Leitsatz (amtlich)
Die Wohnung der Braut oder ihrer Eltern ist der Familienwohnung (BVG § 4 Abs 1 S 2) des minderjährigen Wehrdienstpflichtigen nicht gleichzusetzen.
Leitsatz (redaktionell)
Verhältnis von BVG § 4 Abs 1 S 1 Buchst c zu BVG § 4 Abs 1 S 2:
BVG § 4 Abs 1 S 1 Buchst c verlangt einen unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Dienst, insbesondere mit dem Beginn oder Ende des Dienstes, S 2 erfordert diesen engen Zusammenhang nicht. BVG § 4 Abs 1 S 2 ist nicht dahin zu verstehen, daß der Versorgungsschutz nur dann gewährt wird, wenn der Dienstpflichtige eine Unterkunft am Dienstort oder in dessen Nähe hat. Das BVG § 4 Abs 1 S 2 eine Ausnahmevorschrift ist, schließt nicht die analoge Anwendung auf Sachverhalte aus, auf die der Gedanke des Gesetzes angewendet werden kann.
Normenkette
BVG § 4 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1964-02-21; SVG § 80 Abs. 1 Fassung: 1961-09-08, § 81 Abs. 1 Fassung: 1961-09-08; BVG § 4 Abs. 1 S. 1 Buchst. c
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Dezember 1967 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 22. Mai 1967 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger genügte in der Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 31. März 1962 seiner Wehrdienstpflicht bei einer Einheit der Bundeswehr in H. Auf seinen Antrag erhielt er im August 1961 vom 11. August (nach Beendigung des Dienstes) bis zum 14. August 24.00 Uhr einen um einen Tag verlängerten Wochenendurlaub. In dem Urlaubsantrag ist als Grund "Besuch von Bekannten oder Eltern", als Urlaubsanschrift die seiner Eltern in N und die seiner damaligen Braut (und jetzigen Ehefrau) in F angegeben. Den Urlaub verbrachte er bei seiner Braut in deren Elternhaus.
Am 14. August 1961 erlitt er zwischen 20.00 und 21.00 Uhr auf der Rückfahrt vom Urlaubsort etwa 20 km hinter F auf der Bundesstraße B 8 in Richtung W (bei L) einen Verkehrsunfall mit seinem Motorroller, der nach dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. F vom 5. März 1965 zu einer erheblichen Kreuzbandlockerung des rechten Kniegelenks mit knöchernen Veränderungen am Tibiakopf lateral und vorn nach Distorsion geführt hat. Den im April 1964 gestellten Antrag des Klägers, ihm wegen der Folgen dieses Unfalls Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) zu gewähren, lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) mit Bescheid vom 12. April 1965 ab, weil sich der Unfall nicht während der Ausübung des militärischen Dienstes und auch nicht auf dem mit dem Dienst zusammenhängenden Wege zwischen der Familienwohnung und der Dienststelle ereignet habe. Der Widerspruch war erfolglos. Das Sozialgericht (SG) hat nach eidlicher Vernehmung der Ehefrau des Klägers darüber, ob sie am 14. August 1961 bereits mit ihrem jetzigen Ehemann verlobt gewesen sei und ob er sie während des Urlaubs vom 11. bis 14. August 1961 besucht habe, mit Urteil vom 22. Mai 1967 den Beklagten verurteilt, die Folgen des am 14. August 1961 erlittenen Verkehrsunfalls als Wehrdienstbeschädigung nach den Vorschriften des SVG in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anzuerkennen und ab Antragstellung eine dem Gesamtleidenszustand entsprechende Versorgungsrente zu gewähren. Mit Urteil vom 13. Dezember 1967 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die von dem Beklagten erhobene Rüge einer Verletzung des § 130 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei nicht begründet, da die Voraussetzungen eines Grundurteils gegeben gewesen seien. In die gemäß den §§ 80 Abs. 1 und 81 Abs. 1 SVG entsprechend anwendbaren Vorschriften des BVG, nach denen ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten habe, nach Beendigung des Dienstverhältnisses Versorgung erhalte, sei auch § 4 BVG idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) einbezogen. Nach § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG gehöre zum militärischen oder militärähnlichen Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges von und nach der Dienststelle. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG gelte Satz 1 Buchst. c auch für den Weg von und nach der Familienwohnung, sofern der Beschädigte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft habe. Aus den Gesetzesmaterialien zum 2. NOG sei ersichtlich, daß mit der Neufassung des § 4 BVG eine Gesetzeslücke habe geschlossen und das Recht des "Wegeunfalls" des Soldaten dem Beamtenrecht (beamtenrechtliche Unfallfürsorge) und vor allem dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung habe angeglichen werden sollen. Dies führe zu der Überlegung, daß mit § 4 Abs. 1 Buchst. b BVG alle unmittelbar durch den militärischen Dienst bedingten Wege (Dienstreisen, Dienstgänge) geschützt seien. Hätte der Gesetzgeber nur diese dem engeren militärischen Bereich zuzuordnenden Wege des Soldaten schützen wollen, hätte es bei § 4 Abs. 1 Buchst. b BVG sein Bewenden haben können; dann hätte es der Regelung in Buchst. c nicht bedurft. Daraus ergebe sich zwingend, daß der Gesetzgeber auch (ähnlich wie in der gesetzlichen Unfallversicherung) Wege habe schützen wollen, die zwar auch - aber nicht ausschließlich - mit dem Dienst zusammenhingen, die aber teilweise dem privaten, d. h. dem eigenwirtschaftlichen Bereich, zuzuordnen seien. Deshalb kämen für Buchst. c nur Wege in Betracht, die der Soldat außerhalb seines eigentlichen Dienstbereichs (zwischen Dienstschluß und Dienstbeginn, Urlaub) zurücklege. Die Abgrenzung, wann und in welchem Ausmaß ein Weg noch mit dem Dienst zusammenhänge, könne nur kasuistisch beurteilt werden und richte sich nach der in der Sozialgerichtsbarkeit herrschenden Kausallehre. Um einen Sachverhalt unter den § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG zu subsumieren, müsse genügen, daß der Weg zwar im eigenwirtschaftlichen Interesse (z. B. Urlaubsfahrt) zurückgelegt werde, daß daneben aber der Weg auch - mindestens gleichwertig - in einer engen zeitlichen und inneren ursächlichen Beziehung zum Dienst stehe, insbesondere durch den dienstlichen Zwang, sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einzufinden. Alle anderen Wege oder Fahrten, die der Soldat während seiner Freizeit in privatwirtschaftlichem Interesse zurücklege, seien versorgungsrechtlich nicht geschützt. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spreche auch § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG. In dieser Vorschrift werde ohne weiteres unterstellt, daß der Weg von der Dienststelle zur Unterkunft und zurück, also der Weg zu einem privatwirtschaftlichen Bereich und zurück, geschützt sei. Damit aber niemand auf den Gedanken kommen solle, daß mit dem Erreichen der Unterkunft der mit dem Dienst zusammenhängende Weg beendet und die darüber hinausgehende Fahrt zur Familienwohnung nicht mehr versorgungsrechtlich geschützt sei, habe der Gesetzgeber diesen häufig vorkommenden Fall zur Vermeidung von Unklarheiten besonders geregelt. Keinesfalls habe er damit zum Ausdruck bringen wollen, daß der Besuch der Familienwohnung (bzw. des Mittelpunktes der Lebensinteressen) der einzige durch Buchst. c geschützte Fall sei. Im übrigen wäre § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG auf den Kläger schon deswegen nicht anwendbar, weil dieser zur Unfallzeit gar keine "Unterkunft" im Sinne dieser Vorschrift besessen habe. Würde man der Auffassung des Beklagten folgen, dann würden gleichartige Fälle ungleich behandelt, dann wäre der Soldat, der eine Familie habe, auf dem Weg zu dieser und zurück geschützt, nicht aber der Soldat, der z. B. weder eine Familie noch einen zivilen Wohnsitz habe und der seinen Urlaub auf einer Skihütte in den Bergen verbringe. Deshalb könne keinem Zweifel unterliegen, daß auch der letztgenannte Soldat zwar nicht auf den Wegen, die er während seines Urlaubes zurücklege, wohl aber auf den (zeitgerecht zurückgelegten) Wegen zur und von der Skihütte von und zum Dienstort dem versorgungsrechtlichen Schutz unterliege. Nach alledem könne es nicht darauf ankommen, ob der Kläger den Wochenendurlaub bei seinen Eltern oder im Elternhaus seiner Braut verbracht habe; entscheidend sei allein, daß er sich auf einem Wege befunden habe, der zwar teilweise durch das eigenwirtschaftliche Interesse am Besuch seiner Braut, aber ebenso durch den militärischen Befehl, sich zu einer bestimmten Zeit (spätestens um Mitternacht) an einem bestimmten Ort einzufinden, bedingt gewesen sei. Auch medizinisch müßten alle Anspruchsvoraussetzungen für die vom SG festgestellten Schädigungsfolgen und für eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 25 v. H. als erfüllt angesehen werden.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG. § 4 BVG bedeute eine eng auszulegende Ausweitung des Begriffs Wehrdienst. Die Auffassung des LSG, gleichartige Fälle würden, wenn man der Auffassung des Beklagten folge, ungleich behandelt, könne schon deswegen nicht richtig sein, weil der zurückzulegende Weg mit dem Wehrdienst in einem engen zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang stehen müsse und die ursächliche Beziehung zum Dienst jeweils eine andere sei, ob der Soldat zum Wohnsitz seiner Familie fahre oder seinen Urlaub auf einer Skihütte verbringe. Der ursächliche Zusammenhang des Dienstes zur Familienheimfahrt sei deswegen enger, weil infolge des Wehrdienstes die räumliche Trennung zur Familie herbeigeführt worden sei. Für diese Rechtsauffassung, daß der Besuch der Familie bzw. des Mittelpunktes der Lebensinteressen besonders geschützt sein solle, spreche § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG. Wäre der Zusammenhang des zurückzulegenden Weges mit dem Dienst nicht so eng zu ziehen, wäre nicht verständlich, daß in Satz 2 der genannten Vorschrift der Weg von und nach der Familienwohnung erwähnt sei, obgleich gerade dieser Weg in einem besonders engen Zusammenhang zum Dienst stehe und über seinen versorgungsrechtlichen Schutz weniger Zweifel als über den Schutz der Vielzahl der anderen Wege bestehen dürften. Auch nach der von Wilke in der 2. Auflage seines Kommentars zum BVG (Anm. IV und VI zu § 4) vertretenen Auffassung gehöre zum militärischen Dienst der Weg während einer Familienheimfahrt anläßlich eines Wochenendes oder eines Urlaubs, nicht dagegen die Fahrt zu irgendeinem Urlaubsort oder zu Verwandten oder zur Braut. Ob der Weg zur Braut versorgungsrechtlich geschützt sei, könne im Einzelfall Tatfrage sein, sei jedoch in der Regel - wie auch hier - zu verneinen. Der ledige Soldat, der bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst im Elternhaus gelebt habe, behalte normalerweise auch während der Dauer des Wehrdienstes den räumlichen Mittelpunkt seiner bürgerlichen Lebensinteressen am Wohnsitz seiner Eltern. Weil der Soldat üblicherweise im Urlaub an den Ort zurückkehre, an den er durch seine bürgerlichen Lebensinteressen auch weiterhin gebunden bleibe, sei er auf solchen Fahrten gemäß § 81 SVG versorgungsrechtlich geschützt. Dagegen bilde der Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Braut noch nicht den räumlichen Mittelpunkt seiner gesamten Lebensinteressen. Die Beziehungen zwischen den Verlobten seien persönlicher Art und nicht an einen bestimmten Ort gebunden. Auf die Häufigkeit und Dauer der besuchsweisen Aufenthalte bei der Braut komme es nicht an, da diese ihrer Natur nach nur vorübergehend seien und als solche noch keine Verlagerung des räumlichen Schwerpunktes der Lebensverhältnisse zur Folge hätten. Daß der Kläger innerhalb von sieben Monaten einen Teil seiner Wochenendurlaube bei seiner Braut verbracht habe und daß er seit acht Monaten verlobt gewesen sei, seien keine Umstände, durch die eine Verlagerung des räumlichen Schwerpunktes der Lebensverhältnisse des Klägers an den Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Braut als vollzogen angesehen werden könnte.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es könne dahingestellt bleiben, ob auch der Weg von der Dienststelle etwa zu einer Skihütte als dienstlich bedingt anzusehen sei. Jedoch sei dem Erstgericht darin beizutreten, daß nicht nur die Überbrückung des Weges zwischen der Dienststelle und dem Wohnsitz im eigentlichen Sinn geschützt sei, sondern daß unter diesen Unfallschutz zumindest auch die Zurücklegung des zur Aufrechterhaltung der engsten persönlichen Beziehungen des Soldaten notwendigen Weges fallen müsse.
Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Unfalls knapp 21 Jahre alt und damit in einem Alter gewesen, in dem seine Bindungen zum Elternhaus nicht mehr so stark hätten sein können wie dies etwa bei einem 18jährigen der Fall sei. Ob auf Grund des Verlöbnisses der Aufenthaltsort der Braut auch zum räumlichen Mittelpunkt der Gesamtheit aller Lebensinteressen des Bräutigams geworden sei, spiele insoweit keine Rolle, da es ja gerade nicht darum gehe, den Wohnsitz des Klägers im Sinne des § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu ermitteln, sondern nur darum, ob irgendwelche höchstpersönlichen privaten Belange des Klägers es gerechtfertigt hätten, statt zu seinen Eltern zu seiner Braut zu fahren. § 4 BVG sei so zu verstehen, daß unter die geschützten Wege diejenigen fielen, die der Soldat zwischen der Dienststelle und dem Ort zurücklege, in dem er einen Schwerpunkt seines Privatlebens begründet habe. Man könne auch nicht sagen, daß erst im Moment der Eheschließung der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse vom Wohnort der Eltern auf den der Ehefrau übergehe, jedenfalls dann nicht, wenn die persönlichen Beziehungen zwischen den Brautleuten sich allmählich im Hinblick auf eine dauernde Bindung enger gestaltet hätten.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und deshalb zulässig (§§ 164, 166 SGG); sie ist auch sachlich begründet.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12. April 1965, mit dem die Versorgungsbehörde die durch den Unfall des Klägers vom 14. August 1961 hervorgerufenen Verletzungsfolgen nicht als eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne der §§ 80, 81 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) vom 26. Juli 1957 (BGBl I 785) idF vom 8. September 1961 (BGBl I 1685) anerkannt hat. Nach § 80 Abs. 1 dieses Gesetzes, einer Vorschrift, die nicht durch das Änderungsgesetz vom 6. August 1964 (BGBl I 603) und auch nicht durch das Dritte Neuordnungsgesetz vom 28. Dezember 1966 (vgl. Neufassung vom 20. Februar 1967, BGBl I 201, 202) berührt wird, erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit in diesem Gesetz (SVG) nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach der ebenfalls nicht geänderten Vorschrift des § 81 Abs. 1 SVG ist Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Dienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Entsprechend anwendbar im Sinne des § 80 Abs. 1 SVG ist für die Zeit seit Stellung des Antrags des Klägers im April 1964 auch § 4 BVG idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85), der unverändert in das Dritte Neuordnungsgesetz (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) eingegangen ist. Nicht anwendbar ist jedoch § 27 SVG, der nur die Ansprüche des Berufssoldaten auf Gewährung von Unfallruhegehalt betrifft und in Abs. 3 eine mit § 4 Abs. 1 BVG korrespondierende Vorschrift enthält (vgl. hierzu auch BSG 28, 190, 191 f). Nach § 4 Abs. 1 BVG gehören zum militärischen oder militärähnlichen Dienst auch als geschützte Wege - die aber hier von vornherein ausscheiden - der Weg des Einberufenen zum Gestellungsort und der Heimweg nach Beendigung des Dienstverhältnisses (Buchst. a) sowie Dienstreisen, Dienstgänge und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort (Buchst. b). Nach § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG gehört ferner zum militärischen Dienst "das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle". § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG enthält im Anschluß an die in § 1 Abs. 1 Buchst. a bis d BVG geregelten Sachverhalte einen weiteren Tatbestand. Die Vorschrift lautet: "Hatte der Beschädigte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, gilt Satz 1 Buchst. c auch für den Weg von und nach der Familienwohnung". Das LSG hat geglaubt, dem § 4 Abs. 1 Buchst. c entnehmen zu können, daß durch diese Vorschrift auch der Weg versorgungsrechtlich geschützt sei, der zwar im eigenwirtschaftlichen Interesse (z. B. Urlaubsfahrt) zurückgelegt werde, der daneben aber auch - mindestens gleichwertig - in einem engen zeitlichen und inneren Zusammenhang zum Dienst stehe, insbesondere durch den dienstlichen Zwang, sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einzufinden. § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG regele "zur Vermeidung von Unklarheiten" die Fahrt zur Familienwohnung, womit aber nicht habe zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß der Besuch der Familienwohnung der einzige durch Buchst. c geschützte Fall sei. Das LSG hat somit die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG als eine nur beispielhafte Interpretation oder Erläuterung der in Buchst. c bereits geregelten Sachverhalte angesehen und deshalb bei den im eigenwirtschaftlichen Interesse zurückgelegten Wegen, z. B. der Urlaubsrückfahrt zur Dienststelle, nur noch einen engen zeitlichen und inneren Zusammenhang zum Dienst gefordert. Diese Auffassung verkennt das Verhältnis der Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG zu dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG geregelten besonderen Tatbestand. Zu diesem Verhältnis hat das Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil vom 6. August 1968 (BSG 28, 190, 196 f) ausgeführt, daß der Unterschied zwischen der Regelung in § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG und der des § 4 Abs. 1 Satz 2 gerade darin bestehe, daß nach Buchst. c der "dienstbedingte Weg" zur Dienststelle am Dienstort - der regelmäßig nicht der Ort der Familienwohnung sei - geschützt werde, während nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der "familienbedingte" Weg zum militärischen oder militärähnlichen Dienst gehöre. Daß es sich hierbei nicht um einen gegenüber dem Buchst. c erweiterten Schutz eines "dienstbedingten Weges" handele - wie aus der Bezugnahme auf Satz 1 Buchst. c entnommen werden könnte - ergebe sich schon daraus, daß der Weg von und nach der Familienwohnung unter Versorgungsschutz gestellt werde, obwohl der Soldat am Dienstort (oder, wie hinzugesetzt werden könnte, in dessen Nähe) eine Unterkunft besitze, der von ihm notwendigerweise vorzunehmende "dienstbedingte Weg", also am Dienstort selbst - nämlich von der Unterkunft zur Dienststelle - zurückgelegt werden könne. Anknüpfungspunkt für den Versorgungsschutz ist in § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG somit gleichermaßen wie in Buchst. a der Dienst (in Buchstabe b und d die Dienstausübung), in § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG dagegen die vom Dienstort räumlich entfernte Familienwohnung (BSG 28, 196). Der Versorgungsschutz wird hier nur gewährt, weil der wegen der Dienstausübung am Dienstort von seiner Familie getrennt lebende Dienstpflichtige auf Grund der räumlichen Entfernung zu Fahrten zur Familienwohnung gezwungen ist. Wie das BSG in der angegebenen Entscheidung dargelegt hat (S. 197), ist im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG durch Abs. 1 Satz 2 auch eine solche Heimfahrt versorgungsrechtlich geschützt, die nicht in (engstem) zeitlichem Zusammenhang mit dem Dienst steht, weil der durch die Dienstausübung entstandene Zwang, Fahrten zu der räumlich entfernten Familienwohnung anzutreten, unabhängig von dem Beginn und der Beendigung des Dienstes besteht. Der Senat tritt dieser Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG bei. Diese Vorschrift und § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG betreffen grundsätzlich verschiedene, teils engere, teils weitere Tatbestände insofern, als § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG einen unmittelbaren örtlichen (Unterkunft am Dienstort oder in dessen Nähe) und zeitlichen Zusammenhang mit dem Dienst, insbesondere mit dem Beginn oder Ende des Dienstes verlangt, Satz 2 diesen engen Zusammenhang jedoch nicht erfordert, dafür aber nur das Zurücklegen des Weges von und nach der vom Dienstort räumlich entfernten Familienwohnung selbständig unter versorgungsrechtlichen Schutz stellt. Sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben, bedarf die Frage, ob die gesundheitliche Schädigung auf die dem militärischen oder militärähnlichen Dienst eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen ist (§ 1 Abs. 1 BVG) keiner Prüfung (vgl. auch Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung - BMA - BVBl 1964 S. 34 Nr. 10). Ein Unfall, der sich im Wochenendurlaub auf dem Rückweg vom Urlaubsort zur Truppenunterkunft ereignet, ist nicht schon deswegen im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG auf die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen, weil das Urlaubsziel außerhalb des Standortes lag (BSG 7, 75, 77 ff).
Die Entscheidung hängt somit davon ab, ob § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG die Auslegung zuläßt, das Gesetz habe damit sinngemäß auch das Zurücklegen des Weges von dem Wohnort der Braut zum Dienstort unter Versorgungsschutz stellen wollen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die einer wesentlich anderen Interessenlage als § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG Rechnung tragen soll. Mit ihr wird nur das Unfallrisiko übernommen, das bei Heimfahrten infolge der gebotenen Ableistung des Dienstes am Dienstort und der dadurch verursachten notwendigen räumlichen Trennung von der Familienwohnung entsteht. Mit dieser Vorschrift wird im Ergebnis erreicht, daß Unfälle bei Urlaubsfahrten zu der räumlich entfernten Familienwohnung und zurück als durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse verursacht zu gelten haben (vgl. auch BMA in BVBl 1964 S. 34 Nr. 10). § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG ist nicht etwa dahin zu verstehen, daß der Versorgungsschutz nur dann gewährt wird, wenn der Dienstpflichtige eine Unterkunft am Dienstort oder in dessen Nähe hat. Eine solche Auslegung ließe jede Beziehung zu dem mit der Regelung beabsichtigten Ziel und zu dem mit ihr geschützten Interesse vermissen. Die Unterkunft am Dienstort oder in dessen Nähe ist keineswegs Anspruchsvoraussetzung des Versorgungsschutzes für Familienheimfahrten. Dieser soll vielmehr auch dann, d. h. unbeschadet der Tatsache, daß eine solche Unterkunft am Dienstort oder in dessen Nähe bereits vorhanden ist, nicht ausgeschlossen sein, wie dies zutreffend und unmißverständlich in § 27 Abs. 3 SVG - für Berufssoldaten - zum Ausdruck gekommen ist. Der Hinweis auf die Unterkunft am Dienstort oder in dessen Nähe bedeutet nur eine Verweisung auf den nach § 4 Abs. 1 Buchst. c BVG ohnedies bestehenden Schutz. Daß § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG eine Ausnahmevorschrift ist, schließt allerdings nicht die analoge Anwendung auf Sachverhalte aus, auf die der Gedanke des Gesetzes angewendet werden kann. Dies trifft beim Urlaubsbesuch am Wohnort der Braut jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen nicht zu. Wenn das Gesetz den Weg "von und nach der Familienwohnung" unter besonderen Versorgungsschutz stellt, so ist damit ein an die bestehenden familienrechtlichen Beziehungen anknüpfendes Erfordernis bezeichnet. Dieses Merkmal fehlt anderen außerhalb des Dienstes frei gewählten Aufenthaltsorten von kürzerer oder auch längerer Dauer. Der minderjährige Dienstpflichtige, der bis zu seiner Einberufung im Elternhaus oder in häuslicher Gemeinschaft mit anderen Verwandten gelebt hat, behält in der Regel auch während der Dauer des Wehrdienstes diese Familienwohnung als Mittelpunkt seiner durch den Wehrdienst unterbrochenen bürgerlichen Lebensverhältnisse bei. Die Familienwohnung ist somit die Wohnung, wo der Soldat zu Hause ist. Dies gilt jedenfalls solange, als er nicht ersichtlich seinen Wohnsitz bei den Eltern aufgegeben hat (so auch Bochalli, Bundesbeamtengesetz 3. Aufl. § 135 Anm. 3). Der verheiratete Soldat hat seine Familienwohnung am Ort des Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts seiner Familie, der alleinstehende Soldat an dem Ort, an den er durch dauernde Niederlassung, seinen Beruf und seine sonstigen Lebensverhältnisse gebunden ist. Während der Zeit des Wehrdienstes ist eine Verlagerung der Familienwohnung bei Änderung des Mittelpunktes der bürgerlichen Lebensverhältnisse möglich; ob dies anzunehmen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Die Verlobung eines Soldaten und der häufige Besuch der Braut haben aber keinen Einfluß auf die Familienwohnung und begründen keinen neuen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Dienstpflichtigen. In diesem Falle tritt nicht an die Stelle der seitherigen Familienwohnung die Wohnung der Eltern der Braut. Das Verlöbnis erzeugt zwar familienrechtlich erhebliche, aber doch nur persönliche Beziehungen, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind; die Besuche sind schon ihrer Natur nach nur vorübergehend (so schon durchweg BVerwG, Urteil vom 9. April 1964 - BVerwG VIII C 184/63 - § 85 SVG, NJW 1964 S. 2031/2032; vgl. auch Bochalli aaO § 135 Anm. 3). Welche Wohnung abweichend hiervon in besonderen Fällen als "Familienwohnung" gelten kann, z. B. dann, wenn das Verhältnis des Dienstpflichtigen zu seinen Eltern so gestört ist, daß er deswegen in einem anderen Hause, z. B. der Eltern der Braut, seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat (vgl. Wilke, BVG, 3. Aufl. § 81 SVG Anm. II 1), bedarf hier nicht der Prüfung, weil solche Umstände nicht behauptet und auch nicht ersichtlich sind. Im vorliegenden Fall ist in dem Wehrdienstbeschädigungs-Blatt vom 16. August 1961 als Heimat- bzw. Entlassungsanschrift des Klägers die seiner Eltern in N Krs. Ö vermerkt und in dem 1961 eingeleiteten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft hat der Kläger selbst angegeben, in N, S-straße 24 "wohnhaft" zu sein. In dem Urlaubsantrag vom 7. August 1961 ist nicht nur die Wohnung der Braut, sondern auch die der Eltern sowie als Grund des Urlaubs der Besuch "von Bekannten oder Eltern" angegeben. Es spricht also nichts dafür, daß der Kläger die Wohnung der Eltern nicht mehr als seine Familienwohnung angesehen hätte. Daß er in der Zeit der Wehrdienstpflicht seine Braut, mit der er nach deren Aussage vor dem SG seit Weihnachten 1960 verlobt war, häufig besucht und den Urlaub vom 11. bis zum 14. August 1961 nur in der elterlichen Wohnung der Braut verbracht hat, ist für die hier zu entscheidende Frage der Familienwohnung unerheblich, zumal der am 30. September 1940 geborene Kläger zur Zeit des Unfalles noch minderjährig war und seinen Wohnsitz nicht ohne die Zustimmung der Eltern hätte ändern können (§§ 7, 8 BGB). Wenn in strafrechtlicher Hinsicht, so z. B. in den §§ 52 Abs. 2 und 54 StGB (Nötigungsstand und Notwehr), der Verlobte den Angehörigen gleichgestellt ist, so handelt es sich um Schuldausschließungsgründe, bei denen das Gesetz die persönliche Verbundenheit des Täters mit dem Verlobten berücksichtigt. Daß dieser Gedanke bei der Regelung des Wegeunfalles in § 4 BVG von Bedeutung gewesen sein könnte, ist jedoch dem im Gesetz gewählten Ausgangspunkt der Familienwohnung, d. h. der Trennung vom Dienstort, nicht zu entnehmen. Da der Kläger die Rückfahrt aus dem Urlaub nicht von dem Ort seiner Familienwohnung (N Kreis Ö in Baden-Württemberg), sondern von F (Bayern) aus angetreten hat und auf der Fahrt in Richtung W verunglückt ist, ist § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG hier nicht anwendbar.
Da somit der Anspruch des Klägers auf Versorgung nach § 4 BVG nicht begründet ist, waren auf die Revision des Beklagten die Urteile des LSG und des SG, die diesen Anspruch bejaht haben, aufzuheben.
Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen