Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit der Angestellten eines Notars als "Auflassungsbevollmächtigte" vollzieht sich im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses beim Notar.
Die Entschädigung, die sie dafür vom Notar erhält, ist beitragspflichtiges Entgelt, auch wenn die Auflassungsbeteiligten für die Inanspruchnahme der Auflassungsbevollmächtigten eine besondere Gebühr zu entrichten haben.
Normenkette
RVO § 160 Abs. 1 Fassung: 1941-07-01, § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-07-27; RFM/RAMErl 1944-09-10
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. Mai 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der klagende Rechtsanwalt und Notar für die bei ihm beschäftigte beigeladene Angestellte ... hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Auflassungsbevollmächtigte Beiträge zur Sozialversicherung zahlen muß.
Die Beigeladene ... tritt nach Grundstücksverkäufen, die der Kläger beurkundet hat, grundsätzlich dann, wenn die Auflassung im Kaufvertrag noch nicht selbst erklärt worden ist, als Auflassungsbevollmächtigte der Vertragsparteien auf. Der Kläger pflegt eine Entschädigung für die Auflassungsbevollmächtigte in Höhe der Hälfte der Gebühr, die er für die Beurkundung der Auflassung erhebt, den Vertragsparteien in Rechnung zu stellen. Die Beteiligten werden vorher nicht danach gefragt, ob sie mit dieser Regelung einverstanden sind. Nach Eingang der Liquidation zahlt der Kläger die für die Beigeladene R. in Rechnung gestellte "Entschädigung" an diese aus.
Bei einer Betriebsprüfung der beklagten Ersatzkasse wurde festgestellt, daß die Auflassungsentschädigungen der Beigeladenen nicht in der Gehaltskarte vermerkt waren. Der Kläger wurde daraufhin zur Nachzahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung bezüglich der Beigeladenen für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis 31. Oktober 1962 herangezogen.
Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen (Urteil vom 25. Mai 1965). Das Landessozialgericht hat die Auffassung vertreten, bei den "Gebühren", die der Kläger für die Beigeladene den Vertragsparteien in Rechnung gestellt habe, handele es sich um "Entgelt" i. S. von § 160 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Ihre Tätigkeit auf Grund der Bevollmächtigung sei nur im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses beim Kläger zu verstehen. Die Vertragsparteien erteilten die Auflassungsvollmacht an die Beigeladene nur deshalb, weil sie Angestellte des beurkundenden Notars und deshalb vertrauenswürdig sei. Ohne dieses Angestelltenverhältnis würde ihr die Auflassungsvollmacht nicht erteilt werden. Es bestehe ein innerer Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit als Auflassungsbevollmächtigte und dem Beschäftigungsverhältnis beim Kläger. Die von der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit stelle aus den gleichen Gründen keine Nebenbeschäftigung dar.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger die - zugelassene - Revision ein mit dem Antrag,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Klage stattzugeben.
Zur Begründung führte er aus, die Beigeladene leiste die Geschäftsbesorgung der Auflassung für andere als den Notar, diese seien die Auftraggeber. Auf den inneren Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenbeschäftigung komme es nicht an. Für derartige, noch dazu von Dritten ausgehende Aufträge könne er nicht in Anspruch genommen werden. Die Handhabung der Finanzgerichte habe für die Frage der Abzüge zur Sozialversicherung keine Bedeutung.
Die Beklagte hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffend. Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat sich dem Antrag und der Ansicht der Beklagten angeschlossen. Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat ebenfalls die Auffassung der Beklagten und des angefochtenen Urteils geteilt.
II
Die Revision ist nicht begründet. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Auflassungsvergütung, die die Beigeladene ... erhält, als beitragspflichtiges Entgelt angesehen; denn ihre Tätigkeit vollzieht sich im Rahmen eines einheitlichen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zum Kläger.
Zwar ist es rechtlich möglich, daß dieselbe Person für denselben Unternehmer als abhängiger Arbeitnehmer und daneben selbständig tätig wird (vgl. BSG 20, 6, 7). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses die persönliche Abhängigkeit (vgl. BSG aaO S. 8 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Diese äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einen Betrieb, womit in aller Regel das Direktionsrecht des Arbeitgebers verbunden ist. Maßgebliches Kennzeichen für die Leistung abhängiger Arbeit ist mithin, daß der Dienstnehmer seine Tätigkeit nicht selbst bestimmen kann, sondern einem "Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung" umfassenden Weisungsrecht unterliegt (BSG aaO unter Hinweis auf BSG 13, 201, 202 und BGHZ 10, 190). Dabei kann die Weisungsgebundenheit - was die Ausführung der Arbeit anbetrifft - stark eingeschränkt sein (BSG 16, 293 mit weiteren Nachweisen). So hat der Senat in seinem Urteil vom 29. August 1963 (BSG 20, 6 ff) entschieden, daß dann, wenn ein Golfclub gegen feste monatliche Vergütung einen Golflehrer beschäftigt, der verpflichtet ist, sich während der Tagesstunden auf dem Gelände des Clubs bereitzuhalten, um den Mitgliedern des Clubs Golfunterricht zu einem vom Club festgesetzten Honorar zu erteilen, sonst aber keinen Golfunterricht erteilen darf, ein einheitliches abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Dem stehe nicht entgegen, daß der Golflehrer die Vergütung für seine Lehrtätigkeit von Golfschülern erhalte. Das Honorar für die Lehrstunden sei Entgelt i. S. des Sozialversicherungsrechts.
Im vorliegenden Fall lassen die Gesamtumstände erkennen, daß das Arbeitsverhältnis der beigeladenen ... die Voraussetzung zur Erlangung der in Rede stehenden Einkünfte bildet. Die Tätigkeit der Auflassungsbevollmächtigten vollzieht sich im Rahmen dieses Angestelltenverhältnisses. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erteilen die Vertragsparteien die Auflassungsvollmacht an die Angestellte des beurkundenden Notars nur deshalb, weil sie ihm auch insoweit vertrauen, daß die erforderlichen Rechtshandlungen in dieser Weise am zweckmäßigsten erledigt werden. Ohne ihr Angestelltenverhältnis würden der Beigeladenen mithin keine Auflassungsvollmachten erteilt worden sein. Sie erledigt die Auflassungsformalitäten (Gang zum Grundbuchamt etc.) so, wie es der Geschäftsgang im Notariat gerade erfordert, und wann dieses der Fall ist, bestimmt der klagende Notar und nicht die Beigeladene. Die vom Notar als Auflassungsbevollmächtigte vorgeschlagene Angestellte kann sich auch nicht dieser Bevollmächtigung entziehen, da sie wegen ihres Beschäftigungsverhältnisses zu ihm verpflichtet ist, diese Bevollmächtigung anzunehmen. Für Klienten eines anderen Notars tritt sie nicht - zumindest nicht ohne Zustimmung des Klägers - als Auflassungsbevollmächtigte auf. Sie ist mithin nur im Dienst des Klägers tätig und auf seinen Klientenkreis angewiesen sowie der Ordnung des Notarbetriebes unterworfen. Schließlich erhebt der Kläger von den Auflassungsparteien Gebühren wegen Inanspruchnahme einer Auflassungsbevollmächtigten. Daß er sie in voller Höhe an die Beigeladene ... weitergibt, nimmt ihnen nicht den Charakter des Arbeitsentgelts, das im Rahmen des zwischen diesen bestehenden Beschäftigungsverhältnisses gewährt wird. Selbst wenn die Auflassungsbeteiligten die Gebühr wegen Inanspruchnahme einer Auflassungsbevollmächtigten unmittelbar an diese zahlen würden, könnte eine solche Zahlungsweise nichts daran ändern, daß diese "Entschädigung" Ausfluß des Beschäftigungsverhältnisses der Beigeladenen ... bei dem Kläger ist (vgl. BSG 20, 6, 8 unten mit weiteren Nachweisen). Ebensowenig ist erheblich, daß der in Gestalt von "Entschädigungen" der Beigeladenen zufließende Teil des Arbeitsentgelts der Höhe nach nicht fest vereinbart ist, sondern sich nach der tatsächlichen Inanspruchnahme richtet.
Die Auffassung, daß sich die Tätigkeit der Beigeladenen ... als Auflassungsbevollmächtigten im Rahmen ihres versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses beim Kläger bewegt und die ihr zugeflossenen "Entschädigungen" zum beitragspflichtigen Entgelt gehören, wird auch durch die Tatsache gestützt, daß die Finanzbehörden die Einkünfte als lohnsteuerpflichtig behandeln. Wenn auch die Träger der Sozialversicherung - insbesondere die Krankenkassen als Einzugsstellen - bei ihren Entscheidungen über die Beitragspflicht die materiell-rechtliche Vorfrage der Lohnsteuerpflicht von Bezügen verantwortlich selbst zu prüfen haben, so kommt doch der Beurteilung der Lohnsteuerpflicht infolge der Transmissionswirkung des Gemeinsamen Erlasses des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers über weitere Vereinfachung des Lohnabzugs vom 10. September 1944 (Gem.Erl., AN 281), dessen ununterbrochene Rechtswirksamkeit der Senat in ständiger Rechtsprechung bejaht hat (vgl. BSG 24, 72 ff mit weiteren Nachweisen sowie neuerdings Urteil vom 11. Juli 1967 - 3 RK 1/64 -), eine starke Indizwirkung zu (vgl. u. a. BSG 3, 30, 40; 16, 289, 295). In seinem Urteil vom 9. Dezember 1954 - IV 46/54 U - (BStBl. III 1955, 55) hat der Bundesfinanzhof die Lohnsteuerpflicht der Auflassungsgebühren festgestellt, die den Notariatsangestellten neben ihrem vom Notar gewährten Gehalt zufließen.
Die Tätigkeit der Beigeladenen ... als Auflassungsbevollmächtigte ist auch nicht, wie der Kläger meint, nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes versicherungsfrei. Wie die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zutreffend hervorgehoben hat, erfaßt die Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung nach dem klaren Wortlaut der genannten Bestimmung nur eine Nebenbeschäftigung, die neben einer regelmäßigen, die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt wird. Die Beigeladene R. ist aber im Rahmen eines auch ihre Tätigkeit als Auflassungsbevollmächtigte umfassenden Beschäftigungsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber tätig. Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung liegt aus den gleichen Gründen nicht vor; die hier einschlägige Vorschrift (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 RVO) entspricht § 4 Abs. 1 Nr. 5 AVG. Demnach mußte die Revision des Klägers zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen