Orientierungssatz

Einjährige Sperrfrist der § 609 S 2 RVO:

Es wird an der Rechtsprechung des erkennenden Senats festgehalten, daß die einjährige Sperrfrist des § 609 S 2 RVO nicht für die erste Feststellung einer Dauerrente gilt (vgl BSG 1956-03-13 2 RU 179/55 = BSGE 2, 245).

 

Normenkette

RVO § 609 S. 2

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 22.11.1955)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 22. November 1955 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin verletzte sich bei der Arbeit am 29. März 1946 das rechte Fußgelenk und am 15. Februar 1952 den rechten Finger. Wegen der Folgen beider Unfälle gewährte ihr die Beklagte unter Berücksichtigung des § 559 a Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine vorläufige Rente für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von zunächst 30 v. H., anschließend 20 v. H.. Auf Grund einer im April 1954 durchgeführten ärztlichen Untersuchung, welche für die Folgen beider Unfälle eine MdE. von 10 v. H. ergab, hat die Beklagte durch Bescheid vom 19. Mai 1954 die Gesamtrente vom 1. Juli 1954 an nicht mehr gewährt. Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht (SG.), dessen ärztlicher Sachverständiger ebenfalls eine MdE. von 10 v. H. für beide Unfälle zusammen annahm, hat die Beklagte am 10. März 1955 zur Zahlung einer Dauerrente nach einer MdE. von 20 v. H. ab 1. Juli 1954 verurteilt. Das Landessozialgericht (LSG.) hat auf die Berufung der Beklagten diese Entscheidung durch Urteil vom 22. November 1955 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es lehnt die Auffassung der Vorinstanz, der angefochtene Bescheid verstoße gegen § 609 Satz 2 RVO, ab und bezieht sich hierfür auf die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA.). Nach den ärztlichen Gutachten sei die Nichtgewährung einer Dauerrente vom 1. Juli 1954 an berechtigt.

Die zugelassene Revision gegen dieses am 4. Januar 1956 zugestellte Urteil ist von der Klägerin am 3. Februar 1956 eingelegt und zugleich begründet worden. Sie rügt, das LSG. habe die Vorschrift des § 609 RVO unrichtig angewendet und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG. nach dem Klagantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen

und verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG.) vom 13. März 1956 (2 RU 179/55).

Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG) und demnach zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Der angefochtene Bescheid, durch den die Nichtmehrgewährung der vorläufigen Rente ausgesprochen und zugleich die Gewährung einer Dauerrente abgelehnt wurde, ist allerdings erst nach Ablauf der ersten zwei Jahre nach dem Unfall vom 15. Februar 1952 ergangen. Das LSG. hat jedoch mit Recht - entgegen der Auffassung des SG. und der Klägerin - angenommen, daß die Beklagte hieran durch die Vorschrift des § 609 Satz 2 RVO nicht gehindert und nicht etwa verpflichtet war, mit dem Erlass dieses Bescheids bis zum 15. Februar 1955 zu warten. Die einjährige Sperrfrist des § 609 Satz 2 RVO gilt nicht für die erste Feststellung einer Dauerrente. Dies hat der erkennende Senat in seinem von der Beklagten angeführten Urteil vom 13. März 1956 (BSG. 2 S. 245 ff.) dargelegt; dabei hat er den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, ihren Zusammenhang mit anderen Gesetzesstellen, die sich aus ihrer Auslegung für die Versicherten und die Versicherungsträger ergebenden Folgen sowie die Rechtsprechung des RVA. nebst den dagegen erhobenen Bedenken eingehend gewürdigt. Das Vorbringen der Klägerin gibt dem Senat keinen Anlaß, von dem damals eingenommenen Standpunkt abzuweichen.

Die hiernach in dem fraglichen Zeitpunkt zulässige Einstellung der Rente war auch sachlich gerechtfertigt. Insoweit hat die Klägerin Revisionsrügen nicht erhoben; auch sonst bietet die Entscheidung des Vorderrichters keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer unrichtigen Rechtsanwendung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324285

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge