Leitsatz (amtlich)
Die in den Jahren 1941 bis 1945 in der Untersteiermark zur Überleitungsstelle für Sozialversicherung, später Sozialversicherungsanstalt Untersteiermark entrichteten Beiträge sind weder nach Vorschriften der reichsgesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden noch hatte sie ein deutscher Versicherungsträger bei Eintritt des Versicherungsfalles wie nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze entrichtete Beiträge zu behandeln.
Normenkette
RVO § 1250 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1960-02-25; AVG § 27 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1960-02-25; FRG § 17 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1960-02-25; SVUsteiermarkV Fassung: 1942-07-28
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die in Jugoslawien wohnende Klägerin, welche die deutsche und jugoslawische Staatsangehörigkeit besitzt, begehrt die Zahlung von Witwenrente nach ihrem 1945 in der damaligen Untersteiermark ums Leben gekommenen Ehemann Josef L (J. L.).
Mit Bescheid vom 8. April 1971 hat die Beklagte den Antrag wegen nichterfüllter Wartezeit abgelehnt. Die Klage und die Berufung waren erfolglos. Das Sozialgericht hat den Anspruch verneint, weil die von J. L. bis 1936 an den jugoslawischen Versicherungsträger entrichteten Beiträge weder nach zwischenstaatlichem Sozialversicherungsrecht noch nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigt werden könnten und Beitragszeiten in der deutschen Angestelltenversicherung nicht glaubhaft gemacht seien. Das Landessozialgericht (LSG) hat eine Beitragsentrichtung in der Untersteiermark von Mai 1941 bis Mai 1945 für glaubhaft gehalten. Die Beiträge könnten jedoch weder nach § 27 Abs. 1 Buchst. a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) noch nach dem Fremdrentenrecht (§§ 1, 15, 17 Abs. 1 Buchst. b FRG) angerechnet werden. Sie seien nicht nach reichsgesetzlichen Vorschriften entrichtet worden, weil in der Untersteiermark das deutsche Sozialversicherungsrecht nicht eingeführt gewesen sei. Selbst bei Anrechenbarkeit sei keine Witwenrente nach Jugoslawien zu zahlen, weil dem die Bestimmungen über Auslandszahlungen entgegenstünden.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin,
die Vorentscheidungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente zu gewähren,
hilfsweise: ein ruhendes Witwenrentenrecht anzuerkennen.
Sie rügt die Verletzung der §§ 27 Abs. 1 Buchst. a AVG, 15 FRG und des deutsch-jugoslawischen Abkommens vom 12. Oktober 1968. Der Chef der Zivilverwaltung in der Untersteiermark habe dort partikuläres Reichsrecht erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Wie ihr Vertreter in der Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, erachtet sie die vom LSG festgestellten Versicherungszeiten in der Untersteiermark für glaubhaft gemacht; sie wird diese Feststellung auch einer späteren Entscheidung zugrunde legen, wenn die Klägerin nach einer Übersiedlung in das Bundesgebiet erneut Witwenrente beantragen sollte.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der in Jugoslawien wohnenden Klägerin steht kein Anspruch auf Witwenrente zu, weil ihr als Angestellter beschäftigter Ehemann zur Zeit seines Todes die erforderliche Wartezeit von 60 Monaten anrechnungsfähiger Versicherungszeit nicht erfüllt hatte (§§ 40 Abs. 2, 23 Abs. 3 AVG, Art. 2 § 17 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes). Insoweit ist nur fraglich, ob Beitragszeiten nach § 27 Abs. 1 Buchst. a AVG oder nach § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG anzurechnen sind. Denn eine Anrechnung nach §§ 1, 15 FRG scheidet aus, weil die Voraussetzungen des § 1 nicht vorliegen, und ohne innerstaatlich anrechenbare Versicherungszeiten verhilft auch das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12. Oktober 1968 (BGBl 1969, II 1438, Art. 25) der Klägerin zu keinem Rentenanspruch.
Nach § 27 Abs. 1 Buchst. a AVG wären die in der Untersteiermark zurückgelegten Versicherungszeiten anrechnungsfähig, wenn die - zur "Überleitungsstelle für Sozialversicherung", später "Sozialversicherungsanstalt Untersteiermark" in Marburg/Drau entrichteten - Beiträge nach früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung entrichtet worden sind. Das hat das LSG zu Recht verneint. Zwar ist in der Untersteiermark während der deutschen Besetzung das regionale Sozialversicherungsrecht weitgehend dem des Reiches angeglichen worden; das geschah vor allem durch die Verordnung (VO) über die Regelung der Sozialversicherung vom 28. Juli 1942 (Verordnungs- und Amtsblatt des Chefs der Zivilverwaltung in der Untersteiermark, S. 635; veröffentlicht auch in AN 1943, II, 46), nach deren § 2 Abs. 2 - soweit die VO nichts anderes bestimmte -, sinngemäß die VO über die Einführung der Sozialversicherung im Lande Österreich vom 22. Dezember 1938 galt. Diese weitgehende inhaltliche Übereinstimmung genügt aber nicht, um eine Beitragsentrichtung nach Vorschriften der reichsgesetzlichen Rentenversicherung zu bejahen. Dazu müßten die maßgebenden Vorschriften der Untersteiermark auch als Reichsrecht zu qualifizieren sein. Das waren sie jedoch nicht.
Obgleich das beabsichtigt war, war die Untersteiermark bis Kriegsende nicht in das Reichsgebiet aufgenommen, sie war ihm zwar angegliedert, aber nicht eingegliedert worden (Hammer - Beauftragter für die Sozialversicherung in der Untersteiermark -, AN 1943 II, 284, 286; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 294 w VII; vgl. auch VO- u. ABl 1941 S. 1). Der Chef der Zivilverwaltung hatte mithin eine "Verordnungsgewalt im besetzten Gebiet" (Hammer aaO S. 287); er schuf aber kein - partikuläres - Reichsrecht. Hierzu hätte das erlassene Recht zudem in den für Rechtsverordnungen des Reiches vorgesehenen Publikationsorganen veröffentlicht werden müssen (BSG 11, 288, 294).
Demgemäß ist in der Untersteiermark die Rentenversicherung nicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt worden. Wie der Reichsarbeitsminister in AN 1943, II, S. 46 bemerkt, blieb die endgültige Überführung der dortigen Sozialversicherung in die Reichsversicherung vielmehr vorbehalten.
Nach § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG wären die vom Ehemann der Klägerin zurückgelegten Versicherungszeiten nur anzurechnen, wenn ein deutscher Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, d. h. hier ein Versicherungsträger im Reichsgebiet (vgl. § 3 FRG), die entrichteten Beiträge bei Eintritt des Versicherungsfalles wie nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze entrichtete Beiträge zu behandeln hatte. Dazu reicht es nicht aus, daß seinerzeit im Verhältnis der Untersteiermark zum Reichsgebiet Versicherungszeiten gegenseitig angerechnet worden sind (Hammer aaO S. 287). Von § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG werden nur Zeiten erfaßt, die von einer fremden Versicherung auf die reichsgesetzliche Rentenversicherung übergegangen sind (SozR Nr. 6 zu § 1321 RVO); ein solcher Übergang hat nicht stattgefunden. Der Bereich der Träger der Reichsversicherung hat sich nicht auf die Untersteiermark erstreckt (AN 1943, II 46).
Da hiernach kein Rentenanspruch besteht, kann auch dem Hilfsantrag nicht stattgegeben werden. Ob die Klägerin nach einer Übersiedlung in das Bundesgebiet nach den §§ 1, 15 FRG, Witwenrente beanspruchen kann, war nicht zu entscheiden.
Demgemäß war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen