Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsentlastung. Verwaltungsakt, einstweiliger, vorläufiger. Verwaltungsakt, endgültiger, abschließender. Vorwegzahlung. Vorschuß. Leistungsbescheid. Erstattungsanspruch. Rückabwicklung Vermögensverschiebung
Leitsatz (amtlich)
- Für die Verlautbarung eines einstweiligen Verwaltungsaktes reicht grundsätzlich aus, daß sich aus seinem Verfügungssatz ergibt, er treffe eine “vorläufige”, “einstweilige” Regelung (Fortführung von BSGE 67, 104 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 4).
- Einstweilige Verwaltungsakte werden mit Erlaß der endgültigen Regelung unwirksam.
- Die Rückabwicklung von Vorwegzahlungen erfolgt entsprechend den für den Vorschuß gültigen Regeln.
Normenkette
SGB X §§ 31-32, 39, 50; SGB I § 42
Verfahrensgang
SG Ulm (Urteil vom 17.02.1994; Aktenzeichen S 2 Lw 775/92) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Februar 1994 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob der Kläger der Beklagten 2.668,00 DM zurückzahlen muß.
Der Kläger war bis August 1991 als landwirtschaftlicher Unternehmer beitragspflichtiges Mitglied der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK). Im März 1988 beantragte er die Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 3c des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) und einer Beitragsentlastung nach dem Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz (SVBEG). Im Antragsformular wurde ua darauf hingewiesen, sofern Angaben zum Einkommen noch nicht möglich seien, sei zunächst ein geschätzter Einkommensbetrag anzugeben; das tatsächliche Einkommen sei in diesen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuweisen. Der Kläger legte ua seinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 vor und schätzte sein Jahreseinkommen aus land- und forstwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit für das Jahr 1987 vorläufig auf 43.000,00 DM.
Daraufhin erließ die beklagte LAK den Bescheid vom 26. Juli 1989, in dem es wie folgt heißt:
“Ihnen wird ab 1. Januar 1988 eine vorläufige jährliche Beitragsentlastung nach Stufe 5 gewährt. Die Voraussetzungen entnehmen Sie bitte dem beigefügten Merkblatt. … Die Bewilligung der Leistung wird vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet, wenn eine der Voraussetzungen, nämlich die Höhe des Bruttoeinkommens, nicht abschließend geprüft und festgestellt werden kann. Die LAK geht auf der Grundlage einer vorausschauenden Beurteilung davon aus, daß nach den vorgelegten Besteuerungsunterlagen das maßgebende Bruttoarbeitseinkommen … das 1,2-fache der Bezugsgröße im Kalenderjahr vor der Antragstellung und ein außerlandwirtschaftliches Bruttoeinkommen ein Siebtel der Bezugsgröße nicht überschreitet. Sollten Ihre Einkommensangaben auf einer Schätzung beruhen, bitten wir, sobald Ihnen weitere Nachweise (Einkommensteuererklärung, Steuerbescheid) zur Verfügung stehen, um Vorlage. Für den Fall, daß das Bruttoeinkommen wider Erwarten die vorgenannten Beträge überschritten hat, bestünde für die entsprechenden Zeiten kein Anspruch. Die zu Unrecht gezahlten Beträge wären unter den Voraussetzungen des § 50 SGB X zurückzuzahlen. …”
Dem Kläger wurde für die Jahre 1988/1989 ein jährlicher Entlastungsbetrag von 1.000,00 DM zzgl eines Zuschlages für mitarbeitende Familienangehörige von jeweils 334,00 DM bewilligt.
Auf den im Juli 1989 gestellten Antrag auf Beitragsentlastung erließ die beklagte LAK den Bescheid vom 24. Januar 1990, in dem ua verfügt ist:
“Ihnen wird ab 1. Januar 1990 eine vorläufige jährliche Beitragsentlastung nach Stufe 5 gewährt. Die Voraussetzungen entnehmen Sie bitte dem beigefügten Merkblatt. … Die Bewilligung der Leistung wird vorläufig und unter dem Vorbehalt der Aufhebung des Bewilligungsbescheides und der Rückforderung geleistet, wenn eine der Voraussetzungen, nämlich die Höhe des Bruttoeinkommens, nicht abschließend geprüft und festgestellt werden konnte (kann). Die LAK geht auf der Grundlage einer vorausschauenden Beurteilung davon aus, daß nach den vorgelegten Besteuerungsunterlagen das maßgebende Bruttoarbeitseinkommen (Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft und das außerlandwirtschaftliche Bruttoeinkommen) das 1,2-fache der Bezugsgröße im Kalenderjahr vor der Antragstellung und ein außerlandwirtschaftliches Bruttoeinkommen ein Siebtel der Bezugsgröße nicht überschreitet. Sollten Ihre Einkommensangaben auf einer Schätzung beruhen, bitten wir, sobald Ihnen weitere Nachweise (Einkommensteuererklärung, Steuerbescheid) zur Verfügung stehen, um Vorlage. Für den Fall, daß das Bruttoeinkommen wider Erwarten die vorgenannten Beträge überschritten hat, bestünde für die entsprechenden Zeiten kein Anspruch. Der Bewilligungsbescheid würde dann aufgehoben und die zu Unrecht gezahlten Beträge wären nach § 50 SGB X zurückzuzahlen. …”
Dem Kläger wurde für das Jahr 1990 gleichfalls ein Entlastungsbetrag von 1.000,00 DM zzgl des og Zuschlags von 334,00 DM bewilligt.
Auf Nachfrage der Beklagten übersandte der Kläger im November 1990 seine Einkommensteuerbescheide (für das Jahr 1987 vom 16. Juni 1989; für das Jahr 1988 vom 26. April 1990) und schätzte sein Jahreseinkommen für 1989 auf 60.000,00 DM ein. Im Anhörungsschreiben vom 11. September 1991 wies die Beklagte darauf hin, aufgrund des im Kalenderjahr 1988 erzielten landwirtschaftlichen Gewinns in Höhe von 53.341,00 DM, der das 1,2-fache der Bezugsgröße für 1989 von 45.360,00 DM übersteige, und des im Kalenderjahr 1989 erzielten Gewinns in Höhe von 60.0000,00 DM, der das 1,2-fache der Bezugsgröße für dieses Jahr von 47.376,00 DM übersteige, bestehe ein Entlastungsanspruch für die Jahre 1989 und 1990 nicht.
Durch den streitigen Bescheid vom 9. Oktober 1991 hob die Beklagte ihre Bewilligung von Sozialkostenentlastung mit Wirkung vom 1. Januar 1989 auf und verfügte, der Kläger müsse 2.668,00 DM zurückzahlen.
Das Sozialgericht (SG) Ulm hat durch Urteil vom 17. Februar 1994 die (durch weitergeleiteten Widerspruch erhobene) Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Leistung nur durch vorläufige Verwaltungsakte unter dem Vorbehalt späterer Überprüfung bewilligt. Dies sei rechtmäßig gewesen, weil sie den maßgeblichen Sachverhalt bis zur Übermittlung der Steuerbescheide durch den Kläger erklärtermaßen nicht habe abschließend aufklären und endgültig bescheiden können. Die Rückforderung ergebe sich aus § 50 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X).
Zur Begründung der – vom SG zugelassenen – (Sprung-)Revision trägt der Kläger vor: Das SG habe die Bewilligungsbescheide unzutreffend als vorläufige Verwaltungsakte iS der Rechtsprechung des erkennenden Senats (in BSG SozR 3-1300 § 32 Nrn 2 und 4) ausgelegt. Die Bescheide hätten für den Adressaten nicht hinreichend bestimmt verlautbart, daß sie nur bis zum Erlaß eines endgültigen Verwaltungsaktes gelten sollten. Es sei nicht unzweideutig gewesen, daß ein Vorbehalt der endgültigen Entscheidung, nicht aber nur die Möglichkeit eines Eingriffes in die Wirksamkeit oder den Regelungsgehalt der Bescheide ausgesprochen werden sollte. Die Beklagte habe sich auch nur die Aufhebung der Bescheide, nicht aber den Erlaß eines endgültigen Bescheides vorbehalten. Weil in den Bescheiden für die maßgeblichen Verhältnisse auf das Einkommen “im Kalenderjahr vor der Antragstellung” abgestellt werde, habe der Kläger davon ausgehen dürfen, daß das Einkommen des Jahres 1987 auch für die Folgejahre maßgeblich bleibe. Die Beklagte habe keinen Rücknahmevorbehalt wirksam ausgesprochen und sich darauf auch nicht berufen. Der Amtsermittlungsgrundsatz dürfe nicht umgangen werden. Zwar enthalte der Bewilligungsbescheid vom 24. Januar 1990 einen rechtswirksamen Rücknahmevorbehalt; hierauf habe die Beklagte sich aber in dem angefochtenen Bescheid nicht berufen, sondern auf § 50 SGB X Bezug genommen. Da der Kläger aber materiell-rechtlich keinen Anspruch auf die Leistungen gehabt habe, handele es sich bei den Bewilligungsbescheiden um rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte. Diese könnten allenfalls nach § 45 SGB X zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen hierfür habe das SG nicht geprüft; dazu müsse ihm ggf Gelegenheit gegeben werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Ulm vom 17. Februar 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 1991 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, die Beklagte habe in den aufgehobenen Bewilligungsbescheiden der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Voraussetzungen und zur Ausgestaltung einstweiliger Verwaltungsakte Rechnung getragen.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige (Sprung-)Revision des Klägers ist unbegründet. Dem SG ist zuzustimmen, daß der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid rechtmäßig ist. Die Beklagte hat dem Kläger die Beitragsentlastung für die Jahre 1989 und 1990 rechtmäßig durch einstweilige Verwaltungsakte bewilligt, diese nach abschließender Klärung des Sachverhalts rechtlich zutreffend “aufgehoben” und dem Kläger zu Recht aufgegeben, 2.668,00 DM zurückzuzahlen.
Keiner Darlegung bedarf, daß dem Kläger ein Anspruch auf Beitragsentlastung für die Jahre 1989 und 1990 wegen der Höhe seines Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft in den Jahren 1988 und 1989 nach materiellem Recht nicht zustand. Hierüber streiten die Beteiligten auch nicht.
Der angefochtene Bescheid vom 9. Oktober 1991 ist aber auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Die Beklagte hat vielmehr die für den Erlaß von einstweiligen und endgültigen Verwaltungsakten maßgeblichen Rechtsgrundsätze, welche das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat und soweit sie vorliegend entscheidungserheblich sind, zutreffend angewandt (dazu stellvertretend BSGE 55, 287 ff; SozR 1200 § 42 Nr 2; SozR 3-1200 § 42 Nr 2; BSGE 62, 32 ff = SozR 4100 § 71 Nr 2; der erkennende Senat ua in: SozR 1200 § 42 Nr 4; BSGE 67, 104 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; SozR 3-1300 § 32 Nr 4).
Der Bescheid vom 9. Oktober 1991, den das Revisionsgericht in eigener Kompetenz auslegen darf, verlautbart fünf Verfügungssätze (Verwaltungsakte iS von § 31 Satz 1 SGB X):
- Dem Kläger wird die – bis dahin vorläufig zuerkannte – Beitragsentlastung für das Jahr 1988 endgültig zuerkannt.
- Es wird abschließend festgestellt, einen Anspruch auf Sozialkostenentlastung für die Jahre 1989 und 1990 habe er nicht.
- Der Bescheid vom 26. Juli 1989,in dem die Entlastung für die Jahre 1988 und 1989 – vorläufig – bewilligt worden war, wird mit Wirkung vom 1. Januar 1989, also für das Jahr 1989, aufgehoben.
- Der Bescheid vom 24. Januar 1990, mit dem die Entlastung für das Kalenderjahr 1990 – vorläufig – bewilligt worden war, wird aufgehoben.
- Der Kläger wird verpflichtet, an die Beklagte 2.668,00 DM zu zahlen.
Der Verfügungssatz 1, der die Entlastung für das Jahr 1988 betrifft, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Verwaltungsakte 2 bis 5 sind rechtmäßig:
Die Beklagte durfte mit dem Verfügungssatz 2 den Antrag des Klägers vom 15. März 1988, der gemäß § 5 Abs 1 Satz 2 SVBEG vom 21. Juli 1986 (BGBl I S 1070, mit Ablauf des 31. Dezember 1990 außer Kraft getreten) zugleich auch für die folgenden Kalenderjahre wirkte, endgültig bescheiden, weil das Verwaltungsverfahren (§§ 8, 18 ff SGB X) noch nicht durch den Erlaß eines Verwaltungsaktes abgeschlossen war. Die Vorschriften des SGB X sind gemäß § 5 Abs 3 SVBEG anzuwenden. Da der Inhalt des Verfügungssatzes 2 die materielle Rechtslage, daß nämlich der Kläger für die Jahre 1989 und 1990 keinen Anspruch auf Beitragsentlastung hat, richtig feststellt, könnte er nur dann rechtswidrig sein, wenn das Verwaltungsverfahren zuvor durch einen für die Beklagte bindend (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) gewordenen Verwaltungsakt bereits abgeschlossen gewesen wäre. Denn dann hätte die Beklagte diesen Verwaltungsakt nur aufheben dürfen, wenn sie sich entweder darin rechtmäßig dessen Rücknahme, Widerruf oder Abänderung vorbehalten hätte oder aber dazu nach den §§ 44 ff SGB X oder Spezialvorschriften hierzu gesetzlich ermächtigt gewesen wäre. Derartigen Bindungen unterlag die LAK aber bei Erlaß des Bescheides vom 9. Oktober 1991 nicht. Sie hatte das Verwaltungsverfahren noch nicht durch den Erlaß eines die Beitragsentlastung endgültig bewilligenden Verwaltungsaktes abgeschlossen, sondern mit den Bescheiden vom 26. Juli 1989 und vom 24. Januar 1990 nur einstweilige (“vorläufige”) Regelungen iS von sog Vorwegzahlungen getroffen. Diese Entscheidungen entfalten für den Verwaltungsträger keine Bindungswirkung bei Erlaß des endgültigen Verwaltungsaktes, in dem über das Bestehen oder Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs abschließend entschieden wird. Falls – wie vorliegend – die einstweiligen Bewilligungen im endgültigen Verwaltungsakt “aufgehoben” werden, erfolgt die Rückabwicklung entsprechend § 42 Abs 2 und 3 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I), falls – wie hier – keine spezielle Regelung eingreift.
Die Verfügungssätze 3 und 4, mit denen der Bescheid vom 26. Juni 1989 teilweise, nämlich für den Bewilligungszeitraum 1989, und der Bescheid vom 24. Januar 1990 “aufgehoben” wurden, sind rechtmäßig. Die “Aufhebung” von einstweiligen Verwaltungsakten, die im endgültigen Verwaltungsakt erfolgt, bedarf keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage; denn die Bindungswirkung eines bestandskräftig gewordenen einstweiligen Verwaltungsaktes schafft zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für den begrenzten Zeitraum bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens durch Erlaß des endgültigen Verwaltungsaktes. Einstweilige Verwaltungsakte sind von vornherein auf Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt angelegt; mit seinem Erlaß erledigen sie sich iS von § 39 Abs 2 SGB X; ihre ausdrückliche “Aufhebung” enthält daher rechtlich nur die Feststellung, daß sie rechtsunwirksam geworden sind.
Entgegen der Ansicht des Klägers verlautbarten die Bescheide vom 26. Juli 1989 und vom 24. Januar 1990 nur einstweilige Verwaltungsakte. Dies hat das SG richtig ausgeführt. Die Bescheide sind aus der Sicht eines objektiven, an Treu und Glauben orientierten Erklärungsempfängers, dem die wesentlichen Umstände und Inhalte des Verwaltungsverfahrens bekannt sind, auszulegen. Danach mußte der Kläger erkennen, daß ihm – in beiden Bescheiden – die Beitragsentlastung nur einstweilig für eine Übergangszeit bis zur Vorlage seiner maßgeblichen Einkommensteuerbescheide und bis zum Abschluß der dann möglichen umfassenden Sachprüfung bewilligt werden sollte:
Grundsätzlich und in aller Regel genügt für die Verlautbarung, ein Verwaltungsakt solle den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens nicht endgültig, sondern nur einstweilig bis zu einer abschließenden Entscheidung regeln, daß sich aus seinem Verfügungssatz ergibt, er treffe eine “vorläufige”, “einstweilige” Bestimmung.
Dies ist in beiden Bewilligungsbescheiden geschehen. Darüber hinaus wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, die Bewilligung der Leistung erfolge vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung/der Aufhebung des Bewilligungsbescheides und der Rückforderung, wenn die Höhe des Bruttoeinkommens nicht abschließend geprüft werden konnte. Dem Kläger war ua im Antragsformular und auch in den Hinweisen auf den Bewilligungsbescheiden verdeutlich worden, es komme maßgeblich auf sein Bruttoeinkommen aus land- und forstwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit an, die Einkommensteuerbescheide der Jahre ab 1987 seien vorzulegen. Er hatte sich am 15. März 1988 ausdrücklich verpflichtet, jegliche Änderung in seinen Betriebs- und Einkommensverhältnissen der Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Er wußte, daß er 1988 und 1989 höheres Einkommen erzielt hatte als im Jahre 1985 bzw 1987. Ferner hatte die Beklagte ihn in den Bewilligungsbescheiden auch noch ausdrücklich davon in Kenntnis gesetzt, daß sie die Bewilligung aufgrund einer vorausschauenden Beurteilung nach seinen bisherigen Angaben ausspreche. Außerdem hat sie ihn, der eine Schätzung seines Einkommens vorgelegt hatte, in den Bescheiden gebeten, deswegen die weiteren Nachweise (Einkommensteuererklärung/Steuerbescheid) vorzulegen, sobald diese ihm zur Verfügung stünden. Auf die möglichen Rechtsfolgen eines den Grenzbetrag übersteigenden Einkommens hat sie ihn hingewiesen.
Die Beklagte hat also – entgegen der Revision – sich ausdrücklich den Erlaß eines endgültigen Bescheides “vorbehalten”, indem sie die Vorläufigkeit der Bewilligung auf noch nicht abschließend geklärter Tatsachengrundlage mehrfach und eindringlich betont hat. Sie hat nicht etwa nur die Möglichkeit eines Eingriffs in die Wirksamkeit oder den Regelungsinhalt der Bescheide in Aussicht gestellt, sondern eine abschließende Sachprüfung angekündigt, sobald der Kläger dies durch Vorlage der maßgeblichen Steuerbescheide ermöglichen würde; sie hat ihn sogar darauf hingewiesen, daß im abschließenden Verwaltungsakt eine ihm ungünstige Entscheidung ergehen und er dann zur Rückzahlung des Bewilligten verpflichtet sein könnte. Ein an Treu und Glauben orientierter Adressat dieser Bescheide hätte sich der Erkenntnis nicht versagen können, daß es sich um einstweilige Bewilligungen handelte, er selbst unverzüglich den Einkommensteuerbescheid vorlegen müsse und daß ggf die Bewilligungen keinen dauerhaften Bestand haben würden.
Darauf, daß diese einstweiligen Verwaltungsakte befugtermaßen und rechtmäßig ergangen sind, ist hier nicht weiter einzugehen, weil sie sich durch den Erlaß des endgültigen Verwaltungsaktes (Verfügungssatz 2 im angefochtenen Bescheid vom 9. Oktober 1991) erledigt haben, also unwirksam geworden sind; der verwaltungsverfahrensrechtliche Anspruch des Klägers, einen erst nach vollständiger Sachverhaltsaufklärung zulässigen endgültigen Verwaltungsakt zu erhalten, ist erst im November 1990 mit Übersendung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1988 und 1989 entstanden, durch den Erlaß des angefochtenen Bescheides erfüllt und nicht streitgegenständlich.
Auch der fünfte Verfügungssatz im angefochtenen Bescheid vom 9. Oktober 1991, das Gebot an den Kläger, an die Beklagte 2.668,00 DM zu zahlen, ist rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für diesen Leistungsbescheid ist § 50 Abs 3 Satz 1 SGB X, nach dem die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen ist. Die Anspruchsgrundlage für die von der Beklagten festgesetzte Leistung des Klägers ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I. § 42 Abs 2 und 3 SGB I sind entsprechend anwendbar, wenn Vermögensverschiebungen rückabzuwickeln sind, die aufgrund von einstweiligen Verwaltungsakten der Art der “Vorwegzahlung” erfolgten. Soweit das Institut der Vorwegzahlung – wie im Geltungsbereich des SVBEG – spezialgesetzlich nicht ausgestaltet ist, enthält das SGB eine Regelungslücke. Diese ist durch Rückgriff auf die Regelungen zu schließen, die § 42 Abs 2 und 3 SGB I für einstweilige Verwaltungsakte der Art des “Vorschusses” getroffen hat. Die Vergleichbarkeit zwischen den einstweiligen Verwaltungsakten “Vorschuß” und “Vorwegzahlung” drängt sich auf. Vorschüsse können gewährt werden, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung der Leistungshöhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist; Vorwegzahlungen können gewährt werden, wenn eine abschließende Entscheidung nach dem Stand der Ermittlungen im Entscheidungszeitpunkt dem Grunde nach noch nicht möglich ist, jedoch der gesetzliche Zweck der Leistung nur erreicht werden kann, wenn sie möglichst zeitnah zur Entstehung des Bedarfs, dem sie abhelfen soll, erbracht wird, und wenn zwingende verfahrenstechnische Gründe die endgültige Gewährung oder eine Vorschußbewilligung (§ 42 SGB I) noch unmöglich machen. Die Rückabwicklungslagen nach – objektiv – überhöhten Vorschüssen oder Vorwegzahlungen sind im wesentlichen gleich.
Entsprechend § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I hat der Empfänger die Vorwegzahlungen zu erstatten, soweit sie die ihm zustehende Leistung übersteigen. Da dem Kläger die Leistung überhaupt nicht zusteht, hat er die Vorwegzahlung in vollem Umfang zu erstatten.
Der Beklagten stand weder hinsichtlich der von ihr ausgesprochenen “Aufhebung” der einstweiligen Bewilligungen noch hinsichtlich der Rückforderung der Vorwegzahlungen ein Ermessen zu. Da die einstweiligen Verwaltungsakte sich mit Erlaß des angefochtenen Bescheides kraft Gesetzes erledigt hatten und unwirksam geworden waren, hat die “Aufhebung” genannte Feststellung der Unwirksamkeit ausschließlich klarstellende Bedeutung. Die Beklagte hatte keine Befugnis, eine materiell-rechtlich andere Entscheidung zu treffen. Im Blick auf die Festsetzung der zu erstattenden Leistung war die Beklagte gebunden (§ 50 Abs 3 Satz 1 SGB X, § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I). Da der Leistungsträger nicht verpflichtet ist, bei Geltendmachung des Erstattungsanspruches entsprechend § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I zugleich über dessen Stundung oder Erlaß (§ 42 Abs 3 SGB I aF, jetzt: § 42 Abs 3 SGB I iVm § 76 Abs 2 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch – SGB IV) zu entscheiden, ist der angefochtene Bescheid schließlich auch nicht etwa deshalb rechtwidrig, weil er über Fragen der Durchsetzung der festgesetzten Erstattungsschuld noch nicht entschieden hat.
Nach alledem mußte die Revision des Klägers gegen das zutreffende Urteil des SG zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen