Entscheidungsstichwort (Thema)
knappschaftliche Rentenversicherung – Leistungszuschlag – Beitrittsgebiet – überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeit – ständige Arbeiten unter Tage – Übertagetätigkeit – Gleichstellung – Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Den Leistungszuschlag nach § 85 SGB 6 erhalten – auch unter Berücksichtigung der Sonderregelung des § 254a SGB 6 – nur Versicherte, die tatsächlich unter Tage tätig waren. Unerheblich ist, ob dem Versicherten aufgrund DDR-Rechts eine Bergmannsvollrente zustand, die als Rente für Bergleute umgewertet wurde, welche eigentlich eine Untertagebeschäftigung voraussetzt (Abgrenzung zu BSG vom 30.6.1999 – B 8 KN 9/98 R = BSGE 84, 126 = SozR 3-8575 Art 2 § 6 Nr 1).
Stand: 29. Oktober 2001
Normenkette
SGB VI § 61 Abs. 1-2, § 85 Abs. 1, §§ 254a, 315a; RÜG Art. 2 §§ 6, 23; SozPflVRVDBest 1 § 41 Abs. 1; EinigungsV Art. 30 Abs. 5; GG Art. 3, 14
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 26. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Bewertung der vom Kläger in der Zeit zwischen Januar 1976 und Dezember 1991 zurückgelegten Versicherungszeiten für die Gewährung eines Leistungszuschlags bei der Regelaltersrente.
Der 1938 geborene Kläger war vom 3. April 1962 bis 30. September 1997 beim VEB Chemiefaserwerk „F. E.” in P. bzw dessen Rechtsnachfolgerin, der N. GmbH, als Schlosser bzw Produktionsarbeiter beschäftigt. In der Tätigkeit als Schlosser war er bis Dezember 1975 der sog Beschäftigtengruppe 2, als Produktionsarbeiter ab Januar 1976 der sog Beschäftigtengruppe 1 zugeordnet, wobei ihm jeweils ein Sozialversicherungsbeitrag iH von 30 % vom Lohn abgezogen wurde. Seit Oktober 1997 ist der Kläger arbeitslos.
Bereits seit Dezember 1990 bezog der Kläger Bergmannsvollrente, welche von der Beklagten mit Bescheid vom 19. November 1992 ab Januar 1992 umgewertet und als Rente für Bergleute wegen langjähriger Untertagebeschäftigung und Vollendung des 50. Lebensjahres gezahlt wurde. Auf seinen Antrag auf Kontenklärung vom 2. April 1997 erteilte die Beklagte am 24. November 1997 einen Versicherungsverlauf und am 15. Dezember 1997 eine Auskunft über die Höhe der erreichten Anwartschaft einer Regelaltersrente (errechneter monatlicher Rentenbetrag: 2.114,70 DM). Der Rentenauskunft war als „Anlage zum Bescheid vom 15. Dezember 1997” ein Versicherungsverlauf beigefügt, in dem eine „Zusammenstellung der Tätigkeiten für den Leistungszuschlag” enthalten war, die die knappschaftlichen Zeiten zur Rentenversicherung im Beitrittsgebiet (3. April 1962 bis 31. Dezember 1996) ausweist und als für den Leistungszuschlag anrechenbar das Jahr 1992 (Januar bis Dezember) als ständige Arbeiten unter Tage berücksichtigt.
Nach Rückfrage bei der N. GmbH erteilte die Beklagte am 7. Januar 1998 eine erneute „Rentenauskunft” über die Höhe der erreichten Anwartschaft auf eine Regelaltersrente. Sie errechnete hierbei einen monatlichen Rentenbetrag iH von 2.112,41 DM. Beigefügt war wiederum ein als „Anlage zum Bescheid vom 7. Januar 1998” bezeichneter Versicherungsverlauf, in welchem ebenfalls eine „Zusammenstellung der Tätigkeiten für den Leistungszuschlag” enthalten war. Hiernach waren als Zeit der Zugehörigkeit zur knappschaftlichen Rentenversicherung die Zeiten vom 3. April 1962 bis 30. September 1997 enthalten, die jedoch allesamt für den Leistungszuschlag nicht anrechenbar sein sollten. In einem Anschreiben vom selben Tage ist erläutert, daß die Untertagetätigkeit für das Jahr 1992 in „sonstige Arbeiten” geändert worden sei; die maschinelle Mitteilung des Arbeitgebers für 1992 sei falsch gewesen und noch nach altem Recht erfolgt. Insoweit habe die N. GmbH eine Korrektur vorgenommen. Ab Januar 1976 habe die Tätigkeit des Klägers zwar zur Beschäftigungsgruppe 1 im Chemiefaserwerk bzw bei der N. GmbH gehört. Die Zeiten in der Beschäftigungsgruppe 1 seien nach DDR-Recht auch den Zeiten mit Untertagetätigkeit gleichgestellt und anerkannt worden. So sei auf dieser Grundlage die Bergmannsvollrente bewilligt worden. Für den neuen Rentenanspruch sei aber das SGB VI zugrunde zu legen. Hiernach erfolge die Gleichstellung nicht mehr, so daß die Beschäftigung als „sonstige Arbeiten” auszuweisen sei. Die Bergmannsvollrente werde bis zum neuen Rentenanspruch gezahlt. Mit dem neuen Rentenanspruch entfalle auch der Leistungszuschlag für Untertagetätigkeit.
Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1998; Urteil des SG vom 27. Oktober 1999; Urteil des LSG vom 26. Juli 2000). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Gewährung eines Leistungszuschlags bei der Altersrente für den Zeitraum Januar 1976 bis Dezember 1991 gemäß § 85 SGB VI nicht. Denn er habe zu keiner Zeit „ständige Arbeiten unter Tage” iS des § 61 Abs 1, Abs 2 Nr 1 bis 3 SGB VI ausgeübt. Solche Arbeiten seien auch nicht in Anwendung des § 254a SGB VI anzunehmen, wonach im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeiten den ständigen Arbeiten unter Tage gleichgestellt würden. Der Begriff „überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeiten” ergebe sich aus § 41 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung der DDR (1. DB RentV-DDR) vom 23. November 1979 – GBl DDR I S 413; die vom Kläger über Tage zwischen 1976 und 1991 (bzw September 1997) als Produktionsarbeiter bei dem VEB Chemiefaserwerk „F. E.” in P. bzw bei der Rechtsnachfolgerin, der N. GmbH, ausgeübten Tätigkeiten seien danach rentenrechtlich nicht gemäß § 254a SGB VI zu berücksichtigen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Urteilen des BSG vom 30. Juni 1999 (B 8 KN 9/98 R – SozR 3-8575 Art 2 § 6 Nr 1 – und B 8 KN 16/98 R – nicht veröffentlicht). Diese Entscheidungen seien allein zu der übergangsrechtlichen Regelung der weiteren Anwendung des Rentenrechts der ehemaligen DDR bis zum 31. Dezember 1995 nach Art 2 § 6 RÜG ergangen. Eine verfassungskonforme und lückenausfüllende Auslegung wie in diesen Entscheidungen habe bei Anwendung des § 254a SGB VI nicht stattzufinden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen §§ 85, 254a SGB VI. Zur Begründung trägt er vor: Für die Berücksichtigung des Leistungszuschlags gemäß § 85 SGB VI liege hinsichtlich der von ihm durchgeführten Tätigkeit bei § 254a SGB VI eine planwidrige Lücke vor. Gemäß § 248 SGB VI sei nämlich für die Berücksichtigung von Beitragszeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung ausschließlich die Höhe des Versichertenbeitrages nach einem Beitragssatz maßgeblich, wie er für die bergbauliche Versicherung üblich sei. Deswegen seien auch die nach DDR-Recht gleichgestellten Tätigkeiten als überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeiten iS des § 254a SGB VI anzusehen. Anderenfalls liefe diese Bestimmung leer; denn auch gemäß § 61 Abs 2 Nr 1 iVm Abs 3 Nr 1 bis 3 SGB VI finde sich eine Gleichstellung mit Arbeiten, die ständig unter Tage ausgeübt würden. Hiernach müßten überwiegend – dh mehr als 50 vH – der monatlich 18 Arbeitsschichten unter Tage verfahrene Schichten sein. Dies seien im Monat 18 × 12 : 2 = 108 „Halbschichten”; in § 41 Abs 3 bis 5 1. DB RentV-DDR seien unter Berücksichtigung der 80 % Regelung ebenfalls 108 Schichten zu leisten. Seine – des Klägers – Gleichbehandlung sei auch aus Art 3 GG geboten. Er sei nämlich in gleicher Weise aufgrund seiner Tätigkeit im VEB Chemiefaserwerk „F. E.” in P. erheblichen beruflichen Belastungen ausgesetzt gewesen, wie dies bei unter Tage tätigen Bergleuten der Fall sei. Ihm komme hinsichtlich der Berücksichtigung seiner Untertagetätigkeit auch Bestandsschutz zu. Er habe nämlich seit Dezember 1990 Bergmannsvollrente erhalten; diese sei gemäß § 307a SGB VI umgewertet und als Rente für Bergleute weitergezahlt worden. Dabei seien Leistungszuschläge für Untertagetätigkeit berücksichtigt worden; diese Zuschläge entsprächen den Zuschlägen gemäß § 85 SGB VI nach zehn Beschäftigungsjahren. Ein solcher Zuschlag nehme an einer Bestandsgarantie des Art 30 Abs 5 Einigungsvertrag (EinigVtr) teil.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 26. Juli 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Oktober 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. Dezember 1997 und 7. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei Berechnung seiner Altersrente die Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 1991 als Untertagetätigkeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Dezember 1991 als Untertagetätigkeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei Berechnung seiner Altersrente. Die Rentenauskunft der Beklagten vom 7. Januar 1998, die inhaltlich die Rentenauskunft vom 15. Dezember 1997 ersetzt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 1998 ist rechtmäßig; dies hat das LSG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt.
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte mit ihrer Auskunft vom 7. Januar 1998 eine Regelung des Inhalts herbeiführen wollte, daß die Versicherungszeiten des Klägers ab Januar 1976 bei Berechnung der Altersrente nicht als Untertagetätigkeiten anzuerkennen seien. Diesen Regelungswillen hat sie mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1998 – versehen mit einer Rechtsmittelbelehrung – ausdrücklich bekräftigt (vgl hierzu BSG Urteil vom 18. April 1996 – 4 RA 36/94 – BSGE 78, 138, 140 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1 mwN). Auch wenn das Schreiben der Beklagten vom 7. Januar 1998 mit „Rentenauskunft – kein Rentenbescheid” überschrieben ist, ist die darin enthaltene Mitteilung als Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen und damit als Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) zu qualifizieren. Soweit hinsichtlich der Rentenauskunft selbst noch Zweifel an der Verwaltungsaktqualität bestehen könnten, werden diese durch das begleitende Anschreiben vom selben Tage ausgeräumt. Dort wird die in der Anlage übersandte Rentenauskunft selbst als „neuer Bescheid” bezeichnet und ausgeführt, daß die Untertagetätigkeit 1992 aufgrund einer korrigierten Einstufung durch den Arbeitgeber N. GmbH in „sonstige Arbeiten” verändert worden sei. Dieses Anschreiben enthält zudem die Regelung: „Für den neuen Rentenanspruch ist das SGB I (richtig wohl: SGB VI) die Grundlage. Hier erfolgt diese Gleichstellung (der Zeiten in der Beschäftigungsgruppe 1 nach DDR-Recht mit Untertagetätigkeiten) nicht mehr. Deshalb wird diese Tätigkeit als ‚sonstige Arbeiten’ ausgewiesen.” Zugleich ist verbindlich angekündigt, daß mit dem neuen Rentenanspruch der bisherige Leistungszuschlag für die Untertagetätigkeit entfallen werde.
Gemäß § 85 Abs 1 Satz 1 SGB VI erhalten Versicherte nach sechs Jahren „ständiger Arbeiten unter Tage” für jedes volle Jahr mit solchen Arbeiten zusätzliche Entgeltpunkte (Leistungszuschlag), gestaffelt nach der Anzahl der Jahre mit solchen Tätigkeiten. Gemäß § 61 Abs 1 SGB VI sind „ständige Arbeiten unter Tage” solche Arbeiten nach dem 31. Dezember 1967, die nach ihrer Natur ausschließlich unter Tage ausgeübt werden. Gemäß den Abs 2 und 3 dieser Vorschrift werden solchen Arbeiten verschiedene dort genannte Tätigkeiten gleichgestellt. Wie das LSG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat und auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wird, sind die Voraussetzungen des § 61 SGB VI beim Kläger nicht erfüllt.
Auch unter Berücksichtigung der für das Beitrittsgebiet geltenden Regelung des § 254a SGB VI werden die Voraussetzungen des § 85 SGB VI nicht erfüllt. Nach § 254a SGB VI – als Sonderregelung zu § 61 SGB VI – sind im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 überwiegend unter Tage ausgeübte Arbeiten „ständige Arbeiten unter Tage”.
Ausgehend vom Wortlaut des § 254a SGB VI idF des Art 1 Nr 64 RÜG vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606), in Kraft getreten am 1. Januar 1992 (Art 42 Abs 1 RÜG), werden nur diejenigen Arbeiten gleichgestellt, die überwiegend unter Tage „ausgeübt” worden sind. In der Gesetzesbegründung des RÜG, durch welches diese Vorschrift mit Wirkung zum 1. Januar 1992 in das SGB VI eingefügt wurde, wird erläutert, daß das Rentenrecht der ehemaligen DDR den Begriff der „ständigen Arbeiten unter Tage” nicht kennt, sondern den der überwiegenden Untertagetätigkeit. Da jedoch noch eine gewisse Vergleichbarkeit beider Begriffe gegeben sei, bestimme die Vorschrift, daß die nach DDR-Recht überwiegend unter Tage „verrichteten” Tätigkeiten den ständigen Arbeiten unter Tage gleichstehen (BT-Drucks 12/405, S 126 zu Nr 60 = § 254a SGB VI). Anders als bei dem zeitgleich als Art 2 RÜG erlassenen Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, das ein eigenständiges Gesetz neben dem SGB VI darstellt (vgl BSG Urteil vom 9. November 1999 – B 4 RA 54/98 R – SozR 3-8575 Art 2 § 31 Nr 1, S 5 und jetzt auch Urteil vom 3. April 2001 – B 4 RA 2/00 R – zur Veröffentlichung vorgesehen), ist die dort in § 23 Abs 2 enthaltene Definition der „Untertagetätigkeit”, die im wesentlichen dem modifizierten DDR-Recht (§ 41 Abs 1 Buchst a bis h, § 41 Abs 3 bis 5 1. DB RentV-DDR) entspricht (vgl BT-Drucks 12/405, S 143 zu § 23), in § 254a SGB VI nicht übernommen worden. Die Gleichstellung mit „ständigen Arbeiten unter Tage” ist vielmehr auf tatsächlich überwiegend unter Tage „ausgeübte” Tätigkeiten beschränkt. Der Kläger hat aber zu keiner Zeit unter Tage gearbeitet.
Entgegen der Ansicht des Klägers enthält § 254a SGB VI auch keine „planwidrige Lücke”, die im Wege der verfassungskonformen Auslegung zu schließen wäre. Insbesondere aus den Entscheidungen des Senats vom 30. Juni 1999 – B 8 KN 9/98 R (SozR 3-8575 Art 2 § 6 Nr 1) und B 8 KN 16/98 R – läßt sich der Anspruch des Klägers auf (höhere) Bewertung der streitigen Beitragszeiten iS eines Leistungszuschlags gemäß § 85 Abs 1 Satz 1 SGB VI nicht herleiten. Diese Urteile, denen zufolge die Zugehörigkeit zur Beschäftigtengruppe 1 beim VEB Chemiefaserwerk „F. E.” den Versicherten einen Anspruch auf Gewährung der (übergangsrechtlichen) Bergmannsvollrente gemäß Art 2 § 6 RÜG verschaffte (Gleichstellung mit den aus vorgenannter Vorschrift originär Anspruchsberechtigten), können nicht iS der Gleichstellung der Tätigkeit in der Beschäftigtengruppe 1 mit einer überwiegend unter Tage ausgeübten Tätigkeit iS des § 254a SGB VI im Hinblick auf die Gewährung einer SGB VI-Rente übertragen werden.
In den vorgenannten Senatsentscheidungen vom 30. Juni 1999 ist ausgeführt, daß (bei Art 2 § 6 Abs 1 Nr 2 RÜG) eine Gesetzeslücke vorliege, weil eine der Anlage 5 Nr 4a der „Vereinbarung 1989” entsprechende Regelung fehle. Hier habe der Gesetzgeber das Art 2 RÜG zugrundeliegende und in Art 30 Abs 5 EinigVtr vorgegebene Regelungsprogramm, allem Anschein nach ohne sich dessen bewußt zu sein und ohne daß dafür ein sachlicher Grund erkennbar wäre, nur unvollständig umgesetzt.Diese Lücke sei unter Berücksichtigung des einschlägigen Verfassungsrechts in ergänzender Auslegung dahin zu schließen, daß unter den Voraussetzungen der Anlage 5 Nr 4a der „Vereinbarung 1989” Tätigkeiten in der Beschäftigtengruppe 1 mit Untertagetätigkeiten (definiert in Art 2 § 23 RÜG) gleichgestellt seien, ebenso wie Zeiten einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit der Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung. Nach Art 30 Abs 5 Satz 2 Nr 2 EinigVtr sei mit Blick auf das zu erlassende RÜG (Art 30 Abs 5 Satz 1 und 3 EinigVtr) dem Gesetzgeber des vereinten Deutschland aufgegeben worden, für Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 (Frist im RÜG verlängert bis zum 31. Dezember 1996) beginne, eine Rente auch dann zu bewilligen, wenn am 30. Juni 1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht in dem in Art 3 des EinigVtr genannten Gebiet ein Rentenanspruch bestanden habe. Dabei bringe Art 30 Abs 5 Satz 2 Nr 1 und 2 EinigVtr zum Ausdruck, daß sowohl die Rentenhöhe (Nr 1) als auch die Voraussetzungen für die Rentenansprüche (Nr 2)bei Zugängen bis zum 30. Juni 1995 unter Fortführung des bis 30. Juni 1990 geltenden Rentenrechts der DDR festzustellen seien. Der EinigVtr enthalte damit in Art 30 Abs 5 für die „rentennahen” Anwartschaftsberechtigten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der DDR eine doppelte Garantie – die des Zahlbetrags (Nr 1) und die der Rentenart (Nr 2). In Erfüllung der übernommenen Verpflichtung habe der Gesetzgeber mit Art 2 RÜG für eine Übergangszeit, die zugunsten der Betroffenen auf Rentenneuzugänge bis 31. Dezember 1996 ausgedehnt worden sei (Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG), ein eigenständiges Gesetz geschaffen.
Aus diesen Ausführungen des Senats wird deutlich, daß lediglich in der Übergangszeit bei Eintritt eines Leistungsfalls durch Art 30 EinigVtr Garantien des Gesetzgebers zu beachten waren, die Rentenzahlbetrag und Rentenart betrafen. Der Gesetzgeber des EinigVtr hatte bereits öffentlich-rechtliche subjektive Rechtspositionen eingeräumt, die der Gesetzgeber des RÜG ohne Verfassungsverstoß nicht mehr oder nur unter den von der Rechtsprechung des BVerfG umrissenen Voraussetzungen entziehen oder auch nur kürzen durfte. In einer solchen von Art 14 GG geschützten Position befindet sich der Kläger nicht: Für ihn geht es um die Berücksichtigung eines Leistungszuschlages bei einer noch ausstehenden Regelaltersrente, dieallein nach den Vorschriften des SGB VI (SGB VI-Rente) bemessen wird. Eine übergangsrechtliche Bestandsgarantie, wie sie Gegenstand der Senatsurteile vom 30. Juni 1999 war, schützt den Kläger nicht mehr.
Bei der Konkretisierung der Rentenanwartschaften des Klägers für eine Altersrente finden mithin ausschließlich SGB VI-Vorschriften Anwendung. Da die Voraussetzungen der §§ 61, 254a SGB VI in seiner Person nicht vorliegen, er vielmehr nie unter Tage tätig war und auch nicht Tätigkeiten iS des § 61 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGB VI ausgeführt hat, kann er – wie die Beklagte im Kontenklärungsverfahren bescheidmäßig festgestellt hat – Entgeltpunkte für ständige Arbeiten unter Tage (Leistungszuschlag) iS des § 85 Abs 1 Satz 1 SGB VI nicht erhalten.
Soweit nach dem Recht der DDR Versicherungszeiten außerhalb des Bergbaus bei der Rentenberechnung der Bergmannsvollrente berücksichtigt wurden, wird das Vertrauen des Rentenberechtigten in den Fortbestand der Bergmannsvollrente in ihrer bisherigen Höhe (allein) durch die Regelung des § 315a SGB VI, den sog „Auffüllbetrag”, geschützt (vgl hierzu Senatsurteil vom 25. Mai 2000 – B 8 KN 4/99 R – SozR 3-2600 § 302a Nr 1). Auch der Kläger hat zunächst eine Bergmannsvollrente bezogen, welche von der Beklagten mit Bescheid von November 1992 ab Januar 1992 gemäß § 307a SGB VI umgewertet und als Rente für Bergleute nach § 45 Abs 3 SGB VI wegen langjähriger Untertagebeschäftigung und Vollendung des 50. Lebensjahres gezahlt wurde. Der Anspruch auf diese Bestandsrente besteht unverändert fort; der Zahlbetrag ist durch § 315a SGB VI geschützt. Der Schutz durch diesen sog „Auffüllbetrag” entspricht im systematischen Vergleich der fortgeführten Bergmannsvollrente eines Zugangsrentners nach Art 2 RÜG (vgl Senatsurteil vom 25. Mai 2000 – aaO). Ein darüber hinausgehender Schutz für eine noch zu berechnende Altersrente nach den Vorschriften des SGB VI besteht nicht. Eine nach dem 31. Dezember 1996 zu berechnende reine SGB VI-Rente ist nach denselben rechtlichen Voraussetzungen zu berechnen, wie sie auch für Versicherte festgeschrieben sind, die ihre beruflichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in den alten Bundesländern erfüllt haben.
Da – soweit einheitlich SGB VI gilt – allein die tatsächliche Arbeit unter Tage maßgebend ist, so daß eine Gleichstellung anderer Tätigkeiten nicht (mehr) in Betracht kommt, scheidet auch ein Verstoß dieser Regelung gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art 3 GG aus. Darauf, daß der Kläger möglicherweise „in zumindest ähnlicher Weise” beruflichen Belastungen ausgesetzt war, wie die unter Tage tätigen Bergleute, kann weder zu einer an Art 3 Abs 1 GG orientierten anderen Auslegung des § 254a SGB VI führen noch begegnet dies im Hinblick auf Art 14 Abs 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken.
Soweit der Kläger meint, gemäß § 248 SGB VI sei für die Berücksichtigung von Beitragszeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung ausschließlich die Höhe des versicherten Beitrags nach einem Beitragssatz wie für die bergbauliche Versicherung maßgeblich, so daß auch die Beitragsentrichtung für ihn in der streitigen Zeit nach einem Beitragssatz von 30 vH eine Rentenversicherung nach knappschaftlichen Kriterien indiziere, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Der Regelung des § 248 Abs 4 Satz 1 SGB VI, wonach die Beitragszeiten im Beitrittsgebiet abweichend von den Vorschriften des Dritten Kapitels (§§ 125 ff SGB VI) der knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet werden, wenn für die versicherte Beschäftigung Beiträge nach einem Beitragssatz für bergbaulich Versicherte gezahlt worden sind, kann lediglich eine Bedeutung bezüglich der Zuordnung von Beitragszeiten in Abhängigkeit des Beitragssatzes beigemessen werden. Mithin besagt die Orientierung am Beitragssatz bezogen auf den Kläger nur, daß Beitragszeiten mit einem Beitragssatz iH von 30 vH der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind. § 248 Abs 4 Satz 1 SGB VI ist allein als Sondervorschrift zu §§ 137, 138 SGB VI (Regelung der in der Knappschaft Versicherten sowie der knappschaftlichen Betriebe) zu verstehen (Polster in KassKomm, Stand März 1996, RdNr 64 zu § 248 SGB VI; Verbandskomm, Stand Januar 2001, § 248 SGB VI Anm 5; Busch, Kompaß 1993, 367, 370). Zu § 85 Abs 1 Satz 1 SGB VI – Regelung eines Leistungszuschlages für ständige Arbeiten unter Tage – trifft § 248 SGB VI hingegen keine besondere Regelung. Im übrigen bleibt darauf hinzuweisen, daß der Kläger durch die Zuordnung seiner Zeiten im Beitrittsgebiet zur knappschaftlichen Rentenversicherung den Vorteil eines höheren Rentenartfaktors bei seiner Altersrente, nämlich 1,3333 (§ 82 SGB VI) – anstatt 1,0 (§ 67 SGB VI) in der Angestellten- und Arbeiterrentenversicherung – hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
NJ 2001, 670 |
SozR 3-2600 § 254a, Nr. 1 |
AuS 2001, 61 |