Leitsatz (redaktionell)
1. Für einen nicht sogleich angetretenen Weg vom Ort der betrieblichen Tätigkeit zur Wohnung entfällt der Unfallversicherungsschutz, wenn der Beschäftigte während der Unterbrechung bereits zur Feierabendgestaltung übergegangen ist; Feierabendgestaltung in diesem Sinne liegt jedoch nicht vor, wenn der Beschäftigte die Zeit, um die sich sein Heimweg verzögerte, während eines Gasthausaufenthaltes zu betriebsbezogenen Verhandlungen nutzte.
Sofern alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache ist, besteht kein Unfallversicherungsschutz; bei Fußgängern und Radfahrern können Rückschlüsse auf eine absolute Verkehrsuntüchtigkeit nicht allein aus der Blutalkoholkonzentration gezogen werden, sondern es sind wohl die Besonderheiten des Einzelfalles (Alkoholverträglichkeit, Alter usw) als auch das dem Unfall vorausgegangene Verkehrsverhalten (relative Verkehrsuntüchtigkeit) zu berücksichtigen.
Wird bei rechtzeitigem Antrag der das Armenrecht bewilligende Beschluß erst nach Ablauf der Revisionsfrist zugestellt, ist nach SGG § 67 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,58 0/00 liegt Volltrunkenheit nicht vor. Ein solcher Wert läßt für sich allein auch keinen Rückschluß auf alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit eines Fußgängers oder Radfahrers zu.
Normenkette
SGG § 67 Fassung: 1953-09-03; RVO § 550 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 15. Mai 1968 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der im Jahre 1909 geborene Kläger ist Landwirt; er bewirtschaftet bei E eine Hofstelle von 23,33 ha. Am Nachmittag des 13. Februar 1965, einem Samstag, fuhr er, begleitet von seinem 8-jährigen Neffen, mit dem Fahrrad nach E, um mit dem Maurer und Gastwirt K über ein auf seiner Hofstelle durchzuführendes Bauvorhaben (Unterkellerung einer Feldscheune) zu verhandeln. Er traf K kurz nach 15 Uhr 30 bei Arbeiten auf dem Dachboden seines Nachbarn J an. Beide vereinbarten, der Kläger solle in der Gastwirtschaft K warten; K versprach, bald nachzukommen. Das geschah etwa eine Dreiviertelstunde später. Die Verhandlungen über das Bauvorhaben des Klägers dauerten etwa eine Viertelstunde. Nach ihrem Abschluß gegen 16 Uhr 30 wollte K die Gastwirtschaft verlassen. Dabei sah er durch das Fenster, daß sich der Schmiedegeselle M näherte. M lieferte eine Propangasflasche ab, die sogleich bezahlt wurde. Dann setzte er sich an den Tisch des Klägers. Beide tranken Bier und Schnaps. Während der Unterhaltung bot M dem Kläger eine gebrauchte Dreschmaschine, einen gebrauchten Strohbinder und ein gebrauchtes Fahrrad zum Kauf an. Nachdem er mit dem Kläger handelseinig geworden war, verließ er zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt, aber vor dem Kläger, die Gastwirtschaft. Der Kläger brach zu einem ebenfalls nicht festgestellten Zeitpunkt gemeinsam mit seinem Neffen auf. Beide schoben ihre Fahrräder über einen Weg, der durch ein Waldstück zur Straße führte. Dort schob der Kläger sein Fahrrad auf der linken Straßenseite. Nach einer Wegstrecke von etwa 2 km wurde der Kläger gegen 19 Uhr vom Pkw des ihm entgegenkommenden Zimmerers K angefahren. Er erlitt einen Schienbeinkopfbruch rechts sowie einen offenen Unterschenkelbruch und eine Brustkorbprellung. Die dem Kläger entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,58 0 / 00 , K wies eine BAK von 1,50 0 / 00 auf. Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wurde wegen Geringfügigkeit (§ 153 der Strafprozeßordnung) eingestellt, der wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagte K auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.
Mit Bescheid vom 12. Januar 1966 lehnte die Beklagte die Entschädigung wegen der Unfallfolgen mit folgender Begründung ab: Nach Abschluß seiner Verhandlungen mit K habe sich der Kläger durch mehrstündigen Aufenthalt in der Gastwirtschaft von seiner Betriebstätigkeit gelöst, der Heimweg sei deshalb nicht mehr versichert gewesen. Abgesehen davon sei der Kläger nach dem reichlichen Alkoholgenuß nicht mehr in der Lage gewesen, sich vorschriftsmäßig im Straßenverkehr zu bewegen. Seine Trunkenheit sei als die allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) Osnabrück hat durch Urteil vom 3. Februar 1967 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat dazu ausgeführt: Entgegen der Auffassung des SG sei der Versicherungsschutz nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Unfall rechtlich allein wesentlich auf die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des Klägers zurückzuführen sei. Dabei komme es nicht auf den Grad der BAK des Klägers an; ein Grenzwert für die "absolute" Verkehrsuntüchtigkeit eines Fußgängers sei wissenschaftlich noch nicht ausreichend begründbar. Darüber hinaus scheide auch wegen der einander widersprechenden Angaben der Unfallbeteiligten und der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des als Zeugen vernommenen Zimmerers K die Feststellung aus, daß das alkoholbedingte Verhalten des Klägers die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen sei. Der Kläger sei auch nicht volltrunken gewesen; er habe bis zum Eintritt des Unfalls eine Wegstrecke von etwa 2 km zurückgelegt und damit gezeigt, daß er noch zu einer zweckgerichteten Tätigkeit imstande gewesen sei. Er habe sich jedoch bereits nach seinen Verhandlungen mit K von seiner betrieblichen Tätigkeit abgewandt und sei zur "Feierabendbeschäftigung" am Samstagnachmittag übergegangen. Sein Verweilen in der Gastwirtschaft habe der Einnahme alkoholischer Getränke, also persönlichen, nicht versicherten Bedürfnissen gedient. Gelegentlich dieser Tätigkeit - gleichsam nebenher - habe der Kläger mit M verhandelt. Der private Charakter seines Aufenthalts in der Gastwirtschaft habe hierdurch keine Änderung erfahren. Bei der Dauer von zwei Stunden und dem Ausmaß des Alkoholkonsums habe sich der Kläger von seiner versicherten Tätigkeit endgültig gelöst, so daß der Heimweg seiner privaten Tätigkeit zuzurechnen sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil des LSG ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers mittels eingeschriebenen Briefes - zur Post gegeben am 31. Mai 1968 - zugestellt worden. Auf seinen am 28. Juni 1968 beim Bundessozialgericht (BSG) eingereichten Antrag ist dem Kläger durch Beschluß vom 23. Mai 1969, zugestellt am 30. Mai 1969, für das Revisionsverfahren das Armenrecht bewilligt und sein Prozeßbevollmächtigter als Armenanwalt beigeordnet worden. Durch einen am 6. Juni 1969 eingegangenen Schriftsatz vom 4. Juni 1969 hat der Kläger Revision eingelegt. Zur Begründung nimmt er auf sein Armenrechtsgesuch vom 27. Juni 1968 Bezug. Darin ist ausgeführt: Das LSG hätte die allein entscheidungserhebliche Frage nach Umfang und Dauer der Kaufverhandlungen des Klägers nicht unentschieden lassen dürfen. Wesentliches Motiv für dessen ausgedehntes Verweilen in der Gastwirtschaft K sei nicht die Einnahme alkoholischer Getränke, sondern die Führung der Kaufverhandlungen gewesen. Wichtigkeit und Umfang der Kaufobjekte ließen nicht den Schluß zu, daß die Kaufverhandlungen neben dem vom LSG als wesentlich bezeichneten Motiv der Einnahme alkoholischer Getränke nicht ins Gewicht fallen sollten. Das LSG habe auch zu Unrecht angenommen, der Kläger sei am Nachmittag des Unfalltages zur Feierabendbeschäftigung übergegangen. In seiner Wohngegend pflege ein Landwirt regelmäßig auch an Samstagen bis abends zu arbeiten.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen sowie den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Unfallrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im wesentlichen für zutreffend. Sie vertritt allerdings - abweichend von dem Urteil - die Auffassung, die Alkoholbeeinflussung des Klägers habe so im Vordergrund gestanden, daß sie die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen sei.
II
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision des Klägers ist zulässig.
Es ist glaubhaft gemacht, daß der Kläger ohne Verschulden im Sinne des § 67 SGG an der Einhaltung der Revisions- und Revisionsbegründungsfrist verhindert war. Der ihm auf seinen rechtzeitigen Antrag das Armenrecht unter gleichzeitiger Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligende Beschluß des BSG ist erst am 23. Mai 1969 ergangen und dem Prozeßbevollmächtigten am 30. Mai 1969 zugestellt worden, also nach Ablauf der am 3. Juli 1968 endenden Revisionsfrist. Die Einlegung der Revision und ihre Begründung sind rechtzeitig und formgerecht (BSG SozR Nr. 45 zu § 164 SGG; BVerwG, Buchholz Nr. 40 zu § 60 VwGO; BAG 20, 275, 277; RGZ 145, 266, 268) innerhalb der in § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG bestimmten Frist nachgeholt worden. Es war deshalb dem Kläger auch ohne ausdrücklichen Antrag nach § 67 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisions- und Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
Die Revision ist auch begründet.
Die beklagte landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat den Kläger wegen der Folgen des am 13. Februar 1965 erlittenen Verkehrsunfalls zu entschädigen, wenn der Kläger den Unfall bei einer seinem landwirtschaftlichen Unternehmen dienenden Tätigkeit erlitten hat (§ 548 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 5, § 776 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Seine Fahrt nach Esterwegen, die dem unfallbringenden Heimweg vorausging, war eine solche Tätigkeit. Der Kläger befand sich hierbei auf einem Betriebsweg. Die Fahrt stellte eine betriebliche Verrichtung dar, weil sie einem auf der Hofstelle des Klägers durchzuführenden Bauvorhaben, nämlich der Unterkellerung einer Feldscheune, diente; der Kläger unternahm sie, um mit dem Maurer und Gastwirt K über die Durchführung des Bauvorhabens zu verhandeln. Sein Aufenthalt in E stand zunächst so lange unter Versicherungsschutz, wie er durch die Verhandlungen mit dem Maurer K und die ihnen vorausgegangene Wartezeit bedingt war. Die Verhandlungen in der Gastwirtschaft K waren gegen 16 Uhr 30 beendet, als K den Kläger verließ. Durch das anschließende Verweilen in der Gastwirtschaft wandte sich der Kläger, wie das LSG zutreffend angenommen hat, seinem unversicherten privaten Lebensbereich zu. Bald kam jedoch der Schmiedegeselle M hinzu, der dem Kläger während der Unterhaltung eine gebrauchte Dreschmaschine, einen gebrauchten Strohbinder und ein gebrauchtes Fahrrad zum Kauf anbot. Solange die Kaufverhandlungen insbesondere über die beiden landwirtschaftlichen Großmaschinen dauerten, übte der Kläger wieder eine betriebliche, seinem landwirtschaftlichen Unternehmen dienende Tätigkeit aus. Entgegen der Auffassung des LSG geschah das nicht "nebenher". Reine Geselligkeit und Alkoholgenuß, wenngleich dieser nicht bereits von 15 Uhr 30 bis 16 Uhr 30, sondern gerade während der Verhandlungen mit M von erheblichem Ausmaß gewesen sein mag, standen nicht so im Vordergrund, daß den Kaufverhandlungen nicht eine rechtlich wesentliche, sondern nur nebensächliche Bedeutung zugekommen wäre. Die Verhandlungen betrafen, worauf die Revision mit Recht hinweist, Kaufobjekte von ins Gewicht fallender Bedeutung, und der Kläger führte sie ernstlich, wie der Kaufabschluß am Verhandlungsort erkennen läßt. Der Begründung des LSG für seine Annahme, der Kläger habe die Kaufverhandlungen nur "nebenher" geführt, steht zudem entgegen, daß am Schluß des angefochtenen Urteils ausgeführt wird, der private Charakter des Gasthausaufenthalts sei durch die Kaufverhandlungen "unterbrochen", also zeitweise aufgehoben worden.
Allerdings liegen keine Feststellungen über die Dauer der Kaufverhandlungen vor. Das LSG hat diese Frage ausdrücklich offengelassen, also auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß die geschäftlichen Besprechungen sich über die ganze Zeit des Zusammenseins der Gesprächspartner hingezogen haben. Für diesen Fall scheidet eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch eine "Feierabendbeschäftigung" nach den vorstehenden Darlegungen von vornherein aus. Möglicherweise haben aber die Kaufverhandlungen nur kurze Zeit in Anspruch genommen, zumal der Kläger nach den Feststellungen des LSG kein hartnäckiger Verhandlungspartner war. Da der Unfall gegen 19 Uhr etwa 2 km von der Gastwirtschaft K entfernt eintrat und der Kläger diese Wegstrecke zu Fuß und sein Fahrrad schiebend zurücklegte, hat er sich möglicherweise etwa zwei Stunden lang ausschließlich der Geselligkeit und dem Alkoholgenuß hingegeben. Ebenso lange wäre, sollte das der Fall gewesen sein, der Zusammenhang des Gasthausaufenthaltes mit der landwirtschaftlichen Betriebstätigkeit unterbrochen gewesen. Hierauf kommt es jedoch für die unfallversicherungsrechtliche Beurteilung des Unfalls auf dem Heimweg nicht an, wenn der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht endgültig gelöst worden und damit der Versicherungsschutz bei Antritt des Heimweges wiederaufgelebt ist. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Dauer der Unterbrechung, mag sie auch etwa zwei Stunden erreicht haben, nicht allein darüber entscheidet, ob eine Lösung des Zusammenhangs mit der betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist. Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung annimmt, sind die näheren Umstände mitzuberücksichtigen, welche die Art der Unterbrechung im Einzelfall kennzeichnen, wobei die Dauer der Unterbrechung lediglich eine von mehreren Wesensmerkmalen ist (SozR Nr. 7 zu § 543 RVO aF). Nach einer Unterbrechung des Weges von der Arbeitsstätte (§ 543 Abs. 1 Satz 1 RVO aF) bzw. von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Satz 1 RVO nF) lebt der Versicherungsschutz nur ausnahmsweise, und zwar dann nicht wieder auf, wenn aus Dauer und Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden kann (BSG 10, 226, 228; SozR Nrn. 29, 41 und 51 zu § 543 RVO aF, Nr. 7 zu § 550 RVO nF; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 7. Aufl., Bd. II, S. 486 b mit weiteren Nachw.). Die Unterbrechung eines Betriebsweges (§ 542 Abs. 1 RVO aF bzw. § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO nF), insbesondere die des Heimweges von auswärtiger Betriebstätigkeit, der die Verzögerung des Antritts des Heimwegs gleichsteht, ist im wesentlichen ebenso zu beurteilen, allerdings mit der Einschränkung, daß sie noch seltener zu einer endgültigen Lösung des Zusammenhangs mit der betrieblichen Tätigkeit führt (BSG 8, 48, 52; SozR Nr. 33 zu § 542 RVO aF, Nrn. 4 und 7 zu § 548 RVO; Urteil des BSG vom 30. Oktober 1963 - 2 RU 23/60 -, Breithaupt 1964, 378; Urteil des BSG vom 14. Dezember 1967 - 2 RU 126/64 -, Breithaupt 1969, 753 = SGb 1969, 15 mit Anm. von Paulsdorff).
Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Wesen des Betriebsweges als betrieblicher Tätigkeit. Sein Wiederantritt nach einer Unterbrechung zu außerbetrieblichen Zwecken bedeutet regelmäßig eine Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit, stellt also im Regelfall den Versicherungsschutz wieder her. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, bei Heimwegen zB dann, wenn die Unterbrechung nach Dauer und Art so stark ist, daß bei natürlicher Betrachtungsweise und nach der Verkehrsanschauung der Weg anschließend nicht als Weg von einer betrieblichen, sondern von einer privaten Verrichtung erscheint (BSG SozR Nr. 7 zu § 548 RVO und Nr. 43 zu § 542 RVO aF).
Ob der Heimweg des Klägers, auf dem sich der Unfall vom 13. Februar 1965 ereignet hat, als Weg von einer betrieblichen Verrichtung angesehen werden kann, ist aus dem gesamten Verlauf des vorausgegangenen Gasthausaufenthaltes zu beantworten. Die außerhalb des betrieblichen Zusammenhangs stehende Zeit kann nicht isoliert, d.h. wie ein Wirthausbesuch "nach getaner Arbeit" beurteilt werden. Der Kläger hat die Gastwirtschaft nicht zu privaten Zwecken aufgesucht, sondern dort mit dem Gastwirt Verhandlungen geführt, die im Interesse seines landwirtschaftlichen Betriebes lagen. Wenn er anschließend in der Gastwirtschaft verweilte, ohne einen betrieblichen Grund dafür zu haben, so unterbrach er zwar den Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit, die Unterbrechung war aber unter dem Gesichtspunkt einer endgültigen Lösung des Zusammenhangs jedenfalls zunächst nicht schwerwiegend. Sie beschränkte sich auf ein müßiges Verbleiben am Ort des vorausgegangenen Betriebsgeschäfts, stellte also gleichsam dessen "Nachwirkung" dar. Der Kläger durfte auch eine angemessene Erholungspause in Anspruch nehmen, zumal betriebliche Gründe - an einem Samstagnachmittag im Februar - offenbar nicht zu raschem Aufbruch drängten (BSG SozR Nr. 29 zu § 543 RVO aF; Urteil vom 29. September 1965 - 5 RKn 84/61 -). Allerdings überschritt er das Maß einer Erfrischung, indem er dem Trunk so zusprach, daß seine BAK im Unfallzeitpunkt 2,58 0 / 00 betrug. Ein solcher Alkoholkonsum für sich allein bei etwa zweistündiger Dauer des Gasthausaufenthaltes legt die - vom LSG gezogene - Schlußfolgerung nahe, der Kläger habe sich der "Feierabendgestaltung" zugewandt, was gleichbedeutend mit der endgültigen Lösung des betrieblichen Zusammenhangs gewesen wäre (BSG, Urteil vom 31. März 1965 - 2 RU 91/63, SozEntsch IV Nr. 101 zu § 543 RVO = Die Praxis 1965, 320; SozR Nr. 7 zu § 550 RVO). Dem stand jedoch entgegen, daß der Kläger das Verweilen bei Alkoholkonsum zu betriebsbezogenen Verhandlungen mit M nutzte, also seine Betriebstätigkeit wieder aufnahm (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1967 - 2 RU 126/64 -, aaO). Das Verhältnis der Verhandlungsdauer zu der Zeit, die ausschließlich der Geselligkeit und dem Alkoholgenuß gewidmet war, ist hierbei nicht entscheidend. Die Verhandlungen mit K und M sowie ihre Ergebnisse waren zusammengenommen von solcher Bedeutung für den Kläger und seinen landwirtschaftlichen Betrieb, daß sie den Charakter des Gasthausaufenthaltes, wenn nicht überwiegend, so doch wesentlich mitprägten. Der spätere Heimweg erscheint bei natürlicher Betrachtung zwar auch als Weg vom Wirtshaus, aber zugleich als Rückweg von einer dem landwirtschaftlichen Unternehmen rechtlich wesentlich dienenden Tätigkeit. Der Kläger stand hiernach - vorbehaltlich eines etwaigen weiteren Lösungstatbestandes - auf dem Heimweg wieder unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG 3, 240, 245; 20, 215, 217; Urteil vom 27. Oktober 1967 - 2 RU 101/64 -).
Als weiterer, den Versicherungsschutz auf dem Heimweg ausschließender Lösungstatbestand kommt Volltrunkenheit des Klägers in Betracht. Das LSG hat sie zutreffend für nicht gegeben erachtet. Der Kläger war trotz seiner hohen BAK von 2,58 0 / 00 nicht volltrunken, weil er noch eine vernünftige und zweckgerichtete, mit seinem landwirtschaftlichen Betrieb rechtlich wesentlich zusammenhängende Tätigkeit ausüben konnte (BSG 12, 242, 245). Als der Unfall eintrat, hatte er vom Ort des auswärtigen Betriebsgeschäftes, nämlich der Gastwirtschaft K, in Richtung auf seine Hofstelle bereits einen Fußweg von 2 km - unter Mitführung seines Fahrrades - zurückgelegt.
Versicherungsschutz hätte jedoch im Zeitpunkt des Unfalls nicht bestanden, wenn der Kläger alkoholbedingt verkehrsuntüchtig und seine Verkehrsuntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen wäre (BSG 12, 242; 13, 9, 11). Wie das LSG nicht verkannt hat, läßt die hohe BAK des Klägers von 2,58 0 / 00 für sich allein keinen Rückschluß auf seine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit zu ("absolute Verkehrsuntüchtigkeit"). Bei Fußgängern und Radfahrern kann nicht - wie bei Kraftfahrern - allgemein von einem absoluten Grenzwert der BAK ausgegangen werden; die Verkehrsuntüchtigkeit eines Fußgängers oder Radfahrers ist aus den besonderen Umständen des Falles, wie Alkoholverträglichkeit, Alter, Tag- oder Nachtzeit u.ä. zu erschließen (BSG 10, 46, 48; 27, 40, 41). Dabei hat sich das BSG auf ein im Jahre 1966 unter dem Titel "Alkohol bei Verkehrsstraftaten" erstattetes Gutachten des Bundesgesundheitsamtes (herausgegeben von den Bundesministern der Justiz und für Verkehr, bearbeitet von Lundt und Jahn) gestützt. Hierin ist dargelegt, für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer fehlten wissenschaftliche, vor allem statistische Erfahrungen, die es ermöglichten, schon jetzt Grenzwerte der BAK vorzuschlagen; der Sachverständige müsse sein Gutachten von Fall zu Fall aufgrund der speziellen Tatumstände erstatten. Gesichtspunkte, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, sind seitdem nicht hervorgetreten (Brackmann, aaO, S. 488 b II und Boller, VersR 1968, 217, 224, jeweils mit Nachw. über den Meinungsstand). Ob der Kläger alkoholbedingt verkehrsuntüchtig war, kann sich also nur aus seinem dem Unfall vorausgegangenen Verkehrsverhalten ergeben ("relative Verkehrsuntüchtigkeit"). Das LSG hat zum Verhalten des Klägers auf dem unfallbringenden Heimweg keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sondern ist ohne sie von einem "alkoholbedingten Verhalten" des Klägers ausgegangen. Seiner Auffassung nach "scheidet im Falle des Klägers (auch) auf Grund der einander widersprechenden Angaben der Unfallbeteiligten sowie wegen der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Pkw-Fahrers (vgl. BSG 3, 116; BGHSt 5, 168) die Feststellung aus, daß das alkoholbedingte Verhalten des Klägers die rechtlich allein wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls ist". Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, hätte das LSG jedoch nähere Feststellungen über den Unfallhergang im einzelnen treffen müssen. Es hätte nicht nur die Angaben der am Unfall unmittelbar Beteiligten, nämlich des Klägers und des Zimmerers K, sondern auch die Bekundungen der Unfallzeugen ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergeben und gegeneinander abwägen müssen. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen jedenfalls nicht aus, um die Frage zu beantworten, ob ein alkoholbedingtes Fehlverhalten des Klägers die rechtlich allein wesentliche Unfallursache war. Insbesondere muß noch geklärt werden, wie der Pkw unmittelbar vor dem Unfall fuhr und wo er nachher stand, wo der angefahrene Kläger lag und welche Bedeutung das Verhalten K für das Zustandekommen des Unfalls hatte. Dem Senat ist eine Sachentscheidung verwehrt, weil die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlen. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen