Leitsatz (amtlich)
Eine dauerhafte Existenzgrundlage (GAL § 1 Abs 4 aF) ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn aus den Erträgnissen des Unternehmens nur ein Einzelstehender den Lebensunterhalt bestreiten kann.
Leitsatz (redaktionell)
Eine dauerhafte Existenzgrundlage (§ 1 Abs 4 Gal aF) ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn aus den Erträgnissen des Unternehmers nur ein Einzelstehender den Lebensunterhalt bestreiten kann.
Normenkette
GAL § 1 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 1 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27; GAL § 2 Nr. 2 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 2 Nr. 2 Fassung: 1957-07-27
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 1960 und des Sozialgerichts Freiburg vom 28. April 1959 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die 1882 geborene ledige U K (U. K.), die frühere Klägerin, ist im Laufe des Revisionsverfahrens am 13. Januar 1961 verstorben und von ihrer Schwester M T K beerbt worden. Diese ist am 16. Mai 1962 ebenfalls verstorben; ihre Erben sind die jetzigen Kläger. U. K. bewirtschaftete von 1928 an einen landwirtschaftlichen Betrieb von über 2 ha, und zwar von der Hofstelle ihres Bruders aus, an der sie ein dinglich gesichertes Mitbenutzungsrecht hatte. Im November 1957 verpachtete sie die Grundstücke ihrem Neffen, nachdem sie ihm schon von 1952 an die Bewirtschaftung allmählich überlassen hatte; er hatte nach dem Tode ihres Bruders die Hofstelle übernommen. Den gleichzeitigen Antrag auf Altersgeld lehnte die Beklagte ab, weil U. K. in den letzten sechs Jahren vor der Übergabe nur noch 1,72 ha bewirtschaftet habe, die nicht als dauerhafte Existenzgrundlage angesehen werden könnten. Gegen diesen Bescheid erhob U. K. Klage mit dem Vorbringen, sie habe den Betrieb durch Edelkulturen, Tabak- und Obstbau besonders wirtschaftlich gestaltet und deshalb während ihres ganzen Lebens ihren Unterhalt nur aus ihrer Landwirtschaft bezogen; bis zur Übergabe habe der gesamte Betrieb noch 2,6 ha betragen. Das Sozialgericht (SG) gab der Klage statt, das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Beklagten zurück. Zur Begründung führte es aus, das landwirtschaftliche Anwesen habe bis zu seiner Verkleinerung auf 1,72 ha im Jahre 1952 etwa 2,3 ha betragen. Diese Grundstücksgröße habe als dauerhafte Existenzgrundlage ausgereicht, weil die ledige U. K. daraus ihren Lebensunterhalt bezogen habe. Denn bei einer ledigen Unternehmerin könne nicht von dem Normalfall einer vierköpfigen Familie ausgegangen werden, da sonst ledige Unternehmer von dem Bezug des Altersgeldes ausgeschlossen seien. Als Zeitpunkt der Abgabe sei bei sukzessiver Aufgabe des Betriebes, wie sie hier vorliege, der Zeitpunkt anzusehen, in dem das Unternehmen keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr bilde; dies sei für das Jahr 1952 anzunehmen, in dem U. K. den Betrieb auf 1,72 ha verkleinert habe. Das LSG ließ die Revision zu.
Die Beklagte legte gegen das am 22. November 1960 zugestellte Urteil am 20. Dezember 1960 Revision ein und begründete sie am 22. Februar 1961, nachdem ihr die Revisionsbegründungsfrist bis zu diesem Zeitpunkt verlängert worden war (§ 164 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie trägt vor, die Verkleinerung des Anwesens von 2,32 ha auf 1,72 ha könne nicht als Entäußerung angesehen werden. Eine solche liege nur dann vor, wenn das Unternehmen ganz abgegeben oder wenn nur kleinere Teile von vielleicht 20 bis 25 v. H. des Betriebes zurückbehalten worden seien. Hier habe aber die Klägerin nur 0,6 ha von 2,32 ha abgegeben. Diese Grundsätze müßten auch gelten, wenn die Abgabe in Abschnitten erfolge. Außerdem habe sich diese von 1947 bis 1952 über einen so langen Zeitraum erstreckt, daß sie nicht mehr als einheitlicher Vorgang angesehen werden könne. Entäußerung sei daher erst die Verpachtung des Restunternehmens am 11. November 1957 gewesen. Da die von 1952 bis 1957 bewirtschaftete Fläche keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr dargestellt habe, sei U. K. nicht in den letzten 15 Jahren vor der Abgabe hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmerin gewesen. Es sei nicht ausreichend, wenn sie auch von 1952 bis 1957 als alleinstehende Person ihren Unterhalt aus dem Betrieb erwirtschaftet habe. Denn von einer Existenzgrundlage könne nur dann gesprochen werden, wenn der Ertrag des Unternehmens genüge, um unter normalen Verhältnissen einer bäuerlichen Familie eine angemessene Lebensgrundlage zu bieten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 26. Oktober 1960 und des SG Freiburg vom 28. April 1959 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig und begründet, weil das LSG zu Unrecht angenommen hat, der U. K. habe Altersgeld zugestanden.
Nach § 25 Abs. 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) - GAL aF - erhalten ehemalige hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmer sowie nach diesem Gesetz beitragspflichtige Unternehmer Altersgeld, wenn sie während der 15 Jahre, die der Übergabe oder Entäußerung eines im Geltungsbereich des Gesetzes liegenden Unternehmens vorausgegangen sind, hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 bis 4 GAL aF waren. Diese Voraussetzung hat das LSG zu Unrecht als erfüllt erachtet. Im Jahre 1952 hat noch keine Abgabe des Unternehmens stattgefunden. Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. Juni 1962 - SozR GAL § 2 Nr. 2 - ausgesprochen hat, ist bei der bis zum 31. Dezember 1961 geltenden Fassung des GAL die Abgabe dann als vollzogen anzusehen, wenn das Unternehmen so, wie es bisher betrieben wurde, nicht mehr fortgeführt wird, indem der weitaus überwiegende Teil abgegeben ist. Dies ist dann noch zu bejahen, wenn Unternehmensanteile von höchstens etwa einem Viertel der Gesamtfläche zurückbehalten werden, es sei denn, daß der zurückbehaltene Rest, gleichgültig welchen Anteil er an der Gesamtfläche ausmacht, selber noch eine dauerhafte Existenzgrundlage im Sinne des § 1 Abs. 4 GAL darstellt. Eine Abgabe liegt also nicht schon dann vor, wenn der zurückbehaltene Teil keine Existenzgrundlage mehr darstellt. Bei Berücksichtigung dieser Rechtslage hat U. K. im Jahre 1952 ihren Betrieb noch nicht abgegeben. Denn wenn 1,72 ha von 2,32 ha zurückbehalten werden, kann von einer Entäußerung keine Rede sein. Als Zeitpunkt der Abgabe ist daher erst der 11. November 1957 anzusehen. Hiervon ausgehend war aber U. K. nicht, wie es § 25 Abs. 1 Buchst. b GAL aF verlangt, innerhalb der 15 Jahre vor der Entäußerung hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmerin. Denn zum mindesten von 1952 an bildete das Unternehmen keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr, wie das LSG festgestellt hat. Im übrigen genügt es nicht, wenn eine Einzelperson aus dem landwirtschaftlichen Unternehmen ihren Lebensunterhalt erwirtschaften kann. Vielmehr erfordert eine dauerhafte Existenzgrundlage, daß die Erträgnisse ausreichen, um einer bäuerlichen Familie eine Lebensgrundlage zu bieten (vgl. Urteil des Senats vom 21. März 1962 - SozR GAL § 1 Nr. 3 -).
U. K. hatte damit keinen Anspruch auf Altersgeld.
Die Urteile der Vorinstanzen müssen daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.
Fundstellen