Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zuflussprinzip. nachträgliche letzte Krankengeldzahlung. laufende Einnahme. keine Regelungslücke durch fehlende Härteregelung
Leitsatz (amtlich)
Fließt die letzte Krankengeldzahlung in einer Reihe kontinuierlicher Zahlungen erst im Monat nach der Fälligkeit zu, so ist das Krankengeld bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II als laufende Leistung im Monat des Zuflusses zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
Die ausschließlich für einmalige Einnahmen anzuwendende Regelung des § 2 Abs 3 AlgIIV ist bei laufenden Einnahmen auch nicht entsprechend anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke ist im Hinblick auf die fehlende Härteregelung auch für den Fall des Zuflusses laufender Sozialleistungen nicht zu erkennen.
Normenkette
SGB 2 § 11 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2004-07-30; SGB 2 § 12 Abs. 1 Fassung: 2004-11-19; AlgIIV § 2 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2005-08-22, Abs. 3 Fassung: 2005-08-22; AlgIIV § 2b Fassung: 2005-08-22
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob das dem Kläger für den Zeitraum vom 16. bis 25.11.2005 gewährte und seinem Konto am 1.12.2005 gutgeschriebene Krankengeld bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) nach dem SGB II für den Monat Dezember 2005 zu berücksichtigen ist.
Der Kläger bezog vom 28.10.2004 bis 25.11.2005 Krankengeld, zuletzt in Höhe von 22,66 Euro täglich. Nach einer Begutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit stellte die Krankenkasse die Krankengeldzahlung wegen Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 26.11.2005 ein. Die Wertstellung des Krankengeldes für den Zeitraum vom 16.11. bis 25.11.2005 in Höhe von insgesamt 226,60 Euro auf dem Konto des Klägers erfolgte am 1.12.2005.
Auf den Antrag des Klägers vom 28.11.2005 bewilligte der Beklagte (Grundsicherungsträger) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 25.11.2005 bis 31.5.2006. Für den Monat Dezember 2005 setzte er das Alg II unter Berücksichtigung des am 1.12.2005 gutgeschriebenen Krankengeldes auf 392,55 Euro fest (Bescheide vom 5.1.2006 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 27.7.2006 und 14.11.2006, diese wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006).
Der Klage auf höhere Leistungen für den Monat Dezember 2005 hat das Sozialgericht Berlin (SG) stattgegeben (Urteil vom 6.3.2007). Es hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger im Monat Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung der am 1.12.2005 zugeflossenen Krankengeldzahlung zu gewähren. Das Krankengeld sei kein Einkommen, welches der Sicherung des Lebensunterhalts im Dezember 2005 hätte dienen sollen. Vielmehr handele es sich um eine Entgeltersatzleistung für im November 2005, vor der Beantragung von SGB II-Leistungen ausgefallenes Arbeitsentgelt. Insoweit mangele es sowohl an einer Identität der Zweckbestimmung mit dem Alg II, als auch an der Identität des Bedarfszeitraumes. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG mit der Begründung aufgehoben, bei der Krankengeldzahlung handele es sich um einmaliges Einkommen, weil eine Nachzahlung und keine laufende Leistung vorliege. Das Krankengeld sei jedoch von dem Beklagten zutreffend im Monat des Zuflusses bei der Berechnung des Alg II berücksichtigt worden. Der Kläger könne sich insoweit nicht auf einen Härtefall berufen, da eine entsprechende Regelung im Gesetz nicht vorgesehen sei (Urteil vom 9.11.2007).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 11 SGB II iVm § 13 SGB II und § 2 Arbeitslosengeldverordnung II (Alg II-V). Er vertritt die Auffassung, die Krankengeldzahlung sei bereits deswegen nicht als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen für Dezember 2005 zu berücksichtigen, weil es für einen Zeitraum vor der Antragstellung im November 2005 gezahlt worden sei. Es sei am 25.11.2005 fällig gewesen und unter Berücksichtigung des Wertstellungszeitpunktes von der Krankenkasse bereits vor der SGB II-Antragstellung angewiesen worden. Zumindest müsse ein Härtefall angenommen werden, unabhängig davon, ob hierfür eine Rechtsgrundlage gegeben sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. November 2007 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2007 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen in den Verwaltungsentscheidungen sowie die Begründung in der Entscheidung des LSG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger im Monat Dezember 2005 keinen Anspruch auf höheres Alg II hat.
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 5.1.2006, geändert durch Bescheid vom 14.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006, mit denen der Beklagte über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Kläger im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 entschieden hat. Leistungen für November 2005, über die der Beklagte durch Bescheid vom 5.1.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27.7.2005, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006 entschieden hat, stehen hier nach dem ausdrücklichen Klageantrag des Klägers ebenso wenig im Streit, wie Leistungen für Folgezeiträume. Die für die Folgezeiträume ergangenen Bescheide sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden (vgl ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ Urteile vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R; 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R; 29.3.2007 - B 7b AS 4/06 R; 6.9.2007 - B 14/7b AS 30/06 R) .
Die Höhe des von dem Beklagten bewilligten Alg II im streitigen Zeitraum ist von diesem zutreffend berechnet worden. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (1.). Bei der Berechnung dieser Leistungen ist das dem Kläger am 1.12.2005 gutgeschriebene Krankengeld, das für den Zeitraum vom 16. bis 25.11.2005 gewährt worden ist, im Monat Dezember 2005 als Einkommen zu berücksichtigen (2.). Zwar handelt es sich bei dem Krankengeld um eine Sozialleistung, gleichwohl ist sie als Einkommen iS des § 11 SGB II zu bewerten (a). Die Berücksichtigung des Krankengeldes hat nach den Regeln des § 13 SGB II iVm §§ 2 Abs 2 und 2b Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I, 2499, nach § 6 Alg II-V anwendbar für Bewilligungszeiträume ab dem 1.10.2005 - im Folgenden zu Grunde gelegte Fassung) zu erfolgen. Im konkreten Fall ist das am 1.12.2005 ausgezahlte Krankengeld als letzte Zahlung im Rahmen von laufenden Zahlungen und damit als laufende Einnahme zu bewerten. Insoweit ist unbeachtlich, dass es erst nach dem Zeitraum, für den es gewährt worden ist, zur Auszahlung gelangte (b). Auch eine in diesem Sinne laufende Sozialleistung beeinflusst im Monat des Zuflusses, wenn er nach der Antragstellung liegt, die Höhe der SGB II-Leistung (c). Das Krankengeld ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Härte von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen (d). Die von dem Beklagten vorgenommenen Absetzungen von diesem Einkommen sind ebenso wenig zu beanstanden, wie die Berechnung der Leistungen für den Monat Dezember 2005 im Übrigen (e). Der Beklagte hat die Leistungen für die Monate Januar bis Mai 2006 ebenfalls in zutreffender Höhe festgestellt (3.).
1. Der Kläger ist Leistungsberechtigter iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 (≪KomOptG≫ BGBl I 2014) . Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II). Nach den Feststellungen des LSG ist er iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 Abs 1 SGB II erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II).
Er war im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm §§ 9, 11 und 12 SGB II. Nach § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Zwar hat der Kläger im Dezember 2005 Einkommen erzielt, das auch bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen ist (s unter 2.). Gleichwohl war er im gesamten streitigen Zeitraum nach den Feststellungen des LSG hilfebedürftig. Es ist trotz des Einkommens ein Hilfebedarf unter Berücksichtigung des Regelbedarfs ( nach § 20 Abs 2 SGB II - 345 Euro ) und der ihm entstandenen Kosten für Unterkunft und Heizung ( nach § 22 SGB II - 226,03 Euro ) verblieben.
2. Das dem Kläger nach den Feststellungen des LSG am 1.12.2005 zugeflossene Krankengeld ist als Einkommen bei der Berechnung des Alg II im Monat Dezember 2005 zu berücksichtigen.
a) Bei dem Krankengeld handelt es sich um Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II.
Nach § 11 Abs 1 SGB II (in der Fassung des KomOptG, aaO) sind bei der Leistungsberechnung nach dem SGB II als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG.
Der Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II erfasst das Krankengeld eindeutig nicht als Ausnahme von den zu berücksichtigenden Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Aber auch Gesetzesbegründung und systematischer Zusammenhang sprechen gegen die "Nichtberücksichtigung" des Krankengeldes als Einkommen iS dieser Regelung. Der Gesetzgeber hat bewusst § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II an den Wortlaut des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII angeknüpft (vgl BT-Drucks 15/1514 S 65 - zu § 77 ≪= § 82 SGB XII≫; BT-Drucks 15/1516 S 53) . Er greift auch insoweit auf den Gleichklang mit dem Sozialhilferecht als dem Referenzsystem des SGB II zurück (vgl BT-Drucks 15/1514 S 1) . Weder nach § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII noch nach dem bisherigen § 76 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz war das Krankengeld nicht zu berücksichtigendes Einkommen. Der Gesetzgeber hat im Sozialhilferecht ebenso wie im SGB II gezielt nur bestimmte - im Gesetz aufgezählte - Leistungen von der Einkommensanrechnung ausgenommen. Hierzu zählt nicht das Krankengeld.
Es ist daher im Gegensatz zur klägerischen Auffassung ohne Bedeutung für die Berechnung der SGB II-Leistung, dass es sich bei dem Krankengeld um eine Entgeltersatz- und Sozialleistung handelt. Soweit diese die finanzielle Lage des Hilfebedürftigen iS der Minderung des Hilfebedarfs beeinflusst, ist sie als Einkommen zu berücksichtigen.
b) Die Berücksichtigung des Krankengeldes als Einkommen folgt den Regeln des § 13 SGB II iVm §§ 2 Abs 2 und 2b Alg II-V. Es handelt sich bei dem Krankengeld im konkreten Fall um eine letzte Zahlung in einer Reihe laufender Zahlungen und damit nicht um eine einmalige Einnahme.
Nach § 2 Abs 2 Alg II-V sind laufende Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit, ebenso jedoch auch laufende Sozialleistungen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Insoweit sieht § 2b Alg II-V eine entsprechende Anwendung des gesamten § 2 Alg II-V vor.
Der Revision ist zwar einzuräumen, dass der Anspruch des Klägers auf Krankengeld spätestens am letzten Tag der festgestellten Arbeitsunfähigkeit (26.11.2005) fällig war und von der Krankenkasse auch hätte erfüllt werden müssen. Mit der am 1.12.2005 erfolgten Gutschrift zahlte die Krankenkasse das Krankengeld für die Zeit vom 16. bis 25.11.2005 nach. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht - vom Fall der Krankenhausbehandlung und stationären Reha-Behandlung abgesehen - am Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (vgl § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V) und wird mit der Entstehung des Anspruchs fällig (vgl § 41 SGB I). Weil das Krankengeld nach der Konzeption des Gesetzes zudem für Kalendertage zu zahlen ist (vgl § 47 Abs 1 Satz 6 SGB V), werden Krankengeld-Ansprüche nach festgestellter Arbeitsunfähigkeit mit jedem Tag der Arbeitsunfähigkeit für diesen fällig. Indessen scheinen die Krankenkassen in der Praxis aus naheliegenden Gründen der Praktikabilität das Krankengeld nicht täglich zu zahlen, sondern im Nachhinein für die Zeiträume, für die zuvor - ggf rückwirkend sowie zukunftsgerichtet - Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden ist. Gesetz und Rechtswirklichkeit (Praxis) fallen hier seit Jahren auseinander, wobei vieles dafür spricht, de lege ferenda das Gesetz der Praxis anzupassen, nicht umgekehrt. Wäre die Krankenkasse so verfahren, wie nach der gesetzlichen Regelung vorgesehen, wäre das Krankengeld dem Kläger zugeflossen, noch bevor er am 28.11.2005 seinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt hat.
Diese Überlegungen führen jedoch nicht zur grundsicherungsrechtlichen Nichtberücksichtigung des Krankengeldes. Der Kläger hat von seiner Krankenkasse offenbar weder einen Vorschuss verlangt noch hat er sonst darauf hingewirkt, das Krankengeld "pünktlich" zu bekommen. Die Verwaltungspraxis der Krankenkassen führt nicht dazu, dass die Krankengeldzahlung am 1.12.2005 ihre Qualität als Einnahme/Einkommen iS von § 11 SGB II verliert und insoweit auf den zuvor bestehenden Krankengeldanspruch als Vermögensbestandteil abzustellen wäre. Zumindest wenn, wie hier, die letzte Zahlung in einer Reihe von regelmäßig für einen abgelaufenen Zeitraum erfolgter - wie der Kläger ausdrücklich vorbringt, immer nachträglich vorgenommener - Zahlungen steht, handelt es sich nicht um eine "Nachzahlung", sondern eine letzte Zahlung in einer Reihe von laufenden Leistungsgewährungen. Unter diesen Bedingungen ist es auch nicht von Bedeutung, dass das "letzte" Krankengeld erst sechs Tage nach Beendigung des Leistungszeitraums auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben worden ist.
c) Die Krankengeldzahlung ist nach § 2 Abs 2 Satz 1 Alg II-V (aaO) in dem Monat des Zuflusses - da dieser nach Antragstellung liegt - als Einkommen zur Minderung des Hilfebedarfs zu berücksichtigen. Auch in solchen Fällen ist ausschließlich auf den Zufluss iS des Zuflussprinzips abzustellen, ohne Modifizierung durch die Identitätstheorie (so Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ Urteil vom 24.4.1968 - 5 C 62/67 = BVerwGE 29, 295 ff).
Das Zuflussprinzip besagt, dass als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II - und damit zur Minderung des Hilfebedarfs - grundsätzlich alles das zu berücksichtigen ist, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält (ständige Rechtsprechung des BSG, s nur Urteile vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R; B 4 AS 19/07 R; 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R) . Das Krankengeld ist im vorliegenden Fall - so die Feststellungen des LSG - am 1.12.2005, also nach dem Eingang des SGB II-Leistungsantrags vom 28.11.2005 bei dem Beklagten, auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben worden und damit in seinen Verfügungsbereich gelangt.
Das Krankengeld ist hier - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht deswegen von der Berücksichtigung als Einkommen auszunehmen, weil mit der Zahlung und Gutschrift auf dem Konto des Klägers am 1.12.2005 der Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 16. bis 25.11.2005 erfüllt worden ist, die Forderung also zum Zeitpunkt der SGB II-Leistungsantragstellung bereits fällig war. Insoweit bezieht sich der Kläger wohl auf die vom BVerwG früher vertretene Identitätstheorie (vgl BVerwG Urteil vom 24.4.1968 - 5 C 62/67 = BVerwGE 29, 295 ff). Danach setzte die Berücksichtigung eines Zuflusses in Geld oder Geldeswert als Einkommen voraus, dass er wie die Sozialhilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes bestimmt war (Identität der Zweckbestimmung) und dass diese Zweckbestimmung auch für einen mit dem Bedarfszeitraum identischen Zeitraum bestand (Zeitraumidentität). Von dieser Betrachtung ist das BVerwG in der Folgezeit und mit der Entwicklung der Zuflusstheorie ausdrücklich abgerückt (BVerwGE 108, 296, 298; BVerwG, NJW 1999, 3137) . Zutreffend führt es zur Begründung dessen aus: Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen sei deren bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit ausschlaggebend, nicht notwendig dagegen eine Zweckbestimmung. Dies gilt auch für das SGB II. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an (so bereits in den Urteilen vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R; vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R; Urteil des 14. Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R) . Wie in der Sozialhilfe ist bei den Grundsicherungsleistungen einer aktuellen Notlage das aktuelle Einkommen gegenüberzustellen. Dabei ist allein entscheidend, ob mit den eingehenden geldwerten Mitteln ein notwendiger Hilfebedarf gedeckt werden kann.
Zudem gilt: Einnahmen werden in aller Regel aus bereits zuvor bestehenden Rechtspositionen erzielt (vgl zum Arbeitslosengeld BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R; zur Auszahlung des Arbeitsentgeltes als Erfüllung der Forderung aus dem Arbeitsvertrag, BVerwGE 108, 296, 300; NJW 1999, 3137) . Im Falle der Erfüllung einer Forderung ist bei wertender Betrachtung allein auf die letztlich in Geldeswert erzielten Einkünfte abzustellen und nicht auf das Schicksal der Forderung. So liegt der Fall auch hier. Dem Kläger erwuchsen aus dem Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse erst nach der Antragstellung bereite Mittel, die er zu seiner Bedarfsdeckung einsetzen konnte. Selbst wenn die Mittel vor der Antragstellung zur Bedarfsdeckung hätten dienen sollen, so haben sie einerseits seinen Bedarf zu diesem Zeitpunkt mangels Bereitstellung nicht gedeckt und können nun andererseits den Bedarf nach der Antragstellung zumindest teilweise decken. Soweit der Kläger vorbringt, er habe in den Zeiträumen zwischen den Krankengeldzahlungen, die immer nachträglich erfolgt seien, seinen Bedarf durch familiäre Darlehen gedeckt, die er nach dem Zufluss der Krankengeldzahlung zurückgezahlt habe und wozu er nunmehr für die letzten 10 Tage durch die Einkommensberücksichtigung nicht mehr in der Lage sei, ändert dieses die rechtliche Bewertung nicht.
Abgesehen davon, dass Lebensunterhaltssicherung durch eigene Mittel grundsätzlich der Schuldentilgung vorgeht (vgl BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R), ist es eine Frage der individuellen Planung, wie regelmäßig zufließende Mittel eingesetzt werden. Die Zahlung einer vereinbarten Vergütung oder einer Sozialleistung erst am Ende eines Monats für den abgelaufenen Monat ist durchaus nicht unüblich (s nur Fälligkeit und Auszahlung von Geldleistungen nach dem SGB VI nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGB VI: "Laufende Geldleistungen mit Ausnahme des Übergangsgeldes werden am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; sie werden am letzten Bankarbeitstag dieses Monats ausgezahlt). Der Umgang damit liegt im eigenen Verantwortungs- und Organisationsbereich eines Hilfebedürftigen. Seine Planungen können in einem steuerfinanzierten Sozialleistungssystem jedoch nicht durch das Absehen von der Einkommensberücksichtigung auf die Allgemeinheit überwälzt werden.
d) Das Krankengeld ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Härte von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen.
Für laufende Einnahmen - wie hier - ist in § 2 Alg II-V keine Ausnahmeregelung für Härtefälle vorgesehen. Ob eine solche in § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II-V erblickt werden könnte, kann hier dahinstehen. § 2 Abs 3 Alg II-V regelt lediglich die Berücksichtigung einmaliger Einnahmen (vgl zum Regelfall iS des § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II-V Urteil des erkennenden Senats vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R; s auch Fachliche Hinweise der BA, Stand 20.7.2008, zu § 11 Rz 11.16). Diese Regelung ist auch nicht entsprechend bei laufenden Leistungen anzuwenden.
Eine planwidrige Lücke im Hinblick auf das Fehlen einer Härtefallregelung auch für den Fall des Zuflusses laufender Sozialleistungen vermag der Senat nicht zu erkennen. Laufende Sozialleistungen, insbesondere Lohnersatzleistungen, dienen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie sind damit zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Da es auf die Identität von Zweckbestimmung und Identität zwischen Leistungs- und Bedarfszeitraum nicht ankommt (s oben unter c) kann zumindest bei deren Auseinanderfallen kein Härtefall angenommen werden. Nichts anderes macht der Kläger hier jedoch geltend, wenn er zum Härtefall vorträgt, er habe die Krankengeldzahlung zur nachträglichen Deckung des Bedarfs vor der SGB II-Antragstellung benötigt und "schiebe" durch den Einsatz zur Deckung des Hilfebedarfs im SGB II-Leistungsbezug nunmehr Schulden vor sich her.
e) Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens unzutreffend berechnet haben könnte, gibt es auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht. Der Beklagte hat von den zugeflossenen 226,60 Euro Krankengeld die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 3 Abs 1 Nr 1 Alg II-V) und nachgewiesene anteilige Kosten für eine Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II) in Höhe von 18,12 Euro, also einen Betrag von 48,12 Euro vor der Berücksichtigung in Abzug gebracht. Ebenso wenig ist die weitere Berechnung der Leistung für den Monat Dezember 2005 ersichtlich zu beanstanden. Der Beklagte hat somit zutreffend 392,55 Euro Alg II für den Monat Dezember 2005 an den Kläger gewährt (345 Euro + 226,03 Euro ≪KdU≫ - 178,48 Euro ≪226,60 Euro - 30 Euro - 18,12 Euro≫).
3. Hinweise auf eine ggf unzutreffende Berechnung der im weiteren Bewilligungszeitraum festgesetzten Leistungen sind ebenfalls nicht vorhanden. Änderungen hinsichtlich des Hilfebedarfs gegenüber dem Monat Dezember 2005 - mit Ausnahme dessen, dass kein weiteres Einkommen zugeflossen ist - sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NJW 2009, 2159 |
FEVS 2009, 554 |
ZfSH/SGB 2009, 216 |