Leitsatz (amtlich)
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Friedhöfe der Freien und Hansestadt Hamburg ist die Gartenbau- Berufsgenossenschaft.
Normenkette
RVO § 790 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 657 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 655 Abs. 4 Fassung: 1963-04-30; GG Art. 28
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. Dezember 1967 wird aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Februar 1966 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die beklagte Gartenbau-Berufsgenossenschaft nahm die Klägerin, die Freie und Hansestadt Hamburg, wegen der von dieser unterhaltenen Friedhöfe durch eine "Aufnahme-Mitteilung" vom 25. Januar 1964 mit Wirkung vom 1. April 1964 in ihr Unternehmerverzeichnis auf. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und machte geltend, die Beklagte sei nicht der zuständige Versicherungsträger; die von ihr - der Klägerin - verwalteten Friedhöfe gehörten zu ihrer Eigenunfallversicherung. Mit Bescheid vom 4. Februar 1965 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die hiergegen erhobene Klage durch Urteil vom 15. Februar 1966 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg durch Urteil vom 1. Dezember 1967 die erstinstanzliche Entscheidung sowie den Aufnahme- und den Widerspruchsbescheid der Beklagten aufgehoben. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte könne die Inanspruchnahme der Klägerin als Mitglied nicht aus § 657 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) herleiten, vielmehr sei gemäß § 790 Abs. 2 RVO die Klägerin Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für ihre Friedhöfe (§ 776 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Im Land Hamburg gebe es keine "gemeindlichen" Unternehmen i. S. des § 657 Abs. 2 RVO. Der Ausgangspunkt des SG, Hamburg sei zugleich Staat und Gemeinde, widerspreche der verfassungsrechtlichen Entwicklung. Ihre endgültige verfassungsrechtliche Form als Land der Bundesrepublik Deutschland habe die Klägerin durch ihre Verfassung vom 6. Juni 1952 (- HambVerf - GVBl Hamburg 1952, 117) gefunden. Hier werde - im Gegensatz zu Art. 1 der Vorläufigen Verfassung der Hansestadt Hamburg vom 15. Mai 1946 (GVBl 1946 S. 51) - bewußt darauf verzichtet, das Land Hamburg als Gemeinde zu bezeichnen, und in Art. 4 bestimmt, daß in der Freien und Hansestadt Hamburg für Teilgebiete Verwaltungseinheiten gebildet werden könnten. Die als Verwaltungseinheiten geschaffenen Bezirke besäßen keinen eigenen Haushalt und keine Rechtspersönlichkeit. Mithin gebe es in Hamburg keine Gebietskörperschaft "Gemeinde". Auf die Frage, ob das Friedhofswesen originäre oder doch typische Gemeindeangelegenheit sei, komme es nicht an. § 657 Abs. 2 RVO stelle nämlich allein auf die Rechtsnatur des Versicherungsträgers ab. Dies zeige sein Zusammenhang mit § 657 Abs. 1 RVO, wonach die Gemeinden und Gemeindeunfallversicherungsverbände Träger der Unfallversicherung seien, soweit in Absatz 2 nicht etwas anderes bestimmt werde. Auch bei dieser Auslegung des § 657 Abs. 2 RVO bleibe § 655 Abs. 4 RVO sinnvoll. Diese Bestimmung sei schon deshalb notwendig, weil in § 657 Abs. 1 RVO noch verschiedene Gruppen von Versicherten den gemeindlichen Versicherungsträgern zugewiesen seien, für die im Land Hamburg sonst kein Versicherungsträger vorhanden wäre.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie rügt die unrichtige Anwendung der §§ 655, 657, 776 Abs. 1 Nr. 3 RVO und Art. 4 § 16 Abs. 1 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG). Sie vertritt die Auffassung, durch § 657 Abs. 2 RVO seien seit dem 1. April 1964 (Art. 4 § 16 Abs. 1 Satz 2 UVNG) auch die Friedhöfe der Gemeinden in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einbezogen. Der Gesetzgeber habe trotz der abweichenden Vorstellungen des Bundesrates und der kommunalen Verbände ausdrücklich bestimmt, daß Personen, die in gemeindlichen landwirtschaftlichen Unternehmen (§ 776 Abs. 1 Nr. 1 und 3 RVO) beschäftigt werden, bei der zuständigen Fach-Berufsgenossenschaft - hier also der Beklagten - versichert seien (§ 657 Abs. 2 RVO). Er habe damit den Überlegungen der Spitzenverbände der gewerblichen und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften Rechnung getragen. Das ergebe sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des § 657 Abs. 2 RVO. Außerdem sei zu bedenken, daß der Gesetzgeber die Besonderheiten des Stadtstaates Hamburg gekannt habe. Staatliche und kommunale Aufgaben, die im sonstigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland getrennt seien, seien, wie Art. 4 HambVerf zeige, in Hamburg nicht getrennt. Im Gegensatz zur Auffassung des Bundesgerichtshofes - BGH - (BGHZ 13, 207) könnten diese Bereiche auch in Hamburg getrennt werden. Das Friedhofswesen rechne schon nach dem Grundsatz der "Allzuständigkeit" der Gemeinden zum gemeindlichen Wirkungskreis. Durch § 655 Abs. 4 RVO habe der Gesetzgeber den Besonderheiten des Landes Hamburg Rechnung getragen und angeordnet, daß auch dort die Fach-Berufsgenossenschaft für das Friedhofswesen zuständig sei. Denn die entsprechende Anwendung des § 657 RVO schließe auch die entsprechende Anwendung des Absatzes 2 dieser Vorschrift ein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 1. Dezember 1967 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hamburg vom 15. Februar 1966 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie meint, die Beklagte verkenne, daß es in Hamburg keine Gemeinden und keinen Gemeindeunfallversicherungsverband gebe. Alle Argumente, die auf die vom Gesetzgeber bezweckte bundeseinheitliche Zuständigkeitsregelung abstellten, fänden ihre Grenze in dem aus Art. 20 ff des Grundgesetzes (GG) - insbesondere aus der Rahmennorm des Art. 28 GG - abzuleitenden Recht der Länder, entsprechend dem bundesstaatlich garantierten Eigenleben ihren Verfassungs- und Verwaltungsaufbau zu gestalten. Selbst wenn § 655 Abs. 4 RVO speziell für Hamburg geschaffen sei, so könnte dessen Verweisung auf § 657 RVO nicht bezwecken, die durch § 655 Abs. 1, § 653 Abs. 1 RVO den Ländern uneingeschränkt eingeräumte Zuständigkeit wieder einzuschränken. Die Verweisung stelle lediglich klar, daß dort, wo das Land Gemeindeverwaltung ausübe, statt der Gemeinde bzw. des Gemeindeunfallversicherungsverbandes und der Berufsgenossenschaft nunmehr das Land Hamburg zuständig sei.
II
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
Rechtsgrundlage für die Aufnahme der Klägerin in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten durch deren "Aufnahme-Mitteilung" vom 25. Januar 1964 ist § 664 Abs. 1 Satz 1 RVO. Danach werden Unternehmer, die versichert sind oder Versicherte beschäftigen, nach Prüfung ihrer Zugehörigkeit zur Berufsgenossenschaft in das Unternehmerverzeichnis (§ 663 RVO) aufgenommen. Aus §§ 658, 659 RVO folgt, daß die Zugehörigkeit zu einer Berufsgenossenschaft nicht erst durch Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis begründet wird, sondern an andere Voraussetzungen geknüpft ist. Der Aufnahmebescheid besitzt insoweit nur deklaratorische Bedeutung (Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Bd. 2, Anm. 6 a zu § 664 RVO und Anm. 4 zu § 663 RVO). Trotzdem fehlt ihm die den Verwaltungsakt auszeichnende regelnde Wirkung nicht. Sie beruht darauf, daß mit der Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis für den Unternehmer die durch Gesetz und Satzung begründeten Pflichten - insbesondere die Beitragspflicht - entstehen; dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme vorliegen oder ein anderer Versicherungsträger zuständig ist (Lauterbach, aaO, Anm. 6 a zu § 664 RVO). Gegen den Aufnahmebescheid ist deshalb die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zulässig (BSG 15, 282, 286).
Der Aufnahmebescheid der Beklagten vom 25. Januar 1964 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 1965 wäre rechtswidrig und aufzuheben (§ 54 Abs. 1 SGG), wenn - wie das LSG angenommen hat - die Klägerin der beklagten Gartenbau-Berufsgenossenschaft deshalb nicht zugehört, weil sie hinsichtlich ihrer Friedhöfe selbst Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist. Das LSG geht zutreffend davon aus, daß nach § 790 Abs. 2 Satz 1 RVO ein Land Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist, "wenn das Unternehmen für seine Rechnung geht". Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind insofern erfüllt, als die landwirtschaftliche Unfallversicherung Friedhofsunternehmen umfaßt (§ 776 Abs. 1 Nr. 3 RVO) und die Friedhöfe in Hamburg - abgesehen von den kirchlichen Friedhöfen - für die Klägerin, das Bundesland Hamburg, betrieben werden (§ 1 des Hamburgischen Friedhofsgesetzes vom 2. Februar 1970 - GVBl S. 48) -). Sie gehen dort nicht etwa für Rechnung von Gemeinden, die für das Friedhofswesen nicht Träger der Unfallversicherung sein können (§ 657 Abs. 2 RVO iVm § 776 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Die Freie und Hansestadt Hamburg ist eine einzige Gebietskörperschaft; sie fungiert nur als Land (Staat), nicht auch noch zusätzlich als Gemeinde (Ipsen, Hamburg Verfassung und Verwaltung, 1956, 233, 235). Eine andere Auffassung läßt die HambVerf nicht zu. Sie kennt im Gegensatz zur Vorläufigen Verfassung der Hansestadt Hamburg vom 15. Mai 1946 nur das Land als Träger hoheitlicher Funktionen (näher hierzu Ipsen, aaO, S. 233 ff, 235, 401 ff). Nach ihr ist die Freie und Hansestadt Hamburg ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat (Art. 3 Abs. 1 HambVerf), die Bürgerschaft nur Landesparlament und der Senat nur Landesregierung (Art. 6, 33 HambVerf).
Gleichwohl ist § 790 Abs. 2 Satz 1 RVO auf den zur Entscheidung stehenden Fall nicht anwendbar. Seine Anwendbarkeit wird nämlich durch § 657 Abs. 2 RVO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind u. a. Personen, die in gemeindlichen landwirtschaftlichen Unternehmen (§ 776 Abs. 1 Nr. 1 und 3 RVO) beschäftigt werden, bei den zuständigen Berufsgenossenschaften versichert. Auf die Friedhöfe der Klägerin ist § 657 Abs. 2 RVO allerdings nicht unmittelbar anwendbar, weil es im Bundesland Hamburg, wie bereits ausgeführt wurde, keine Gemeinden und damit auch keine "gemeindlichen Unternehmen" gibt. § 657 Abs. 2 RVO setzt die Existenz von Gemeinden als juristischen Personen des öffentlichen Rechts voraus und begnügt sich nicht etwa damit, daß in den bezeichneten Unternehmen der Sache nach kommunale Aufgaben erfüllt worden. Das LSG hat dies zutreffend aus dem Zusammenhang des Absatzes 2 mit Absatz 1 Nr. 1 des § 657 RVO gefolgert. Nach dieser Vorschrift sind die Gemeinden (§ 656 Abs. 1 RVO) und Gemeindeunfallversicherungsverbände (§ 656 Abs. 2 RVO) Träger der Unfallversicherung für Versicherte in den Unternehmen der Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit nicht durch § 657 Abs. 2 RVO bestimmte Unternehmen der Zuständigkeit der kommunalen Unfallversicherungsträger entzogen werden. Das LSG hat jedoch die Bedeutung des § 655 Abs. 4 RVO verkannt. Nach dieser Vorschrift des Bundesrechts, die nach Art. 31 GG dem Verfassungsrecht des Landes Hamburg vorgeht, gilt in den Fällen, in denen ein Land die Gemeindeverwaltung ausübt, § 657 RVO und damit auch dessen Absatz 2 entsprechend (vgl. Lauterbach, aaO, Anm. 8 zu § 655; Vollmar, Eigenunfallversicherung des öffentlichen Dienstes, Anm. 8 zu § 655 RVO). Dem steht hinsichtlich der Friedhöfe der Klägerin, also landwirtschaftlicher Unternehmen i. S. des § 776 Abs. 1 RVO, nicht etwa entgegen, daß die §§ 655, 657 RVO dem Zweiten Teil des Dritten Buches und damit der "Allgemeinen Unfallversicherung" zugehören. § 657 Abs. 2 RVO spricht gerade die in gemeindlichen landwirtschaftlichen Unternehmen (§ 776 Abs. 1 Nr. 1 und 3 RVO) Beschäftigten unmittelbar an und enthält insoweit eine positive Zuweisung zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Daß der Gesetzgeber des § 655 Abs. 4 RVO sich der Bedeutung der Verweisung auf § 657 RVO für Hamburg bewußt gewesen ist und hiermit gerade "der besonderen Lage des Stadtstaates Hamburg, in dem Gemeinde- und Landesaufgaben nicht mehr getrennt werden, Rechnung getragen" hat, ergibt sich aus der Begründung zum Entwurf eines UVNG (BT-Drucks. IV/120 S. 64 zu § 656). Die Verweisung des § 655 Abs. 4 RVO bedeutet nach der Auffassung des Senats, daß § 657 - auch sein Absatz 2 - gilt, d. h. für die darin aufgeführten Unternehmen die jeweils zuständige Berufsgenossenschaft Versicherungsträger ist, wenn ein Land eine Verwaltung ausübt, die Gemeindeangelegenheit wäre, sofern es eine Gemeinde gäbe. Eine solche Angelegenheit ist das Friedhofswesen; es gehört funktionell zu den geschichtlich gewachsenen "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (Art. 28 Abs. 2 GG) und damit zum Wirkungskreis der Gemeinden (Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Band, S. 889; ferner Suren/Loschelder, Deutsche Gemeindeordnung, Kommentar, 2. Aufl. S. 84). Deshalb kann für die hier zu treffende Entscheidung offenbleiben, ob, wie die Klägerin in Anlehnung an eine Entscheidung des BGH (BGHZ 13, 207, 209) meint, nach ihren staatsrechtlichen Vorschriften die gemeindlichen Aufgaben in staatliche umgewandelt sind.
Der Tatsache, daß auch die Kirchen kraft Delegation Friedhöfe unterhalten können, kommt für den vorliegenden Fall keine Bedeutung zu.
Unzutreffend ist die Auffassung der Klägerin, § 655 Abs. 4 RVO stelle lediglich klar, daß dort, wo das Land Gemeindeverwaltung ausübt, statt der Gemeinde bzw. des Gemeindeunfallversicherungsverbandes und der Berufsgenossenschaft das Land Hamburg als Unfallversicherungsträger zuständig sei. Diese Ansicht läuft im Ergebnis darauf hinaus, von der durch § 655 Abs. 4 RVO angeordneten entsprechenden Anwendung des § 657 RVO dessen Absatz 2 auszunehmen. Es findet sich kein Anhalt dafür, daß dem Gesetzgeber - durch eine unangemessen weite Fassung des § 655 Abs. 4 RVO - ein solches "Redaktionsversehen" unterlaufen wäre. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte (dazu auch die Darstellung in BSG 27, 269) des eingehend beratenen § 657 Abs. 2 RVO, daß der Grundgedanke dieser Bestimmung auch auf die Lage in den Stadtstaaten zutrifft. § 657 Abs. 2 RVO ist gegen den Willen des Ausschusses für Kommunalpolitik und Sozialhilfe (BT-Drucks. IV/938 (neu), S. 20 zu § 658) und der Ausschüsse des Bundesrates für Arbeit und Sozialpolitik, für Innere Angelegenheiten und des Rechtsausschusses des Bundesrates (BR-Drucks. 94/1/63 vom 14. März 1963, S. 5/6 zu § 657) Gesetz geworden. Auch die Länder Bremen und Bayern haben sich gegen die Gesetz gewordene Fassung des § 657 Abs. 2 RVO gewandt (BR-Drucks. 94/2/63 vom 20. März 1963 und 94/4/63 vom 21. März 1963). Aus dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (BT-Drucks. IV/938(neu), S. 20 zu § 658), wird deutlich, weshalb der Gesetzgeber gleichwohl nicht den Gemeinden und Gemeindeunfallversicherungsverbänden, sondern den Berufsgenossenschaften die Zuständigkeit für die in § 657 Abs. 2 RVO aufgeführten Unternehmen eingeräumt hat. Es wird dort entscheidend auf die organisatorischen und fachlichen Vorzüge der Berufsgenossenschaften hinsichtlich der Unfallversicherung für einen bestimmten Unternehmensbereich abgestellt. Auch diese Erwägungen stützen die Annahme, daß den Fach - Berufsgenossenschaften die in Rede stehenden Unternehmen auch dann zugeordnet sein sollen, wenn sie nicht von Gemeinden, sondern von einem Stadtstaat betrieben werden.
Die Klägerin meint schließlich zu Unrecht, § 657 Abs. 2 RVO sei bei dieser Auslegung verfassungswidrig, weil er dann das durch Art. 28 GG garantierte Recht der Länder verletze, ihren verfassungs- und Verwaltungsaufbau in eigener Zuständigkeit zu gestalten. Sie verkennt dabei, daß der Bundesgesetzgeber mit der in § 655 Abs. 4 iVm § 657 Abs. 2 RVO getroffenen Zuständigkeitsregelung nicht in den Verfassungs- und Verwaltungsaufbau des Landes eingreift, sondern Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung bestimmten Trägern dieses Versicherungszweiges zugewiesen hat. Er hat sich damit im Rahmen seiner auf dem GG beruhenden Gesetzgebungskompetenz gehalten. Nach Art. 74 Nr. 12 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auch auf das Gebiet der Sozialversicherung. Ein Verstoß gegen Art. 28 GG, insbesondere gegen die Garantie der Eigenständigkeit der Länder, ist hiernach nicht festzustellen.
Das Land Hamburg ist danach hinsichtlich seiner Friedhöfe Mitglied der sachlich zuständigen Gartenbau-Berufsgenossenschaft (Anlage 2 Nr. 19 zu § 790 Abs. 1 RVO), und zwar bereits mit der Eröffnung des Unternehmens oder der Aufnahme der vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen (§ 659 RVO). Während Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände nur durch eine Beitrittserklärung Mitglied der sachlich zuständigen Berufsgenossenschaft werden können (§§ 659, 653 Abs. 2, 655 Abs. 1, 657 Abs. 3 RVO), gilt dies nicht für die gemeindlichen Unternehmen des § 657 Abs. 2 RVO. § 657 Abs. 3 RVO schließt für sie die entsprechende Anwendung des § 653 Abs. 2 RVO ausdrücklich aus.
§ 1 der Verordnung über die Eigenunfallversicherung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 12. Februar 1957 (GVBl S. 43) verstößt dadurch, daß er die Friedhöfe nicht von der Eigenunfallversicherung des Landes Hamburg ausnimmt, gegen die ranghöheren bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 655 Abs. 4, 657 Abs. 2 RVO. Er ist insoweit unwirksam (Art. 31 GG).
Die Beklagte hat somit die Klägerin zu Recht in ihr Unternehmerverzeichnis aufgenommen. Sie hat den Zeitpunkt der Aufnahme aufgrund des Art. 4 § 16 UVNG auch zutreffend auf den 1. April 1964 festgesetzt. Der angefochtene Bescheid ist mithin rechtmäßig.
Das Urteil des LSG ist daher aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG Hamburg vom 15. Februar 1966 zurückzuweisen (§ 170 Abs. 2 SGG).
Kosten sind nach § 193 Abs. 4 SGG nicht zu erstatten.
Fundstellen
Haufe-Index 707822 |
BSGE, 218 |