Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz bei gemischter Tätigkeit, die wesentlich dem Unternehmen dient
Leitsatz (amtlich)
Zum Unfallversicherungsschutz eines als Unternehmer versicherten Installateurs, der beim Einbau einer Sammelheizung in seinem Haus, in welchem sich die Wohnung, der Laden und die Werkstatt befinden, einen Unfall erleidet.
Leitsatz (redaktionell)
Tätigkeiten eines der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig angehörenden Unternehmers, die sowohl den Zwecken des Unternehmens als auch den privaten Interessen des Versicherten dienen und sich nicht eindeutig in einen unternehmensbedingten und einen unternehmensfremden Teil zerlegen lassen (zB Änderung einer Heizung, die zugleich für die Werkstatt und die Wohnung bestimmt ist), stehen als gemischte Tätigkeiten unter Unfallversicherungsschutz, wenn sie dem Unternehmen zwar nicht überwiegend, aber doch wesentlich zugute kommen.
Normenkette
RVO § 543 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 548 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Mai 1968 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger ist Inhaber eines Installateurgeschäfts und als solcher bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall freiwillig versichert. Im Oktober 1965 baute er in seinem Haus, in welchem sich die Wohnung, der Laden und die Werkstätte befinden, eine Heizungsanlage ein. Der Ofen, welcher als einzige Energiequelle für die Anlage dient, wurde in der Werkstätte aufgestellt. Am 23. Oktober 1965, einem Samstag, war der Kläger damit beschäftigt, im Bad des Hauses, wo die Rohre aus Werkstätte und Wohnung zusammenstoßen, diese zusammen zu schweißen. Dabei stürzte er von der Leiter. Er erlitt eine Gehirnerschütterung.
Die Beklagte versagte durch Bescheid vom 31. August 1966 die begehrte Unfallentschädigung, weil der Kläger bei einer Tätigkeit verunglückt sei, welche in seinem privaten Interesse im persönlichen Lebensbereich ausgeführt worden sei.
Das Sozialgericht (SG) Speyer hat auf Klage durch Urteil vom 5. Juni 1967 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Unfallentschädigung zu gewähren. Es ist der Auffassung, daß nach Sachlage die Arbeit des Klägers nicht in einen unternehmensbedingten und einen unternehmensfremden Teil zerlegt werden könne, sondern als Ganzes angesehen werden müsse. Die Montage der Heizungsanlage habe auch dem Handwerksbetrieb gedient. Es liege somit ein Arbeitsunfall vor.
Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat durch Urteil vom 10. Mai 1968 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfalls verrichtete Arbeit stehe mit seinem Unternehmen in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang. Der Kläger habe eine Tätigkeit ausgeführt, welche dem von ihm ausgeübten Handwerk zuzurechnen sei. Sie sei nicht dadurch zu einer eigenwirtschaftlichen geworden, daß sie einer besseren Ausstattung des eigenen Wohnhauses habe dienen sollen, denn der Kläger habe mit ihr einen Zweck verfolgt, welcher im Rahmen seines Installateurgeschäfts gelegen habe und von ihm angestrebt worden sei. Es sei daher ohne Belang, daß diese Arbeit nicht durch Arbeitnehmer des Klägers, sondern durch diesen selbst zusammen mit seinem Vater ausgeführt worden sei. Die vorliegende Streitsache sei mit der eines Bauunternehmers vergleichbar, der sich selbst ein Mietshaus baue. In einem solchen Fall komme der Nutzen der Tätigkeit ebenfalls dem Bauunternehmer zugute, ihr Zweck sei indessen auf die Förderung des eigenen Unternehmens gerichtet. Somit habe es sich bei der Montage der Heizungsanlage um eine versicherte Tätigkeit gehandelt. Ob der Versicherungsschutz auch aus anderen Gründen zu bejahen sei, könne deshalb dahingestellt bleiben. Der Kläger habe durch den Sturz von der Leiter einen Körperschaden erlitten. Zwar habe er sich bereits mit 4 1/2 Jahren einen Schädelbruch zugezogen und seitdem oft Kopfschmerzen gehabt; er habe deswegen jedoch keine ärztliche Behandlung benötigt und sei in der Ausübung seines Berufs nicht ernstlich behindert gewesen. Seit jenem Sturz leide er hingegen an Schwindelanfällen. Diese könnten sonach nicht auf den früheren Unfall zurückgeführt werden. Das SG habe daher die Beklagte zu Recht dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger Unfallentschädigung zu gewähren.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und es im wesentlichen wie folgt begründet: Voraussetzung für den Versicherungsschutz sei, daß das Unternehmen ein wesentlicher Anlaß für die ausgeübte Tätigkeit sei und diese für das Unternehmen Bedeutung habe. Der Kläger habe durch den Einbau einer Heizung in seinem Haus keinen Betriebsgewinn erzielt, dadurch hätten sich vielmehr seine Betriebsausgaben erhöht. Der rechtlich wesentliche Anlaß für diese Tätigkeit sei der Wunsch gewesen, die privaten Wohnverhältnisse zu verbessern. Daß der Kläger zu dessen Verwirklichung keine Handwerker benötigt habe, beruhe auf dem zufälligen Umstand, daß er selbst Installateur sei. Das Unternehmen des Klägers sei somit kein ausschlaggebender Anlaß für die Tätigkeit, bei der er verunglückt sei. Das Berufungsgericht habe mit seiner gegenteiligen Schlußfolgerung nicht nur gegen die Logik und die Denkgesetze verstoßen und die Grenzen freier richterlicher Überzeugungsbildung überschritten, es hätte vielmehr, wenn es eine rechtlich wesentliche Beziehung zum versicherten Unternehmen habe annehmen wollen, zunächst die tatsächlichen Verhältnisse, die näheren Einzelheiten sowie den ursächlichen Zusammenhang in tatsächlicher Hinsicht aufklären und feststellen müssen. Träfe die Auffassung des LSG zu, so stünde jeder freiwillig versicherte Unternehmer unter Versicherungsschutz, wenn er in seinem persönlichen, familiären, privaten, eigenwirtschaftlichen Bereich Tätigkeiten verrichte, welche in seinem Unternehmen ausgeführt würden.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beklagte beantragt,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet. Das Urteil des LSG ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend.
Der Kläger ist nach § 545 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 40 der Satzung der Beklagten bei dieser gegen die Folgen von Arbeitsunfällen freiwillig versichert. Voraussetzung für den Versicherungsschutz eines solchen Unternehmers ist - nicht anders als bei Vorliegen einer Pflichtversicherung -, daß die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dazu bestimmt gewesen ist, den Zwecken seines Unternehmens zu dienen (BSG 23, 248, 252; SozR Nr. 65 zu § 542 RVO aF; Teutsch, Die Versicherung der Unternehmer und unternehmerähnlichen Personen gegen Arbeitsunfälle in der Sozialversicherung, in Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität Köln, Neue Folge, Heft 12, 1953, S. 154). Ob, wie das LSG angenommen hat (s. auch dessen Urteil in Breithaupt 1970, 573), ein Handwerker, welcher die besondere Einrichtung seines Betriebs und seine fachmännischen Kenntnisse nicht ausschließlich für fremde Kunden, sondern gelegentlich auch für die Bedürfnisse seiner eigenen Wirtschaft nutzt, in diesem Fall stets eine Tätigkeit ausübt, welche dem gewerblichen Betrieb zuzurechnen ist und in innerem Zusammenhang mit dem Unternehmen steht (RVA EuM 23, 9; 12, 177; 23, 8; Teutsch aaO, S. 159; Wildfeuer, SozVers 1970, 15, 18), kann nach Lage des Falles dahingestellt bleiben. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger in seinem Haus eine Sammelheizung installiert hat; mit dieser Einrichtung sind, da Wohnung, Laden und Werkstätte sich unter einem Dach befinden, somit auch die seinem handwerklichen Unternehmen dienenden Räume ausgestattet worden. Da der Einbau der Heizung in diesen Räumen dem Unternehmen des Klägers dienlich war, stand die darauf gerichtete Tätigkeit des Klägers, welche üblicherweise im Rahmen seines handwerklichen Unternehmens ausgeführt wird, unter Versicherungsschutz. Es wäre wirklichkeitsfremd, wollte man dem Kläger den Versicherungsschutz - nach § 539 Abs. 2 RVO iVm Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift - nur bei einem Unfall zubilligen, den er bei der Hilfeleistung für einen von ihm mit dem Einbau der Heizung beauftragten Unternehmer seiner Branche erleiden würde.
Auch wenn man mit der Beklagten, deren Verfahrensrügen den Formerfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht genügen, davon ausgeht, daß die Montage der Heizungsanlage in den Wohnräumen dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen ist, ist der Versicherungsschutz für den dem Unternehmen dienenden Teil der Arbeiten nicht zu verneinen, da diese ihrem Umfang nach nicht so unerheblich sind, daß sie für das Unternehmen nicht als rechtlich wesentlich anzusehen sind. Nichts anderes würde gelten, wenn man - wie das SG - annehmen wollte, daß sich die Tätigkeit nicht eindeutig in einen unternehmensbedingten und unternehmensfremden Teil zerlegen läßt, da der Einbau der Heizung in die für die Ausübung des Unternehmens bestimmten Räume nicht lediglich als ein Nebenzweck des gesamten Vorhabens erachtet werden könnte (BSG 3, 240, 245 mit Nachweisen).
Zwar ist der Kläger bei der Ausführung von Arbeiten im Wohnteil seines Hauses verunglückt. Dies ist jedoch nach Lage des Falles ohne rechtliche Bedeutung. Sämtliche Räume des Hauses sind, wie bei einer Sammelheizung üblich, durch ein einziges, sich durch das ganze Haus ziehendes Rohrleitungssystem miteinander verbunden. Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls damit beschäftigt, das aus der Werkstätte führende Leitungsrohr an das gemeinsame Netz anzuschließen. Es ist deshalb ohne Belang, daß diese Tätigkeit bei den gegebenen technischen Bedingungen in einem auch bei einem Handwerker vorwiegend den persönlichen Lebensbedürfnissen dienenden Raum ausgeführt werden mußte.
Im Zeitpunkt des Unfalls hat der Kläger somit eine Arbeit verrichtet, deren innerer Zusammenhang mit seinem Handwerksunternehmen zu bejahen ist. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht einen Arbeitsunfall als vorliegend erachtet. Es hat im übrigen zutreffend die Voraussetzungen für den Erlaß eines Grundurteils bejaht (SozR Nr. 4 zu § 130 SGG).
Die Revision der Beklagten war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Fundstellen