichert. Voraussetzung einer "Wie-Beschäftigung" nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (vgl BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 20 mwN). Eine versicherte "Wie-Beschäftigung" nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII setzt deshalb voraus, dass hinsichtlich der Handlung die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung anstatt der Merkmale einer unternehmerischen, selbstständigen Tätigkeit überwiegen und keine Sonderbeziehung besteht, die der wesentliche Grund für die Handlung war (vgl Spellbrink/Bieresborn, NJW 2019, 3745, 3746). Zutreffend ist das LSG danach davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Klägers unmittelbar vor dem Unfall zwar durch Merkmale einer abhängigen Beschäftigung gekennzeichnet war (dazu unter aa), diese jedoch aufgrund der Freundschaft zum Beigeladenen und damit aufgrund einer eine versicherte "Wie-Beschäftigung" iS des § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ausschließenden Sonderbeziehung verrichtet wurde (dazu unter bb).
aa) Die Tätigkeit des Klägers für den Beigeladenen entsprach dem Typus des Beschäftigten und nicht dem des "Unternehmers". Der Kläger verrichtete eine einem fremden Unternehmen, nämlich dem privaten Hausbau als Unternehmen des Beigeladenen dienende und dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert, die ihrer Art nach von Bauhelfern verrichtet werden kann, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (vgl dazu BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 20 mwN; Spellbrink/Bieresborn, NJW 2019, 3745, 3746 ff mwN).
Der Kläger half beim Anbringen von Zierbalken im zukünftigen Esszimmer und verrichtete damit eine Arbeit mit einem wirtschaftlichem Wert, weil der Beigeladene Aufwendungen ersparte. Der Beigeladene hätte andernfalls die Gewerke kostenpflichtig an Handwerksbetriebe vergeben müssen, wie dies als Konsequenz der Augenverletzung des Klägers letztlich auch erfolgte. Die Tätigkeit verrichtete der Kläger auch fremdnützig und fremdbestimmt. Diese Merkmale liegen vor, wenn die Tätigkeit mit fremdnütziger Handlungstendenz erfolgt und im Hinblick auf Zeitpunkt und Art ihrer Ausführung in Anlehnung an die für Beschäftigungsverhältnisse typische Weisungsrechte iS des § 106 GewO und damit eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts iS des § 315 BGB fremdbestimmt ist, ohne dass aber die für eine Beschäftigung im engeren Sinn charakterisierende Eingliederung in den Betrieb vorlag (vgl zum Merkmal der Eingliederung insb BSG Urteil vom 20.8.2019 - B 2 U 1/18 R - BSGE 129, 44 = SozR 4-2700 § 2 Nr 51; BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 2 U 32/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 43 RdNr 24; vgl Spellbrink/Bieresborn, NJW 2019, 3745, 3747). Hier handelte der Kläger nach den Feststellungen des LSG mit fremdnütziger Handlungstendenz. Dass er möglicherweise auch eigene Interessen hatte, weil er sich zukünftige Freundschaftsdienste des Beigeladenen erwartete oder die Freundschaft selbst erhalten wollte, lässt die fremdnützige Handlungstendenz im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit nicht entfallen. Nach den bindenden Feststellungen des LSG diente die Verrichtung des Klägers auch einem fremden Unternehmen - hier den Gewerken beim Innenausbau des Hauses des Beigeladenen - und entsprach zugleich dessen Willen. Der Kläger war damit beschäftigtenähnlich und "wie ein nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII Versicherter" tätig.
Der Kläger war auch nicht "unternehmerähnlich" tätig. Nach den bindenden Feststellungen des LSG verrichtete er trotz seines Berufs als ausgebildeter Tischler bei der Ausführung der Holzarbeiten lediglich wie ein Bauhelfer auf der Baustelle des Beigeladenen untergeordnete Hilfstätigkeiten. Materialien und Werkzeuge wurden vom Beigeladenen gestellt, wobei dieser auch die Art und Weise der Ausführung der Gewerke vorgab. Die fachliche Qualifikation des Klägers als Tischler bei den Bauarbeiten kam nicht im Sinne einer unternehmerähnlichen Stellung zum Tragen. Denn es war dem Kläger nicht wie einem selbstständigen Handwerker überlassen, einen konkreten Auftrag eigenständig auszuführen (zu den Kriterien der Tätigkeit "wie ein Unternehmer" vgl BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 = juris, RdNr 26 mwN).
bb) Die Tätigkeit des Klägers erhielt ihr rechtlich maßgebliches Gepräge jedoch aus der Sonderbeziehung zum Bauherrn, dem Beigeladenen. Die zum Unfall führende Verrichtung wurde aufgrund der engen Freundschaft zu ihm vorgenommen. Diese Sonderbeziehung schloss auf der zweiten Prüfungsstufe der Wie-Beschäftigung (hierzu Spellbrink/Bieresborn, NJW 1999, 3745, 3749) eine versicherte "Wie-Beschäftigung" aus.
Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs 2 SGB VII verneint, wenn die konkrete Tätigkeit ihr Gepräge durch eine Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer erhält. Eine solche Sonderbeziehung, die eine beschäftigtenähnliche Tätigkeit iS des § 2 Abs 2 SGB VII ausschließt, liegt bei Erfüllung von Verpflichtungen gesellschaftlicher, insbesondere familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Art vor. Auch bei Vorliegen einer solchen "Sonderbeziehung" sind allerdings alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass die konkrete Verrichtung auch außerhalb dessen liegen kann, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen selbstverständlich getan oder erwartet wird (vgl BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 2 U 32/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 43 RdNr 28). Entscheidend ist, ob die Tätigkeit als übliche Hilfestellung unter guten Bekannten, Verwandten bzw Freunden zu bewerten ist. Hierbei sind der zeitliche Umfang der Verrichtung, der Grad der Gefährlichkeit oder eine besondere Fachkompetenz des Handelnden zu berücksichtigen (vgl BSG Urteile vom 19.6.2018 - B 2 U 32/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 43 RdNr 29 und vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 28; Spellbrink/Bieresborn, NJW 2019, 3745, 3749 f mwN).
Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bestand zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen seit 20 Jahren eine freundschaftliche Beziehung. Die Motivation des Klägers zur Verrichtung der Hilfstätigkeiten war es, diese Freundschaft zu pflegen und - wie regelmäßig praktiziert - sich aus Freundschaft gegenseitig zu helfen. Der Kläger und der Beigeladene sahen die Hilfsarbeiten - auch in dem geplanten zeitlichen Umfang - als unter Freunden "selbstverständlich" an. Die Arbeiten hielten sich auch objektiv noch im Rahmen der üblichen gegenseitigen Freundschaftsdienste bei einer langjährigen intensiven Freundschaft dieser Art. Es handelte sich nur um eine relativ ungefährliche Hilfestellung bei einfachen Gewerken in zeitlich begrenztem Rahmen, bei der die Qualifikation des Klägers nicht zum Tragen kam. Die Rüge des Klägers, das LSG habe die tatsächliche Wertschöpfung im Wesentlichen unberücksichtigt gelassen, ist jedenfalls unbegründet. Das LSG hat den Vortrag zur Wertschöpfung berücksichtigt und in seine Erwägungen eingestellt, wie sich aus seinen Urteilsgründen ergibt. Weder der Umfang noch der Gegenwert der Hilfeleistungen waren nach den Feststellungen des LSG mithin so erheblich, dass sie objektiv die durch die langjährige Freundschaftsbeziehung geprägte Tätigkeit als "unüblich" oder nicht mehr selbstverständlich erscheinen ließ.
c) Die Tätigkeit des Klägers stand auch nicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 16 SGB VII unter Versicherungsschutz. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass der Kläger Tätigkeiten der Selbsthilfe bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums verrichtete (vgl zu den Voraussetzungen zB Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 2 RdNr 249 mwN, Stand 2/21). Im Übrigen wären die konkret angefochtenen Bescheide auch in diesem Fall rechtmäßig und der Kläger hätte keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte, weil für diese Entscheidung nicht die Beklagte, sondern der kommunale Unfallversicherungsträger nach § 129 Abs 1 Nr 6 SGB VII zuständig wäre (vgl Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 2 RdNr 361, Stand 8.12.2020).
d) Versicherungsschutz während der Tätigkeit des Klägers beim Innenausbau bestand auch nicht nach den Grundsätzen der Formalversicherung. Der Gedanke der Formalversicherung basiert auf dem Vertrauensschutz desjenigen, der wegen der Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis als Mitglied und zugleich als Versicherter unbeanstandet Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung entrichtet hat. Grundlegend hierfür wäre zunächst die Anerkennung eines gesamten Betriebes oder der Person eines Unternehmers als versichert. Die Formalversicherung erstreckt sich auch auf Fälle, in denen einzelne nicht versicherungspflichtige Personen in den Lohnnachweis aufgenommen und bei der Bemessung der Beiträge berücksichtigt worden sind (vgl BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 2 U 26/12 R - SozR 4-2700 § 87 Nr 3 mwN). Diese Voraussetzungen einer Vertrauen erzeugenden Beitragserhebung oder der Aufnahme des Klägers in einen Lohnnachweis vor dem Unfall liegen hier jedoch nicht vor.
e) Auch bestand für den Kläger kein Versicherungsschutz aufgrund eines formalen Versicherungsverhältnisses, was voraussetzen würde, dass ein ggf rechtswidriger, aber wirksamer Verwaltungsakt der Beklagten das Bestehen einer Versicherung festgestellt hätte (vgl dazu BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - BSGE 115, 256 = SozR 4-2700 § 136 Nr 6). Eine solche Regelung ist weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber dem Beigeladenen ergangen.
f) Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er während seiner Tätigkeit beim Innenausbau unter Versicherungsschutz gestanden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger eine ihm gegenüber einem Berechtigten obliegende Pflicht aus dem Sozialversicherungsverhältnis verletzt, dem Berechtigten ein unmittelbarer (sozialrechtlicher) Nachteil entsteht und zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Ursachenzusammenhang vorliegt. Er ist grundsätzlich nur auf die Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung gerichtet (umfassend zuletzt BSG Urteil vom 23.6.2020 - B 2 U 5/19 R - SozR 4-2700 § 202 Nr 1, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; iE Spellbrink in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB I, Vor §§ 13-15 RdNr 31, Stand 112. EL Dezember 2020).
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann auch aus der Verletzung des § 15 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I folgen, nach dem sich die Auskunftspflicht der Auskunftsstelle auf alle Sach- und Rechtsfragen erstreckt, die für die Auskunftssuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist (stRspr; vgl BSG Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R - SozR 4-2700 § 140 Nr 1 mwN). Eine falsche Information in einem Merkblatt kann ebenfalls zu einer Verletzung der Beratungspflicht gemäß § 14 SGB VII führen (Spellbrink in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB I, § 13 RdNr 38, Stand 112. EL Dezember 2020).
Vorliegend dürfte ein eigener Herstellungsanspruch des Klägers bereits daran scheitern, dass eine fehlerhafte Auskunft oder Beratung ihm selbst gegenüber gerade nicht vorlag. Auch muss nicht entschieden werden, ob die Information in den von der Beklagten zur Verfügung gestellten Merkblättern zur Versicherung von Personen, die bei privaten Bauarbeiten helfen, zutreffend oder unzulänglich war. Denn auch bei zutreffenden Hinweisen in den Merkblättern der Beklagten, dass Unfallversicherungsschutz nicht besteht, wenn Hilfsarbeiten aufgrund enger Freundschaft verrichtet werden, hätte der Kläger keinen Versicherungsschutz erreichen können, sodass ein sozialrechtlicher Nachteil aufgrund einer Fehlinformation überhaupt nicht entstehen konnte. Denn es bestand für ihn keine Möglichkeit, eine freiwillige Versicherung zu begründen, weil er nicht zum Personenkreis des § 6 Abs 1 SGB VII gehörte, für den eine freiwillige Versicherung möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZA 2021, 1460 |
sis 2021, 543 |