Leitsatz (amtlich)
Die KK ist nicht verpflichtet, die Kosten des Transports eines mit Krankenhauspflege ausgesteuerten Rentners zur erneuten stationären Behandlung ins Krankenhaus zu tragen.
Auch die Gewährung der Abgeltung nach Abschn 3 des RAM-Erl 1943-11-02 betreffend Verbesserungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (AN 1943, 485) begründet keine dahingehende Verpflichtung.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1924-12-15, § 184 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15; RAMErl 1943-11-02 Abschn. 3
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Mai 1963 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Es war zu entscheiden, ob die Kosten des Transportes eines mit Krankenhauspflege ausgesteuerten versicherten Rentners zur erneuten stationären Behandlung ins Krankenhaus im Jahre 1959 von der beklagten AOK oder dem klagenden Sozialamt endgültig zu tragen sind (Verbesserungserlaß vom 2. November 1943 - AN S. 485, §§ 182, 184 RVO).
Der (inzwischen gestorbene) Rentner J. war Mitglied der beklagten AOK. Er war wegen Bronchitis, Coronarinsuffizienz und Herzmuskelschwäche seit 1955 mit Krankenhauspflege ausgesteuert. Der ihn ambulant behandelnde Kassenarzt Dr. M wies ihn im Februar 1959 wegen dieser Leiden erneut zur stationären Behandlung in die Städtischen Krankenanstalten Osnabrück ein. Er bescheinigte, daß der Rentner mit einem Kraftwagen ins Krankenhaus befördert werden müsse. Der Transport wurde am 12. Februar 1959 durchgeführt und kostete 6,50 DM. Das klagende Sozialamt bezahlte ihn zunächst. Die AOK leistete für die Dauer des Krankenhausaufenthalts den Abgeltungsbetrag von 1,- DM je Kalendertag im Einverständnis mit dem Rentner und dem Sozialamt unmittelbar an die Krankenhausverwaltung. Im übrigen übernahm das Sozialamt Krankenhauskosten. Es verlangt Ersatz der Transportkosten von der AOK. Nach seiner Auffassung gehören die Transportkosten zu den der AOK obliegenden Leistungen der Krankenpflege. Die AOK lehnte die Erstattung der Transportkosten mit Schreiben vom 10. August 1960 ab.
Das Sozialamt erhob Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück. Es beantragte, die beklagte AOK zu verpflichten, die Kosten der Überführung in das Krankenhaus zu tragen. Das SG verpflichtete die AOK antragsgemäß zur Kostentragung. Es ließ die Berufung zu (Urteil vom 29. Januar 1962).
Auf die Berufung der AOK hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage des Sozialamtes abgewiesen (Urteil vom 28. Mai 1963). Es hat sinngemäß ausgeführt, die AOK habe dem Rentner nach der Aussteuerung mit Krankenhauspflege wegen der fortbestehenden Leiden nur noch Krankenhilfe im Sinn des § 182 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), also Krankenpflege mit ärztlicher Behandlung und Versorgung mit Arznei usw., gewähren müssen. Bei der Krankenhauspflege nach § 184 RVO, die von der Krankenkasse anstelle der Krankenpflege und des Krankengeldes gewährt werden könne, handele es sich um eine besondere, einheitliche und unteilbare Gesamtleistung. Dazu gehörten auch die Kosten einer, die Krankenhauspflege erst ermöglichenden Überführung in das Krankenhaus (vorbereitende Handlungen für die anschließende stationäre Behandlung). Sie dienten dazu, die eigentliche Leistung "Krankenhauspflege" erst zu ermöglichen. Die Transportkosten gehörten somit nicht zur Krankenpflege nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beginn der stationären Behandlung notwendig geworden seien. In diesem Fall gälten die Transportkosten als Kosten der Krankenhauspflege. Dementsprechend habe die AOK für die Transportkosten nur eintreten müssen, wenn sie Krankenhauspflege hätte gewähren müssen. Dies sei indes nicht der Fall. Die Revision wurde zugelassen.
Das Sozialamt hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die AOK zum Ersatz der Transportkosten von 6,50 DM zu verurteilen.
Das Sozialamt führte aus, die Krankenhauspflege sei nur eine besondere Form der Krankenpflege und beruhe auch auf § 182 RVO. Nach Aussteuerung mit Krankenhauspflege habe die Krankenkasse Krankenpflege in demselben Umfang wie vorher zu gewähren. Diese Leistung sei für Zeiten, in denen sich der Versicherte im Krankenhaus befinde, auf den Abgeltungsbetrag beschränkt. Daraus folge, daß die Krankenkasse alle Leistungen, die nicht unmittelbar vom Krankenhaus selbst erbracht werden, vor und nach der Aussteuerung in gleicher Weise zu gewähren habe. Daß die Kosten für den Hintransport im Fall des § 184 RVO zu den Krankenhauskosten gerechnet werden, bedeute nicht, daß sie nur im Fall des § 184 RVO von der Krankenkasse zu tragen seien; § 184 RVO schließe § 182 RVO nicht aus, sondern sei ein Fall des § 182 (BSG 13, 134, 138). Die Leistungspflicht der AOK könne nicht mit der Feststellung des Arztes, der Rentner sei zur stationären Behandlung einzuweisen, enden. Es dürfe keine Lücke in der Behandlung geben, die der Versicherte durch eigene Leistung ausfüllen müsse. Der Abgeltungsbetrag schließe die Transportkosten nicht ein; nur die im Krankenhaus entstandenen Kosten für ärztliche Behandlung und Arzneien seien mit dem Pauschbetrag von 1,- DM abgegolten. Im übrigen müsse die AOK die Transportkosten auch schon deswegen tragen, weil die Einweisung auf einer Anordnung des Kassenarztes beruhe und in den Bereich kassenärztlicher Behandlung falle (Hinweis auf RVA, GE 5283 in AN 1939, 186).
Die AOK beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Die Revision ist nicht begründet.
Die AOK ist nicht verpflichtet, die Transportkosten zu tragen.
Der Ersatzanspruch des Sozialamtes ist auf das KVdR vom 12. Juni 1956, §§ 1531 bis 1533, 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO i. V. m. Abschn. I und III des Verbesserungserlasses vom 2. November 1943 (AN 1943, 485) gestützt.
Nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO umfaßt die ohne zeitliche Begrenzung zu gewährende Krankenpflege ärztliche Behandlung, Arzneien sowie Versorgung mit Brillen, Bruchbändern und andere kleineren Heilmittel. Die zeitlich begrenzte Krankenhauspflege (§ 184 RVO) umfaßt Kur und Verpflegung in einem Krankenhaus. Der Transport eines Kranken zum Arzt oder in das Krankenhaus ist seinem Wesen nach nicht schon selbst "ärztliche Behandlung" oder "Krankenhauspflege". Er stellt für sich allein - wie die Aufzählung der Leistungen in §§ 182 und 184 zeigt - keine selbständige Leistung der Krankenversicherung dar, sondern ist Annex der Krankenpflege oder Krankenhauspflege.
Wenn daher zur Gewährung notwendiger Krankenhilfe ein Transport des Kranken erforderlich ist, so bildet der Transport eine Nebenleistung zu denjenigen Einzelleistungen der Krankenhilfe, die durch ihn ermöglicht werden. Die Nebenleistungen sind in bezug auf die Kostentragung wie die Leistung, zu der sie gehören, zu behandeln. Soweit die Krankenkasse die "Hauptleistung" erbringen muß, hat sie auch den dazu notwendigen Transport zu übernehmen.
Der Transport des Rentners J. zum Krankenhaus zwecks stationärer Behandlung war im Rahmen der von der beklagten AOK gewährten ambulanten Krankenpflege nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht notwendig. Er diente allein der Krankenhausbehandlung. Er ist daher eine Nebenleistung zur Krankenhauspflege. Da aber die beklagte AOK keine Krankenhauspflege zu gewähren hatte, brauchte sie auch nicht den dazu notwendigen Transport zu übernehmen.
Zwar ist, wie die Revisionsklägerin zutreffend ausführt, Krankenhauspflege nur eine besondere Form der Krankenpflege (BSG 13, 134, 138). Doch handelt es sich bei ambulanter Behandlung und Krankenhauspflege um verschiedene Leistungen der Krankenversicherung, für die unterschiedliche Rechtsvorschriften gelten. Dies zeigt sich schon darin, daß die Krankenkasse Krankenhauspflege nur zeitlich begrenzt zu gewähren hat. Die Zurechnung des Transports eines Kranken entweder zur Krankenhauspflege oder zur allgemeinen Krankenpflege wird also entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch ausgeschlossen, daß Krankenhauspflege eine besondere Form und in diesem Sinne einen Teil der Krankenpflege darstellt; entscheidend ist, daß es sich um rechtlich getrennte Leistungen handelt, so daß der Transport eines Kranken durchaus der einen oder anderen Leistung zugerechnet werden kann und - da das Krankenversicherungsrecht keine besondere Leistung "Transport eines Kranken" kennt - auch als unselbständige Nebenleistung zugerechnet werden muß.
Die beklagte AOK hat die Transportkosten auch nicht etwa deshalb zu tragen, weil sie vor Beginn der Leistungen im Krankenhaus entstanden sind. In der Zeit vor Beginn der Krankenhauspflege hat die AOK nach den oben dargelegten Grundsätzen nur die Kosten für solche Transporte zu tragen, die etwa erforderlich sind, um die ihr in dieser Zeit obliegenden Leistungen, insbesondere die ambulante Behandlung, zu erbringen. Der Transport diente aber nicht zur Durchführung einer ambulanten Behandlung, zu der die Beklagte verpflichtet war, sondern der Durchführung der Krankenhauspflege, die ihr nicht oblag. So wie der ausgesteuerte Rentner - sofern kein anderer Kostenträger für ihn eintritt - die Kosten der Krankenhauspflege selbst zu tragen hat, fallen ihm auch die Transportkosten zum Krankenhaus zur Last.
Daß die beklagte AOK für die Zeit der Krankenhauspflege die Abgeltung von täglich 1,- DM nach Abschnitt III des Erlasses vom 2. November 1943 zu zahlen hatte und auch gezahlt hat, ändert die Rechtslage nicht. Der Auffassung der Revision, diese Abgeltung sei stellvertretend für eine ambulante Behandlung, die die beklagte AOK während des Krankenhausaufenthaltes nicht als Sachleistung weitergewähren könne, und deshalb sei die Fahrt zum Krankenhaus wie die Fahrt zu einer ambulanten ärztlichen Behandlung zu beurteilen, ist nicht zu folgen. Die Abgeltung ist nicht eine Fortsetzung der Krankenpflege, sondern eine Leistung anderer Art. Sie dient nicht der Krankenpflege, sondern soll dem Versicherten einen geldlichen Ausgleich gerade dafür bieten, daß die Krankenkasse ihm infolge der Aufnahme in das Krankenhaus nicht mehr die ambulante Behandlung gewähren kann, auf die der Versicherte ohne die Krankenhauspflege Anspruch hätte. Es handelt sich also um einen Anspruch auf eine geldliche Ausgleichsleistung, ähnlich dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Abgeltung berücksichtigt auch nicht die Höhe der Aufwendungen des Versicherten für die Krankenhauspflege und die Höhe der dadurch der Krankenkasse ersparten Kosten. Sie ist losgelöst von den konkreten Verhältnissen des einzelnen Falles. Sie soll zwar nach Abschnitt III des Erlasses vom 2. November 1943 die Kosten für die gesamte Krankenpflege ersetzen; doch steht der Betrag von täglich 1,- DM in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Krankenpflegekosten in einem Krankenhaus und der Ersparnis für die Krankenkasse. Die Abgeltung kann somit nicht - wie offenbar die Revision meint - als die Fortsetzung einer konkreten, bisher durch Sachleistungen gewährten Krankenpflege in Geld angesehen werden. Der Transport ins Krankenhaus ist trotz Zahlung der Abgeltung nicht wie ein Transport zur Krankenpflege nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO anzusehen, für dessen Kosten die Krankenkasse aufkommen müßte.
Die Revision des Sozialamtes ist somit nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen