Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen im Rahmen der sachlichrechnerischen Richtigstellung und – vorab – um die Zulässigkeit der Klage.
Der Kläger nimmt als Kinderarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die beklagte Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) nahm für das Quartal I/1996 sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei den von ihm abgerechneten Gebühren-Nrn 10, 14, 19, 20, 60, 800 und 820 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) vor (Bescheide vom 2. und 8. Mai 1996). Der vom Kläger persönlich dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18. November 1997).
Hiergegen ist „im Namen und mit Vollmacht des Klägers” am 18. Dezember 1997 durch Rechtsanwalt L. unter dem Briefkopf „T. L. A. S. Rechtsanwälte” Klage mit dem Antrag erhoben worden, den Widerspruchsbescheid „Ansatz insbesondere der Nrn 10, 14, 19 und 20 EBM” aufzuheben. Die Klageschrift hat keine Begründung enthalten und ihr war keine Prozeßvollmacht beigefügt. Der Kammervorsitzende hat die Prozeßbevollmächtigten mit der Bestätigung des Klageeingangs zugleich aufgefordert, eine Vollmacht vorzulegen. Aufgrund richterlicher Verfügung vom 5. Februar 1998 ist den anwaltlichen Bevollmächtigten die Klageerwiderung der Beklagten zur Stellungnahme binnen eines Monats übersandt und gleichzeitig an die Einreichung der Klagebegründung erinnert worden. Mit weiterer Verfügung vom 25. November 1998 hat der Kammervorsitzende darauf hingewiesen, daß mangels Vorliegens einer Klagebegründung eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid erwogen werde, wozu Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werde; darüber hinaus liege noch keine Vollmacht für das Klageverfahren vor; zu deren Vorlage werde eine Frist bis spätestens zum 31. Dezember 1998 gesetzt; nach erfolglosem Ablauf der Frist werde die Klage ggf durch Gerichtsbescheid als unzulässig abgewiesen.
Nachdem auch in der Folgezeit eine Reaktion der für den Kläger auftretenden Bevollmächtigten unterblieb, hat das Sozialgericht (SG) die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 1999 mangels Vorliegens einer Prozeßvollmacht als unzulässig abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger (persönlich) und – gesondert – Rechtsanwalt L. jeweils am 14. Januar 1999 zugestellt worden.
Am 15. Februar 1999 ist bei dem Landessozialgericht (LSG) unter dem Briefkopf „T. L. Rechtsanwälte” eine „im Namen und mit Vollmacht des Klägers” gegen den Gerichtsbescheid eingelegte Berufung eingegangen. Der Berufungsschrift, in der die Bitte um Überlassung der Gerichts- und Verwaltungsakten zur Einsichtnahme im Anwaltsbüro geäußert wurde, waren weder Vollmacht noch Begründung beigefügt. Mit der Eingangsbestätigung hat der Senatsvorsitzende um Vorlage einer Prozeßvollmacht gebeten. Mit Verfügung vom 24. März 1999 hat er dem Bevollmächtigten eine Kurzäußerung der Beklagten zur Kenntnisnahme mit dem Zusatz übersandt, daß an die Vorlage der Prozeßvollmacht erinnert werde. Mit Verfügung vom 1. April 1999 hat der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. Mai 1999 bestimmt und die Ladung an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit folgendem Zusatz versehen: „An die Vorlage der Prozeßvollmacht wird erinnert, vorsorglich auf die Folgen (Unzulässigkeit der Prozeßhandlungen) hingewiesen. Der Senat wird voraussichtlich im Verhandlungstermin ein Versprechen, die Vollmacht nachzureichen, nicht akzeptieren”.
In der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 1999 ist für den Kläger Rechtsanwalt L. erschienen und hat das Telefax-Exemplar einer auf ihn am 10. Mai 1999 ausgestellten „Vollmacht für Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gemäß § 13 Abs 1 SGB X und § 73 Abs 1 SGG … wegen Honorarabrechnung Quartal I/96” überreicht. Neben dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide zu verpflichten, den Kläger bezüglich des Quartals I/1996 hinsichtlich der abgesetzten Positionen neu zu bescheiden, hat der Bevollmächtigte den Antrag gestellt, hilfsweise die mündliche Verhandlung zu vertagen und dem Kläger die Verwaltungsakten zur Einsichtnahme vorzulegen.
Das LSG hat anschließend in seinem Urteil vom selben Tage die Berufung als zulässig angesehen, sie jedoch als unbegründet zurückgewiesen, da das SG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen habe. Der Kläger habe entgegen § 73 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keine auf seinen Prozeßvertreter, der die Klage erhoben habe, lautende Prozeßvollmacht vorgelegt. Da der Prozeßbevollmächtigte den Kläger im Verwaltungsverfahren noch nicht vertreten habe, brauche auf das Problem, ob eine im Verwaltungsverfahren schriftlich erteilte und vorgelegte Vollmacht auch für das nachfolgende Gerichtsverfahren gelte, nicht eingegangen zu werden. Eine Vollmacht des Klägers auf seinen Prozeßbevollmächtigten sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht zu den Akten gereicht worden. Eine ohne entsprechende Vollmacht eingelegte Klage sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht wirksam erhoben und als unzulässig abzuweisen. Allerdings gebiete der Grundsatz des fairen Verfahrens, daß das erkennende Gericht einen Verfahrensbeteiligten auf die fehlende Vollmacht hinweise, bevor es entscheide und für die Vorlage der Prozeßvollmacht eine Frist setze. Dieses sei hier geschehen. Der Prozeßmangel der fehlenden Vollmacht sei nicht durch die nachträgliche Genehmigung geheilt worden. Schriftliche Vollmacht und deren Einreichung zu den Gerichtsakten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung seien im Sozialgerichtsprozeß Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Vornahme von Prozeßhandlungen; die notwendige schriftlich erteilte Vollmacht müsse daher bereits vor Erlaß des Prozeßurteils ausgestellt und zu den Akten gereicht worden sein. Die im Berufungsverfahren nachgereichte Vollmacht heile den Mangel nur für das Berufungsverfahren, nicht jedoch für das erstinstanzliche Verfahren. Wegen der Systematik des § 73 Abs 4 Satz 1 SGG und der Fassung des § 73 Abs 2 SGG sei die für Prozeßvertretung durch Rechtsanwälte geltende Regelung des § 88 Zivilprozeßordnung (ZPO) im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar. Die Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege sei insoweit ohne Belang. Die demgegenüber erfolgende ergänzende Anwendung des § 88 Abs 2 ZPO durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) beruhe auf der von § 73 SGG abweichenden Ausgestaltung des § 67 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er meint, aus § 73 Abs 2 Satz 1 SGG lasse sich die Unzulässigkeit der Klage nicht herleiten. Daraus ergebe sich nur der Beweismittelcharakter einer schriftlichen Vollmacht, nicht aber auch, daß die Schriftlichkeit Wirksamkeitserfordernis einer Klage sei. § 103 SGG gebe demgegenüber den Gerichten auf, etwaige Zweifel an der Wirksamkeit der Bevollmächtigung aufzuklären. Es sei mit dem Amtsermittlungsgrundsatz unvereinbar, ihn (den Kläger) mit Rechtsnachteilen zu belasten, obwohl durch Rückfrage bei ihm oder durch Anordnung des persönlichen Erscheinens im Termin ohne weiteres die Frage der Vollmachtserteilung hätte geklärt werden können. Mangels ausreichender Sachverhaltsaufklärung habe das SG auch nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Da es bei einem Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zudem keine Verkündung wie bei einem Urteil gebe, verbiete sich ebenfalls die Anwendung des § 73 Abs 2 Satz 1 SGG. Nach § 202 SGG iVm § 88 Abs 2 ZPO sei der Mangel der schriftlichen Vollmacht vielmehr dann nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter ein Anwalt auftrete. Die Untersuchungsmaxime widerspreche der Anwendung der §§ 80 bis 89 ZPO insgesamt nicht. Auch nach § 88 Abs 2 1. Halbsatz ZPO sei der Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen; sein 2. Halbsatz knüpfe dann an diesen Grundsatz an. Auch § 73 Abs 4 Satz 1 SGG stehe der Anwendung des § 88 Abs 2 ZPO nicht entgegen, da er mit seiner Verweisung auf die §§ 81 und 84 bis 86 ZPO lediglich den Umfang und die Wirkungen der Vollmacht regele, aber nichts über die an eine Vollmacht zu stellenden Anforderungen besage. Die ZPO-Bestimmungen zu Erteilung und Nachweis der Vollmacht blieben deshalb darüber hinaus ergänzend anwendbar. Aus § 67 VwGO lasse sich für die Auslegung des § 73 SGG und gegen die Geltung des § 88 Abs 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nichts herleiten. – Der Bevollmächtigte des Klägers hat in seiner Revisionsbegründung „wegen starker Arbeitsbelastung” auch noch um Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zunächst um zwei Monate, dann um einen weiteren Monat gebeten. Obwohl ihm die Fristverlängerung bewilligt worden ist, ist eine weitere schriftliche Begründung nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 1999 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 12. Januar 1999 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 2. und 8. Mai 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1997 zu verpflichten, ihn bezüglich seiner Honoraransprüche für das Quartal I/1996 hinsichtlich der abgesetzten Positionen des EBM-Ä neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und sieht von weiteren Ausführungen ab.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, von denen der Senat in seinen – ebenfalls den Bevollmächtigten des hiesigen Klägers betreffenden – Urteilen vom 13. Dezember 2000 ausgegangen ist (B 6 KA 29/00 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, sowie B 6 KA 27/00 R und 28/00 R), unbegründet.
Das angefochtene Urteil des LSG ist nicht zu beanstanden. Die Vorinstanzen waren mit Rücksicht auf ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung berechtigt, die Klage als unzulässig anzusehen, weil der für den Kläger im Rechtsstreit auftretende anwaltliche Prozeßbevollmächtigte bis zur Zustellung des Gerichtsbescheides des SG am 14. Januar 1999 keine schriftliche Prozeßvollmacht zu den Gerichtsakten eingereicht hat. Eine Prüfung materiell-rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der streitigen sachlich-rechnerischen Richtigstellung, die Ausgangspunkt des Rechtsstreits war, ist dem Senat bei alledem verschlossen.
Gemäß § 73 Abs 1 Satz 1 SGG können sich die Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens in jeder Lage des Verfahrens durch prozeßfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Wie § 73 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG bestimmt, ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen und bis zur Verkündung der Entscheidung zu den Akten einzureichen (sofern sie – was vorliegend nicht in Rede steht – nicht zur Niederschrift des Gerichts erteilt wird ≪Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 aaO≫). „Akten” im Sinne dieser Vorschrift sind die Gerichtsakten; denn sie regelt die Prozeßvertretung vor Gericht und spricht von der Verkündung einer Entscheidung, womit die nächstfolgende Gerichtsentscheidung gemeint ist (so bereits BSG ≪12. Senat≫ vom 15. August 1991 SozR 3-1500 § 73 Nr 2 S 3 f, insoweit wiederum unter Hinweis auf BSG ≪11a Senat≫ SozR 1500 § 73 Nr 5). Nur bei Ehegatten und Verwandten in gerader Linie kann gemäß § 73 Abs 2 Satz 2 SGG die Bevollmächtigung ohne diese Voraussetzungen unterstellt werden. Mit Rücksicht auf den Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 73 Abs 2 Satz 1 SGG bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß ein Richter nach Klageeingang oder später im Dezernatswege auf einer zu den Gerichtsakten bis zur Verkündung der instanzabschließenden Entscheidung einzureichenden schriftlichen Prozeßvollmacht für das sozialgerichtliche Verfahren besteht und diese vom Bevollmächtigten anfordert.
Entspricht das Vorgehen eines Bevollmächtigten im Rechtsstreit nicht den vorgenannten gesetzlichen Anforderungen und reicht dieser eine Klageschrift ohne schriftliche Prozeßvollmacht ein, ist die Klage unzulässig. Das Vorhandensein der Vollmacht und die daran geknüpfte Zulässigkeit der Klage sind im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (so Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes ≪GmSOGB≫ Beschluß vom 17. April 1984 – 2/83 = GmSOGB SozR 1500 § 73 Nr 4 S 8 = NJW 1984, 2149; BSG SozR 1500 § 73 Nr 5 S 12; SozR 3-1500 § 73 Nr 2 S 3). Ist keine Prozeßvollmacht zu den Gerichtsakten gelangt, bedarf es allerdings, damit das Gericht die Klage ohne Prüfung in der Sache als unzulässig abweisen kann, regelmäßig einer vorherigen schriftlichen richterlichen Aufforderung an den Bevollmächtigten, binnen einer bestimmten Frist die fehlende Vollmachtsurkunde nachzureichen, verbunden mit dem Hinweis, daß die Klage anderenfalls als unzulässig abgewiesen werden kann (so GmSOGB SozR 1500 § 73 Nr 4 S 10 f; BSG SozR 1500 § 73 Nr 5 S 12; BSG SozR 3-1500 § 73 Nr 2 S 6). Ein solches prozessuales Vorgehen hat im Verhältnis zu dem vollmachtlos auftretenden Prozeßvertreter Anhörungs- und Warnfunktion. Spätestens nach Erhalt dieses richterlichen Schreibens muß sich diesem aufdrängen, daß der Mangel der fehlenden Prozeßvollmacht, zu dessen Behebung er im Einzelfall aufgefordert worden ist, auch in einem möglicherweise nachfolgenden Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nicht mehr geheilt werden kann. Dieses gilt schon mit Blick auf die gebotene Straffung und Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens, die nicht durch gewillkürtes Verhalten eines Beteiligten unterlaufen werden können; nur ausnahmsweise, bei Vorhandensein von Gründen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl § 67 SGG), kann davon abgewichen werden. Die zugunsten des Gegners des vollmachtlos Vertretenen bzw zugunsten von zum Rechtsstreit Beigeladenen wirkende Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erfordert gleichermaßen, daß nicht durch einfache nachträgliche Genehmigung einer vollmachtlos erhobenen Klage im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren einem ansonsten prozessual ordnungsgemäß ergangenen Urteil wieder die Grundlage entzogen werden könnte (vgl GmSOGB ebenda S 11 ≪für das Verhältnis Berufungs- und Revisionsverfahren≫; BSG SozR 1500 § 73 Nr 5 S 12 f ≪für das Verhältnis Klage- und Berufungsverfahren≫; vgl BSG SozR 3-1500 § 72 Nr 2 S 5 f; noch anders und daher – wie bereits in der Entscheidung SozR 1500 § 73 Nr 5 S 12 hervorgehoben – durch die Rechtsentwicklung überholt BSG ≪6. Senat≫ E 32, 253, 254 = SozR Nr 17 zu § 73 SGG).
In Anwendung dieser Grundsätze kann die Revision keinen Erfolg haben. Der für den Kläger auftretende Bevollmächtigte hat weder mit Klageerhebung beim SG eine Prozeßvollmacht zu den Akten übersandt noch auf die richterliche Aufforderung, eine solche vorzulegen, reagiert und ist selbst nach dem über die Rechtslage informierenden Richterbrief vom 25. November 1998 im Klageverfahren passiv geblieben. Erst nach Zustellung des Gerichtsbescheides, im Berufungsverfahren, hat der Bevollmächtigte erstmals in der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 1999 die Telefaxkopie einer Vollmacht vom Vortage vorgelegt, ohne in tatsächlicher Hinsicht plausible Gründe für das frühere Unterbleiben der Vollmachtseinreichung zu nennen.
Die nach Ergehen der instanzabschließenden Entscheidung erfolgte Nachreichung der Prozeßvollmacht im Berufungsverfahren konnte nach der dargestellten Rechtslage keine Heilung des Mangels der in den Gerichtsakten fehlenden schriftlichen Prozeßvollmacht bewirken. Dieser Mangel des bereits im Dezember 1997 anhängig gemachten erstinstanzlichen Verfahrens hatte sich schon mit Erlaß des Gerichtsbescheides des SG vom 12. Januar 1999 endgültig und irreparabel realisiert. Das SG war gemäß § 105 Abs 1 SGG berechtigt, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, weil die Sache nach seiner revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies, der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt war und die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise angehört worden waren. Soweit § 73 Abs 2 Satz 1 SGG von der Einreichung der Prozeßvollmacht „zu den Akten bis zur Verkündung der Entscheidung” spricht, folgt daraus nicht etwa, daß in derartigen Zweifelsfällen zwingend eine mündliche Verhandlung stattzufinden hätte. Vielmehr wird bei einem Gerichtsbescheid nach § 105 Abs 3 Halbsatz 1, § 133 Satz 1 SGG die Verkündung – wie bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung allgemein – durch die Zustellung ersetzt. Da dem Bevollmächtigten des Klägers darüber hinaus entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen mit Verfügung vom 25. November 1998 unter Hinweis auf die Folgen der Nichtvorlage einer Prozeßvollmacht eine Frist für deren Nachreichung bis zum 31. Dezember 1998 gesetzt worden war und er sowohl diese Frist als auch die Zeit bis zur Zustellung des Gerichtsbescheides ohne erkennbare Aktivität verstreichen ließ, ist die Klageabweisung durch das SG als unzulässig zu Recht erfolgt und vom LSG zu Recht bestätigt worden.
Eine Fallkonstellation, bei der ausnahmsweise noch eine Heilungsmöglichkeit im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren bestand, lag bei alledem nicht vor. Die Rechtsprechung des BSG hat solches angenommen, wenn sich die Vorinstanz in ihrer Entscheidung nicht auf den Umstand der fehlenden Prozeßvollmacht gestützt, sondern unbeschadet dessen in der Sache entschieden hat (BSG SozR 1500 § 73 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf das Urteil des 11b-Senats vom 28. November 1985 – 11b/7 RAr 103/84). Es verhält sich im vorliegenden Fall auch nicht so, daß dem Bevollmächtigten etwa eine zu kurze, unangemessene Frist zur Einreichung der Vollmacht gesetzt worden wäre. Schließlich fehlte es mangels jeglicher Äußerung der Klägerseite auch an einem an das Gericht herangetragenen oder sonst erkennbar gewordenen Begehren nach Verlängerung der gesetzten Frist, auf welches das Gericht aus Gründen der Gewährleistung eines fairen Verfahrens hätte Rücksicht nehmen oder es zumindest vorab hätte bescheiden müssen (dazu BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 2 S 10 f). Da der Prozeßbevollmächtigte im Verwaltungsverfahren bei der Beklagten nicht für den Kläger aufgetreten war, kommt es auf die Frage, ob eine in den Verwaltungsakten befindliche Vollmachte den Anforderungen des § 73 Abs 2 Satz 1 SGG genügen kann, nicht an (s dazu die eingangs zitierten Urteile des Senats vom 13. Dezember 2000).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Weder die Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ≪GG≫) noch das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleitete Recht eines Verfahrensbeteiligten auf ein faires Verfahren (zuletzt BVerfG, Beschluß vom 18. Januar 2000 – 1 BvR 321/96 = BVerfGE 101, 397, 404 f) schützen einen Bevollmächtigten vor der Verwerfung einer Klage als unzulässig, wenn er sich gegenüber der gerichtlichen Aufforderung zur Vorlage einer Vollmacht völlig passiv verhält. So hat es das BVerfG nicht beanstandet, daß der Bundesfinanzhof (BFH) einen Prozeßbevollmächtigten, der trotz zweimaliger Aufforderung durch das Gericht keine Prozeßvollmacht vorgelegt hat, als vollmachtslosen Vertreter behandelt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt hat (Beschluß ≪Kammer≫ vom 16. Dezember 1997 – 1 BvR 2369/97 – zu BFH vom 11. Juni 1997 – VII R 73/96 –; ebenso bereits BVerfG ≪Dreier-Ausschuß≫, Beschluß vom 23. Februar 1971 – 2 BvR 84/71 – mit der Auferlegung einer Gebühr wegen mißbräuchlicher Erhebung der Verfassungsbeschwerde durch den Rechtsanwalt auf der Grundlage des § 34 Abs 2 BVerfGG). Des weiteren hat das BVerfG eine Entscheidung des BFH über die Verwerfung einer Revision wegen Unwirksamkeit der Vollmacht gebilligt und in diesem Zusammenhang entscheidend darauf abgestellt, daß der Bevollmächtigte vom Gericht schriftlich auf die Mängel der Vollmacht hingewiesen worden war. Wenn er auf diesen Hinweis nicht reagiert und die Auffassung des Gerichts für unbeachtlich gehalten habe, sei er bewußt das Risiko der Verwerfung seiner Revision als unzulässig eingegangen; deshalb sei sein Anspruch auf faire Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens nicht verletzt (BVerfG ≪Kammer≫, Beschluß vom 15. Juli 1988 – 1 BvR 599/88 – zu BFH vom 9. Februar 1988 – III R 180/82 –, ebenfalls mit Auferlegung einer Mißbrauchsgebühr).
Bei alledem sind weder SG noch LSG verpflichtet gewesen – etwa durch schriftliche Nachfrage bei dem Kläger selbst oder durch Anordnung seines persönlichen Erscheinens im Termin (§ 111 Abs 1 Satz 1 SGG) – zu ermitteln, ob eine wirksame Bevollmächtigung vorlag. Zwar sind das Vorliegen der Vollmacht und die daran geknüpfte Zulässigkeit der Klage von Amts wegen zu prüfen (BSG SozR 3-1500 § 73 Nr 2 S 3 mwN, dazu bereits oben). Mit seiner Formulierung „Die Vollmacht ist … zu erteilen und … einzureichen” bringt § 73 Abs 2 Satz 1 SGG jedoch hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß insoweit vorrangig eine prozessuale Mitwirkungspflicht der Prozeßbeteiligten besteht (vgl auch § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG; zu der einen Kläger treffenden Pflicht zum Nachweis des Vorhandenseins der Vollmachts bereits BSG SozR 1500 § 166 Nr 12 S 17 f). Dabei folgt aus der aufgezeigten Rechtslage nicht schon, daß ein Gericht vor Vorliegen einer schriftlichen Prozeßvollmacht stets verpflichtet oder gehalten wäre, mit dem Vertretenen und nicht mit dem vollmachtlosen Vertreter zu korrespondieren (wobei letzteres hier sogar erfolgt ist, weil der Gerichtsbescheid auch dem Kläger direkt zugestellt wurde). Vielmehr kann ein solcher Bevollmächtigter vor Beibringung der Vollmacht zur Prozeßführung einstweilen zugelassen werden, auch ohne daß dies explizit geschehen müßte. Es kann dahinstehen, ob dieses Ergebnis aus § 89 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG folgt (so noch BSG SozR 1500 § 73 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf BSG SozR Nr 1 zu § 14 OVAO; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 73 RdNr 18 mwN) oder eher daraus, daß § 73 Abs 2 Satz 1 SGG eine formgerechte Prozeßvollmacht erst bei Verkündung der Entscheidung voraussetzt (so Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1998, Kap V RdNr 45; Bley in SGB-SozVers-GesKomm, Bd 8, § 73 SGG Anm 5c).
Das Erfordernis der Einreichung einer schriftlichen Vollmacht zu den Gerichtsakten entfällt – anders als die Klägerseite meint – auch nicht deshalb, wenn es sich bei dem hier betroffenen Bevollmächtigten um einen Rechtsanwalt handelt. Denn die insoweit in Bezug genommene Vorschrift des § 88 Abs 2 ZPO, wonach der Mangel der Vollmacht nicht von Amts wegen zu prüfen ist, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt, findet mangels Bezugnahme in § 73 Abs 4 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, auch nicht über die allgemeine Verweisung in § 202 SGG (ebenso: Meyer-Ladewig, aaO, § 73 RdNr 14 mit umfangreichen Rspr- und Literaturnachweisen; Bley, aaO, § 73 SGG Anm 5c mwN; Hennig/Danckwerts/König, SGG, § 73 Anm 7.1; Krasney/Udsching, aaO, Kap V RdNr 44; Kummer, Das sozialgerichtliche Verfahren, 1996, RdNr 90; ders in von Maydell/Ruland ≪Hrsg≫, Sozialrechtshandbuch, 2. Aufl 1996, Kap B 13 RdNr 90; Niesel, Der Sozialgerichtsprozeß, 3. Aufl 1996, RdNr 144; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 73 Anm 3d 5.; Terdenge in: Wenner/Terdenge/Martin, Grundzüge der Sozialgerichtsbarkeit, 2. Aufl 1999, RdNr 240; Zeihe, SGG, § 73 Anm 14b; aA LSG Berlin NJW 1989, 91).
Daß auch ein Rechtsanwalt im sozialgerichtlichen Verfahren eine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten einreichen muß, läßt sich auch nicht unter Hinweis auf die für die anderen Zweige der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten geltenden Verfahrensordnungen in Zweifel ziehen, da die dafür jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen unterschiedlich ausgestaltet sind und keinen übereinstimmenden einheitlichen Rechtsprinzipien folgen (so bereits BFHE 149, 19, 21 = NJW 1987, 2704 für das Verhältnis Finanzgerichtsordnung ≪FGO≫ zur VwGO). So wird zwar nach Auffassung des BVerwG die – § 73 SGG thematisch entsprechende – Vorschrift über Prozeßbevollmächtigte und Beistände des § 67 Abs 3 VwGO durch § 88 Abs 2 ZPO in der Weise ergänzt, daß bei Auftreten eines Rechtsanwalts eine Vollmachtsprüfung von Amts wegen nur erfolgt, wenn besondere Umstände dazu Anlaß geben, seine Bevollmächtigung in Zweifel zu ziehen (vgl BVerwG Buchholz 310 § 67 VwGO Nr 59 S 3; BVerwGE 71, 20, 23 f = Buchholz 310 § 67 VwGO Nr 66 S 16; BVerwG Buchholz aaO Nr 85 S 5). Diese rechtliche Sichtweise ist auf das Sozialgerichtsverfahren nicht übertragbar, weil die einzelnen Absätze des § 67 VwGO keine spezielle Verweisung auf Einzelvorschriften des Zivilprozeßrechts enthalten, sondern § 173 Satz 1 VwGO die ZPO allgemein für entsprechend anwendbar erklärt, sofern die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Demgegenüber stellt § 73 Abs 4 Satz 1 SGG mit seiner Verweisung allein auf §§ 81, 84 bis 86 ZPO für Umfang und Wirkung der Vollmacht eine Sonderregelung gegenüber § 202 SGG dar, die abschließend ist (so bereits Urteil des erkennenden Senats vom 28. April 1999 – B 6 KA 41/98 R ≪unveröffentlicht≫ S 5 f des Umdrucks).
Die entsprechende gesetzliche Regelung für das finanzgerichtliche Verfahren weicht im übrigen von der Rechtslage nach der VwGO ab und ähnelt im Ergebnis derjenigen nach dem SGG. So bestimmt § 62 Abs 3 Satz 1 bis 4 FGO (idF des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2109≫) selbst, daß die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen ist, das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen hat und daß der Vorsitzende oder der Berichterstatter eine Frist mit ausschließender Wirkung für die Nachreichung der Vollmacht setzen kann, wobei die Grundsätze der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Anwendung finden. Diese normative Ausgestaltung belegt, daß der Gesetzgeber bei der Regelung der Art und Weise, nach der sich Beteiligte im Rechtsstreit durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen können, unterschiedliche Wege gegangen ist, die nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Regelungen über die Postulationsfähigkeit in den einzelnen Gerichtszweigen (§§ 73 Abs 1 und Abs 6, 166 Abs 2 Satz 1 SGG; § 67 Abs 1 VwGO; § 62 Abs 1 und 2 FGO; § 78 ZPO) wesentlich mitbestimmt sind. Die mit dem Entwurf für eine Verwaltungsprozeßordnung durch einen Koordinierungsausschuß 1978 ins Werk gesetzten, durch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 10/3437 S 104 zu § 65 des Entwurfs) fortgeführten Bemühungen um eine Vereinheitlichung auch der Prozeßvertretungsvorschriften von VwGO, FGO und SGG haben in den nachfolgenden Jahren zu keiner tatsächlichen Harmonisierung der einschlägigen Vorschriften geführt. Daher können auftretende prozessuale Fragen in erster Linie jeweils nur bereichsspezifisch beantwortet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen