Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. August 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Kosten für eine vertragsärztlich nicht zugelassene Behandlung.
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Sie leidet an Multipler Sklerose (Encephalomyelitis disseminata [MS]). Als Ursache der dabei auftretenden Nervenschädigungen werden verschiedene Faktoren erörtert. Was genau die Vorgänge auslöst, ist nicht bekannt und kann mit anerkannten Behandlungsmethoden nicht nachhaltig beeinflußt werden. Ab Oktober 1991 unterzog sich die Klägerin in einem Behandlungszentrum der „G. mbH” in Gelsenkirchen einer sogenannten immuno-augmentativen Therapie. Diese ursprünglich in den USA zur Krebsbekämpfung entwickelte Behandlungsmethode beruht auf der Hypothese, daß sich Störungen in der Funktion des menschlichen Immunsystems durch die Zuführung bestimmter, aus dem Serum gesunder bzw. tumorkranker Spender sowie aus abgestorbenen Tumorzellen gewonnener Substanzen beseitigen und dadurch Abwehrkräfte mobilisieren lassen, die für eine wirksame Krankheitsbekämpfung nutzbar gemacht werden können.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. November 1991 (Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1992) lehnte es die Beklagte ab, die Kosten der in Rede stehenden Behandlung zu übernehmen. Sie berief sich darauf, daß die immuno-augmentative Therapie vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen für einen Einsatz in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen sei und es keinen ausreichenden Beleg für die Wirksamkeit gebe. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Urteil vom 30. August 1995 offengelassen, ob die Klägerin die Ablehnung seitens der Beklagten hätte abwarten müssen, bevor sie mit der Behandlung begonnen habe. Es hat das Erstattungsbegehren im wesentlichen deshalb abgelehnt, weil die immuno-augmentative Therapie kein schlüssiges Konzept für die Behandlung der MS biete und demzufolge nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Weder könne die Behandlung von Krebspatienten Erfahrungen über den therapeutischen Nutzen der immuno-augmentativen Therapie bei MS vermitteln, noch werde in der medizinischen Fachliteratur – auch soweit sie alternativen Methoden aufgeschlossen gegenüberstehe – von solchen Erfahrungen berichtet. Das Behandlungskonzept beruhe auf Vermutungen, die von unabhängigen Wissenschaftlern nicht nachvollzogen werden könnten. Eine Stärkung der Immunabwehr sei im Blick auf die möglichen Ursachen der MS fragwürdig. Auf den Erfolg im Einzelfall komme es nicht an; die frühere anderslautende Rechtsprechung sei durch die Rechtsentwicklung überholt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß einen Verstoß gegen die §§ 13, 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Plausibilität einer Therapie könne nur geprüft werden, wenn die Ursache der zu behandelnden Krankheit bekannt sei; die Auffassung des LSG führe dazu, daß die Klägerin zu Lasten der Krankenkasse auch mit anerkannten Methoden nicht behandelt werden dürfe. Das LSG habe zu Unrecht den Erfolg im Einzelfall nicht berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG vom 25. Februar 1993 und das Urteil des LSG vom 30. August 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 1992 zu verurteilen, die ab Oktober 1991 entstandenen Kosten für die immuno-augmentative Therapie zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Als Grundlage für den streitigen Kostenerstattungsanspruch kommt nur § 13 Abs. 3 (früher: Abs. 2) SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, daß die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Voraussetzung 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Voraussetzung 2) und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft. Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) in den Fällen des § 13 Abs. 3 SGB V trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, daß die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems – sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels – einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Regelung lassen die Durchbrechung des Sachleistungssystems nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (Senatsurteil vom 24. September 1996 – BSGE 79, 125, 126 f. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 S. 51 f.).
Im konkreten Fall sind die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht erfüllt, weil die immuno-augmentative Therapie nicht zu den von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehört und die Beklagte demzufolge die Gewährung dieser Behandlung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Angesichts dessen braucht nicht geprüft zu werden, ob – was auch das LSG offen gelassen hat – ein Kostenerstattungsanspruch bereits wegen verspäteter Stellung des Kostenübernahmeantrags ausscheidet (vgl. dazu Beschluß des Senats vom 15. April 1997 – 1 BK 31/96, zur Veröffentlichung bestimmt). Ebenso kann offenbleiben, ob das Erstattungsbegehren nicht schon deshalb scheitern müßte, weil die angewandte Therapie offenbar nicht als ärztliche Leistung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), sondern als Leistung der „G. mbH” zu deren selbst festgelegten Kostensätzen abgerechnet worden ist (zur Begrenzung der Leistungspflicht der Krankenkassen auf Formen zulässiger Leistungserbringung vgl. Senatsurteil vom 15. April 1997 – 1 RK 4/96, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Daß die immuno-augmentative Therapie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist, folgt aus § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. den vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen erlassenen Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-RL). § 135 Abs. 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2477) schreibt vor, daß neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden dürfen, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat.
Die immuno-augmentative Therapie ist eine neue Behandlungsmethode in dem genannten Sinne, so daß § 135 Abs. 1 SGB V auf sie Anwendung findet. Das Gesetz erläutert freilich nicht näher, wann eine Behandlungsmethode als „neu” anzusehen ist. Nach dem Normzweck muß danach unterschieden werden, ob eine Methode schon bisher zur vertragsärztlichen Versorgung gehört hat. Der Bundesausschuß soll darüber wachen, daß die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt wird. Von daher kann es nicht darauf ankommen, wann das betreffende Verfahren entwickelt und erstmals eingesetzt wurde – sonst könnte der Umfang der vertragsärztlichen Versorgung ohne Qualitätsprüfung allein durch Zeitablauf erweitert werden. Vielmehr ist, wovon auch der Bundesausschuß in Ziff 4 der NUB-RL i.d.F. vom 4. Dezember 1990 ausgeht, die Beschränkung auf „neue” Methoden als Abgrenzung zu denjenigen medizinischen Maßnahmen zu verstehen, deren Qualität aufgrund der tatsächlichen Anwendung in der vertragsärztlichen Versorgung bereits feststeht oder unterstellt wird. Diese Auslegung wird durch die neuere Rechtsentwicklung bestätigt. Durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl. I 1520) ist den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen aufgegeben worden, (auch) die von Vertragsärzten bereits bisher abrechenbaren Leistungen auf ihren diagnostischen oder therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Ergibt sich dabei, daß eine Leistung den genannten Anforderungen nicht genügt, so ist sie von der weiteren Anwendung in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschlossen (§ 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V i.d.F. des 2. GKV-NOG). Mit der Unterscheidung zwischen neuen und bereits eingeführten Leistungen macht das Gesetz deutlich, daß die Abgrenzung danach erfolgen soll, ob eine Methode schon bisher Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war oder nicht.
Als noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehörig und damit „neu” i.S. des § 135 Abs. 1 SGB V sieht der Bundesausschuß gemäß Ziff 5 der NUB-RL solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden an, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten oder die dort zwar aufgeführt sind, deren Indikationen aber eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren haben (zu letzterem vgl. Urteil des 6. Senats des BSG vom 20. März 1996 – BSG SozR 3-5533 Nr. 3512 Nr. 1 S. 2 ff.; zum Verhältnis von NUB-RL und EBM-Ä ferner BSGE 79, 239 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 14). Ob allein durch die Prüfung anhand des EBM-Ä alle noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zählenden neuen Methoden verläßlich erfaßt werden können oder ob es, etwa im Streit um die Anerkennung einer neuartigen Arzneimitteltherapie, weiterer Kriterien bedarf, braucht aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden. Jedenfalls war und ist die immuno-augmentative Therapie bisher nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums. Nach den Feststellungen des LSG wird sie in Deutschland erst seit 1987 und ausschließlich von der „G. mbH” durchgeführt. Es handelt sich auch nicht um eine Methode, deren Bewährung in der vertragsärztlichen Versorgung – beispielsweise wegen der Verwandtschaft mit anerkannten Methoden – so außer Zweifel stünde, daß sie vom Sinn und Zweck des § 135 Abs. 1 SGB V nicht erfaßt würde.
Die sonach für eine Anwendung in der vertragsärztlichen Versorgung notwendige Empfehlung durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen liegt nicht vor. Die immuno-augmentative Therapie ist im Gegenteil in der Anlage 2 zu den NUB-RL vom 4. Dezember 1990 (BArbBl 2/1991 S. 33) ausdrücklich unter den Behandlungsmethoden aufgeführt worden, deren therapeutischer Nutzen nicht festgestellt werden kann und die deshalb zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht angewendet werden dürfen (a.a.O. Nr. 7). § 135 Abs. 1 SGB V bezweckt die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung; es soll gewährleistet werden, daß neue medizinische Verfahren nicht ohne Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden. Das ist zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor unwirtschaftlicher Behandlung gleichermaßen wichtig wie zum Schutz der Versicherten vor unerprobten Methoden, deren Nebenwirkungen von ihren Befürwortern nicht immer richtig eingeschätzt werden. Die Regelung ist deshalb in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gefaßt: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind solange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen, bis der Bundesausschuß sie als zweckmäßig anerkannt hat.
Allerdings befaßt sich § 135 SGB V vordergründig nicht mit den Leistungsansprüchen der Versicherten. Als Teil des Vierten Kapitels des SGB V über die „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern” legt die Vorschrift vielmehr in erster Linie für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Zahnärzte fest, unter welchen Voraussetzungen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht und abgerechnet werden dürfen. Trotzdem wird durch § 135 SGB V ebenso wie durch andere Bestimmungen des Kassenarztrechts, die bestimmte Arten von Behandlungen aus der vertragsärztlichen Versorgung ausschließen oder ihre Anwendung an besondere Bedingungen knüpfen, zugleich der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen festgelegt: Darf der Arzt eine Behandlungsmethode nicht als Kassenleistung abrechnen, weil sie nach den NUB-RL ausgeschlossen oder nicht empfohlen ist, gehört sie auch nicht zur „Behandlung” i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, die der Versicherte als Sachleistung oder im Wege der Kostenerstattung beanspruchen kann.
Im Kern ist diese Frage in § 2 Abs. 2 SGB V entschieden. Satz 1 der Vorschrift beschränkt den Anspruch des Versicherten grundsätzlich auf Sach- und Dienstleistungen, über die nach Satz 2 mit den Leistungserbringern entsprechend den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge abzuschließen sind. Nach der darin zum Ausdruck kommenden Konzeption soll durch das Leistungserbringungsrecht im Vierten Kapitel des SGB V gewährleistet werden, daß den Versicherten die gesamte Krankenpflege als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. Dementsprechend haben die zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zu schließenden Verträge und die als Bestandteil dieser Verträge von den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen zu beschließenden Richtlinien die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung notwendigen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen vollständig und abschließend zu erfassen. Wenn die Vertragspartner oder die Bundesausschüsse in diesem Zusammenhang zum Erlaß leistungskonkretisierender oder leistungsbeschränkender Vorschriften ermächtigt werden, kann das nur bedeuten, daß durch diese Vorschriften die im Dritten Kapitel des SGB V nur in Umrissen umschriebene Leistungsverpflichtung der Krankenkasse präzisiert und eingegrenzt werden soll.
Das zeigt sich auch daran, daß das Gesetz für beide Bereiche dieselben inhaltlichen Kriterien vorgibt. § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V verlangen übereinstimmend einen Versorgungsstandard nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Die Merkmale in § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind ebenfalls gleich: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Geringfügige Unterschiede im Wortlaut einzelner Vorschriften beruhen auf der besonderen Betonung bestimmter Merkmale im jeweiligen Zusammenhang und bedeuten keine inhaltliche Abweichung. Der Verwirklichung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten dienen gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch die in § 135 Abs. 1 SGB V angesprochenen Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Als Vorschriften zur Qualitätssicherung haben die NUB-RL vor allem den Zweck, den im Gesetz nicht näher umschriebenen allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) für den konkreten Krankheitsfall näher zu bestimmen. Gerade der in § 2 Abs. 1 Satz 3, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V geforderte Qualitätsstandard kann aber im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem nicht anders definiert werden als zwischen Vertragsarzt und Krankenkasse bzw. Kassenärztlicher Vereinigung.
Die systematischen Zusammenhänge zwischen dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB V bestätigen dieses Ergebnis und widerlegen zugleich die in der Rechtsprechung (LSG Niedersachsen, Urteil vom 30. August 1995, NZS 1996, 74, 77 = Breith 1996, 191, 197) und im Schrifttum (Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, § 106 Rdnr. 105; Estelmann/Eicher, SGb 1991, 247, 256) anzutreffende These von einem Vorrang des Leistungsrechts vor dem Leistungserbringungsrecht. Der Versicherte darf seinen Leistungsanspruch nur innerhalb der Vorgaben des Leistungserbringungsrechts verwirklichen, denn er ist im Regelfall durch § 15 Abs. 1, § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V darauf beschränkt, sich die benötigte ärztliche und zahnärztliche Versorgung bei den zugelassenen Ärzten oder Zahnärzten zu beschaffen, die ihrerseits an die Vorgaben des Vierten Kapitels und speziell der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen abzuschließenden Verträge gebunden sind (§ 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V). In der Person des Leistungserbringers sind beide Bereiche miteinander verzahnt; mit der Abgabe der Leistung an den Versicherten erfüllt der Arzt sowohl die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse als auch seine eigene, aus der Kassenzulassung folgende Verpflichtung, sozialversicherte Patienten nach Maßgabe der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften zu behandeln. Bei einem derartigen Ineinandergreifen verschiedener Rechtsbeziehungen würden unterschiedliche Leistungsstandards zu unüberbrückbaren Widersprüchen führen.
Die Auffassung, das Leistungserbringungsrecht sei dem Leistungsrecht untergeordnet, verkennt im übrigen die Bedeutung, die der Entscheidung des behandelnden Arztes für die Entstehung und den Umfang von Leistungsansprüchen im Krankenversicherungsrecht zukommt. Sie unterstellt, daß sich dem Dritten Kapitel des SGB V mittels Gesetzesauslegung durchsetzbare Ansprüche auf konkrete medizinische Maßnahmen entnehmen lassen, die mit den einschlägigen Ergebnissen des Leistungserbringungsrechts verglichen werden und diese im Falle der Unvereinbarkeit verdrängen können (so in der Tendenz auch Entscheidungen des 3. Senats des BSG zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1989: vgl. BSGE 63, 102 = SozR 2200 § 368e Nr. 11; BSGE 64, 255 = SozR 2200 § 182 Nr. 114; BSGE 70, 24 = SozR 3-2500 § 12 Nr. 2). Diese Auffassung hat die neuere Rechtsprechung jedoch aufgegeben. Danach ergeben sich aus den Vorschriften des Dritten Kapitels nur ausnahmsweise konkrete Leistungsansprüche. In der Regel wird dem Versicherten dort lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht auf „Behandlung” durch einen Arzt oder Zahnarzt oder auf „Versorgung” mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln in Aussicht gestellt. Zwar sind die geschuldeten Leistungen insofern noch näher umschrieben, als sie nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V hinsichtlich Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, nach § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig sein und nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmten Zielen dienen müssen. Damit sind jedoch die Voraussetzungen der Leistungspflicht nur sehr vage bezeichnet; welche Behandlungsmaßnahmen sich daraus für den erkrankten Versicherten im einzelnen ergeben, bedarf der näheren Konkretisierung. In der Regel erlauben die genannten Merkmale lediglich die negative Ausgrenzung von Maßnahmen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, weil sie bestimmten Mindestanforderungen nicht genügen (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 6). Positiv verdichtet sich das gesetzliche Rahmenrecht erst dann zum durchsetzbaren Einzelanspruch, wenn der – an Stelle der Krankenkasse kraft gesetzlichen Auftrags handelnde – Leistungserbringer festgelegt hat, welche Sach- oder Dienstleistungen zur Wiederherstellung oder Besserung der Gesundheit notwendig sind (inzwischen ständige Rechtsprechung: vgl. BSGE 73, 271, 279 ff. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 18 ff.; BSGE 78, 154, 155 = SozR 3-2500 § 39 Nr. 3 S. 8 f.; Senatsurteil vom 24. September 1996 – SozR 3-2500 § 30 Nr. 8 S. 32 f.; siehe auch BSGE 77, 194, 200, 203 = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1 S. 7, 10; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 S. 19 f.). Insofern erfüllt der behandelnde Arzt nicht nur die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse; vielmehr begründet und konkretisiert er sie auch. Da er dabei an die Vorschriften des Kassenarztrechts einschließlich der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gebunden ist, ergibt sich zwangsläufig, daß diese auch den für Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte gleichermaßen verbindlichen Umfang des Leistungsanspruchs bestimmen (vgl. § 2 Abs. 4 SGB V). Durch das Leistungserbringungsrecht wird der leistungsrechtliche Anspruchsrahmen in materieller und formeller Hinsicht abgesteckt; außerhalb dieses Rahmens hat der Versicherte grundsätzlich keine Leistungsansprüche (so auch Schlenker, SGb 1992, 530, 533 f.).
Daß speziell die Regelung des § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. den NUB-RL unmittelbar auch das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung gestaltet, ist durch die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen und Ergänzungen leistungsrechtlicher Bestimmungen im 2. GKV-NOG nochmals verdeutlicht worden. Der durch dieses Gesetz neu geschaffene § 56 SGB V eröffnet den Krankenkassen die Möglichkeit, ihr Leistungsangebot durch Satzungsregelung über den gesetzlichen Leistungsumfang hinaus zu erweitern und dabei, wie sich aus § 56 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 135 Abs. 1 Satz 4 SGB V i.d.F. des 2. GKV-NOG ergibt, auch solche Leistungen vorzusehen, die nach Einschätzung der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen den Anforderungen für eine Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens nicht in vollem Umfang entsprechen. Ferner können die Kassen nach § 63 Abs. 2 SGB V i.d.F. des 2. GKV-NOG Modellversuche zu Leistungen durchführen, die bisher nicht Gegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung sind, wobei jedoch nach Abs. 4 a.a.O. solche Leistungen ausgenommen sind, über deren Eignung die Bundesausschüsse in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine ablehnende Entscheidung getroffen haben. Beide Regelungen setzen voraus, daß der Versicherte grundsätzlich auf die nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 SGB V zulässigen neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden beschränkt ist. Mit der Ersetzung des Wortes „abrechnen” durch das Wort „erbringen” in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber des 2. GKV-NOG auch terminologisch klargestellt, daß es sich nicht um eine bloße Abrechnungsvorschrift, sondern um eine den Leistungsumfang der Krankenversicherung konkretisierende Regelung handelt.
Ein Vorrang des Leistungsrechts in dem Sinne, daß der Versicherte sich eine nach den Vorschriften des Kassenarztrechts ausgeschlossene Behandlung unter Berufung auf deren Zweckmäßigkeit dennoch auf Kosten der Krankenkasse beschaffen könnte, läßt sich angesichts dieser rechtlichen Gegebenheiten auch nicht aus § 13 Abs. 3 SGB V herleiten. Die dortige Regelung schafft lediglich die rechtliche Grundlage dafür, daß der Versicherte ausnahmsweise eine privatärztliche Behandlung auf Kostenerstattungsbasis in Anspruch nehmen kann, wenn die Krankenkasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht in der Lage ist, eine notwendige Behandlung als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Diese Möglichkeit ist nicht Ausdruck einer Verdrängung des „minderwertigen” Leistungserbringungsrechts durch das „höherrangige” Leistungsrecht, sondern dient dazu, unbeabsichtigte oder unvorhergesehene Versorgungslücken zu schließen. Zwar müssen dazu bestimmte Regeln des Sachleistungssystems durchbrochen werden, doch ändert das nichts daran, daß der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V in derselben Weise mit leistungserbringungsrechtlichen Bestimmungen verzahnt ist wie andere Leistungsansprüche. Soweit der angesprochene Zweck die Abweichung nicht rechtfertigt, bleibt die Bindung an das gesetzliche Versorgungssystem auch in den Anwendungsfällen dieser Vorschrift erhalten. An der im Urteil vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194, 197 f. = SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 S. 10 f.) vertretenen anderslautenden Rechtsauffassung hält der Senat nicht fest. In Anbetracht der aus § 2 Abs. 2 SGB V ersichtlichen Zielvorstellung eines lückenlosen Sachleistungssystems wäre es nicht verständlich, wenn das Gesetz einerseits dazu ermächtigte, Leistungen generell als nicht notwendig, unzweckmäßig oder unwirtschaftlich von der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen, andererseits aber dem Versicherten die Möglichkeit beließe, sich dieselben Leistungen auf Kosten der Krankenkasse außerhalb des Sachleistungssystems zu verschaffen. Die mit § 135 SGB V bezweckte Aufstellung verbindlicher Qualitätsstandards für die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung hätte keinen Sinn, wenn diese Standards für selbstbeschaffte Leistungen nicht gelten würden.
Der Ausschluß nicht anerkannter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 SGB V und die damit einhergehende Beschränkung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung verletzt kein Verfassungsrecht.
Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist es nicht zu beanstanden, daß § 135 Abs. 1 SGB V die für die vertragsärztliche Behandlung freigegebenen neuen Methoden nicht selbst nennt, sondern insoweit auf die NUB-RL verweist. Die gesetzliche Ausschlußregelung knüpft damit in zulässiger Weise an untergesetzliche Rechtsvorschriften an, zu deren Erlaß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen ermächtigt. Verfassungsrechtlich bedenklich wäre die beschriebene Gesetzestechnik allerdings, wenn es sich bei den NUB-RL und anderen Richtlinien der Bundesausschüsse, wie früher von der Rechtsprechung angenommen, um rein verwaltungsinterne Durchführungsbestimmungen ohne Außenwirkung handelte (so noch BSGE 63, 102, 105 = SozR 2200 § 368e Nr. 11 S. 28 [Arzneimittelrichtlinien]; BSGE 63, 163, 165 ff. = SozR 2200 § 368p Nr. 2 S. 7 ff. [Arzneimittelrichtlinien]; ähnlich BSGE 73, 271, 287 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 27 [Heil- und Hilfsmittelrichtlinien]). Da § 135 Abs. 1 SGB V in der Art einer dynamischen Verweisung auf die NUB-RL in ihrer jeweiligen Fassung Bezug nimmt, würde dann die Entscheidung, ob eine neue Behandlungsmethode zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf, im Ergebnis einer zu außenwirksamer Rechtsetzung nicht befugten Verwaltungsinstanz überlassen und damit der Gewaltenteilungsgrundsatz berührt. Ob eine Normsetzung durch Verweisung auf verwaltungsinterne Regelungen dennoch in bestimmten Grenzen zulässig sein kann, bedarf hier keiner Vertiefung, weil sich der Rechtscharakter der Richtlinien mit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 gewandelt hat. Nach den Vorschriften dieses Gesetzes sind die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht mehr bloße dem Innenrechtsbereich des Leistungserbringungsrechts zuzuordnende Verwaltungsvorschriften, die nach Maßgabe der jeweiligen Satzung von den Krankenkassen und den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten beachtet werden sollen (so früher § 368p Abs. 3 RVO). Gemäß § 92 Abs. 7, § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind sie nunmehr in die Bundesmantelverträge und die Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung eingegliedert und nehmen an deren normativer Wirkung teil. Für die vertragsunterworfenen Krankenkassen und Vertragsärzte setzen sie unmittelbar verbindliches, außenwirksames Recht (vgl. § 83 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V und dazu im einzelnen Urteil des 6. Senats des BSG vom 20. März 1996 – BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 30 m.w.N.).
Die im Schrifttum gegen die Übertragung von Normsetzungsbefugnissen auf die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen erhobenen verfassungsrechtlichen Einwände (von Zezschwitz, Freundesgabe für Söllner, 1990, 645; Papier, VSSR 1990, 123, 130 ff.; Wimmer, NJW 1995, 1577; ders, MedR 1996, 425; Ossenbühl, NZS 1997, 497) werden vom Senat nicht geteilt. Von den Kritikern der gesetzlichen Regelung wird geltend gemacht, die verfassungsrechtlich zulässigen Rechtsetzungsformen seien durch das Grundgesetz (GG) abschließend festgelegt. Neben dem formellen Gesetz und der Rechtsverordnung erkenne das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als weitere Rechtsquellen nur autonome Satzungen und Tarifverträge an. Andere Regelungsinstrumente zu „erfinden”, sei der einfache Gesetzgeber nicht befugt, es sei denn, er beschränke sich auf eine bloße Fortentwicklung herkömmlicher Rechtsetzungsformen, ohne deren Strukturprinzipien anzutasten. Die Richtlinien der Bundesausschüsse entsprächen keinem der genannten Regelungstypen, sondern stellten sich als eine unzulässige Mischung aus staatlicher und korporatistischer Normsetzung dar (so insbesondere Ossenbühl, NZS 1997, 499 ff.).
Diese Kritik, die in der Rechtsetzungsermächtigung des § 92 SGB V einen rechtsstaatswidrigen Formenmißbrauch sieht, kann freilich nicht, wie es zumeist geschieht, auf die Zuweisung von Regelungsbefugnissen an die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen beschränkt werden. Die Richtlinien der Bundesausschüsse sind lediglich Teil eines umfassenden Gefüges untergesetzlicher Normen, die von den Krankenkassenverbänden und Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam zu dem Zweck erlassen werden, eine den Vorgaben des Gesetzes entsprechende ambulante ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten (§ 72 Abs. 2, §§ 82 ff. SGB V). Nicht allein die Rechtsetzung durch die Bundesausschüsse, sondern das gesamte System kollektivvertraglicher Normsetzung, auf dem das geltende Leistungserbringungsrecht beruht, weicht in wesentlichen Punkten von den herkömmlichen, verfassungsrechtlich anerkannten Rechtsetzungsformen ab und bildet ein Regelungsinstrumentarium eigener Art. Ungeachtet der Bezeichnung des Systems als „gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen” können weder die Normsetzungsverträge noch die sie ergänzenden Beschlüsse paritätisch besetzter Gremien von (Zahn) Ärzten und Krankenkassen dem Bereich autonomer Rechtsetzung zugeordnet werden, der im wesentlichen mitgliedschaftlich strukturierten Körperschaften zur eigenverantwortlichen Regelung der sie selbst betreffenden Angelegenheiten vorbehalten ist. Denn beim Abschluß der Vereinbarungen über die vertragsärztliche Versorgung sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassenverbände gezwungen, einen Interessenausgleich mit der jeweils anderen Seite zu finden, können also gerade nicht autonom über die eigenen Belange entscheiden. Die Normsetzungsverträge des Kassenarztrechts können, was die verfassungsrechtliche Bewertung angeht, auch nicht den Tarifverträgen des Arbeitsrechts gleichgestellt werden. Soweit das Bundesverfassungsgericht die Rechtsetzung durch Tarifverträge mit Blick auf die Garantie der Koalitionsfreiheit in Art 9 Abs. 3 GG als verfassungsrechtlich legitimiert angesehen hat (BVerfGE 34, 307, 315 f.; 44, 322, 347), kann daraus für die Zulässigkeit von Normsetzungsverträgen im Kassenarztrecht jedenfalls unmittelbar nichts hergeleitet werden, weil es eine Tarifautonomie i.S. des Art 9 Abs. 3 GG für Zwangskörperschaften des öffentlichen Rechts nicht gibt. Wäre der Gesetzgeber im Sinne eines Typenzwangs auf die vom Grundgesetz ausdrücklich anerkannten Rechtsetzungsformen festgelegt, wäre daher dem System der vertragsärztlichen Versorgung insgesamt die rechtliche Grundlage entzogen (konsequent in diesem Sinne: Wimmer, MedR 1996, 425, 427).
Indessen vermag der Senat dem Grundgesetz keinen numerus clausus zulässiger Rechtsetzungsformen in dem Sinne zu entnehmen, daß neben den ausdrücklich genannten Instrumenten des formellen Gesetzes und der Rechtsverordnung sowie den vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Regelungstypen der autonomen Satzung und des Tarifvertrags weitere Formen der Rechtsetzung schlechthin ausgeschlossen wären. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die Frage, ob ein Typenzwang der Rechtsquellen besteht, in seinen Entscheidungen zum Tarifvertragsrecht (BVerfGE 34, 307, 315 f.; 44, 322, 347) ausdrücklich offengelassen. Im konkreten Zusammenhang komme es darauf nicht an, weil die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen als Sonderform staatlicher Rechtsetzung auf dem Gebiet des Arbeits- und Wirtschaftslebens ihre Rechtfertigung unmittelbar in Art 9 Abs. 3 GG finde. Daß für die Normsetzungsverträge des Kassenarztrechts eine vergleichbare Legitimationsgrundlage im Grundgesetz fehlt, schließt nicht aus, daß für diese spezielle Materie eine Rechtsetzung nach dem Tarifvertragsmodell aus anderen Gründen verfassungsrechtlich anzuerkennen sein kann.
Die Gegenmeinung berücksichtigt nicht ausreichend, daß es sich bei den vereinbarten Normen des Kassenarztrechts um ein historisch gewachsenes Regelungssystem handelt, welches untrennbar mit den für die gesetzliche Krankenversicherung charakteristischen Strukturen der Leistungserbringung verknüpft ist. Die Vereinbarung von Leistungsbedingungen in Kollektivverträgen hat ihren Grund in zwei tragenden Prinzipien des deutschen Krankenversicherungsrechts, nämlich auf der einen Seite dem Sachleistungsgrundsatz und auf der anderen Seite dem Leitbild des freiberuflich tätigen Arztes als Träger der ambulanten medizinischen Versorgung. Die Krankenkassen müssen ihren Versicherten die benötigten Leistungen als Naturalleistungen kostenfrei zur Verfügung stellen. Sie sind dabei auf die Mitwirkung niedergelassener Ärzte und anderer selbständig tätiger Leistungserbringer angewiesen; ohne deren Bereitschaft, im Auftrag der Krankenkassen tätig zu werden, müßten die Leistungen durch angestelltes medizinisches Personal erbracht werden. Zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Versicherten sind deshalb vertragliche Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern unerläßlich. Diese Beziehungen haben sich historisch zunächst auf privatrechtlicher Grundlage entwickelt, wobei aber schon frühzeitig (seit dem sogenannten „Berliner Abkommen” vom 23. Dezember 1913) die individualrechtlichen Regelungen des Einzeldienstvertrags durch kollektivvertragliche Vereinbarungen zwischen den Ärzteorganisationen und den Verbänden der Krankenkassen nach Art der Tarifverträge des Arbeitsrechts ergänzt und überlagert wurden. Durch die Verordnung über die kassenärztliche Versorgung vom 14. Januar 1932 (RGBl I 19) wurde dieses „Tarifvertragssystem” in das in den Grundzügen bis heute bestehende öffentlich-rechtliche System kollektivvertraglicher Beziehungen zwischen den Krankenkassen bzw. ihren Verbänden und den Körperschaften der Ärzte überführt (zur Entwicklung im einzelnen: Hess/Venter, Das Gesetz über Kassenarztrecht, 1955, S. 23 ff.; Schirmer, MedR 1996, 404, 407 f.). Das dem geltenden Recht zugrundeliegende Konzept eines vertraglichen Zusammenwirkens von Ärzten und Krankenkassen (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB V) kommt ohne die Zuweisung von Normsetzungsbefugnissen an die Vertragspartner nicht aus; denn es kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn die in Gesamtverträgen und Mantelverträgen vereinbarten Regelungen nicht nur die vertragschließenden Körperschaften, sondern auch die durch sie repräsentierten Vertragsärzte und Versicherten binden.
Die rechtliche Zulässigkeit des Kollektivvertrags als Regelungsinstrument der Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung war bis vor wenigen Jahren praktisch unangefochten. Der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat mit dem Gesetz über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 (BGBl. I 513) an das überkommene Regelungskonzept der Rechtsetzung durch Normenverträge angeknüpft und es weiter ausgebaut. Die Rechtsprechung hat dieses Konzept stets gebilligt (vgl. BSGE 71, 42, 48 ff. = SozR 3-2500 § 87 Nr. 4 S. 15 ff. mwN; zur Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz: Beschluß des 3. Senats des BSG vom 14. Juni 1995 – NZS 1995, 502, 512). Das Bundesverfassungsgericht hat sich zwar zur Frage der Verfassungsmäßigkeit noch nicht ausdrücklich geäußert; es hat aber in keiner der Entscheidungen, die sich mit der Anwendung vereinbarter Normen befassen, rechtliche Einwände erhoben und damit zumindest mittelbar zu erkennen gegeben, daß es die grundsätzliche Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung im Kassenarztrecht nicht in Zweifel zieht (vgl. z.B. Beschluß vom 11. November 1975 – SozR 2200 § 368g Nr. 3; Beschluß vom 31. Oktober 1984 – BVerfGE 68, 193, 216 ff.; Beschluß vom 14. Mai 1985 – BVerfGE 70, 1, 24 ff.; Beschluß vom 1. Juli 1991 – SozR 3-5557 Allg Nr. 1). Die Bedeutung des Normsetzungsvertrages für die Funktionsfähigkeit des bestehenden Krankenversicherungssystems und damit für einen besonders wichtigen Bereich des Gemeinschaftslebens kann bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht außer Betracht bleiben. Zwar sind die historisch gewachsenen Strukturen der „gemeinsamen Selbstverwaltung” von Ärzten und Krankenkassen im Unterschied zu den Strukturen des kollektiven Arbeitsrechts verfassungsrechtlich nicht garantiert und könnten vom einfachen Gesetzgeber beseitigt werden. Dazu müßten jedoch tragende Grundsätze des bisherigen Systems der gesetzlichen Krankenversicherung aufgegeben und die Modalitäten der Leistungserbringung völlig umgestaltet werden. Daß derart weitreichende Einschnitte mit erheblichen Auswirkungen auf die sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers von Verfassungs wegen gefordert seien, kann angesichts der in die vorkonstitutionelle Zeit zurückreichenden Tradition und der jahrzehntelangen Akzeptanz des umstrittenen Regelungskonzepts nicht angenommen werden.
Die Delegation bestimmter Regelungsbefugnisse an gemeinsame Gremien von Ärzten und Krankenkassen, wie die Bundesausschüsse, fügt sich in das Modell gesamtvertraglicher Rechtsetzung ein. Sie ermöglicht die Schaffung solcher Regelungen, die aus Sachgründen für den gesamten Bereich der vertragsärztlichen Versorgung und für alle Kassenarten einheitlich getroffen werden müssen. Dabei setzt das geltende Recht, was die Institution der Bundesausschüsse angeht, ebenfalls eine bereits zu Beginn der dreißiger Jahre mit der Errichtung des Reichsausschusses der Ärzte und Krankenkassen durch die Verordnung vom 14. Januar 1932 (RGBl I 19) begonnene Tradition fort. Dem Umstand, daß durch die Richtlinien über die nähere Ausgestaltung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung in besonderem Maße auch Interessen der Versicherten berührt werden, trägt das Gesetz durch die besondere Zusammensetzung der Bundesausschüsse mit der Beteiligung unparteiischer Mitglieder (§ 91 Abs. 2 SGB V) sowie durch verstärkte Überwachungs- und Einwirkungsmöglichkeiten der dem Parlament gegenüber verantwortlichen staatlichen Exekutive in Gestalt eines Beanstandungsrechts und der Möglichkeit der Ersatzvornahme durch den Bundesminister für Gesundheit (§ 94 Abs. 1 SGB V) Rechnung. Der Senat hält deshalb, im Ergebnis übereinstimmend mit dem Urteil des 6. Senats des BSG vom 20. März 1996 (BSGE 78, 70, 77 ff. = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 32 ff.), die gesetzliche Ermächtigung zu gemeinsamer Rechtsetzung durch die Körperschaften der Krankenkassen und Ärzte bzw. von diesen gebildete Ausschüsse für verfassungsgemäß.
Handelt es sich nach alledem bei den NUB-RL um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, so kann der Versicherte, der sich eine vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht empfohlene Behandlung auf eigene Rechnung beschafft, im Kostenerstattungsverfahren nicht einwenden, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen (zur Überforderung der Gerichte mit der Überprüfung eines solchen Einwandes vgl. im übrigen Urteil des Senats vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Ermächtigung zur Rechtsetzung eröffnet dem Bundesausschuß wie jedem Normgeber einen eigenen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum. Dieser ist zwar enger als der des parlamentarischen Gesetzgebers, weil er von vornherein nur innerhalb der durch die gesetzliche Ermächtigung gezogenen Grenzen besteht. Vor allem ist der Bundesausschuß wegen seiner verfassungsrechtlichen Stellung als Exekutivorgan mit lediglich abgeleiteter Rechtsetzungsbefugnis in besonderer Weise an das Gleichbehandlungsgebot gebunden; er hat sich nicht nur von Willkür und sachfremden Erwägungen freizuhalten, sondern darf, wie das Bundesverfassungsgericht für Rechtsverordnungen entschieden hat, auch keine Differenzierungen vornehmen, die im Ergebnis auf eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers hinauslaufen würden (vgl. BVerfGE 13, 248, 255; 16, 332, 338 f.). Ferner hat er sein Verfahren an rechtsstaatlichen Grundsätzen auszurichten, insbesondere die verfügbaren Beurteilungsgrundlagen auszuschöpfen. Seine Entscheidungen unterliegen jedoch keiner darüber hinausgehenden Inhaltskontrolle. Die Gerichte sind auf die Prüfung beschränkt, ob die Richtlinien in einem rechtsstaatlichen Verfahren formal ordnungsgemäß zustande gekommen sind und mit dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in Einklang stehen. In dieser Hinsicht sind, was den Ausschluß der immuno-augmentativen Therapie aus der vertragsärztlichen Versorgung anbelangt, keine Beanstandungen ersichtlich.
Das gefundene Ergebnis verletzt keine Grundrechte der Klägerin. Aus Art 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen und im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts zu gewährleisten, daß dem Erkrankten die Letztentscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie belassen wird. Daraus ergibt sich jedoch, wie das Bundesverfassungsgericht zuletzt mit Beschlüssen vom 5. März 1997 (ua 1 BvR 1071/95 = NJW 1997, 3085 = Breith 1997, 764) bekräftigt hat, kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen. Der Umfang des Krankenbehandlungsanspruchs wird vielmehr durch die Leistungsgesetze bestimmt und begrenzt.
Die Revision der Klägerin war danach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 73 |
NJW 1998, 2765 |
NZS 1998, 337 |
SozSi 1999, 77 |