Leitsatz (amtlich)

Leistungen, die einem früher im Dienste einer Kirche in Rumänien stehenden, von dort vertriebenen Geistlichen (oder seinen vertriebenen Hinterbliebenen) von einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft in der Bundesrepublik nur "einstweilen" oder nur "subsidiär" für den Fall gewährt werden, daß andere Ansprüche nicht bestehen, sind keine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" iS von FRG § 18 Abs 3 S 1 (aF und nF).

 

Normenkette

FRG § 18 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1960-02-25, S. 1 Fassung: 1965-06-09, § 15 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25, Abs. 2 Fassung: 1960-02-25

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. März 1966 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob dem Kläger ein Anspruch auf Altersruhegeld (§ 25 Abs. 1 und Abs. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) gegen die Beklagte zusteht.

Der Kläger, geboren am 29. September 1898, war ab 1922 zunächst Mittelschullehrer und Betriebs- und Laboratoriums-Chemiker. Vom 1. November 1929 bis 31. März 1962 stand er als Geistlicher im Dienste der Evangelischen Landeskirche A Bekenntnisses (A. B.) in Rumänien. Von Dezember 1930 bis 31. Dezember 1948 war er Mitglied der Ruhegehaltskasse dieser Kirche. Nach Überführung der Kasse in die staatliche rumänische Sozialversicherung auf 1. Januar 1949 entrichtete er bis 31. Oktober 1958 Beiträge an den zuständigen rumänischen Versicherungsträger. Ab 1. November 1958 bezog er in Rumänien Altersruhegeld aus der rumänischen Sozialversicherung.

Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik im Mai 1962 gewährte die beigeladene Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern dem Kläger auf Veranlassung der beigeladenen Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ab 1. Juni 1962 laufende Bezüge in Höhe von zunächst 400 DM monatlich. Im Juli 1962 beantragte der Kläger Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung (AV). Im Oktober 1962 meldete der Evangelisch-Lutherische Landeskirchenrat in M Ersatzansprüche in Höhe der von ihm geleisteten Zahlungen bei der Beklagten an; er teilte gleichzeitig mit, der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf Versorgung gegen eine deutsche Landeskirche, er erhalte nur eine jederzeit widerrufliche caritative Unterstützung, die er zurückzuzahlen habe.

Mit Bescheid vom 24. April 1964 lehnte die Beklagte den Antrag auf Altersruhegeld ab, weil mit den allenfalls anzurechnenden Zeiten zwischen September 1922 und 31. Mai 1929 (insgesamt 69 Monaten) die Wartezeit nicht erfüllt sei; die Tätigkeit des Klägers als Pfarrer vom 1. November 1929 bis 31. März 1962 könne weder nach § 15 noch nach § 16 des Fremdrentengesetzes vom 25. Februar 1960 (FRG) angerechnet werden, weil der Kläger auf Grund der Richtlinien des Rats der EKD zur Regelung der Versorgung der Ostpfarrer und ihrer Hinterbliebenen (Ostpfarrerrichtlinien) bereits von der EKD Leistungen aus den im Dienst der Kirche zurückgelegten Zeiten erhalte; es handele sich dabei um eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (§ 18 Abs. 3 FRG). Der Kläger erhob Klage. Mit Urteil vom 1. September 1965 verurteilte das Sozialgericht (SG) München unter Aufhebung des Bescheides vom 24. April 1964 die Beklagte, dem Kläger ab 1. September 1963 - ab Vollendung des 65. Lebensjahres - Altersruhegeld zu gewähren.

Die Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) zurück (Urteil vom 29. März 1966). Es führte aus: Die Wartezeit sei mit Zeiten, die nach dem FRG anzurechnen seien, erfüllt. Für die Zeit vom 1. Januar 1949 bis 31. Oktober 1958 habe der Kläger unstreitig Beiträge zur rumänischen Sozialversicherung entrichtet. Im Hinblick darauf, daß die Ruhegehaltskasse der Evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien ab 1. Januar 1949 in die gesetzliche rumänische Sozialversicherung überführt worden sei, müsse auch die Zeit von Dezember 1930 bis 31. Dezember 1948, für die der Kläger Beiträge an die Ruhegehaltskasse entrichtet habe, als Beitragszeit im Sinne von § 15 FRG angesehen werden. § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG in der bis 30. Juni 1965 geltenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) - a. F. - stehe nicht entgegen. Bei den Bezügen, die der Kläger ab 1. Juni 1962 über den Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenrat in München von der EKD erhalte, handele es sich um freiwillige Leistungen, die caritativen Charakter hätten und den Kläger vor der sonst notwendigen Inanspruchnahme öffentlicher Fürsorge bis zur Gewährung von Rente bewahren sollten; der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf Versorgung nach den Ostpfarrerrichtlinien, er falle nicht unter den von diesen Richtlinien erfaßten Personenkreis. Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, daß dem Kläger nur in analoger Anwendung des § 29 der Richtlinien ein Pauschbetrag von 400 DM monatlich gewährt werde und daß diesem Pauschbetrag weder die Dauer der kirchlichen Dienstzeit, ein Grundbetrag oder ein Ortszuschlag im Sinne beamtenrechtlicher Grundsätze, noch die vom Kläger zur Ruhegehaltskasse und später zum staatlichen rumänischen Sozialversicherungsträger geleisteten Beiträge zugrunde liegen. Derartige Leistungen erfüllten den Begriff einer "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" im Sinne von § 18 Abs. 3 FRG nicht. Auch aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Kirchen vom 27. Juni 1958 könne der Kläger Rechtsansprüche gegen die EKD nicht herleiten, weil dieses Abkommen nicht die Gewährung von Versorgung an den dort näher bezeichneten Personenkreis, sondern nur die Voraussetzungen für die Gewährung eines Bundeszuschusses zur Versorgung dieses Personenkreises durch die Kirchen, die Höhe des Zuschusses und das Abrechnungsverfahren festlege. Das LSG ließ die Revision zu.

Die Beklagte legte form- und fristgerecht Revision ein und beantragte,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Urteils des Sozialgerichts München vom 1. September 1965 die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trug sie vor: Dem LSG sei zwar darin zu folgen, daß die in der Zeit vom 1. Januar 1949 bis 31. Oktober 1958 (für 118 Monate) entrichteten Beiträge zur rumänischen Sozialversicherung als Beitragszeiten anzurechnen seien; zusammen mit den Beiträgen für die Zeiten vom 1. September 1922 bis 31. Mai 1929, die nach § 19 Abs. 2 FRG auf fünf Sechstel (aus 69 Monaten), sonach auf 58 Monate zu kürzen seien, ergäben sich jedoch auch dann nur 176 Beitragsmonate. Hinsichtlich der Zeit vom 1. Dezember 1930 bis 31. Dezember 1948 habe das LSG die §§ 15, 18 Abs. 3 FRG unrichtig angewandt. Bei der Mitgliedschaft des Klägers in der Ruhegehaltskasse der Evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien habe es sich nicht um die Zugehörigkeit zu einem System der sozialen Sicherheit im Sinne von § 15 Abs. 2 FRG gehandelt; auch durch den Übergang des Vermögens der Ruhegehaltskasse auf die rumänische Sozialversicherung hätten diese Beiträge nicht den Charakter von Beiträgen zu einer gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Es treffe auch nicht zu, daß die dem Kläger von der EKD gewährten Leistungen lediglich freiwilliger Natur seien. Nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik und den Kirchen vom 27. Juni 1958 gewähre die Bundesrepublik den Kirchen einen Zuschuß zur Versorgung ua der heimatvertriebenen und sonstigen Seelsorger, die nach dem für sie am 8. Mai 1945 geltenden Recht ihrer Kirche versorgungsberechtigt waren; die Kirchen hätten es übernommen, die Versorgung dieses Personenkreises zu regeln; da Stichtag der 8. Mai 1945 sei, komme es auf die Regelung der Versorgung im Herkunftsland nach Kriegsende nicht an. Der Kläger gehöre zu dem von dem Abkommen erfaßten Personenkreis. Er erhalte dem Abkommen entsprechende Leistungen, das genüge, daß § 18 Abs. 3 FRG zum Tragen komme. Darauf, daß die Versorgungsbezüge als "Betreuungsbeihilfe" oder "Unterstützung" bezeichnet würden, komme es nicht an, auch nicht darauf, daß von dem "rechtstechnischen Mittel des Widerrufsvorbehalts" Gebrauch gemacht werde; nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage (Fortdauer des Bundeszuschusses) sei faktisch dem Kläger mit der Bewilligung der kirchlichen Leistungen eine lebenslängliche Versorgung gewährleistet.

Der Kläger beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

Die beigeladene EKD und die beigeladene Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern stellten keine Anträge.

II

Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist aber nicht begründet.

Für den Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld kommt es - da die möglicherweise sonst in Betracht kommenden Beitragszeiten für die Erfüllung der Wartezeit jedenfalls nicht ausreichen - entscheidend darauf an, ob die Zeit von Dezember 1930 bis 31. Dezember 1948, in der der Kläger Pfarrer der Evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien gewesen ist, für die Erfüllung der Wartezeit anzurechnen ist (§ 25 Abs. 1 und Abs. 4 AVG, §§ 14 ff FRG). Dies ist in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen zu bejahen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das LSG zu Recht die streitigen Zeiten deshalb als Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 15 Abs. 1 und Abs. 2 FRG angesehen hat, weil die Ruhegehaltskasse zum 1. Januar 1949 in die rumänische Sozialversicherung überführt worden ist. Auch wenn dies nicht der Fall wäre, so handelt es sich nämlich bei diesen Zeiten jedenfalls um Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG. Der Kläger ist während dieser Zeiten (nach vollendetem 16. Lebensjahr) in einem der in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) genannten ausländischen Gebiete - in Rumänien - beschäftigt gewesen. Die Beschäftigungszeiten im Sinne von § 16 FRG stehen einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, soweit sie nicht mit Beitragszeiten zusammenfallen. § 18 Abs. 2 Satz 2 FRG, der die Anrechnung von Beschäftigungszeiten im Hinblick darauf, daß vergleichbare einheimische Versicherte wegen Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze aus der Versicherung ausgeschieden wären, beschränkt, berührt den vorliegenden Fall nicht; die Zeiten von 1930 bis 1948 werden von dieser Vorschrift nicht erfaßt (Anl. 2 zu § 22 FRG). Auch § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG steht der Auffassung, daß die Wartezeit durch anrechnungsfähige, den Beitragszeiten gleichgestellte Beschäftigungszeiten im Sinne des § 16 FRG erfüllt ist, nicht entgegen. § 16 FRG hat - ebenso wie bis zum 30. Juni 1965 auch § 15 FRG (Beitragszeiten) - nach § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG aF keine Anwendung gefunden ua auf eine Zeit, die im Geltungsbereich des FRG "einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugrunde gelegt ist ...". Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG nF findet § 16 FRG keine Anwendung ua auf eine Zeit, die im Geltungsbereich des FRG "bei der Gewährung einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen als ruhegehaltfähig berücksichtigt ist ...". Auch für die Anwendbarkeit des § 16 FRG ist sonach zu prüfen, ob die Zeiten der Beschäftigung des Klägers als Pfarrer in Rumänien "einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugrunde gelegt sind" (§ 18 Abs. 3 Satz 1 FRG aF) bzw. ob sie "bei der Gewährung einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen als ruhegehaltfähig berücksichtigt sind" (§ 18 Abs. 3 Satz 1 FRG nF). Damit kommt es nach der alten wie nach der neuen Fassung des § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG darauf an, ob die Leistungen, die der Kläger hier nach Eintritt des Versorgungsfalles von der EKD bzw. von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern erhält, überhaupt als "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" anzusehen sind. Hierbei ist nicht darüber zu entscheiden, ob der EKD bzw. der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern eine Fürsorge- oder Versorgungspflicht gegenüber dem Kläger obliegt und welchen Inhalt diese hat. Es ist deshalb auch nicht zu prüfen, ob die EKD nach dem Abkommen vom 27. Juni 1958 auf Grund der Gewährung von Bundeszuschüssen zur Versorgung der in das Bundesgebiet vertriebenen Kirchenbediensteten zur Versorgung bestimmter Personen verpflichtet ist und ob der Kläger zu diesen Personen gehört. Maßgebend ist allein, ob die dem Kläger tatsächlich gewährten Leistungen der Kirche ihrer Art nach eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen darstellen. Dies ist zu verneinen.

Das LSG hat festgestellt, daß die Zahlungen, die dem Kläger ab 1. Juni 1962 laufend von der EKD gewährt worden sind, freiwillige Leistungen seien, die nur bis zur Feststellung der Rente durch die Beklagte gezahlt werden, um dem Kläger eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu ersparen. Diese Feststellung ist für das Bundessozialgericht (BSG) bindend (§ 163 SGG). Die Rüge der Beklagten, das LSG habe dabei seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, greift nicht durch. Das Abkommen vom 27. Juni 1958 ist den Beteiligten des Rechtsstreits bekannt gewesen und vom LSG gewürdigt worden; das gleiche gilt von dem Text der Ostpfarrerrichtlinien (der übrigens im vorliegenden Fall nach der Sitzungsniederschrift dem SG vorgelegen hat). Die Beklagte hat nicht vorgetragen, das LSG sei von einem unzutreffenden Inhalt des Abkommens oder der Ostpfarrerrichtlinien ausgegangen. Sie wendet sich vielmehr allein dagegen, daß das LSG in Würdigung auch dieser Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen ist, es handele sich bei den dem Kläger von der Kirche gewährten Leistungen nicht um eine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" im Sinne von § 18 Abs. 3 Satz 1 AVG (aF und nF), also gegen die rechtlichen Schlußfolgerungen des LSG. Im Ergebnis sind diese Schlußfolgerungen aber nicht zu beanstanden.

Das LSG hat sich bei seiner Entscheidung auf eine Mitteilung des Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenrates in München vom 3. Oktober 1962 an die Beklagte gestützt (Bl. 23 der Rentenakten). Danach zahlt diese Stelle an den Kläger bis zur Festsetzung der vom Kläger beantragten Rente aus der Angestelltenversicherung "eine jederzeit widerrufliche caritative Unterstützung in Höhe von monatlich 400 DM", die dem Kläger mit dem Hinweis gewährt worden ist, daß er diese Unterstützung - wie einzufügen sein wird: nach der Bewilligung von Rente - zurückzahlen muß. Das LSG ist weiter davon ausgegangen, daß der Kläger einen Pauschbetrag erhält, dem weder die Dauer der kirchlichen Dienstzeit noch ein Grundbetrag oder ein Ortszuschlag zugrunde liegt. Diese Feststellung hat die Beklagte nicht angegriffen. Das LSG hat hieraus zu Recht den Schluß gezogen, es handele sich bei diesen Leistungen der Kirche nicht um eine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" im Sinne von § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG. Fine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" muß "ungeachtet gewisser Abweichungen nach Voraussetzung, Art und Umfang dem Beamtenrecht entsprechen" (so Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., Anm. II 2, 127 zu § 1229 RVO; vgl. ferner Hanow/Lehmann/Bogs, RVO Komm., 5. Aufl., Anm. III 2, Randnr. 13 zu § 1229 RVO; Anders, Komm. zum Gesetz zu Art. 131 GG, 4. Aufl., Anm. 5 zu § 52; vgl. ferner die Allgemeine Verwaltungsvorschrift nach § 18 Abs. 4 FRG des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, des Bundesministers des Inneren und des Bundesministers der Finanzen vom 7. August 1962, Bundesanzeiger 1962 Nr. 151 S. 2 - Nr. 6 - und die an ihre Stelle getretene Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 29. August 1966. Bundesanzeiger 1966 Nr. 170 S. 1/2). Das bedeutet jedenfalls, daß - sofern wie hier der Versorgungsfall eingetreten ist - ein Rechtsanspruch auf Versorgung bestehen muß, Ermessensleistungen genügen nicht. Der Anspruch muß ferner auf lebenslängliche Versorgung bei Dienstunfähigkeit oder Erreichen einer Altersgrenze (und im Falle des Todes auf Hinterbliebenenversorgung) gerichtet sein, es genügt also nicht, wenn Leistungen nur "einstweilen" oder nur "subsidiär" für den Fall gewährt werden, daß andere Ansprüche nicht bestehen (in der Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift nach § 18 Abs. 4 FRG ist zwar nunmehr ausdrücklich die Versorgung durch eine als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannte Religionsgesellschaft erwähnt, aber auch hier ist auf eine dem Beamtenrecht "artgemäße", nämlich auf eine Versorgung auf Lebenszeit abgestellt, vgl. Nr. 6 Abs. 1 und Abs. 3). Die Versorgung muß ferner auf der Grundlage des Arbeitsentgeltes und der Dauer der Beschäftigung oder Dienstzeit beruhen (vgl. Plog/Wiedow, Komm. zum Bundesbeamtengesetz, Anm. 4 ff vor § 105). Der Senat kann offen lassen, ob allgemein die Leistungen, die in unmittelbarer oder auch nur "analoger" Anwendung der Ostpfarrerrichtlinien gewährt werden und diesen Richtlinien entsprechen, schon deshalb nicht eine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" sind, weil diese Leistungen als "nach ihrer Rechtsnatur freiwillige Leistungen" (§ 8 der Richtlinien) charakterisiert sind und weil ihre Gewährung voraussetzt, daß keine anderen Einkünfte bezogen werden (§ 9 der Richtlinien). Im vorliegenden Fall ist jedenfalls eindeutig, daß es sich um Leistungen handelt, die nicht auf Lebenszeit, sondern nur vorübergehend zur Überbrückung einer Notlage gewährt worden sind und daß sie auch der Höhe nach unabhängig von der Dauer der Dienstzeit des Klägers und der Höhe seiner Dienstbezüge als "Pauschbetrag" festgesetzt worden sind.

Das LSG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß solche Leistungen nicht eine dem Beamtenrecht "artgemäße" Versorgung sind, sondern den Charakter einer "caritativen Unterstützung" oder einer Überbrückungsmaßnahme tragen. Hieran ändert auch nichts, daß - wie die Vorinstanzen im vorliegenden Fall angenommen haben - die Höhe des dem Kläger gewährten Pauschbetrages nach § 29 der Ostpfarrerrichtlinien "bemessen" worden ist. Ebenso unerheblich ist aber, ob die EKD auch für diese Leistungen den Bundeszuschuß auf Grund des Abkommens vom 27. Juni 1958 erhält. Die Gewährung des Bundeszuschusses setzt zwar nach dem Abkommen voraus, daß von den Kirchen an den in dem Abkommen bezeichneten Personenkreis "Versorgung" gewährt wird; dies zwingt aber nicht, wie die Beklagte meint, zu dem Schluß, daß die von den Kirchen gewährten Leistungen stets "faktisch" eine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" sind.

§ 18 Abs. 3 Satz 1 FRG (aF und nF) schließt danach die Anrechnung der streitigen Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG im vorliegenden Falle nicht aus. Die Anrechnung dieser Zeiten entspricht auch dem Eingliederungsprinzip, auf dem das FRG beruht. § 16 FRG ist die Vorschrift, die dieses Prinzip am deutlichsten zum Ausdruck bringt; sie bezieht sich grundsätzlich auf alle Vertriebenen, die im Herkunftsland (unselbständig) beschäftigt gewesen sind, sofern die Beschäftigung nach dem ab 1. Januar 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte und diese Zeiten nicht mit Beitragszeiten zusammenfallen. Dabei kommt es - abgesehen von der Beschränkung des § 18 Abs. 2 FRG - nicht darauf an, ob Versicherungspflicht wegen der Höhe des Arbeitsverdienstes oder wegen der Gewährleistung von Versorgungsansprüchen nicht bestanden hätte; es ist deshalb auch unwesentlich, ob der Kläger im Bundesgebiet als Geistlicher im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Satz 4 AVG aF versicherungsfrei gewesen wäre. Da die Beschäftigungszeit von 1930 bis 1948 für die Erfüllung der Wartezeit ausreicht, kann dahingestellt bleiben, ob die übrigen Zeiten Beitragszeiten im Sinne von § 15 FRG sind.

Das LSG hat sonach im Ergebnis zu Recht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 181

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