Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 05.04.1990) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 5. April 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 17. Februar bis 13. November 1982 geruht hat, und ob der Kläger der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) das für diese Zeit gezahlte Alg in Höhe von 19.265,40 DM zu erstatten hat.
Der Kläger war zunächst Geschäftsführer und ab 1. Oktober 1981 Gesamtprokurist bei der Firma F. … a. c. … GmbH – f.a.c. -(im folgenden als Arbeitgeberin bezeichnet). Vertraglich war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluß eines jeden Geschäftsjahres vereinbart. Neben einer festen monatlichen Vergütung von 6.000,– DM stand dem Kläger eine Umsatzbeteiligung von 1 % des Nettoumsatzes zu, wobei er hierauf monatlich gleichbleibende Abschlagszahlungen (1/12 des voraussichtlichen Jahresbetrages) erhielt, und zwar zuletzt (im Januar 1982) 1.000,– DM.
Am 16. und am 22. Februar 1982 kündigte die Arbeitgeberin dem Kläger jeweils fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 1982. Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers stellte das Arbeitsgericht Hamburg (Az.: 5 Ca 122/82) durch Urteil vom 10. März 1983 fest, daß das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31. Dezember 1982 aufgelöst worden sei, weil die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nicht vorgelegen hätten.
Im anschließenden Berufungsverfahren schlossen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg (LAG) am 26. Juni 1984 „auf dringendes Anraten des Gerichts im Hinblick auf die von der Beklagten dargestellte Drucksituation” einen Vergleich, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 16. Februar 1982 und die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 90.000,– DM an den Kläger vorsah.
Inzwischen hatte die BA dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 22. März 1982 in der Zeit ab 17. Februar 1982 bis einschließlich 1. Januar 1983 Alg gezahlt. Mit Schreiben vom 22. März 1982 hatte sie den Kläger und die Arbeitgeberin auf die Möglichkeit des Ruhens des Alg-Anspruchs und eines Forderungsübergangs gemäß § 117 Abs 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) hingewiesen.
Nach Erlaß des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 10. März 1983 teilte die BA der Arbeitgeberin mit, daß der Kläger in der Zeit vom 17. Februar bis 31. Dezember 1982 Alg in Höhe von 22.768,20 DM erhalten habe, obwohl der Anspruch hierauf nach § 117 Abs 1 AFG geruht habe. Unter Hinweis auf einen Forderungsübergang forderte sie die Arbeitgeberin vergeblich zur Erstattung des Betrags auf. Zur Durchsetzung dieser Forderung erwirkte die BA am 12. August 1985 einen Vollstreckungsbescheid. Im anschließenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg wurde ihre Klage durch Versäumnisurteil vom 31. Oktober 1985 abgewiesen (Az.: 5 Ca 324/85).
Mit Bescheiden vom 4. März 1986 hob die BA zunächst die Bewilligung von Alg für den gesamten Bezugszeitraum unter Hinweis auf § 48 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) auf und forderte vom Kläger das gezahlte Alg gemäß § 50 SGB X zurück. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens stellte sie mit Bescheid vom 29. April 1986 das Ruhen des Alg-Anspruchs gemäß § 117 Abs 2 AFG in der Zeit vom 17. Februar bis 28. Dezember 1982 fest und forderte vom Kläger die Erstattung eines Betrags von 22.518,– DM, da die Arbeitgeberin die Abfindung mit befreiender Wirkung an ihn ausgezahlt habe. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers und seine Klage vor dem Sozialgericht (SG) blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 1986; Urteil des SG vom 2. Dezember 1987).
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als mit ihnen das Ruhen des Anspruchs auf Alg vom 14. November bis 28. Dezember 1982 festgestellt wurde und der Erstattungsanspruch 19.265,40 DM übersteigt. Im übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 und Abs 4 Satz 2 AFG, 187, 184, 185, 362 BGB. Zu Unrecht habe das LSG die Voraussetzungen des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG verneint. Wenn die Arbeitgeberin im Kündigungsschutzverfahren auf ihrer außerordentlichen Kündigung auf Druck der Belegschaft beharrt habe, dann aber doch zur Zahlung einer Abfindung bereit gewesen sei, habe sie sich bei der Bemessung der Abfindungssumme gerade nicht an dem bei fristgemäßer Lösung des Arbeitsverhältnisses geschuldeten restlichen Entgelt orientiert, zumal sich bei Verteilung des Abfindungsbetrags auf die Zeit bis zum ordentlichen Kündigungstermin ein weit höheres monatliches Entgelt ergebe, als er unstreitig bezogen habe (8.500,– DM statt 7.000,– DM). Die Voraussetzungen eines Rückforderungsanspruchs nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG seien ebenfalls nicht erfüllt, weil die Arbeitgeberin die Abfindung nicht – infolge nachträglicher Genehmigung durch die BA – mit befreiender Wirkung an ihn gezahlt habe. Die BA habe die befreiende Wirkung der Zahlung der Arbeitgeberin an ihn gar nicht mehr herbeiführen wollen, weil sie in ihrem Bescheid vom 29. April 1986 schon von einer befreienden Wirkung der Zahlung der Arbeitgeberin ausgegangen sei, zumal nach dem rechtskräftigen Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 31. Oktober 1985 ein Anspruch auf Zahlung eines übergegangenen Anspruchs nicht bestehe.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 5. April 1990 aufzuheben, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat, und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 1987 sowie die Bescheide der BA vom 4. März 1986 idF des Änderungsbescheides vom 29. April 1986 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 1986 auch insoweit aufzuheben, als das Ruhen des Anspruchs auf Alg für die Zeit vom 17. Februar bis 13. November 1982 festgestellt und ein Erstattungsbetrag in Höhe von 19.265,40 DM festgesetzt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil – unter Hinweis auf eine zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des 7. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. September 1990 (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 3) – für zutreffend und erklärt nochmals ausdrücklich die Genehmigung der Abfindungszahlung an den Kläger.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Gegenstand der Klage sind die Ausgangsbescheide vom 4. März 1986 in der Gestalt, die sie durch den Änderungsbescheid vom 29. April 1986 sowie durch den Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 1986 (§ 95 SGG) gefunden haben. Streitig ist danach nicht die Aufhebung einer Alg-Bewilligung, sondern der von der BA geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 4 AFG in der bis zum 30. Juni 1983 geltenden Fassung des Gesetzes (BGBl I 1469), seitdem § 117 Abs 4 Satz 2 AFG. Dieser Erstattungsanspruch setzt – wie vom BSG wiederholt entschieden worden ist (SozR 4100 § 117 Nr 16 und SozR 3-4100 § 117 Nr 3 mwN) – nicht die rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung nach § 48 SGB X voraus. Demgemäß hat die BA im Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 29. April 1986 ihren Erstattungsanspruch lediglich auf § 117 Abs 4 AFG gestützt und damit die in den Ausgangsbescheiden vom 4. März 1986 vorgesehene Aufhebung der Alg-Bewilligung beseitigt. Der Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 1986, der ausdrücklich auf den Bescheid vom 29. April 1986 Bezug nimmt, besagt nichts anderes; auch er befaßt sich nur noch mit § 117 AFG und begründet die Rückforderung mit § 117 Abs 4 AFG.
Zutreffend ist daher das LSG davon ausgegangen, daß die vom SG nicht zugelassene Berufung nach § 143 SGG zulässig ist.
Insbesondere liegt hier kein sog „Beginn-Streit” (§ 147 SGG) vor. Denn anders als im Falle der Teilaufhebung einer Alg-Bewilligung wegen anfänglichen Ruhens nach § 117 AFG steht § 147 SGG der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, wenn die Beteiligten ausschließlich über einen Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG streiten (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 3).
Das LSG hat weiter zutreffend das Vorliegen eines Ruhenstatbestandes angenommen. Gemäß § 117 Abs 2 Satz 1 AFG ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für das Ruhen des Anspruchs auf Alg hat das LSG rechtsfehlerfrei daraus entnommen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers, welches bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erst zum 31. Dezember 1982 geendet hätte, aufgrund des am 26. Juni 1984 geschlossenen Vergleichs bereits mit dem 16. Februar 1982 beendet und gleichzeitig eine Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes vereinbart worden ist.
Ob das LSG zu Recht angenommen hat, der Anspruch des Klägers auf Alg habe gemäß § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 AFG nicht über den 13. November 1982 hinaus geruht, ist nicht zu entscheiden, weil Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch die Erstattungsforderung für die Zeit vom 17. Februar bis zum 13. November 1982 ist.
Soweit das LSG festgestellt hat, eine (weitere) Verkürzung des Ruhenszeitraums gemäß § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG sei nicht eingetreten, wendet sich die Revision hiergegen ohne Erfolg. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Die danach maßgebliche Frage, ob ein „wichtiger Grund” vorlag, unterliegt aber in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung, die in der Revisionsinstanz nur beschränkt überprüfbar ist. Im Hinblick auf die grundsätzliche Bindung an die Feststellungen des Tatrichters (§ 163 SGG) können diese nur unter dem Gesichtspunkt etwaiger Rechtsverletzungen (§ 162 SGG) überprüft werden; die tatrichterliche Beweiswürdigung unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung nur hinsichtlich der Frage, ob die Grenzen der freien Beweiswürdigung verfahrensfehlerhaft nicht beachtet worden sind, etwa wegen Verstoßes gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze.
Hinsichtlich der Frage einer zulässigen fristlosen Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens hat das LSG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise und ohne die Grenzen der freien Beweiswürdigung zu verletzen, berücksichtigt, daß die diesbezüglichen Vorwürfe gegen den Kläger durch die im Arbeitsgerichtsprozeß durchgeführte Beweisaufnahme nicht nachgewiesen werden konnten. Von einem Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 103 SGG) kann insoweit nicht ausgegangen werden, zumal der Kläger selbst im vorliegenden Rechtsstreit noch einmal ausdrücklich betont hat, daß die Kündigung der Arbeitgeberin nicht durch vertragswidriges Verhalten seinerseits veranlaßt war. Bei dieser Sachlage brauchte das LSG weitere Ermittlungen in dieser Hinsicht nicht anzustellen. Denn ungeachtet des Untersuchungsgrundsatzes muß das Gericht nicht von sich aus in alle Richtungen Ermittlungen anstellen, sondern ist nur zu solchen Ermittlungen verpflichtet, die nach Lage der Sache erforderlich sind und nach dem Vorbringen der Beteiligten geboten scheinen.
Aber auch soweit die Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung wegen einer sog Drucksituation ausgesprochen hatte, sind die tatrichterlichen Feststellungen hierzu im Ergebnis nicht zu beanstanden; sie verstoßen weder gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze noch ist ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften, insbesondere gegen den Ermittlungsgrundsatz des § 103 SGG festzustellen. Auch insoweit hat das LSG bei seiner Beweiswürdigung in zulässiger Weise das Obsiegen des Klägers vor dem Arbeitsgericht in erster Instanz berücksichtigt, sowie den weiteren Fortgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und insbesondere auch die Höhe der an den Kläger durch den Vergleich vor dem LAG gewährten Abfindung. Dabei hat das LSG nicht unbeachtet gelassen, daß der vor dem LAG geschlossene Vergleich nach dem Einleitungssatz „auf dringendes Anraten des Gerichts im Hinblick auf die von der BA dargestellte Drucksituation” geschlossen wurde. Daß das LSG letztlich gleichwohl nicht zu der Annahme gelangt ist, die Arbeitgeberin sei (doch) zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen, ist nicht als Überschreitung der Grenzen der freien Beweiswürdigung anzusehen. So läßt der zitierte Einleitungssatz des Vergleichs von seiner Formulierung her nicht den Schluß zu, daß das LSG dadurch eine Aussage hinsichtlich der Erfolgsaussichten der einen oder der anderen Partei im Kündigungsschutzprozeß treffen wollte. Da lediglich von der von der Arbeitgeberin „dargestellten” Drucksituation die Rede war, mußte das LSG daraus in tatsächlicher Hinsicht nicht schließen, das LAG habe zum Ausdruck bringen wollen, daß nach seiner Auffassung eine solche Drucksituation sowie die weiteren Voraussetzungen für eine wirksame fristlose Kündigung aus diesem Grund auch tatsächlich vorgelegen hätten.
Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Feststellungen, die das LSG im Zusammenhang mit der Höhe der an den Kläger gezahlten Abfindung getroffen hat. Das LSG hat insoweit in rechtlicher Hinsicht nicht verkannt, daß nach der Rechtsprechung des BSG der Abschluß eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs, der ua eine Abfindung vorsieht, für sich allein noch nicht ausreicht, das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verneinen, sondern allenfalls ein Indiz für das Fehlen eines solchen wichtigen Grundes sein kann. Dies schließt aber nicht aus, einen Abfindungsvergleich und insbesondere auch die Höhe der gewährten Abfindung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
Was die Höhe der Abfindung angeht, ist das LSG aufgrund entsprechender Angaben der Arbeitgeberin einerseits davon ausgegangen, daß diese die Abfindung nach der Vergütung bemessen habe, die der Kläger bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist noch erzielt hätte. Es hat auch nicht verkannt, daß sich bei Aufteilung des Abfindungsbetrages auf die Zeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ein höherer Monatsbetrag (etwa 8.500,– DM) ergibt, als der an den Kläger zuletzt tatsächlich gezahlte Betrag von 7.000,– DM monatlich. Diese Feststellungen des LSG stehen nach Auffassung des Senats entgegen dem Revisionsvorbringen nur scheinbar in Widerspruch zueinander. Denn es muß berücksichtigt werden, daß die Arbeitgeberin bei Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch Beiträge zur Sozialversicherung hätte entrichten müssen, so daß die an den Kläger gezahlte Abfindung rein rechnerisch etwa dem Betrag entspricht, den die Arbeitgeberin bei Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum 31. Dezember 1982 hätte aufwenden müssen.
Aber selbst wenn insoweit ein gewisser Widerspruch vorhanden wäre, würde dieser entgegen der Auffassung der Revision jedenfalls nicht dazu führen, daß die sonstige Argumentation des LSG nicht haltbar wäre: Hat nämlich die Arbeitgeberin im Wege der Abfindung deutlich mehr gezahlt als der Kläger bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist verdient hätte, so spricht das nach der Lebenserfahrung und den allgemeinen Denkgesetzen erst recht dagegen, daß die Arbeitgeberin davon ausging, sie habe das Arbeitsverhältnis wirksam fristlos kündigen und den entsprechenden Kündigungsgrund auch darlegen und nachweisen können. Die Richtigkeit der Feststellung des LSG, durch die gezahlte Abfindung sei der Kläger wirtschaftlich so gestellt worden, wie er nach dem seiner Kündigungsschutzklage stattgebenden erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts gestanden hätte, wird also in ihrem Kern nicht berührt, wenn der Kläger dadurch sogar noch besser gestellt wurde.
Entgegen der Auffassung der Revision kann insoweit auch nicht von einem Verstoß des LSG gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 103 SGG) ausgegangen werden. Ungeachtet des Amtsermittlungsgrundsatzes trifft die Beteiligten eine Mitwirkungslast, die sich ua aus § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I ergibt, wonach die Beteiligten alle erheblichen Tatsachen anzugeben haben. Bei mangelnder Mitwirkung der Beteiligten gilt der Grundsatz, daß das Gericht nicht von sich aus in jede nur mögliche Richtung Ermittlungen anstellen muß, in besonderem Maße (Meyer-Ladewig, SGG § 103 RdNr 16 mwN). Die Frage, ob ein Grund zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorlag, ist dementsprechend nur dann zu prüfen, wenn der Arbeitslose mit dem Hinweis auf einen außerordentlichen Kündigungsgrund geltend macht, der Arbeitgeber habe aus wichtigem Grund kündigen können (vgl BSG SozR 4100 § 117 AFG Nr 5; Urteil vom 23. Juni 1982 – 7 RAr 80/81 –).
Der Kläger hat aber in den Tatsacheninstanzen lediglich – pauschal und verkürzt – das Vorbringen der Arbeitgeberin zu der sog Druckkündigung zitiert, ohne klar zu erkennen zu geben, ob er behaupten wollte, daß dieses Vorbringen auch tatsächlich zutraf. Auch nachdem das SG unter Hinweis auf die Gründe des Arbeitsgerichtsurteils vom 10. März 1983 einen wichtigen Grund zur Kündigung verneint hatte, hat der Kläger zu dieser Frage in der Berufungsinstanz keine weiteren Tatsachen vorgetragen. Die Berufungsschrift selbst enthielt keinerlei Begründung und mit Schriftsatz vom 5. April 1990 hat der Kläger lediglich geltend gemacht, über den Anspruch sei bereits rechtskräftig entschieden. Bei dieser Sachlage war das LSG nicht verpflichtet, noch weitere Ermittlungen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG anzustellen.
Als unbegründet erweist sich auch die Rüge der Revision, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Arbeitgeberin die Abfindung mit befreiender Wirkung an den Kläger gezahlt habe (§ 117 Abs 4 Satz 2 AFG). Allerdings ergibt sich die befreiende Wirkung der Zahlung nicht aus §§ 412, 407 BGB, da die Arbeitgeberin nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG von dem Forderungsübergang gemäß § 115 Abs 1 SGB X (§ 117 Abs 4 Satz 2 AFG aF) Kenntnis hatte. Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts kann aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 412, 407 BGB die Leistung an einen nicht berechtigten Dritten befreiende Wirkung haben. Der wahre Gläubiger kann die Einziehung der Forderung durch einen Dritten gemäß § 362 Abs 2, § 185 BGB genehmigen. Die Genehmigung hat zur Folge, daß die Zahlung an den Dritten dem wahren Gläubiger gegenüber wirksam wird.
Nach der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG (BSGE 67, 221, 226 f = SozR 3-4100 § 117 Nr 3; Urteil vom 29. August 1991 – 7 RAr 130/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen) ist die BA von dieser bürgerlich-rechtlichen Befugnis nicht ausgeschlossen. Eine solche Genehmigung verschafft ihr – ungeachtet eines bürgerlich-rechtlichen Anspruchs aus § 816 Abs 2 BGB auf Herausgabe des durch die Einziehung der Forderung Erlangten – den öffentlich-rechtlichen Anspruch aus § 117 Abs 4 Satz 2 AFG (BSG aaO).
Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat an. Dies bedeutet, daß aus der Entscheidung des Senats vom 13. März 1990 (SozR 3-4100 § 117 Nr 1) nichts Gegenteiliges geschlossen werden kann.
Das LSG ist somit ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß die BA durch nachträgliche Genehmigung der Abfindungszahlung an den Kläger deren befreiende Wirkung und damit die Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG herbeiführen konnte. Nicht zu beanstanden ist die Annahme des LSG, daß eine solche Genehmigung auch konkludent – durch schlüssiges Verhalten – erfolgen kann, wie dies der ständigen Rechtsprechung der Zivilgerichte entspricht (vgl BGH NJW 1986, 2104, 2106 mwN). Ob hier tatsächlich von einer konkludenten Genehmigung seitens der BA auszugehen ist, bedarf keiner abschließenden Beurteilung. Denn in ihrer Revisionserwiderung hat die BA die erforderliche Genehmigung noch einmal ausdrücklich erklärt. Zwar handelt es sich insoweit um einen tatsächlichen Vorgang nach Abschluß der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht. Die Berücksichtigung neuer Tatsachen in der Revisionsinstanz ist aus prozeßökonomischen Gründen jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn diese Tatsachen unstreitig sind, ihre Verwertung einer schnelleren Erledigung des Rechtsstreits dient und schutzwürdige Interessen nicht entgegenstehen (BSG Urteil vom 29. August 1991 – 7 RAr 130/90 –). Nach diesen Grundsätzen muß die jetzt erklärte Genehmigung berücksichtigt werden (vgl BSG aaO).
Die in der Entscheidung des 7. Senats vom 14. September 1990 (SozR 3-4100 § 117 Nr 3) offen gelassene Frage, ob die Zustimmung (Genehmigung) zur Einziehung einer Forderung durch den Arbeitslosen den öffentlich-rechtlichen Anspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG auch dann begründet, wenn ein Arbeitsamt von vornherein Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitslosen billigt, statt nach § 115 SGB X vorzugehen, stellt sich hier nicht. Denn die BA hat in dem Rechtsstreit mit der Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht Hamburg einen (vermeintlichen) übergegangenen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum 31. Dezember 1982 nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG aF (nicht nach § 115 SGB X) geltend gemacht. Nicht zu beanstanden ist auch, daß sich die BA nach dem Versäumnisurteil vom 31. Oktober 1985 an den Kläger gewandt hat. Insoweit kann sich der Kläger nicht – wie er meint – auf die Rechtskraftwirkung dieses Urteils berufen. Denn abgesehen davon, daß die seinerzeit erhobene Klage ohne sachliche Prüfung des verfolgten Anspruchs allein aufgrund der Säumnis der BA abgewiesen worden ist, fehlt es – wie vom LSG bereits zutreffend ausgeführt worden ist – an der Identität des Streitgegenstandes.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen