Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Gewährung von Schlechtwettergeld in einem Betrieb zulässig ist, der Bauwerke aus jeweils besonders hierfür in eigenen Werkstätten vorgefertigten Großbauelementen errichtet.
Normenkette
AVAVG § 143d Abs. 2 Fassung: 1959-12-07; AVAVGDV 8 § 2 Nr. 1 Fassung: 1965-10-18
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. Juni 1968 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin und den Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten auch der Revisionsinstanz zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Betrieb der Klägerin für die Schlechtwetterzeit 1965/1966 die Gewährung von Schlechtwettergeld (SWG) zulässig war. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 4. September 1965 ist Gegenstand des Unternehmens die Herstellung vorgefertigter Bauelemente für den Wohnungs- und den Ingenieurbau nach eigenen und gegebenen Entwürfen, der Vertrieb derselben sowie die Errichtung von Bauwerken jeglicher Art unter Verwendung vorgefertigter Bauteile. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) verfügt der Betrieb über vier Hallen, in denen Großtafelelemente aus Beton gegessen und bearbeitet werden. Für jedes Teil liegt ein Laufzettel vor, auf dem der Typ und die Auftragsnummer des betreffenden Bauvorhabens vermerkt sind. Die fertigen Bauteile werden von dem Trocknungslagerplatz der Anlage zu den Baustellen gebracht und dort von Arbeitnehmern der Klägerin montiert. Fertigteile zum Verkauf auf dem Markt wurden in den Geschäftsjahren 1965 und 1966 nicht hergestellt.
Im Oktober 1964 hatte das Arbeitsamt (ArbA) der Klägerin mitgeteilt, ihr Betrieb falle unter die SWG-Regelung. Demgemäß wurde für ihre Arbeitnehmer bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall im Winter 1964/1965 SWG gewährt. In einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 23. Dezember 1965 teilte das ArbA der Klägerin mit, daß ihr "Betrieb als Ganzes" nicht in die SWG-Regelung einbezogen werden könne. Es bezog sich dabei auf Bestimmungen des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 31. März 1965 (BRTV) und insbesondere auf die von den Tarifparteien hierzu vereinbarten Protokollnotizen. Da die Herstellung von Fertigteilen im Rahmen der Gesamttätigkeit dem Unternehmen der Klägerin das Gepräge gebe, falle ihr Betrieb weder unter den BRTV noch die ua zu § 143 d Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ergangene 8. Durchführungsverordnung (DVO) vom 9. Dezember 1959 idF der VO des BMA vom 18. Oktober 1965 (BGBl I 1651). Das gelte auch für die Montage auf den Baustellen, die nicht als selbständiger Betriebsteil angesehen werden könne.
Mit weiteren Bescheiden vom 10. Januar und 16. August 1966 lehnte das ArbA Anträge der Klägerin auf Erstattung von SWG wegen witterungsbedingter Arbeitsausfälle im SWG-Zeitraum 1965/1966 für insgesamt 85 Arbeitnehmer ab. Der Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 23. Dezember 1965 und 10. Januar 1966 wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 9. August 1966).
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Kassel die vier im Urteilskopf bezeichneten Arbeitnehmer der Klägerin, die im Januar 1966 an verschiedenen Betriebsstellen beschäftigt waren, zum Verfahren beigeladen. Es hat eine Ortsbesichtigung vorgenommen, die beigeladenen Arbeitnehmer persönlich angehört und weitere Arbeitnehmer als Zeugen vernommen. Ferner hat es Stellungnahmen der Tarifparteien des BRTV zur Bedeutung der Protokollnotiz vom 6. September 1965 eingeholt. Die Beteiligten haben einen "Teilvergleich" geschlossen, wonach die Beklagte sich bereit erklärt, für die nicht beigeladenen Arbeitnehmer entsprechend dem Ausgang des Verfahrens einen neuen Bescheid zu erteilen, und die Klägerin insoweit in diesem Verfahren keine weitergehenden Ansprüche geltend macht. Alsdann hat das SG das Verfahren, soweit es die Bescheide vom 10. Januar und 16. August 1966 betrifft, abgetrennt. Mit Urteil vom 20. Juli 1967 hat es den Bescheid vom 23. Dezember 1965 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. August 1966 aufgehoben. Es vertritt die Auffassung, der Betrieb der Klägerin erhalte sein Gepräge im Sinne der Protokollnotiz vom 6. September 1965 durch die Errichtung von Bauten, so daß er zum Baugewerbe gehöre.
Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das SG habe den angefochtenen Bescheid vom 23. Dezember 1965 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Im Betriebe der Klägerin würden Bauten mit eigens für das betreffende Bauvorhaben vorgefertigten Elementen errichtet. Die Klägerin erstelle damit nach ihrer Zweckbestimmung und betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten i. S. des § 2 Nr. 1 der 8. DVO zum AVAVG und des § 1 Abschnitt II BRTV, wozu auch das "Herstellen, Zusammenfügen oder Einbauen von Fertigbauteilen" gehöre. Nach der übereinstimmenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelung seien die von der Klägerin verrichteten Arbeiten solche baugewerblicher Art. Die von den Tarifpartnern des BRTV zu dessen Ergänzung vereinbarten Protokollnotizen vom 21. Juli und 6. September 1965 ständen dem nicht entgegen. Wenn hiernach Betriebe nicht erfaßt werden sollten, die überwiegend Fertigteile "für den Markt herstellen", sowie solche, denen "die Herstellung von Fertigteilen im Rahmen der gesamten Tätigkeit das Gepräge gibt", so seien mit der zweiten Alternative nur solche Betriebe gemeint, denen die Herstellung von Fertigteilen "für den Markt" das Gepräge gebe. Die Klägerin stelle aber keine Fertigteile für den Markt her. Ihre Gesamttätigkeit könne auch nicht in eine Herstellung von Fertigteilen und eine Montage von Fertigteilen zerlegt werden; sie wende vielmehr eine fortschrittliche Bauweise an, bei der die Herstellung der Fertigteile den ersten Arbeitsgang zur Erstellung der in Auftrag genommenen Bauobjekte darstelle. Dabei könne nicht entscheidend sein, ob die Bauelemente an der Baustelle selbst oder in einer ständigen Fabrikationsstätte hergestellt würden. Die Bauweise der Klägerin sei zudem geeignet, die Risiken der Schlechtwetterzeit wesentlich zu verringern. Die Regelung im BRTV vom 31. März 1965 trage dem Umstand Rechnung, daß bauliche Leistungen nicht nur am erdverbundenen Bau, sondern auch in räumlich davon getrennten Fabrikationsräumen vorgenommen würden. Der Betrieb der Klägerin sei daher dem Baugewerbe zuzurechnen und falle somit unter die SWG-Regelung; das gelte auch für die mit der Fertigung der Bauelemente beschäftigten Arbeitnehmer.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte unrichtige Anwendung sachlichen Rechts: Für das Vorliegen der arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer SWG-Gewährung komme hier nur die Anwendung des BRTV auf den Betrieb der Klägerin in Betracht, die das LSG aber zu Unrecht angenommen habe. Wenn in den Bestimmungen des BRTV über seinen fachlichen Geltungsbereich und entsprechend in § 2 der 8. DVO zum AVAVG unter den einzeln aufgeführten Bauarbeiten auch "Fertigbauarbeiten: Herstellen, Zusammenfügen oder Einbauen von Fertigbauteilen" genannt seien, so sei doch die Ausführung dieser Bauarbeiten nur kumulative Voraussetzung neben dem vorangestellten allgemeinen Erfordernis der gewerblichen Erstellung von Bauten oder der Erbringung sonstiger baulicher Leistungen; das setze aber ein Tätigwerden an dem erdverbundenen Bau selbst voraus. Dementsprechend sei nach § 74 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 die Gewährung von SWG in Betrieben, die "nicht überwiegend bauliche Leistungen an Baustellen erbringen", nicht zulässig. Der Betrieb der Klägerin erhalte sein Gepräge durch die Herstellung von Fertigteilen; hierauf deute schon die Firmenbezeichnung und die Tätigkeitsumschreibung im Handelsregister hin. Entscheidend sei aber, daß in dem maßgeblichen Zeitraum der überwiegende Teil der Belegschaft mit der Herstellung von Fertigteilen beschäftigt gewesen und mithin die überwiegend geleistete Tätigkeit hierauf entfallen sei. Für die etwas gewaltsame Auslegung der Protokollnotiz durch das LSG biete weder der Wortlaut noch der Wortsinn einen Anhalt. Schließlich könnten - entgegen der Auffassung des LSG - die in der stationären Fertigung tätigen Arbeitnehmer der Klägerin wegen der weiteren gesetzlichen Erfordernisse - des § 143 e Abs. 1 AVAVG - selbst dann kein SWG erhalten, wenn der Betrieb insgesamt unter die SWG-Regelung fiele.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 20. Juli 1967 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Sie weist darauf hin, daß ihr Betrieb nur Bauwerke nach gegebenen oder gelieferten Bauplänen auf speziell dafür zugewiesenen Grundstücken erstelle; dabei seien die vorgefertigten Bauelemente jeweils von vornherein einem bestimmten Bauwerk zugeordnet. Die Tätigkeit der einzelnen Arbeiter vollziehe sich am Fabrikationsplatz der Bauelemente in gleicher Weise wie bei der konventionellen Bauweise. Hiernach sei die Tarifzugehörigkeit nach § 1 Abschnitt II BRTV eindeutig gegeben; das sei auch von den Tarifpartnern bei der Befragung durch das SG übereinstimmend bejaht worden.
Die Beigeladenen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand ist nach Abtrennung eines Teiles des Verfahrens durch das SG nur noch der Bescheid vom 23. Dezember 1965, durch den die Einbeziehung des Betriebes der Klägerin "als Ganzes" in die Schlechtwettergeld-Regelung abgelehnt worden ist. Die auf Aufhebung dieses Bescheides gerichtete Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, weil es sich dabei um einen Verwaltungsakt i. S. dieser Vorschrift handelt. Obgleich er nicht die Entscheidung über einen konkreten Leistungsanspruch betrifft, soll damit doch ein Einzelfall verbindlich geregelt werden. Nach § 143 d Abs. 2 AVAVG iVm § 2 der 8. DVO ist die Gewährung von SWG nur bei Betrieben zulässig, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die Entscheidung darüber, ob ein bestimmter Betrieb hierunter fällt, betrifft die Regelung eines Einzelfalles; es wird diesem Betrieb damit eine bestimmte Rechtsstellung zugebilligt oder diese Zubilligung abgelehnt. Wenn auch ein besonderes Verfahren für die Zulassung von Betrieben zum SWG-Bezug im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, so erscheint doch eine Vorklärung der Frage, ob ein Betrieb zugelassen ist oder nicht, in vielen Fällen zweckmäßig. Nicht nur das ArbA, sondern vor allem auch die Unternehmer müssen sich in ihrer geschäftlichen und betrieblichen Planung auf eine entsprechende Regelung einstellen können. Im vorliegenden Fall ist aus der Beifügung der Rechtsbehelfsbelehrung auch zu ersehen, daß es sich um eine verbindliche Regelung, nicht etwa nur um einen unverbindlichen Hinweis oder eine bloße Ankündigung späteren Verhaltens handeln sollte. Das gilt umso mehr, als der Betrieb der Klägerin im voraufgegangenen Jahr als bezugsberechtigt behandelt worden war.
Die Anfechtungsklage ist auch begründet; der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Für den Betrieb der Klägerin waren die allgemeinen Voraussetzungen des SWG-Bezugs nach § 143 d AVAVG in der SWG-Zeit 1965/66 - für die Folgezeit ist das nicht streitig - erfüllt.
Die in § 143 d Abs. 1 AVAVG aufgestellten allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von SWG sind das Ergebnis einer Koordinierung sozial- und arbeits-, insbesondere tarifrechtlicher Normen. Hiernach wird in Betrieben des Baugewerbes SWG gewährt, wenn in der Schlechtwetterzeit aus Witterungsgründen ohne Einhaltung einer Frist nicht gekündigt werden kann und eine Anwartschaft auf Lohnausgleich für einen mindestens achttägigen Ausgleichszeitraum (Weihnachten-Neujahr) gewährleistet ist. Diese arbeitsrechtlichen Voraussetzungen sind ua dann erfüllt, wenn der Betrieb zum fachlichen Geltungsbereich des BRTV und dem - sich damit deckenden - des Lohnausgleich-Tarifvertrages (Bau) gehört (§ 2 Nr. 5 BRTV vom 31.3.1965; §§ 1 bis 3 des Lohnausgleich-TV vom 10.8.1962 idF vom 9.9.1965; beide Tarifverträge sind für allgemeinverbindlich erklärt - s. BABl 1965, S. 740; 1966, S. 102).
Nach seinem § 1 Abschnitt II umfaßt der fachliche Geltungsbereich des BRTV Betriebe, die nach ihrer Zweckbestimmung und betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen oder sonstige bauliche Leistungen erbringen und in denen insbesondere einzeln aufgeführte Arbeiten ausgeführt werden, darunter auch "Fertigbauarbeiten: Herstellen, Zusammenfügen oder Einbauen von Fertigbauteilen". Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG wird der Betrieb der Klägerin im Ganzem demgemäß vom Geltungsbereich des BRTV erfaßt. Der Betrieb ist nach seiner Zweckbestimmung und betrieblichen Einrichtung auf die gewerbliche Erstellung von Bauten ausgerichtet. Diese Tätigkeit erstreckt sich von der Fertigung und Herrichtung der von vornherein für ein konkretes Bauwerk bestimmten Tafelelemente bis zu deren endgültigen Zusammenbau an vorbestimmter Stelle. Ein solches Zusammenfügen vorgefertigter Teile muß schon begrifflich als ein Erstellen von Bauten aufgefaßt werden; es kommt hinzu, daß Fertigbauarbeiten auch ausdrücklich in der Zusammenstellung des § 1 Abschnitt II BRTV aufgeführt werden; darunter werden nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Tarifbestimmung das "Herstellen, Zusammenfügen oder Einbauen von Fertigbauteilen" verstanden. Das sind aber gerade die im Betriebe der Klägerin verrichteten Tätigkeiten.
Dem steht die von den Tarifparteien des BRTV vereinbarte Protokollnotiz vom 21. Juli 1965 idF der Protokollnotiz vom 6. September 1965 zum Geltungsbereich des BRTV vom 31. März 1965, die nach dem erklärten Willen der Tarifparteien Tarifcharakter haben soll und auch in die Allgemeinverbindlicherklärung (BABl 1965 aaO) einbezogen ist, nicht entgegen. Hier heißt es zu Ziff. 6 f "Fertigbauarbeiten: Nicht erfaßt werden Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die überwiegend Fertigteile aller Art für den Markt herstellen, sowie solche Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, denen die Herstellung von Fertigteilen im Rahmen der gesamten Tätigkeit das Gepräge gibt". Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin in dem hier maßgebenden Zeitraum keine Fertigteile für den Markt hergestellt. Bei dieser Sachlage kommt es auf den Firmennamen und die handelsrechtliche Zweckbezeichnung nicht an. Damit scheidet die erste Alternative dieser Tarifbestimmung aus. Das LSG hat aber auch im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Betrieb der Klägerin nicht zu denjenigen gehört, welchen "die Herstellung von Fertigteilen im Rahmen der gesamten Tätigkeit das Gepräge gibt". Mit dieser Bestimmung sollen keine Baubetriebe vom tariflichen Geltungsbereich ausgeschlossen, vielmehr soll eine Abgrenzung zu andersartigen Betrieben getroffen werden. Ein Betrieb, der - wie der der Klägerin - gewerblich feste Bauten erstellt, erhält aber sein Gepräge durch die Errichtung von Bauwerken; er ist daher ohne Rücksicht auf Art und Üblichkeit seiner Herstellungsmethoden ein Baubetrieb, der unter die Tarifverträge des Baugewerbes fällt. So hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 14. April 1971 - 4 AZR 201/70 - entschieden und dabei ausgesprochen, daß auch Betriebe, die Fertigbauteile herstellen und sie selbst zu Bauwerken zusammenfügen, wie andere Baubetriebe "am erdverbundenen Bau" arbeiten. Es hat damit zugleich klargestellt, daß sich dieser in seinem früheren Urteil vom 3. Februar 1965 (AP Nr. 11 zu § 4 TVG Geltungsbereich) herausgestellte Begriff nicht nur - wie die Beklagte meint - auf eine unmittelbar auf der Baustelle selbst verrichtete Tätigkeit bezieht. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, wieviele Arbeitnehmer jeweils mit der Herstellung der Fertigbauelemente und wieviele mit der Zusammenfügung auf der Baustelle selbst beschäftigt werden. Da der Betrieb der Beklagten insgesamt auf die Errichtung von Bauten gerichtet ist und die Herstellung der Fertigbauteile allein diesem Betriebszweck dient, sind auch, wie das BAG in dem o. a. neueren Urteil zutreffend ausgeführt hat, die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer des Betriebes auf die Herstellung von Bauten bezogen. Ob das, wie es das BAG entschieden hat, immer schon dann gilt, wenn die hergestellten Fertigteile überhaupt selbst verbaut und nicht auf dem Markt angeboten und vertrieben werden, kann hier offen bleiben. Es muß jedenfalls dann gelten, wenn - wie im Betrieb der Klägerin - im Rahmen eines Planes die einzelnen Bauelemente jeweils speziell für ein konkretes Bauwerk laufend vorgefertigt und alsbald auf der Baustelle zusammengefügt werden; hier jedenfalls beginnt die Errichtung eines konkreten Bauwerks bereits mit der Herstellung der Fertigteile. Dieses Ergebnis entspricht auch der Auffassung der vom SG hierzu befragten Tarifparteien des BRTV (Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden). Hiernach waren die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 AVAVG während des hier streitigen Zeitraums für den Betrieb der Klägerin im Ganzen erfüllt.
Nach § 143 d Abs. 2 AVAVG wird - außerdem noch - durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) bestimmt, in welchen. Betrieben des Baugewerbes die Gewährung von SWG zulässig ist. Auf Grund dieser Ermächtigung kann der Verordnungsgeber also Gruppen von Betrieben, die die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen auf Grund ihrer Tarifzugehörigkeit oder sonstiger arbeitsrechtlicher Regelungen erfüllen, gleichwohl von der SWG-Gewährung ausschließen. Maßgebend ist für die im vorliegenden Fall streitige Zeit § 2 der 8. DVO zum AVAVG vom 9. Dezember 1959 idF der Verordnung (VO) des BMA vom 18. Oktober 1965. In der Begründung zu dieser VO (BABl 1965 S. 835) wird ausgeführt, es habe sich sehr bewährt, daß die gesetzliche SWG-Regelung auf alle Betriebe des Baugewerbes angewendet werde, die vom fachlichen Geltungsbereich der Tarife für die Bauwirtschaft erfaßt würden. Daher erhalte § 2 der 8. DVO zum AVAVG eine neue Fassung, deren Nr. 1 - die weiteren Nummern kommen für den vorliegenden Fall inhaltlich nicht in Betracht - weitgehend mit dem fachlichen Geltungsbereich der neuen tariflichen Regelungen - gemeint sind der BRTV vom 31. März 1965 und der Lohnausgleich-TV idF vom 9. September 1965 - übereinstimme. Diese Übereinstimmung solle es auch ermöglichen, bei der Auslegung der Nr. 1 die Protokollnotizen der Tarifparteien vom 21. Juli 1965 und vom 6. September 1965 mit heranzuziehen. § 2 Nr. 1 erfasse die Betriebe des Baugewerbes als Ganzes, so daß auch in deren Betriebsabteilungen, die fachfremde Aufgaben erledigten, bei Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Gewährung von SWG zulässig sei. Tatsächlich stimmen die hier in Betracht kommenden Bestimmungen - die einleitende generelle wie die spezielle für Fertigbauarbeiten - in der tariflichen und der staatlichen Regelung nicht nur weitgehend, sondern sogar wörtlich überein. Hat aber der Verordnungsgeber den Wortlaut der tariflichen Regelung bewußt und gewollt übernommen, so kann, zumal unter Berücksichtigung der dafür gegebenen Begründung, daraus nur der Schluß gezogen werden, daß er sich für die grundsätzliche Zulässigkeit der SWG-Gewährung insoweit der tariflichen Regelung auch inhaltlich anschließen wollte. Ob eine unterschiedliche Auslegung der gleichlautenden Bestimmungen ausnahmsweise dann einmal geboten sein könnte, wenn Zweck- und Zielsetzung der SWG-Regelung einerseits und der tariflichen Regelung andererseits erkennbar auseinandergehen, kann hier offen bleiben, da im vorliegenden Fall hierfür keine Anhaltspunkte gegeben sind. Die wörtliche Übernahme der Bestimmung für Fertigbauarbeiten ("Herstellen, Zusammenfügen oder Einbauen von Fertigbauteilen") läßt eine einschränkende Abweichung unter dem Gesichtspunkt, die Herstellung von Fertigbauteilen passe nicht in eine für Tätigkeiten auf witterungsungeschützten Baustellen gedachte Regelung, nicht zu. Dabei ist zu beachten, daß die den tariflichen Geltungsbereich einschränkenden Protokollnotizen der Tarifparteien nicht ohne weiteres auch für § 2 der 8. DVO zum AVAVG Geltung haben. Will man sie hier entsprechend der oa amtlichen Begründung zur Auslegung heranziehen, so ist das eben nur unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Rechtsanwendung gerechtfertigt; dann darf diese Heranziehung aber nicht zu einer noch weitergehenden Einschränkung und damit gerade wieder zu einer unterschiedlichen Rechtsanwendung führen. Angesichts der für die Gewährung von SWG im Einzelfall noch weiter zu erfüllenden besonderen betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen (§§ 143 e u. f AVAVG) ist im übrigen auch kein zwingendes Bedürfnis dafür zu erkennen, eine stärkere Einschränkung bereits bei den allgemeinen Voraussetzungen vorzunehmen. Über die Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls unter welchen Umständen die Voraussetzungen des § 143 e AVAVG für die nur mit der Herstellung der Bauelemente beschäftigten Arbeitnehmer der Klägerin praktisch erfüllt sein können, ist in diesem Rechtsstreit, dessen Gegenstand nur der Bescheid vom 23. Dezember 1965 ist, nicht zu entscheiden; die Ausführungen des LSG hierzu hat die Revision zutreffend als zusätzliche Erwägungen (obiter dicta) angesehen.
In § 74 Abs. 2 AFG, der gegenständlich dem § 143 d Abs. 2 AVAVG entspricht, ist nunmehr allerdings die Ermächtigung des Verordnungsgebers zur Bestimmung der für den Bezug von SWG zugelassenen Betriebe dahin eingeschränkt, daß dieser die Gewährung ua an solche Betriebe nicht zulassen darf, die "nicht überwiegend bauliche Leistungen an Baustellen erbringen". Es kann dahinstehen, wie der vorliegende Sachverhalt hiernach für die Zeit vom Inkrafttreten des AFG zum 1. Juli 1969 an zu beurteilen wäre. Die erst durch den Ausschuß für Arbeit in den Regierungsentwurf eingefügte Einschränkung der Ermächtigung (s. Bundestagsdrucksache V/4110 S. 34) galt für die hier streitige Zeit jedenfalls noch nicht, und der Verordnungsgeber selbst hatte bis dahin von der Möglichkeit, eine entsprechende Einschränkung anzuordnen, keinen Gebrauch gemacht; er hat vielmehr - wie oben dargelegt - die Zulassung zum SWG-Bezug gerade auf den fachlichen Geltungsbereich des BRTV ausgerichtet. Eine solche - nur für die Zukunft geltende - Korrektur des Verordnungsgebers durch den Gesetzgeber vermag aber weder die wort- und sinngemäße Auslegung der Verordnung noch gar die der tariflichen Vereinbarungen rückwirkend zu ändern.
Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen