Leitsatz (amtlich)
1. Es wird an der Rechtsprechung festgehalten, daß der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt iS des 3. Falls des AVG § 42 S 1 (= RVO § 1265 in der Regel nur dann geleistet hat, wenn sich seine Unterhaltszahlungen auf den vollen Jahreszeitraum vor seinem Tode erstreckt haben.
Es reicht nicht aus, wenn der Versicherte der früheren Frau überhaupt "im" letzten Jahr oder durch eine einzige Unterhaltszahlung innerhalb des letzten Jahres einen praktisch ins Gewicht fallenden Betrag für ihren Unterhalt gezahlt hat.
2. Zur Frage, ob in besonderen Fällen eine regelmäßige und monatliche Unterhaltsgewährung während des letzten Jahres dann nicht erforderlich ist, wenn der Versicherte den Unterhalt für dieses letzte Jahr durch eine einmalige Zahlung oder durch mehrere Zahlungen für eine Anzahl von Monaten geleistet hat.
Normenkette
RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 42 S. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. September 1968 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin beansprucht als geschiedene Ehefrau Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres früheren, ... 1965 gestorbenen Ehemannes gemäß § 42 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Zu entscheiden ist, ob ihr der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.
Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde durch Urteil vom 1. Dezember 1961 - rechtskräftig seit dem 5. Februar 1964 (Urteil des Bundesgerichtshofes) - ohne Schuldausspruch geschieden. In einem notariellen Auseinandersetzungsvertrag vom 19. September 1961 hatte die Klägerin auf jeglichen Unterhalt verzichtet. Ihren im Dezember 1965 gestellten Antrag auf Hinterbliebenenrente begründete sie damit, der Versicherte habe ihr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils freiwillig 600,- DM Unterhalt gezahlt. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 12. Januar 1967 ab.
Das Sozialgericht (SG) Trier hat den Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente vom 1. Dezember 1965 an zu zahlen. Es hat für bewiesen angesehen, daß der Versicherte der Klägerin im Mai 1964 und im Juni oder Juli 1964 freiwillig je 300,- DM Unterhalt gezahlt habe. Das SG hat die Ansicht vertreten, bei Umrechnung dieses Betrages auf das Jahr vor dem Tode des Versicherten stelle die monatliche Unterhaltsleistung von 50,- DM keinen geringfügigen Betrag dar. Eine Fortsetzung der Unterhaltsleistung für das volle letzte Jahr vor dem Tode sei durch außergewöhnliche Umstände verhindert gewesen. Der Versicherte sei - so hat das SG festgestellt - ab 21. Juli 1964 und die Klägerin ab 20. August 1964 jeweils für einige Wochen in stationärer Krankenhausbehandlung gewesen; dasselbe habe sich Anfang Januar 1965 für den Versicherten und die Klägerin wiederholt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Rente könne nur darauf gestützt werden, daß ihr der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet habe (§ 42 Satz 1 AVG 3. Fall). Diese Voraussetzungen seien aber selbst dann nicht erfüllt, wenn die vom Versicherten im Mai 1964 und im Juni oder Juli 1964 geleisteten Zahlungen von zweimal je 300,- DM Unterhaltszahlungen gewesen seien; denn in der Regel müßten sich die Unterhaltszahlungen auf den vollen Jahreszeitraum vor dem Tode des Versicherten erstrecken. Ein "besonderer Ausnahmefall" im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei in der wiederholten stationären Behandlung des Versicherten und der Klägerin alsbald nach der zweimaligen Zahlung von je 300,- DM nicht zu erblicken. Der Betrag von 600,- DM könne auch nicht auf das Jahr vor dem Tode in monatliche Teilbeträge von je 50,- DM umgerechnet werden. Dem vom SG zur Begründung angeführten Urteil des BSG in BSG 20, 252, 253 liege ein anderer Sachverhalt zugrunde.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt, mit der sie unrichtige Anwendung des § 42 Satz 1 AVG rügt. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Trier vom 14. Dezember 1967 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 22. März 1965 gestorbenen früheren Ehemannes beurteilt sich nach § 42 AVG idF des am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 19. Juni 1965. Die durch dieses Gesetz getroffene Änderung des § 42 AVG - Einfügung von Satz 2 - gilt auch für Versicherungsfälle, die vor dem 1. Juli 1965, aber nach dem 31. Dezember 1956 eingetreten sind (Artikel 1 § 2 Nr. 25, Artikel 5 § 4 Abs. 2 Buchstabe b, § 10 Abs. 1 Buchstabe e RVÄndG), also auch für den im März 1965 eingetretenen Versicherungsfall des Todes. Als Anspruchsgrundlage kommt indessen, wie das LSG bereits zutreffend dargelegt hat und von der Revision auch nicht in Frage gestellt wird, allein die Vorschrift des § 42 Satz 1 AVG und diese auch nur insoweit in Betracht, als sie bestimmt, daß einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit ihm geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt wird, wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat (§ 42 Satz 1 AVG, 3. Fall). Dem LSG ist darin zuzustimmen, daß der Versicherte der Klägerin nicht "im letzten Jahr vor seinem Tode" Unterhalt geleistet hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, sind die Voraussetzungen des letzten Falles des § 42 Satz 1 AVG in der Regel nur dann erfüllt, wenn sich die tatsächlichen Unterhaltszahlungen des Versicherten an seine frühere Ehefrau auf den vollen Jahreszeitraum vor seinem Tode erstreckt haben (BSG 25, 86 = SozR Nr. 34 zu § 1265 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Der Hinterbliebenenrente an die frühere Ehefrau gemäß § 42 AVG kommt nach dem Zweck dieser Vorschrift - wie das BSG wiederholt entschieden hat - Unterhaltsersatzfunktion zu. Die Rente tritt an die Stelle des Unterhalts, den der Versicherte der früheren Ehefrau zu leisten hatte oder tatsächlich geleistet hat. Sie soll - was hier allein in Betracht kommt - den vom Versicherten tatsächlich geleisteten Unterhalt ersetzen, der durch seinen Tod für die frühere Ehefrau entfallen ist. Dafür, daß sie aus der Versicherung ihres geschiedenen Mannes anstelle des von ihm tatsächlich geleisteten Unterhalts eine für ihren Unterhalt bestimmte, in der Regel lebenslängliche Rente erhält, die unter Umständen sogar den Rentenanspruch einer Witwe gemäß § 45 Abs. 4 AVG schmälert, macht das Gesetz zur Voraussetzung, daß der Versicherte ihr im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Hierdurch kommt zum Ausdruck, daß ihr der Versicherte in der Regel zuletzt ein ganzes Jahr lang Mittel für ihren Lebensunterhalt zugewendet haben muß, denn nur bei einer solchen regelmäßigen Unterhaltsleistung geht das Gesetz von der Erwartung aus und unterstellt, daß der Versicherte ohne seinen Tod den Unterhalt auch weiterhin geleistet hätte und daß sich die frühere Ehefrau deshalb auf einen dauernden Bezug von Unterhalt seitens des Versicherten einstellen durfte. Nur wenn diese besonderen Voraussetzungen erfüllt sind, erscheint es gerechtfertigt, den durch den Tod des Versicherten entfallenen Unterhalt durch die Hinterbliebenenrente zu ersetzen. Die tatsächlichen Unterhaltsleistungen des Versicherten müssen also mit einer gewissen Regelmäßigkeit und von einer bestimmten Dauer erbracht und dieser Dauerzustand muß durch den Tod beendet worden sein.
Dem ist aber grundsätzlich nur dann genügt, wenn der Zeitabschnitt des letzten Jahres vor dem Tode des Versicherten keine Lücken in der Unterhaltszahlung aufweist; denn Zahlungen, die nicht ständig wiederkehren, sondern nur für einen Teil des letzten Jahres geleistet sind, bieten keine Gewähr dafür, daß eine auf die Dauer angelegte tatsächliche Unterhaltsgewährung vorgelegen hat (BSG in SozR Nr. 48 zu § 1265 RVO).
Deshalb reicht es entgegen der Revision nicht aus, wenn der Versicherte der früheren Frau überhaupt "im" letzten Jahr oder durch eine einzige Unterhaltszahlung innerhalb des letzten Jahres einen praktisch ins Gewicht fallenden Betrag für ihren Unterhalt geleistet hat. Entscheidend ist vielmehr, daß der Versicherte der früheren Ehefrau regelmäßig und in der Weise tatsächlich Unterhalt geleistet hat, daß erwartet werden durfte und zu unterstellen ist, der Versicherte hätte ohne seinen Tod den Unterhalt auch weiterhin geleistet und die Ehefrau habe sich auf einen dauernden Bezug seitens des Versicherten einstellen dürfen. Ob in besonderen Fällen eine regelmäßige und monatliche Unterhaltsgewährung während des letzten Jahres vor dem Tode dann nicht erforderlich ist, wie die Revision des weiteren meint, wenn der Versicherte den Unterhalt für dieses letzte Jahr durch eine einmalige Zahlung oder durch mehrere Zahlungen für eine Anzahl von Monaten geleistet hat, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden; denn auch eine derartige Unterhaltszahlung im letzten Jahr vor dem Tode würde jedenfalls nur dann genügen, wenn aufgrund regelmäßiger jährlicher oder anderer Vorauszahlungen von Unterhalt über eine gewisse Dauer vor dem Tode des Versicherten die Annahme gerechtfertigt ist, daß in der tatsächlichen Unterhaltsgewährung des Versicherten an die frühere Ehefrau ein Dauerzustand bestanden hat, der durch den Tod des Versicherten beendet worden ist.
In dem gegenwärtigen Fall hat der Versicherte der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode, d.h. in der Zeit vom 22. März 1964 bis zum 21. März 1965, lediglich im Mai 1964 und im Juni oder Juli 1964 jeweils den Betrag von 300,- DM gezahlt. Diese beiden einzelnen Zahlungen lassen, selbst wenn es sich dabei um Unterhalt gehandelt hat, keinen solchen Dauerzustand erkennen, der die Annahme rechtfertigt, der Versicherte hätte ohne seinen Tod auch weiterhin Unterhalt geleistet und die Klägerin habe sich auf einen dauernden Bezug von Unterhalt seitens ihres früheren Ehemannes einstellen dürfen. Dies hat selbst dann zu gelten, wenn der Versicherte, wie von der Revision behauptet wird, schon im Januar 1964 den Betrag von 500,- DM an die Klägerin gezahlt und wenn er im Juni und Juli 1964 geäußert hat, er wolle die Klägerin auch weiterhin unterstützen. Zu dieser weiteren Unterstützung durch die Zahlung von Unterhalt ist es in den letzten acht Monaten vor dem Tode des Versicherten nicht mehr gekommen, so daß im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten fortlaufende und regelmäßige, auf die Dauer bestimmte Unterhaltsleistungen nicht gegeben sind. Mit dem Tode des Versicherten ist mithin kein Dauerzustand in der tatsächlichen Unterhaltsgewährung beendet worden und es sind auch keine Unterhaltszahlungen an die Klägerin weggefallen, die durch die Hinterbliebenenrente zu ersetzen wären. Da es hiernach bereits an den erforderlichen regelmäßigen und auf die Dauer bestimmten Unterhaltszahlungen im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten fehlt, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die zwei Zahlungen von je 300,- DM im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten auf die Zeit von zwölf Monaten vor seinem Tode aufgeteilt werden können und ob auf den einzelnen Kalendermonat ein Betrag entfällt, der als Unterhalt im Sinne des § 42 AVG zu bewerten ist (BSG 22, 44 = SozR Nr. 26 zu § 1265 RVO).
Ein besonderer Ausnahmefall, in dem nach der Rechtsprechung des BSG auch Unterhaltsleistungen während eines Zeitraumes von weniger als einem Jahr vor dem Tode des Versicherten den Anspruch auf die Hinterbliebenenrente gemäß § 42 Satz 1 AVG, 3. Fall begründen können, liegt, wie das LSG ebenfalls zutreffend entschieden hat, in dem gegenwärtigen Fall nicht vor. In Betracht käme nur, daß der Versicherte durch außergewöhnliche Umstände, die er weder beeinflussen noch beheben konnte, schlechthin gehindert gewesen ist, Unterhaltszahlungen über Juli 1964 hinaus bis zu seinem Tode zu leisten (vgl. BSG 12, 279). Seine Erkrankungen im Juli und August 1964 und ab Anfang 1965 stellen keine außergewöhnlichen Umstände dar, die den Versicherten schlechthin gehindert hätten, an die Klägerin in der Zeit von Juli 1964 bis zu seinem Tode im März 1965 Unterhalt zu leisten.
Die Revision der Klägerin ist aus diesen Gründen zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ergibt sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen