Leitsatz (amtlich)

Hatte der Sozialhilfeträger Leistungen der Tuberkulosehilfe anstelle eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht, so war für den Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers wegen einer als Krankenhauspflege anzusehenden stationären Behandlung in einer Lungenheilstätte die Pauschalabgeltungsregelung nach RVO § 1524 Abs 1 S 2 bis 4 anzuwenden. Dem stand in Bayern die am 1961-04-01 in Kraft getretene "Vereinbarung über die Durchführung von Heilstättenbehandlung" nicht entgegen.

 

Normenkette

RVO § 1524 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1925-07-14, S. 3 Fassung: 1925-07-14, S. 4 Fassung: 1925-07-14; TbcG § 27 Fassung: 1959-07-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. April 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Bei der Stationshilfe H F (F.) wurde im Januar 1958 eine offene Lungen-Tbc festgestellt. Sie befand sich deshalb vom 20. Februar 1958 bis 26. März 1959 in der Heilstätte Bischofsgrün. Am 26. Juli 1958 wurde sie von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bamberg ausgesteuert. Vom 16. August 1960 bis 10. August 1961 befand sich F. erneut in einer Heilstätte. Die Kosten dafür übernahm der Landesfürsorgeverband des klagenden Bezirks O nach den Vorschriften des Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (THG). Die beklagte AOK, bei der F. seit dem 27. Juli 1958 freiwillig versichert ist, hatte die Übernahme der Heilstättenbehandlungskosten durch Bescheid vom 15. Juni 1960 abgelehnt. Der Widerspruch der Frau F. blieb erfolglos.

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zum Ersatz seiner vollen Aufwendungen für die Heilbehandlung hinsichtlich der Zeit vom 1. bis 10. August 1961 im Betrage von 142,60 DM zu verurteilen. Er verwies dazu auf die zwischen den Landesfürsorgeverbänden und den Landesverbänden der Orts-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen abgeschlossene Vereinbarung, die am 1. April 1961 in Kraft getreten war und nach § 4 dieser Vereinbarung auch noch für nicht abgeschlossene Fälle galt. Nach § 1 Abs. 2 dieser Vereinbarung wird die stationäre Behandlung wegen Tbc eines nur Krankenversicherten in einer Heilstätte von den Bezirken nur vorläufig durchgeführt, und nach Abs. 3 aaO ersetzen die Krankenkassen entsprechend § 27 THG i. V. m. § 1531 bis 1540 der Reichsversicherungsordnung (RVO) den Landesfürsorgeverbänden die Kosten der Heilstättenbehandlung.

Die Beklagte erklärte sich bereit, dem Kläger 7/8 des Grundlohns von Frau F. in Höhe von 6 DM für die zehn Kalendertage vom 1. bis 10. August 1961 im Betrage von 52,50 DM zu ersetzen. Der Kläger nahm dieses Teilangebot an und beantragte, die Beklagte zur Zahlung des Restbetrages von 90,10 DM zu verurteilen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die zugelassene Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Nach § 27 Abs. 1 Satz 4 THG seien die §§ 1531 bis 1543 RVO entsprechend anwendbar. Auf Grund und im Rahmen dieser Vorschriften habe die Beklagte dem Kläger die Aufwendungen für die Heilstättenbehandlung von Frau F. in der Zeit vom 1. bis 10. Januar 1961 richtig erstattet, als sie ihm 7/8 des Grundlohns von Frau F. je Tag ersetzte. Ein weitergehender Anspruch stehe der Klägerin nicht zu; dieser könne insbesondere nicht auf die Vereinbarung zwischen den Landesfürsorgeverbänden und den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen über die Durchführung von Heilstättenbehandlung vom 1. April 1961 gestützt werden. Selbst wenn in dieser Vereinbarung etwas anderes bestimmt worden wäre als in § 27 THG, wäre sie insoweit nicht bindend, weil sie zwingendes Recht verletzt hätte.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt und geltend gemacht: Sinn und Zweck der Vereinbarung sei es gewesen, Streitigkeiten bei der Anwendung des § 184 RVO hinsichtlich der Frage auszuräumen, ob ein Heilverfahren einer Krankenhausbehandlung entspreche. Es sei allen Beteiligten bei Abschluß der Vereinbarung rechtlich nicht zweifelhaft gewesen, daß bei anzuerkennender stationärer Behandlung auch wegen Tuberkulose die Krankenkasse nach § 184 bzw. § 205 RVO die vollen Kosten zu tragen hätte. Bis zur Klärung, ob eine Behandlung vorläge, sollten die Bezirke vorläufig eintreten.

Der Kläger hat beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm 90,10 DM zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet.

Im Ergebnis ist der Senat der Auffassung des LSG beigetreten, daß für die Bemessung der Höhe des Ersatzanspruchs des Sozialhilfeträgers gegen die Krankenkasse für die im August 1961 durchgeführte Heilstättenbehandlung der Frau F. die Pauschalsätze des § 1524 Abs. 1 Satz 2 bis 4 RVO, nämlich 7/8 des Grundlohnes, zugrunde zu legen waren. Die stationäre Behandlung der Frau F. in der Heilstätte war Krankenhauspflege i. S. des § 184 Abs. 1 Satz 1 RVO. Als solche hätte sie vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden müssen; sie ging der Gewährung von Tuberkulosehilfe nach dem THG vor (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16. Oktober 1968 - 3 RK 59/65 - in SozR Nr. 21 zu § 184 RVO). Hatte der Landesfürsorgeverband an Stelle der Krankenkasse Leistungen der Tuberkulosehilfe erbracht, so hatte diese Ersatz zu leisten (§ 27 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Satz 1 THG), jedoch nach Satz 4 aaO nur nach Maßgabe der §§ 1531 bis 1543 RVO. Nach § 1533 Nr. 2 RVO ist bei Krankenhauspflege hinsichtlich der zu ersetzenden Aufwendungen § 1524 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 RVO anwendbar. Nach dieser Vorschrift ist bei Krankenhauspflege 3/8 des Grundlohnes zu ersetzen, nach welchem sich das Krankengeld bestimmt. Für den Unterhalt im Krankenhaus wird die Hälfte des Grundlohnes angesetzt. Das ergibt insgesamt 7/8 des Grundlohnes, nach welchem sich das Krankengeld des Berechtigten bestimmt. Diesen Betrag hat die Kasse dem Sozialhilfeträger erstattet. Mehr zu leisten war sie nicht verpflichtet.

Die beteiligten Spitzenverbände des Landes hatten zwar über die Ersatzansprüche in Tuberkulosehilfefällen eine allgemeine Vereinbarung mit Wirkung ab 1. April 1961 geschlossen. Ob sie dabei von der damals geltenden Regelung des § 27 Abs. 1 THG abweichen durften, konnte der Senat jedoch offen lassen. In der hier zu entscheidenden Frage des Ersatzes der Kosten der einer Krankenhauspflege entsprechenden Heilstättenbehandlung sieht § 1 Abs. 3 Buchst. a der genannten Vereinbarung nichts anderes vor als § 27 Abs. 1 THG i. V. m. § 1533 Nr. 2 und § 1524 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 RVO.

Da die Rechtsauffassung des LSG sich im Ergebnis als richtig erwies, war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669115

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