Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Mai 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Vormerkung weiterer Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.
Der 1951 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger und seit dem 14. Januar 1993 mit der Beigeladenen verheiratet. Der Kläger und die Beigeladene sind Eltern der am 6. Januar 1992 geborenen Tochter Marilena. Diese wurde nach der Geburt zunächst überwiegend von der Beigeladenen betreut, die ihre versicherungspflichtige Beschäftigung bis Juli 1992 unterbrach und bis zum 5. August 1992 (Bundes-)Erziehungsgeld (Erzg) bezog. Der Kläger, der in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht versicherungspflichtig erwerbstätig gewesen ist, gab seine letzte Beschäftigung in Österreich im Dezember 1992 auf und nahm ab 1. Dezember 1992 Wohnsitz bei der Beigeladenen in Deutschland, um sich ausschließlich (fortlaufend und ganztägig) ab Januar 1993 der Erziehung seiner Tochter zu widmen. Unter dem 5. Januar 1993 wurde ihm zunächst eine vorläufige und am 15. Februar 1993 eine Aufenthaltserlaubnis bis 30. November 1995 nach dem Ausländergesetz (AuslG) erteilt. Ab 15. Februar 1993 erhielt der Kläger Erzg.
Im März 1994 ließen sich der Kläger und die Beigeladene bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten über die Zuordnung von Kindererziehungszeiten beraten. Entsprechend dem Ergebnis dieser Beratung übersandten sie noch im März 1994 der Beklagten eine von beiden Eheleuten unterschriebene Erklärung, wonach die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten bis 31. Dezember 1993 der Beigeladenen und ab 1. Januar 1994 dem Kläger zugeordnet werden sollten. Die Beklagte anerkannte hierauf Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten beim Kläger zunächst vom 1. Januar bis 31. März 1994 und mit Bescheid vom 2. August 1994 bei der – im gesamten Verfahren beteiligten – Beigeladenen bis 31. Dezember 1993. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; außerdem reichte er am 14. Februar 1995 einen förmlichen Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ein, wonach ihm diese Zeiten bereits ab 1. Januar 1993 zuzuordnen seien. Dies lehnte die Beklagte ab; die Zeit vom 1. Februar 1992 bis 31. Dezember 1993 könne nicht als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 6. Januar 1992 bis 31. Dezember 1993 nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, weil für diese Zeiten beim anderen Elternteil bereits Kindererziehungs- bzw Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden seien. Die am 20. März 1994 vom Kläger und der Beigeladenen abgegebene gemeinsame Erklärung wirke lediglich zwei Monate zurück, so daß beim Kläger diese Zeiten erst ab 1. Januar 1994 anerkannt werden könnten (Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1995).
Das Sozialgericht (SG) Mainz hat den Bescheid der Beklagten vom 2. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1995 aufgehoben, soweit die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für 1993 beim Kläger abgelehnt worden war, und die Beklagte verurteilt (über die während des Klageverfahrens von 1994 bis 1995 anerkannten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten hinaus), „die Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1993 als Kindererziehungszeiten für den Kläger anzurechnen”. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei § 56 Abs 2 Satz 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht nur auf ungleichartige Elternteile (etwa Pflegeeltern oder Mutter und Stiefvater), sondern auch auf leibliche Eltern anzuwenden. IS dieser Vorschrift habe der Kläger seine Tochter Marilena „überwiegend” erzogen; aus den Gesamtumständen ergebe sich, daß das Schwergewicht der Erziehung in dieser Zeit bei ihm gelegen habe (Urteil vom 27. September 1996). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 21. Mai 1997).
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und eine Verletzung von § 56 Abs 2 SGB VI gerügt. Eine Zuordnung der Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI scheide vorliegend aus, weil diese Vorschrift bei leiblichen Eltern nicht anwendbar sei; eine überwiegende Erziehung komme nur dann in Betracht, wenn keine gemeinsame Erziehung vorliege. Sei der Tatbestand der gemeinsamen Erziehung durch leibliche Eltern erfüllt, könne nicht hilfsweise auf den Tatbestand der überwiegenden Erziehung zurückgegriffen werden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 2a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) dürfe nicht auf § 56 SGB VI übertragen werden. Die Zuordnung von Kindererziehungszeiten sei in § 2a AVG unnötig unflexibel geregelt gewesen, weshalb sich das BSG veranlaßt gesehen habe, den Begriff der überwiegenden Erziehung gegenüber demjenigen der gemeinsamen Erziehung auszuweiten. Die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung sei mit Inkrafttreten des SGB VI entfallen, da § 56 Abs 2 Satz 2 bis 8 SGB VI nunmehr weitaus flexiblere Lösungen als das frühere Recht gestatte. Im übrigen habe der Kläger vor dem 15. Februar 1993 in der Bundesrepublik Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt, so daß eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten für den Kalendermonat Januar 1993 schon aus ausländerrechtlichen Gründen ausscheide.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Mai 1997 und des Sozialgerichts Mainz vom 27. September 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt; sie ist durch keinen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das LSG hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen; das SG hat die Beklagte unter Abänderung der von ihr getroffenen Verwaltungsentscheidungen zutreffend verurteilt, beim Kläger auch die streitige Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit wegen Erziehung eines Kindes vorzumerken.
Der Anspruch des Klägers auf Vormerkung der genannten Zeiten aus § 149 Abs 5 SGB VI folgt daraus, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen geklärt sind, die sich aus § 3 Satz 1 Nr 1 iVm § 56 Abs 1 bis 3 und 5 SGB VI ergeben. Danach sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind. Soweit bei einem Elternteil die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit vorliegen, ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu seinem vollendeten zehnten Lebensjahr bei diesem Elternteil zudem eine Berücksichtigungszeit (vgl § 57 SGB VI). Eine Kindererziehungszeit liegt vor, wenn ein Elternteil sein Kind im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten hat, die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen und er nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers vor. Er hat sowohl den Tatbestand einer Kindererziehungszeit, einer Pflichtbeitragszeit iS von § 54 Abs 1 Nr 1 Buchst a, § 55 Satz 2, § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VI, als auch den Tatbestand einer Berücksichtigungszeit (§ 57 SGB VI) erfüllt. Er hielt sich im streitigen Zeitraum als Ausländer gewöhnlich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf (dazu unter 1.) und hat sein leibliches Kind hier überwiegend iS des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI erzogen (dazu unter 2.). Zwar haben er und die Mutter des Kindes (die Beigeladene) zunächst eine gemeinsame Erklärung dahin abgegeben, daß die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit bis 31. Dezember 1993 der Beigeladenen zugeordnet werden soll; diese Erklärung konnte allerdings für den streitigen Zeitraum keine rechtsgestaltende Wirkung mehr entfalten (dazu unter 3.).
1. Der Kläger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im streitigen Zeitraum im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs 3 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫). Der sozialrechtliche Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts setzt zunächst voraus, daß der Betreffende den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts hat (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5; BSGE 67, 243 = SozR 3-7833 § 1 Nr 2) und der Aufenthalt nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist (vgl BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7). Dies war beim Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die den Senat gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) binden, der Fall; er lebte seit Dezember 1993 bei der Beigeladenen (seiner späteren Ehefrau) und seinem Kind in Sch. …, nachdem er seinen bisherigen Wohnsitz in Österreich und seine dortige Beschäftigung dauerhaft aufgegeben hatte, um in Deutschland mit der Beigeladenen und seinem Kind zusammenleben zu können.
Der ausländerrechtliche Status des Klägers steht seinem gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im streitigen Zeitraum nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Ausländer, die ihr Kind im Inland erziehen, keinen Anspruch auf Anrechnung von Kindererziehungszeiten, wenn ihr ausländerrechtlicher Aufenthaltsstatus während des möglichen Anrechnungszeitraums nur vorübergehend (geduldet) und nicht rechtlich beständig gestaltet ist (BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 2 in Fortführung von BSGE 67, 243 = SozR 3-7833 § 1 Nr 2; BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7). Diese rechtliche Einschränkung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts von Ausländern im Inland beruht auf der Erwägung, daß Ausländer in aller Regel als Staatsbürger ihres Heimatstaates zu diesem in einem besonderen Rechtsverhältnis stehen, das sie grundsätzlich unter dessen Schutz und Fürsorge (Personalhoheit) stellt und ihnen rechtlich die jederzeitige Heimkehr dorthin erlaubt. Andererseits ist ein Ausländer, der sich in Deutschland aufhält, unmittelbar zur Ausreise verpflichtet, sofern er die für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erforderliche individuelle Erlaubnis iS einer Aufenthaltsgenehmigung nicht oder nicht mehr besitzt (vgl § 3 Abs 1 Satz 1, § 42 Abs 1 AuslG idF vom 9. Juli 1990, BGBl I S 1354). Es wäre widersprüchlich, wenn die Rechtsordnung den rechtswidrigen Aufenthalt eines ausreisepflichtigen Ausländers als „gewöhnlichen” Inlandsaufenthalt anerkennen und den Erwerb von Rechten und Ansprüchen daran knüpfen würde. Deshalb hat ein Ausländer, der tatsächlich dauerhaft im Inland verweilt, nur dann „gewöhnlichen Aufenthalt”, wenn er sich berechtigterweise hier aufhält (BSG SozR 3-6710 Art 1 Nr 1, SozR 3-2600 § 56 Nr 7 mwN). Unbefristet rechtmäßig in diesem Sinne hält sich im Inland derjenige Ausländer auf, dem eine inhaltlich zukunftsoffene Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden ist, in der insbesondere nicht entschieden ist, daß das Recht zum Verweilen im Inland bei Erreichen eines bestimmten Zweckes oder zu einem bestimmten Zeitpunkt erlöschen soll (vgl BSG SozR 3-6710 Art 1 Nr 1; SozR 3-2600 § 56 Nr 7).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Dem Kläger war am 15. Februar 1993 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, dh die Erlaubnis des Aufenthalts ohne Bindung an einen bestimmten Zweck (vgl § 15 AuslG); bereits ab dem 5. Januar 1993 galt sein Aufenthalt gemäß § 69 Abs 3 AuslG kraft Gesetzes als materiell erlaubt und war nur verfahrensrechtlich auflösend bedingt, dh „vorläufig” bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde. Der tatsächlichen und rechtlichen Dauerhaftigkeit des Aufenthalts noch im Monat Januar 1993 stand also weder die formelle Vorläufigkeit der gemäß § 69 Abs 3 AuslG erteilten Erlaubnis noch die Regelbefristung der Erlaubnis vom 15. Februar 1993 (vgl § 23 Abs 2 AuslG) entgegen (vgl BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 zur „schlicht” befristeten Aufenthaltserlaubnis).
2. Das LSG hat auch zu Recht entschieden, daß die Kindererziehungszeit dem Kläger als dem überwiegend erziehenden Elternteil zuzuordnen ist. Die Zuordnung von Kindererziehungszeiten bestimmt sich nach § 56 Abs 2 SGB VI. Diese Vorschrift unterscheidet drei Kategorien der Erziehung: die Alleinerziehung, die gemeinsame Erziehung und die überwiegende Erziehung. Hat ein Elternteil sein Kind allein erzogen, ist diesem Elternteil allein die Kindererziehungszeit zuzuordnen (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Liegt ein Fall der Alleinerziehung vor, kommen Tatbestände der gemeinsamen oder überwiegenden Erziehung nicht in Betracht, dh insoweit besteht zwischen Alleinerziehung einerseits und gemeinsamer und überwiegender Erziehung andererseits ein Verhältnis der Exklusivität. Demgegenüber schließen sich nach Konkurrenzregeln (Alternativität) entgegen der Ansicht der Beklagten die Tatbestände der gemeinsamen und überwiegenden Erziehung nicht aus; insoweit gilt folgendes:
Haben mehrere Elternteile in Ausübung ihres Elternrechts das Kind in der Weise erzogen, daß sie bei der Erziehung zusammenwirken und für denselben Erziehungszeitraum Erziehungsanteile und -beiträge der mehreren Elternteile vorliegen (sog gemeinsame Erziehung), wird die Erziehungszeit ebenso wie bei der Alleinerziehung für die jeweils kleinste Einheit an Kindererziehungszeiten, nämlich den Kalendermonat, nur einem Elternteil zugeordnet (§ 56 Abs 2 Satz 2 SGB VI); eine noch weitergehende Aufteilung nach Zeit oder Wert kann darüber hinaus nicht vorgenommen werden.
Welchem Elternteil die Erziehungszeit in diesen Fällen der Sache nach zuzuordnen ist, beurteilt sich nach Maßgabe der Zuwendung zum Kind in der Zeit der Kindererziehung. Den normativen Ausgangspunkt bildet insoweit – trotz ihres systematischen Standorts am Ende des Absatzes 2 – die Vorschrift des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI. Danach ist, wenn mehrere Elternteile das Kind erzogen haben, die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat. Dieser für leibliche Eltern, Stiefeltern und Pflegeeltern gleichermaßen geltende Grundsatz (zur Geltung für leibliche Eltern sogleich) wird allerdings in der praktischen Anwendung dadurch modifiziert, daß bei einer gemeinsamen Erziehung durch Eltern das Vorliegen überwiegender Erziehung durch einen Elternteil nur dann von der Verwaltung und den Gerichten im einzelnen zu ermitteln ist und entsprechende Beweiserhebungen vorzunehmen sind, wenn sich die Zuordnung nicht bereits zwingend aus übereinstimmender Erklärung der Eltern ergibt; nach § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI ist die Kindererziehungszeit dem überwiegend erziehenden Elternteil zuzuordnen, „soweit sich aus Satz 3 nicht etwas anderes ergibt”. Mit dieser Einschränkung trägt das Gesetz bei Eltern dem Umstand Rechnung, daß die erziehenden Elternteile diejenigen Personen sind, die den tatsächlichen Verhältnissen bei der Erziehung am nächsten stehen und deswegen am ehesten beurteilen können, wie sich ihre Beiträge im Rahmen der Kindererziehung verteilen; sie haben daher die Befugnis zu bestimmen, wem die Kindererziehungszeit aufgrund ihrer gemeinschaftlichen Zuwendung zum Kind zuzuordnen ist.
Es steht in der alleinigen Verantwortung der Eltern zu entscheiden, wie und mit welchem Ziel sie die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes fördern, insbesondere in welchem Ausmaß und mit welcher Intensität sie sich selbst dieser Aufgabe widmen wollen. An diese vorgegebene Erziehungssituation sowie die Bewertung (Gewichtung) der Erziehungsbeiträge seitens der Eltern knüpft § 56 Abs 2 Satz 3 SGB VI aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität typisierend an (vgl BSGE 68, 171, 176 = SozR 3-2200 § 1227a Nr 7 zu § 2a AVG) und räumt Eltern das Recht ein, durch übereinstimmende Erklärung zu bestimmen, welchem Elternteil die Kindererziehungszeit zuzuordnen ist. In den Fällen des Satzes 3 aaO ist die Erklärung für künftige Kalendermonate abzugeben; rückwirkend kann die Zuordnung nur für bis zu zwei Monate vor Abgabe der Erklärung erfolgen (vgl § 56 Abs 2 Sätze 5 und 6 SGB VI). Diese Entscheidung haben der Staat und seine Untergliederungen (hier: die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) ebenso hinzunehmen wie die übrigen im Rahmen der gemeinsamen Verantwortung für die Erziehung eines Kindes zulässigerweise getroffenen Entscheidungen.
Haben die bei der Erziehung zusammenwirkenden Eltern eine derartige öffentlich-rechtliche (Willens-)Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungszeit überhaupt nicht, nicht übereinstimmend oder sonst nicht rechtswirksam, insbesondere in den Fällen des Satzes 3 aaO – wie im vorliegenden Fall (vgl dazu unter 3.) – nicht rechtzeitig abgegeben, bleibt es bei dem Grundsatz des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI, daß die Kindererziehungszeit demjenigen zuzuordnen ist, der dann das Kind – nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet – überwiegend erzogen hat. Das Maß der jeweiligen Zuwendung der Elternteile zu ihrem Kind ist vom Versicherungsträger nach den Grundsätzen des § 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch zu ermitteln. Nur dann, wenn sich dabei – anders als im vorliegenden Fall – überwiegende Erziehungsanteile eines Elternteils nicht im erforderlichen Beweisgrad feststellen lassen (non liquet), sondern die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben in etwa gleichgewichtig sind, wird die Kindererziehungszeit nach der Auffangregel des § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zugeordnet (in diesem Sinne bereits BSGE 68, 171, 178 = SozR 3-2200 § 1227a Nr 7).
Entgegen einer zum Teil in der Literatur (vgl Funk in: Kasseler Komm, Stand Januar 1993, § 56 Rz 36; Eicher/Haase/Raschenbach, Die Rentenversicherung, Stand November 1995, § 56 Anm 3a; Klattenhoff in: Hauck/Haines, SGB VI, Stand 10. Lieferung X/92, § 56 Rz 19) und im Ergebnis der auch von der Beklagten vertretenen Ansicht, kann weder dem Wortlaut noch der Systematik des § 56 SGB VI entnommen werden, daß diese Bestimmung (Abs 2 Satz 9 aaO) nur auf (sog ungleichartige) Elternteile anwendbar sein soll, die kein leibliches (biologisches) Elternpaar sind, nicht aber bei einer gemeinschaftlichen Erziehung durch leibliche Eltern. § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI ordnet die Kindererziehungszeit kraft Gesetzes dem überwiegend erziehenden „Elternteil” zu. Der Begriff des Elternteils ergibt sich auch insoweit aus dem Klammerzusatz des § 56 Abs 1 Satz 2 SGB VI, der hierzu sowohl Eltern (§ 56 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB I), als auch Stiefeltern (§ 56 Abs 1 Nr 2 SGB I) und Pflegeeltern (§ 56 Abs 3 Nr 3 SGB I) rechnet. Anhaltspunkte dafür, daß der Begriff des Elternteils in § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI ein anderer (engerer) als derjenige des § 56 Abs 1 Satz 2 SGB VI ist, sind nicht ersichtlich. Vielmehr bestätigt gerade der letzte Halbsatz des Abs 2 Satz 9 aaO, daß dieser Satz auch für leibliche Eltern gilt, die ihr Kind gemeinschaftlich erziehen. Wäre Satz 9 – wie die Beklagte meint – auf gemeinschaftlich erziehende leibliche Eltern von vornherein nicht anwendbar, hätte der einschränkende „Soweit-Satz” keinen denkbaren Anwendungsbereich, was sowohl Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung widerspräche. Vielmehr ist § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI zu entnehmen, daß den Eltern selbst dann noch das Gestaltungsrecht nach Satz 3 aaO zustehen soll, wenn ein Elternteil das Kind überwiegend erzogen hat und danach an sich diesem Elternteil die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit zuzuordnen wäre (so im Ergebnis auch Löns in: Kreikebohm, SGB VI, § 56 Rz 11; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, Stand 57. Lieferung, § 56 Rz 36). Dem Gesetz kann dagegen nicht entnommen werden, daß eine Kindererziehungszeit der Mutter auch dann zugeordnet wird, wenn der Vater das Kind überwiegend erzogen hat und es an einer wirksamen, übereinstimmenden Erklärung über eine Zuordnung dieser Zeiten zur Mutter fehlt.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 25. Februar 1992 (SozR 3-6180 Art 13 Nr 2) ausgeführt hat, kommt es auch unter Geltung des § 56 SGB VI in Fällen der „Miterziehung” durch mehrere Elternteile vorbehaltlich der ordnungsgemäßen Ausübung des den Eltern eingeräumten Gestaltungsrechts grundsätzlich darauf an, wer das Kind „überwiegend” erzieht (vgl BSGE 68, 171, 175 = SozR 3-2200 § 1227a Nr 7 mwN). Hieran hält der Senat nach allem auch im Hinblick auf das Revisionsvorbringen der Beklagten fest, zumal nicht erkennbar ist, daß durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) die Rechtsstellung leiblicher Eltern gegenüber der Regelung des § 2a AVG insoweit verschlechtert werden sollte.
Nach den Feststellungen des LSG lag die Erziehung des Kindes im streitigen Zeitraum im wesentlichen in den Händen des Klägers, so daß er seine Tochter iS des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI „überwiegend” erzogen hat, mithin ihm die Kindererziehungszeit zuzuordnen war.
3. Die Zuordnung der Kindererziehungszeit zum Kläger nach § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI scheitert nicht daran, daß er und die Beigeladene für die Zeit bis zum 31. Dezember 1993 eine hiervon abweichende gemeinsame Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit abgegeben haben. Diese Erklärung wurde nämlich erst im März 1994 abgegeben, so daß sie angesichts der zeitlich beschränkten Rückbewirkung ihrer Rechtsfolgen gemäß § 56 Abs 2 Satz 6 SGB VI rechtsgestaltende Wirkung nur für die Zeit ab Januar 1994 entfalten konnte. Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1993 wurde die (gesetzliche) Zuordnung der Kindererziehungszeit nach Maßgabe des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI dagegen nicht durch eine vorrangige Zuordnung kraft wirksam ausgeübten Gestaltungsrechts nach § 56 Abs 2 Satz 2 SGB VI verdrängt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1173870 |
FamRZ 1998, 820 |