Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorverfahren für den Ersatzkassenbereich als Klagevoraussetzung
Orientierungssatz
Hinsichtlich der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten (Ersatzkassenbereich) fehlt zwar eine dem § 368m Abs 6 RVO entsprechende Regelung, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet. Da es sich hier aber um eine einheitliche Verwaltungsentscheidung handelt, bedarf es insgesamt keines Vorverfahrens (Festhaltung an BSG 19.11.1985 6 RKa 14/83 = BSGE 59, 172, 173). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nun nach der durch Art 19 Nr 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20.12.1982 erfolgten Angleichung des Disziplinarrechts nicht eine analoge Anwendung des § 368m Abs 6 RVO auch im Ersatzkassenbereich nunmehr nahe liegt.
Normenkette
RVO § 368m Abs 6; SGG § 78; HBegleitG 1983 Art 19 Nr 10
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme, die die Beklagte gegen den als Kassen- und Vertragsarzt zugelassen gewesenen Kläger wegen Verletzung kassenärztlicher und vertragsärztlicher Pflichten ausgesprochen hat.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid, soweit er Verstöße gegen das Kassenarztrecht zum Gegenstand hat, aufgehoben und im übrigen die Klage als unzulässig abgewiesen; die Ahndung in einem gemeinsamen Verfahren sei rechtswidrig, da für den Ersatzkassenbereich ein Vorverfahren erforderlich sei, nicht aber für den Bereich der gesetzlichen Krankenkassen (§ 368m Abs 6 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Bescheid in vollem Umfange aufgehoben wurde. Wegen der Unterschiedlichkeit in den Verfahren könnten beiderlei Verstöße nicht Gegenstand einer gemeinsamen Disziplinarmaßnahme sein.
Gegen dieses Urteil richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Beklagten. Sie beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. November 1985 - L 1 Ka 7/83 - aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Die Klage richtet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme, mit der die Beklagte im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Verletzung sowohl kassenärztlicher Pflichten (§ 368m Abs 4 RVO) als auch vertragsärztlicher Pflichten (§ 20 Nr 1 Satz 1 des Ersatzkassenvertrages (EKV) geahndet hat. Hinsichtlich der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten (Ersatzkassenbereich) fehlt zwar eine dem § 368m Abs 6 RVO entsprechende Regelung, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet (vgl SozR 1500 § 78 Nr 26). Da es sich hier aber um eine einheitliche Verwaltungsentscheidung handelt, bedarf es insgesamt keines Vorverfahrens (ganz abgesehen von der Frage, ob nun nach der durch Art 19 Nr 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 -BGBl I S 1857- erfolgten Angleichung des Disziplinarrechts nicht eine analoge Anwendung des § 368m Abs 6 RVO auch im Ersatzkassenbereich nunmehr nahe liegt). Das hat der Senat in seinem Urteil vom 19. November 1985 - 6 RKa 14/83 - so entschieden (BSGE 59, 172, 173). Er sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Das SG hätte deshalb nicht wegen des fehlenden Vorverfahrens den Bescheid aufheben bzw die Klage als unzulässig abweisen dürfen. Das Berufungsurteil, das auf derselben Rechtsansicht beruht, war daher aufzuheben. Da in der Sache selbst bisher nicht entschieden wurde, war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen