Entscheidungsstichwort (Thema)

Werkstatt für Behinderte. Dauer der Förderung. Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Förderung einer Ausbildung in einer Werkstatt für Behinderte endet nicht schon dann, wenn der Versicherte ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann.

 

Normenkette

RVO § 1237a; SGB X § 104

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.09.1991; Aktenzeichen L 14 J 4/91)

SG Köln (Urteil vom 16.11.1990; Aktenzeichen S 3 J 127/88)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. September 1991 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung der Kosten, die er für die Teilnahme des Versicherten H.… K.… (Versicherter) an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte (WfB) in der Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 30. September 1986 aufgewandt hat.

Der Versicherte leidet nach ärztlichen Feststellungen an einem Persönlichkeitsdefekt aus dem schizophrenen Formenkreis. Er nahm in der Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 30. September 1985 an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich der WfB T.… teil, die von der Beklagten als Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation gefördert wurden (Bescheide vom 28. Juni 1984 und vom 28. November 1984). Den Antrag des Versicherten auf Übernahme der Kosten für ein Arbeitstraining in der WfB über den 30. September 1985 hinaus für ein weiteres Jahr lehnte die Beklagte hingegen ab (Bescheid vom 10. Januar 1986; Widerspruchsbescheid vom 25. September 1986). Der Kläger übernahm daraufhin gemäß § 44 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vorläufig die Kosten der Werkstattförderung und machte im Februar 1987 einen Erstattungsanspruch geltend, den die Beklagte jedoch ablehnte.

Die daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Köln vom 16. November 1990). Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers blieb gleichfalls erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 23. September 1991). Das LSG führt im wesentlichen aus:

Es sei nicht ermessensfehlerhaft gewesen, daß die Beklagte die Förderung auf ein Jahr bis Ablauf September 1985 beschränkt habe. Der Versicherte sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom 1. Oktober 1985 an in der Lage gewesen, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung (vgl §§ 1236, 1237a Abs 1 Ziff 4, Abs 3 Satz 3 Ziff 2 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫, § 52 Abs 3 des Schwerbehindertengesetzes ≪SchwbG≫) zu erbringen. Insoweit komme es nicht darauf an, daß Arbeits-, Sach- und Personalaufwand und Arbeitsergebnisse in einem wirtschaftlichen Verhältnis zueinander stünden oder daß der Behinderte die Kosten seines Platzes in der WfB oder einen bestimmten Teil dieser Kosten erwirtschafte oder ein Mindesteinkommen erziele (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 7. Dezember 1983 – 7 RAr 73/82 –) Ein bestimmtes Mindestmaß setze das Gesetz nicht voraus; vielmehr sei jedes Minimum an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung ausreichend. Nach dem Bericht der WfB vom September 1985 habe der Versicherte ausreichend sorgfältig gearbeitet und die Arbeitsqualität sei brauchbar gewesen. Es komme deshalb nicht darauf an, ob der Versicherte noch weiter hätte gefördert werden können, sondern maßgebend sei allein, daß er schon nach Ablauf eines Jahres an Arbeitsaufträgen der WfB habe mitwirken können, ohne daß sein Arbeitsergebnis unverwertbar gewesen wäre.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, aus dem Zusammenspiel der beiden Sätze des § 1237a Abs 3 Nr 2 RVO folge, daß der Terminus dos “Mindestmaßes wirtschaftlich nutzbarer Arbeitsleistung” nicht Maßstab für das Maß der Förderung sei, sondern lediglich und ausschließlich die Aufgabe habe, Behinderte aus der Fördermaßnahme auszuschließen, bei denen auch nach Ablauf des Förderungszeitraumes von zwei Jahren die Erreichbarkeit dieses wirtschaftlichen Minimalzieles nicht zu erwarten sei. Keinesfalls sei mit diesem Torminus aber gemeint, daß er das Endziel einer Fördermaßnahme darstellen solle. Anders wäre nicht zu erklären, wieso das Gesetz von Maßnahmen spreche, die erforderlich seien, um die Erwerbsfähigkeit des Betreuten zu “erhöhen”. Auch das BSG habe selbst schon die hier vertretene Rechtsansicht geäußert (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. Mai 1984 – 7 RAr 15/83 –). Im übrigen sei bei der Entscheidung über die Frage einer Mindestförderungsdauer die konzeptionelle Struktur der Förderung in WfB zu beachten. Der Werkstättenauftrag ziele nicht darauf ab, den Behinderten dazu zu bewegen, wirtschaftliche Minimalleistungen zu erbringen, sondern dahin, ihn an eine Arbeit heranzuführen, mit der er sich, zumindest beschränkt, identifizieren könne. Eine weitgehende Förderung der Behinderten innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Zwei-Jahres-Zeitraums führe dazu, daß in der Mehrzahl der Fälle eine dauerhafte Stärkung der Arbeitsfähigkeit der Behinderten dergestalt hergestellt werde, daß sie nach dieser Förderung mit Aussicht auf eine gewisse Dauerhaftigkeit innerhalb der Werkstätte im Arbeitsbereich eingesetzt werden könnten. Bei einer Reduzierung des Förderungsauftrages der Werkstätten könnten diese dagegen letztlich nur noch Aufträge auf dem Schwierigkeitsgrad eines Minimallevels annehmen, da andernfalls die finanzielle Trägerschaft für Maßnahmen, die es dem Behinderten ermöglichten, auch schwerere Aufträge zu erfüllen, nicht mehr gesichert wäre. Dies sei jedoch mit der heutigen Stellung der Werkstätten im Wirtschafts- und Produktionsleben nicht mehr vereinbar. Im übrigen werde auf den Rechtsgedanken des § 1237a Abs 2 Satz 3 RVO verwiesen, wonach auch eine Förderung mit dem Ziel eines beruflichen Aufstieges in Betracht komme.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG Essen vom 23. September 1991 und des SG Köln vom 16. November 1990 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die Teilnahme des Versicherten an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich der WfB in T.… während der Zeit vom 1. Oktober 1985 bis zum 30. September 1986 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Urteile der Vorinstanzen im Ergebnis für zutreffend und führt ergänzend aus, ihrer Auffassung nach müsse sich die Förderung am Leistungsvermögen des Versicherten orientieren, so daß auf den Einzelfall abgestellt eine Förderung des Versicherten selbst nach Erreichen des “Mindestmaßes wirtschaftlich verwertbarer Leistungen” möglich sei. Anhaltspunkte für eine weitere individuelle Förderung des Versicherten hätten hier jedoch nicht bestanden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war. Die vom LSG getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits noch nicht zu.

Im Revisionsverfahren fortwirkende, von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernisse liegen nicht vor. Insbesondere war der Versicherte nicht notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 Alt 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Das BSG hat allerdings allgemein entschieden, daß der Versicherte im Erstattungsstreit zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Kranken- bzw Rentenversicherungsträger notwendig beizuladen ist (BSG SozR 1500 § 75 Nrn 60 und 80; differenzierend BSG, Urteil vom 17. November 1987 – 4a RJ 5/87 – insoweit in SozR 2200 § 1237 Nr 21 nicht vollständig abgedruckt); es hat insoweit entscheidend auf die ungeklärte Situation im Hinblick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) abgestellt. Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Rechte des Versicherten durch den vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr unmittelbar berüht werden können. Hier besteht nämlich die Besonderheit, daß die Beklagte den Antrag des Versicherten auf Übernahme der Werkstattkosten für das zweite Jahr im Arbeitstrainingsbereich der WfB mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 10. Januar 1986 (Widerspruchsbescheid vom 25. September 1986) bindend (§ 77 SGG) abgelehnt hat und das LSG bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung keinen Sachverhalt festgestellt hat, aus dem sich ergibt, daß diese Bindungswirkung, etwa über ein Verfahren nach § 44 SGB X, durchbrochen worden wäre. Mit Blick auf den Zeitablauf könnte der Versicherte wegen der nach § 44 Abs 4 SGB X auf vier Jahre beschränkten rückwirkenden Leistungserbringung gegen die Beklagte keine Ansprüche mehr für den hier streitigen Zeitraum von Oktober 1985 bis September 1986 mit Erfolg durchsetzen; er hätte dies auch bereits im Januar 1991, als die am 27. Dezember 1990 beim SG eingelegte Berufung beim LSG einging, nicht mehr vermocht.

Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch des Klägers als Träger der Sozialhilfe ist § 104 SGB X (vgl ua BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr 2 mwN). Die Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn der Sozialhilfeträger – wie hier – eine vorläufige Hilfeleistung nach § 44 BSHG erbracht hat (vgl BSG SozR 2200 § 184 Nr 22; SozR aaO § 182b Nr 32; Senatsurteil vom 21. Januar 1993 – 13 RJ 53/91 –; OVG Berlin FEVS 36, 282; str, vgl Schroeder-Printzen/Engelmann/ Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 2. Aufl, § 102 Anm 2.2; VDR-Kommentar, SGB X, Stand: 1. April 1993, § 102 RdNr 2). Nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X ist der Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte (von hier nicht einschlägigen weiteren Voraussetzungen abgesehen), dem nachrangigen Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn dieser dem Berechtigten Sozialleistungen erbracht hat.

Die weiteren formellen Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch sind gegeben. Der Kläger hat die Erstattung der aufgewandten Kosten gegenüber der Beklagten unstreitig innerhalb der 12-monatigen Ausschlußfrist des § 111 SGB X geltend gemacht. Die Leistungen aus der Rentenversicherung sind nach § 2 Abs 1 BSHG gegenüber Leistungen der Sozialhilfe vorrangig.

Aufgrund des engen Zusammenhanges zwischen dem Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers und dem Sozialleistungsanspruch des Berechtigten gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger ist weiterhin erforderlich, daß die wesentlichen Voraussetzungen eines Anspruchs des Versicherten gegen die Beklagte auf eine gleichartige Sozialleistung erfüllt waren (vgl BSG SozR 1300 § 104 Nr 6; SozR 2200 § 1237 Nr 21; SozR 3-2200 § 1237 Nr 2). Der Anspruch des Versicherten richtet sich nach den §§ 1236, 1237a RVO, da sie zur Zeit der Antragstellung galten (§ 301 Abs 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫).

Nach § 1236 Abs 1 RVO kann der Träger der Rentenversicherung bei – hier gegebenen – versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 1236 Abs 1a RVO dann, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist, Leistungen zur Rehabilitation erbringen, sofern die Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistung der Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann. Der Umfang der Leistungen richtet sich nach den §§ 1237 bis 1237b RVO. Der Träger der Rentenversicherung bestimmt im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation sowie die Rehabilitationseinrichtung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit nach pflichtgemäßem Ermessen.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG, die durch die Bezugnahme auf die Verwaltungsakten der Beklagten hinreichend konkretisiert sind, ergibt sich, daß eine Beeinträchtigung des gesundheitlichen Befindens des Versicherten vorlag, wie sie § 1236 Abs 1 RVO für eine Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger voraussetzt. Antragstellung und Zustimmung des Versicherten (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 1236 Nr 3) liegen ebenfalls vor. Die Tatsache, daß die Beklagte dem Versicherten gegenüber eine Weiterförderung über den 30. September 1985 hinaus bindend ablehnte, steht einem Erstattungsanspruch des Klägers nicht entgegen; § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X gibt dem nachrangig verpflichteten Leistungsträger einen Anspruch, der selbständig und unabhängig vom Anspruch des Berechtigten gegen den vorrangig verpflichteten Träger entsteht (BSG SozR 1300 § 104 Nr 6; SozR 3-2200 § 1237 Nr 2, jeweils mwN). Damit konzentriert sich die Entscheidung auf die Frage, ob die in der Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 30. September 1986 in der WfB T.… durchlaufenen Arbeitstrainingsmaßnahme eine “berufsfördernde” Leistung war, die in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fällt.

Der Aufgabenkreis der Rentenversicherungsträger wird im Bereich der Rehabilitation durch das Ziel bestimmt, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten wesentlich zu verbessern oder wiederherzustellen (vgl § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO); dies hat der Senat bereits für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen entschieden (vgl SozR 3-2200 § 1236 Nr 3; SozR aaO § 1237 Nr 2 sowie neuerdings Urteil vom 17. Juni 1993 – 13t5 RJ 50/90 –). Gleiches gilt für berufsfördernde Leistungen. Das Rehabilitationsziel wird durch § 1237a Abs 2 Satz 1 RVO für berufsfördernde Leistungen dahingehend konkretisiert, daß die Maßnahmen darauf auszurichten sind, den Betreuten möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern ist. Eine Leistung, die diesen Voraussetzungen nicht genügt, ist von vornherein nicht als “berufsfördernde” Leistung anzusehen (BSGE 48, 74, 76 = SozR 2200 § 1237a Nr 6; BSGE 52, 123, 126 = SozR 2200 § 1237a Nr 19).

Versicherte, die wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung nur zur Ausübung einer Tätigkeit in einer WfB befähigt werden können, sind dennoch von einer entsprechenden Förderung nicht ausgeschlossen (§ 1237a Abs 1 Satz 1 Nr 4 RVO; vgl dazu schon BSGE 52, 123). Berufsfördernde Leistungen kommen dann unter den ergänzenden Voraussetzungen des § 1237a Abs 3 Sätze 3 bis 5 RVO in Betracht. Hiernach werden berufsfördernde Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich anerkannter WfB erbracht, und zwar (1.) im Eingangsverfahren, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Eignung des Betreuten für die Aufnahme in die Werkstatt festzustellen, (2.) im Arbeitstrainingsbereich, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit des Betreuten zu erhöhen oder wiederzugewinnen (Satz 3). Behinderte werden in diesem Bereich nur gefördert, sofern erwartet werden kann, daß sie nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 SchwbG (jetzt § 54 Abs 3 SchwbG in der Bekanntmachung der Neufassung des SchwbG vom 26. August 1986 ≪BGBl I S 1421≫) zu erbringen (Satz 4). Gemäß § 1237a Abs 3 Satz 5 RVO werden die Leistungen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich bis zu zwei Jahre lang erbracht.

Die Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger – wie auch der anderen Träger der beruflichen Rehabilitation – beschränkt sich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen auf Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich (vgl §§ 3 und 4 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes ≪Werkstättenverordnung Schwerbehindertengesetz – SchwbWV≫); die Kosten für Maßnahmen im Arbeitsbereich der WfB (vgl § 5 SchwbWV) können daher nicht übernommen werden (vgl dazu schon BSG SozR 4100 § 58 Nr 15 sowie BSG, Urteil vom 9. September 1993 – 7/9b RAr 28/92 – mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Beklagte hat für den Versicherten berufsfördernde Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich der WfB T.… in der Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 30. September 1985 erbracht; die Leistungszuständigkeit in diesem Zeitraum steht nicht im Streit. Zur Entscheidung gestellt ist vielmehr nur noch der Zeitraum vom 1. Oktober 1985 bis 30. September 1986, in dem der Versicherte nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ein weiteres Jahr im Arbeitstrainingsbereich der WfB verblieben ist.

Das Berufungsgericht hat in dieser Hinsicht die Voraussetzungen für eine Förderung durch die Beklagte im wesentlichen mit der Begründung verneint, der Versicherte sei vom 1. Oktober 1985 an in der Lage gewesen, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Das LSG hat damit anscheinend angenommen, das Rehabilitationsziel berufsfördernder Leistungen im Arbeitstrainingsbereich sei in jedem Falle erreicht, sobald der Versicherte befähigt sei, dieses Mindestmaß zu erbringen und damit im Arbeitsbereich der WfB an Arbeitsaufträgen mitwirken zu können. Dieser Ansatz geht fehl.

§ 1237a Abs 3 Satz 4 RVO gibt mit der Bezugnahme auf § 52 Abs 3 SchwbG (jetzt: § 54 Abs 3 SchwbG), wonach die Werkstatt allen Behinderten unabhängig von Art und Schwere der Behinderung offenstehen soll, sofern sie zur Erlangung eines Mindestmaßes wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung in der Lage sind, nur das Mindestziel an, das durch die Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich zu verwirklichen ist, weil Behinderte, die dieses Ziel nicht zu erreichen vermögen, in eine WfB nicht aufgenommen werden können (vgl auch § 1 SchwbWV; so schon BSG SozR 4100 § 58 Nrn 14 und 15 zu § 58 Abs 1 Satz 4 des Arbeitsförderungsgesetzes ≪AFG≫ idF des 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979). Wirtschaftlich verwertbar ist eine Arbeitsleistung, wenn ihr Ergebnis sich als Ware oder Dienstleistung verkaufen läßt. Dabei kommt es für das Mindestmaß (§ 52 Abs 3 SchwbG) nicht darauf an, ob Arbeits-, Sach- und Personalaufwand und Arbeitsergebnis in einem wirtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen, ob der Behinderte die Kosten seines Platzes in der WfB oder einen bestimmten Teil dieser Kosten erwirtschaftet oder ob der Behinderte ein Mindesteinkommen erzielt (BSGE 52, 123, 127 f; SozR 4100 § 58 Nr 14; BSG AuB 1984, 249). Mit dem Erreichen des Mindestzieles berufsfördernder Leistungen während der Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich ist aber noch nichts über das Ende der Kostenträgerschaft der Rentenversicherungsträger gesagt.

In dieser Hinsicht gibt die Bestimmung des § 1237a Abs 3 Satz 5 RVO allerdings eine zeitliche Höchstgrenze vor, wonach Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich insgesamt eine Zeitdauer von zwei Jahren nicht überschreiten dürfen. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Beklagte im Arbeitstrainingsbereich jedoch auch Maßnahmen fördern, die über das Erreichen des Mindestzieles hinaus eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten erwarten lassen (ebenso auch BSG, Urteil vom 9. September 1993 – 7/9b RAr 28/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl dazu auch BSG SozR 4100 § 58 Nr 15). Aus § 1237a Abs 3 Satz 3 RVO ergibt sich, daß Leistungen für Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich erbracht werden, wenn diese erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit des Betreuten “zu erhöhen” oder wiederzugewinnen. Schon der Wortlaut dieser Bestimmung sowie der Sinnzusammenhang mit den nachfolgenden Sätzen zeigt, daß Betreute, die ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitstrainingsbereich erreicht haben, zur Erhöhung des Bildungserfolges weiterhin gefördert werden können, und zwar bis zum Erreichen der zeitlichen Höchstgrenze oder einer bereits vorher erreichten Grenze der individuellen Förderungsfähigkeit. Die Gesetzesmaterialien bestätigen dieses Ergebnis.

Die hier maßgebliche Fassung des § 1237a Abs 3 RVO geht auf das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz ≪AFKG≫) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) zurück, durch dessen Art 4 § 1 Nr 20 die Sätze 3 bis 5 angefügt wurden. Zeitgleich wurden in § 11 Abs 3 des Gesetzes zur Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) sowie im weiteren, die berufliche Rehabilitation regelnden Vorschriften nahezu wörtlich gleichlautende Bestimmungen eingefügt (vgl ua § 58 Abs 1a AFG; § 567 Abs 3 Sätze 3 bis 5 RVO; § 26 Abs 2 Sätze 2 und 3, Abs 5 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes ≪BVG≫). Mit diesen Regelungen sollte nach der Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung “klargestellt (werden), daß im Arbeitstrainingsbereich nur Behinderte gefördert werden, sofern erwartet werden kann, daß sie nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 SchwbG zu erbringen; denn dies ist schon Voraussetzung für die Aufnahme in die Werkstatt, nicht nur Voraussetzung für die Förderung” (vgl BT-Drucks 9/846 S 40 zu Nr 16). In der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung heißt es dazu weiter, die Maßnahmen seien darauf auszurichten, “Behinderte, die bei Eintritt in die Werkstatt nicht einmal ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeit iS des § 52 Abs 3 SchwbG zu erbringen vermögen, so weit zu fördern, daß sie nach Abschluß der Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich in der Lage sind, wenigstens dieses Mindestmaß zu erbringen; sowie bei Behinderten, die bereits bei Eintritt in die Werkstatt über dieses Mindestmaß verfügen, die Leistungsfähigkeit ihrem individuellen Vermögen entsprechend so weiter zu entwickeln und zu steigern, daß sie zu qualifizierten Tätigkeiten im Arbeitsbereich befähigt werden” (vgl BT-Drucks 9/966 S 77 f zu Art 1 § 1 Nr 16 Buchst a und b).

Daraus wird einerseits deutlich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers weder die Betreuten, die bei Eintritt in die WfB noch nicht über das Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung verfügen, noch die Betreuten, die dieses Mindestmaß beim Eintritt schon erreicht haben, von vornherein von einer Förderung im Arbeitstrainingsbereich ausgeschlossen werden sollten. Zum anderen läßt sich daraus entnehmen, daß Maßstab für eine Förderung im Arbeitstrainingsbereich das individuelle Leistungsvermögen ist und sich eine Förderung darum an diesem Kriterium auszurichten hat. Die Weiterentwicklung und Steigerung der Erwerbsfähigkeit durch Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich kommt deshalb folgerichtig nicht nur bei den Versicherten in Betracht, die bereits bei Eintritt in die WfB zu einem Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung befähigt sind, sondern auch bei denjenigen, die dieses Mindestziel während der Arbeitstrainingsmaßnahme erreichen, wobei der Zwei-Jahres-Zeitraum des § 1237a Abs 3 Satz 5 RVO allerdings eine zeitliche Höchstgrenze setzt. Die Verlängerung einer zunächst kürzer bemessenen Maßnahme ist demnach möglich, wenn zu erwarten ist, daß die individuelle Leistungsfähigkeit des Betreuten noch weiter gesteigert werden kann und er damit in die Lage versetzt wird, im Arbeitsbereich der WfB eine entsprechend qualifizierte Arbeit zu verrichten. Eine Weiterförderung mit dem Ziel einer Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist nicht erforderlich; die im Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der noch eine regelmäßige Förderungshöchstdauer von einem Jahr enthielt, mit vorgesehener beschränkter Verlängerungsmöglichkeit um ein weiteres Jahr, wenn die Erwartung bestehe, daß der Betreute nach Abschluß der Maßnahmen für eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe (vgl BT-Drucks 9/846 S 20), ist aufgrund eines Vorschlages des Vermittlungsausschusses (vgl BT-Drucks 9/1144 S 2) einer uneingeschränkten generellen Förderungshöchstdauer von zwei Jahren gewichen.

Das vorliegend gewonnene Ergebnis entspricht dem oben beschriebenen Sinn und Zweck beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen, nämlich die Erwerbsfähigkeit des Versicherten wiederherzustellen und ihm möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern, was hier durch Vorbereitung auf einen Einsatz im Arbeitsbereich der WfB geschieht. Deshalb kommt auch dann noch eine Förderung durch die Rentenversicherungsträger in Betracht, wenn der Betreute aufgrund der Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich der WfB bereits zur Erbringung eines Mindestmaßes wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung imstande ist, sofern die Wahrscheinlichkeit besteht, daß durch die Verlängerung der Maßnahmen die Erwerbsfähigkeit noch weiter erhöht werden kann. Der Senat weicht damit nicht von den Urteilen des 7. Senates vom 7. Dezember 1983 und 22. Februar 1984 (SozR 4100 § 58 Nr 14; AuB 1984, 249) ab. Die genannten Entscheidungen betrafen lediglich die Voraussetzungen für eine Weiterförderung durch die Bundesanstalt für Arbeit nach Ablauf der zweijährigen Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich, die dort unter der Geltung des § 58 Abs 1 Satz 4 AFG idF des 5. AFG-ÄndG noch möglich war.

Die Träger der beruflichen Rehabilitation verfahren im übrigen in der hier vorgegebenen Richtung. Gemäß § 7 Abs 2 der Gesamtvereinbarung über die Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Durchführung der Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation vom 1. September 1983 (abgedruckt in Jung/Preuß, Rechtsgrundlagen der Rehabilitation, Stand: 31. Mai 1993, unter Nr 1.14b) werden Leistungen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich einer WfB bis zur Dauer von zwei Jahren erbracht, über ein Jahr hinaus jedoch nur, wenn festgestellt wird, daß auch weiterhin die Leistungsfähigkeit des Behinderten entwickelt, erhöht oder wiedergewonnen werden kann.

Ob hier die Voraussetzungen für eine Weiterförderung des Versicherten im Arbeitstrainingsbereich der WfB T.… erfüllt waren, vermag der Senat derzeit jedoch nicht zu entscheiden. Das LSG hat – von seinem Standpunkt aus zu Recht – seine Ermittlungen bislang nur darauf beschränkt, wann der Versicherte zur Erbringung eines Mindestmaßes wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistungen imstande war. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob das Verbleiben des Versicherten im Arbeitstrainingsbereich nach Abschluß des ersten Jahres zur Erhöhung seiner Erwerbsfähigkeit erforderlich und aussichtsreich war und ferner ob die weiterführenden Maßnahmen hierzu geeignet waren. Zwar ist der Versicherte seit 1. Oktober 1986 im Arbeitsbereich der WfB tätig: deshalb erübrigen sich jedoch nicht entsprechende Feststellungen. Denn sowohl bei der Feststellung der Erforderlichkeit als auch bei der Eignung handelt es sich um Prognosen, die zunächst aus den bei Beginn der Maßnahmen vorliegenden Umständen und Erkenntnissen beantwortet werden müssen, wobei eine rückwirkende Betrachtung hierfür zwar Hinweise bringen kann, aber nicht allein entscheidend ist (vgl Senatsurteil vom 21. Januar 1993 – 13 RJ 53/91 –). Das LSG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird zu beachten sein, daß ein Verbleiben des Versicherten im Arbeitstrainingsbereich der WfB dem vorgegebenen Rehabilitationsziel gerecht werden mußte, wobei berufsfördernde Leistungen allerdings nicht dadurch ausgeschlossen sind, daß neben der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit auch andere Zwecke verwirklicht werden (vgl dazu BSGE 54, 54, 59 = SozR 2200 § 1237 Nr 18; SozR aaO Nr 21; BSGE 66, 84, 86 = SozR 2200 § 1237 Nr 22; SozR 3-2200 § 1237 Nr 2; Senatsurteil vom 17. Juni 1993 – 13/5 RJ 50/90 –).

Ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, daß die hier strittige Maßnahme während der gesamten streitbefangenen Dauer (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr 2) erforderlich und geeignet war, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu erhöhen, so wird die Beklagte dem Anspruch des Klägers nicht entgegenhalten können, daß sie dem Versicherten gegenüber von dem ihr nach § 1236 Abs 1 Satz 5 RVO eingeräumten Ermessen über das “Wie” der Maßnahme keinen Gebrauch machen konnte. Nachdem die Beklagte sich geweigert hatte, die Arbeitstrainingsmaßnahme im zweiten Jahr zu fördern, mußte der Kläger die Durchführung der Maßnahme durch Kostenübernahme sicherstellen. Eine solche faktische Vorwegnahme von Sozialleistungen ist für die Rechtsfigur des Erstattungsanspruchs gerade der Anlaß zur vorhandenen gesetzlichen Regelung und insoweit unabdingbare Voraussetzung des Anspruchs (BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr 2). Der Kläger hätte dementsprechend einen Erstattungsanspruch, sofern die Weiterführung der Arbeitstrainingsmaßnahme die oben dargelegten Anforderungen an Erforderlichkeit und Eignung erfüllt.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Breith. 1995, 226

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