Beteiligte
Landesamt für Soziales und Versorgung -Landesversorgungsamt- |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 12. Juni 1997 geändert.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 30. Dezember 1996 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1918 geborene und während des Revisionsverfahrens verstorbene Vater und Rechtsvorgänger des Klägers (B.) leistete von April 1939 bis zum Kriegsende Wehr- bzw Kriegsdienst und kehrte 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Anschließend lebte er in B., M. .
Im März 1991 beantragte er wegen eines Hörschadens, den er auf ein im Juni 1944 bei seinem Einsatz als Panzerjäger erlittenes Knalltrauma (Rohrkrepierer einer von ihm bedienten 7,5 Pak) zurückführte, beim Versorgungsamt Potsdam Beschädigtenversorgung. Mit „Bescheid gemäß §22 Abs 4 des VfG-KOV” vom 14. Oktober 1992 gewährte ihm der Beklagte „unter dem Vorbehalt, daß die noch zu treffende endgültige Entscheidung nicht abweichend ausfällt”, ab 1. Januar 1991 wegen „Hörschaden beidseits” Beschädigtenversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH. Diese Leistung wurde durch den als „Anlage zum Bescheid vom 14. Oktober 1992” bezeichneten „Vorbehaltsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)” vom 3. November 1992 mit zuletzt 423,00 DM monatlich berechnet und mit „Bescheiden nach §48 SGB X” vom 10. Dezember 1992 und 10. Juni 1993 aufgrund „der Änderung des im Einigungsvertrag bezeichneten Vomhundertsatzes” bzw „der Zweiten KOV-Anpassungsverordnung 1993 iVm dem im Einigungsvertrag bezeichneten Vomhundertsatz” auf 448,00 DM bzw 514,00 DM monatlich erhöht.
In der ersten Jahreshälfte 1993 zog der Beklagte audiometrische Befunde aus den Jahren 1978 bis 1992 bei. In einer ohrenfachärztlichen Stellungnahme vom 8. November 1993 verneinte der Ärztliche Dienst des Versorgungsamtes Cottbus (Dr. K.) die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs des Ohrenleidens (Otosklerose) mit dem angeblich 1944 erlittenen Knalltrauma. Mit Bescheid vom 19. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1995 hob der Beklagte daraufhin den Vorbehaltsbescheid vom 14. Oktober 1992 auf und stellte fest, daß B. keinen Anspruch auf Versorgung habe.
Das Sozialgericht Potsdam (SG) hat – nach Einholung eines HNO-ärztlichen Sachverständigengutachtens – die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. Dezember 1996). Auf die Berufung des B. hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 12. Juni 1997 das sozialgerichtliche Urteil geändert und den Beklagten verurteilt, B. vom 1. Januar bis 30. Juni 1993 448,00 DM monatlich und ab 1. Juli 1993 laufend monatlich 514,00 DM zu zahlen. Im übrigen wies es die Berufung zurück. In den Entscheidungsgründen ist im wesentlichen ausgeführt: Zwar sei das Ohrenleiden des B. nicht schädigungsbedingt. B. sei aber aus Rechtsgründen Rente in der zuletzt gezahlten Höhe weiterzugewähren. Der Beklagte sei an seine – nicht unter Vorbehalt ergangenen – Anpassungsbescheide vom 10. Dezember 1992 und 10. Juni 1993 gebunden. Dieses Urteil führte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 aus, wobei er die vom 1. Januar bis 31. Dezember 1997 gewährten Leistungen an- und mit den für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1992 erbrachten Leistungen (8.520,00 DM) aufrechnete.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt der Beklagte Verstöße des LSG gegen §22 Abs 4 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), §42 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – (SGB I) und §48 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X). Die Anpassungsbescheide hätten – auch wenn sie die MdE-Angabe wiederholt hätten – nur die Höhe der Vorbehaltsleistungen geändert.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 12. Juni 1997 zu ändern und die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der im Revisionsverfahren nicht vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des LSG können die Bescheide des Beklagten vom 19. November 1993 und vom 10. März 1995 – die allein Gegenstand des Verfahrens sind – nicht beanstandet werden.
Gemäß §1 Abs 1 BVG erhält eine Person, die durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Gesundheitliche bzw wirtschaftliche Folgen der geltend gemachten Schädigung (Knalltrauma bei Rohrkrepierer im Juni 1944) lagen bei B. nicht vor. Nach den vom Kläger unangegriffenen und den Senat bindenden (§163 SGG) Feststellungen des LSG beruht die einzige als Schädigungsfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung (Ertaubung bzw Hörbehinderung des B. auf beiden Ohren) nicht auf einer Schädigung iS der §§1 ff BVG, sondern auf einer anlagebedingten Otosklerose, die sich seit 1970 entwickelt hat. Auch die schädigungsbedingte Verschlimmerung eines bereits bestehenden Leidens scheidet aus, weil das LSG – ebenfalls unwidersprochen und für den Senat bindend – festgestellt hat, daß B. vor Juni 1944 nicht an einem Ohrenleiden erkrankt war, das sich hätte verschlimmern können.
Im Gegensatz zur Meinung des LSG standen B. Versorgungsleistungen, die auf den Kläger übergegangen sein könnten, auch aus sonstigen Gründen nicht zu, insbesondere nicht aufgrund bestandskräftiger Verwaltungsakte (§§39 ff SGB X), denn eine vorbehaltslose bestandskräftige Anerkennung eines Versorgungsanspruchs durch den Beklagten ist niemals erfolgt.
Soweit der Beklagte den Anspruch des B. mit Vorbehaltsbescheiden vom 14. Oktober und 3. November 1992 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf §22 Abs 4 KOVVfG vorläufig anerkannt hatte, ist die Bestandskraft dieser Bescheide kraft Gesetzes mit Bekanntgabe des „abschließenden Verwaltungsaktes” vom 19. November 1993 entfallen, weil sich die Vorbehaltsbescheide dadurch „anderweitig erledigt” haben (vgl §39 Abs 2 SGB X; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 §32 Nr 2 S 10 f mwN). Es bedurfte daher nicht einmal der vom Beklagten mit Bescheid vom 19. November 1993 ausdrücklich ausgesprochenen Aufhebung der Vorbehaltsbescheide vom Oktober und November 1992 (vgl insoweit das ebenfalls am 16. Juni 1999 ergangene Urteil des Senats Az B 9 V 4/99 R; ferner Rohr-Sträßer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht Anm 7 zu §22 KOVVfG). Gemäß §22 Abs 4 KOVVfG kann die Verwaltungsbehörde – wie hier geschehen – unter bestimmten Voraussetzungen einen Bescheid unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der endgültigen Entscheidung erlassen, wenn dies beantragt ist und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Erteilung eines solchen vorläufigen Bescheides hat. Voraussetzung ist dabei, daß nach dem Ergebnis der Ermittlungen über den Anspruch oder einen Teil des Anspruchs noch nicht endgültig entschieden werden kann, die Voraussetzungen für die Gewährung bestimmter Leistungen jedoch mit Wahrscheinlichkeit gegeben sind. Die Bescheide vom 14. Oktober und 3. November 1992 waren „Vorbehaltsbescheide” in diesem Sinn. Inhalt und Ausmaß des Vorbehaltes ergaben sich – wie dies §22 Abs 4 Satz 2 KOVVfG vorschreibt – auch hinreichend deutlich aus den Bescheiden. Demgemäß war der Beklagte bei Erlaß des endgültigen Bescheides nicht mehr an die früheren, vorläufigen Entscheidungen gebunden (§22 Abs 4 Sätze 3 und 4 KOVVfG). Vielmehr fielen die Vorbehaltsbescheide mit der endgültigen Verwaltungsentscheidung kraft Gesetzes weg (§39 Abs 2 SGB X).
Auch aufgrund der Anpassungsbescheide vom 10. Dezember 1992 und 10. Juni 1993 hatte B. keinen Anspruch auf Zahlung von Versorgungsleistungen ab 1. Januar 1993, insbesondere nicht über den 30. November 1993 hinaus. Entgegen der Auffassung des LSG erstreckte sich der Vorbehalt im Bescheid vom 14. Oktober 1992 (und in dem als Anlage zu diesem Bescheid bezeichneten Bescheid vom 3. November 1992) auch auf die nachfolgenden Anpassungsbescheide vom 10. Dezember 1992 und 10. Juni 1993. Denn der Regelungsgehalt eines solchen Bescheides erschöpft sich in der Anpassung bereits anderweit festgestellter Leistungen an die durch Anpassungsverordnungen oder -gesetze festgelegten Erhöhung der Versorgungsbezüge (vgl hierzu Urteil des Senats vom 26. Oktober 1989 - 9 RV 14/88, Leitsätze in SozSich 1990, 231; Urteil vom 15. August 1996 - 9 RV 22/95 = BSGE 79, 92 = SozR 3-1300 §45 Nr 30 mwN). Die Anpassungsbescheide teilen mithin das rechtliche Schicksal des vorläufigen Verwaltungsaktes, mit dem der Träger die später angepaßten Leistungen ursprünglich festgestellt hatte. Wird der Ursprungsbescheid, mit dem die Sozialleistung zulässigerweise nur vorläufig festgestellt worden ist, durch Erlaß eines endgültigen Leistungsbescheides gegenstandslos (§39 Abs 2 SGB X), so verlieren auch die Anpassungsbescheide ihre Wirksamkeit. Das gilt auch dann, wenn die endgültige Festsetzung – wie hier – als Ablehnung einer Leistung überhaupt, also mit Null, erfolgt.
B. konnte die Anpassungsbescheide auch nicht als endgültige Leistungsbewilligung verstehen. Aus ihrem Wortlaut ging eindeutig hervor, daß sie lediglich die Erhöhung des vom Bundesarbeitsministerium (am 20. Dezember 1991 mit 56,76 vH – vgl BArbBl 2, 1992, 110) bekanntgegebenen Vomhundertsatzes iS des Einigungsvertrages (vgl Anl I Sachgebiet K Abschn III 1 Buchst a des Einigungsvertrages und BArbBl 2, 1993, 108) bzw die Anpassung der Geldleistungen nach dem BVG durch die Zweite KOV-AnpassungsVO vom 14. Juni 1993 (BGBl I 920) umsetzten und sonst – hinsichtlich des Leistungsgrundes – keine Neuregelung trafen.
Der hier vertretenen Ansicht steht weder die Entscheidung des Senats vom 10. August 1983 (Versorgungsbeamter 1984, S 11) noch das Urteil des 8. Senats vom 24. Januar 1995 (SozR 3-1300 §50 Nr 17) entgegen. Diesen Entscheidungen, in denen aus den ergangenen Anpassungsbescheiden im Zusammenwirken mit sonstigen Umständen eine endgültige Bewilligung laufender Leistungen gefolgert worden ist, liegen andersartige Fallgestaltungen zugrunde. In seinem Urteil vom 10. August 1983 (aaO) legte der Senat einen zu §30 Abs 3 und 4 BVG aF (Berufsschadensausgleich) ergangenen Bescheid, demzufolge „eine Prüfung nach §30 Abs 5 BVG” (Anwendung der damaligen Nachschadensregelung) nach Eingang der Versichertenakten der Landesversicherungsanstalt vorbehalten blieb, im Zusammenhang mit den dazu ergangenen Anpassungsbescheiden dahingehend aus, daß der Betroffene den Eindruck hatte gewinnen müssen, der Berufsschadensausgleich werde durch die vorbehaltene Anwendung der Nachschadensregelung jedenfalls nicht niedriger ausfallen. Außerdem habe der Betroffene nach den Umständen des Falles, insbesondere dem Ablauf von fast drei Jahren, darauf vertrauen können, daß der „fragwürdige Vorbehalt” nunmehr gegenstandslos geworden sei. Demgegenüber betraf die Entscheidung des 8. Senats vom 24. Januar 1995 (aaO) einen Fall, in dem eine rechtswirksam entzogene Versichertenrente fast ein Jahrzehnt weitergezahlt und laufend angepaßt worden war. Hier fehlte ein Ursprungsbescheid und lagen über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg Anpassungsbescheide vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.
Fundstellen