Leitsatz (amtlich)
Auch Personen, die aus persönlichen (familiären) Gründen nur eine Teilzeitbeschäftigung haben verrichten können, sind nicht berechtigt, die entrichteten Pflichtbeiträge durch die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach AnVNG Art 2 § 49a (= ArVNG Art 2 § 51a) aufzustocken.
Orientierungssatz
Verfassungsmäßigkeit der Beitragsnachentrichtung: 1. Die in Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG (= Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG) getroffene Regelung über Art und Umfang der Nachentrichtung von Beiträgen verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.
Normenkette
AnVNG Art 2 § 49a Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Fassung: 1972-10-16; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 18.01.1979; Aktenzeichen L 2 An 14/78) |
SG Bremen (Entscheidung vom 13.03.1978; Aktenzeichen S An 222/76) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für die Zeit von Januar 1969 bis September 1974, die bereits aus einer Teilzeitbeschäftigung mit Pflichtbeiträgen zur Angestelltenversicherung belegt ist, auch noch nach Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) Beiträge bis zur Höchstgrenze nachentrichten (aufstocken) darf.
Die Klägerin hatte während ihrer im Dezember 1966 geschiedenen Ehe keine Berufstätigkeit ausgeübt. Danach hatte sie zunächst unentgeltlich ihre gebrechliche Mutter bis zu deren Tode am 31. August 1973 in einem gemeinsamen Haushalt betreut und deren Dreifamilienhaus verwaltet. Im Januar 1969 hatte sie eine versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung aufgenommen. Sie meint, im Hinblick auf die Pflege- und Hausfrauentätigkeit zur Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG berechtigt zu sein.
Die Beklagte lehnte die Nachentrichtung ab (Bescheid vom 10. November 1975; Widerspruchsbescheid vom 6. September 1976). Die Klage und die Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Bremen vom 13. März 1978; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Bremen vom 18. Januar 1979). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne weder weitere Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge nachentrichten. Die nachträgliche Entrichtung von Pflichtbeiträgen sei insbesondere nicht wegen der Tätigkeit der Klägerin für ihre Mutter statthaft, weil es sich dabei nicht um ein entgeltliches abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Auch die Nachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG komme für die Klägerin nicht in Betracht, weil die Zeiten, für die sie die Nachentrichtung begehre, schon mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegt seien. Das Verbot der Aufstockung der Beiträge sei durch Art 2 § 49a AnVNG auch nicht für solche Versicherte durchbrochen worden, die bereits Pflichtbeiträge unterhalb der Höchstbeiträge entrichtet hätten. Diese Regelung sei auch, wie bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden habe, mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar.
Hiergegen richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Klägerin. Sie macht zur Begründung geltend, die Anwendung des Aufstockungsverbotes auf Personen, die wegen der Notwendigkeit der Betreuung hilfsbedürftiger Angehöriger nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben konnten, verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Da der Gesetzgeber insbesondere den bisher nicht pflichtversicherten Hausfrauen den Aufbau einer eigenen Rentenversicherung habe ermöglichen wollen, spreche gerade die Einbeziehung der teilzeitbeschäftigten Hausfrauen und derjenigen, die wegen der Betreuung hilfsbedürftiger Angehöriger nur eine Teilzeitbeschäftigung verrichten konnten, in den Kreis der Nachentrichtungsberechtigten seiner Zielsetzung.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Bremen
vom 18. Januar 1979 und des Sozialgerichts Bremen
vom 13. März 1978 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 10. November 1975 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. September 1976
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin
die Nachentrichtung/Aufstockung von Beiträgen gemäß
Art 2 § 49a AnVNG für die Zeit von Januar 1969 bis
September 1974 zu gestatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin nicht berechtigt ist, die für die streitige Zeit entrichteten Pflichtbeiträge durch die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Art 2 § 49a AnVNG aufzustocken.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung zu anderen Nachentrichtungsvorschriften in der gesetzlichen Rentenversicherung die nachträgliche Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung bereits entrichteter Beiträge für unzulässig gehalten (vgl zu § 1407 der Reichsversicherungsordnung -RVO-: BSG SozR Nr 3 zu § 1407 RVO; BSGE 35, 178 = SozR Nr 4 zu § 1407 RVO; zu § 1418 RVO: BSG SozR Nr 8 zu § 1418 RVO; zu Art 2 § 42 ArVNG: BSG SozR Nr 38 zu Art 2 § 42 ArVNG; zu Art 2 § 52 ArVNG: BSG SozR Nr 10 zu Art 2 § 52 ArVNG; Urteil vom 22. August 1967 - 11 RA 338/64 - DAngVers 1968, 67). In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat (vgl Urteil vom 4. April 1979 - 12 RK 36/78 - mwN, DRV 1979, 339) herausgestellt, daß dieses Änderungsverbot einem dem Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Rentenversicherung eigenen Wesenszug entspricht, wonach dieses Verhältnis grundsätzlich nachträglich nicht mehr geändert werden darf. Der Senat hat ferner im Urteil vom 30. November 1978 - 12 RK 43/76 - (BSGE 47, 207) entschieden, daß der Gesetzgeber diesen Grundsatz auch bei der Schaffung der Ausnahmevorschrift des Art 2 § 49a AnVNG (= Art 2 § 51a ArVNG) voll gewahrt hat; er hat darin nur unter Durchbrechung des § 1418 RVO (= § 140 Abs 1 AVG) in beschränktem und zeitlich erschöpfend abgegrenztem Umfange die Nachentrichtung von Beiträgen zugelassen, hingegen das in § 1407 Abs 2 Satz 1 RVO (= § 129 Abs 2 Satz 1 AVG) normierte Doppelbelegungs- und Aufstockungsverbot unberührt gelassen (ebenso Urteil des erkennenden Senats vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 -). Dementsprechend kann ein Versicherungsverhältnis, sobald es durch eine Beitragsentrichtung eine bestimmte Gestalt gefunden hat, nicht mehr durch Zahlung von Aufstockungsbeiträgen nachträglich geändert werden (BSGE 35, 178, 180 = BSG SozR Nr 4 zu § 1407 RVO). Daran kann, wie der Senat in dem bereits erwähnten Urteil vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 - ausgeführt hat, auch der Umstand nichts ändern, daß die Nachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG (= Art 2 § 51a ArVNG) sich auf einen Zeitraum von bis zu 18 Jahren erstrecken kann, dessen Unterbelegung sich erheblich auf die spätere Rentenhöhe auswirkt. Dieser Gesichtspunkt spielt rechtlich auch bei anderen außerordentlichen Nachentrichtungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei der Nachentrichtung nach Art 2 § 52 ArNVG (= Art 2 § 50 AnVNG) keine Rolle, obwohl es sich dort teilweise um noch längere Nachentrichtungszeiträume handelt. Auch die Klägerin ist danach für die streitige Zeitspanne nicht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG befugt, weil ihr Versicherungsverhältnis durch die Leistung von Pflichtbeiträgen aus der von ihr während dieser Zeit ausgeübten Teilzeitbeschäftigung abschließend gestaltet worden ist.
Die in Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG getroffene Regelung über Art und Umfang der Nachentrichtung von Beiträgen verstößt entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Richtig ist insoweit zwar der Ausgangspunkt der Revision, daß nach der Zielsetzung des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) die Öffnung der Rentenversicherung für weitere, bisher nicht versicherte Gesellschaftsgruppen beabsichtigt war, zu denen insbesondere auch die Hausfrauen und die mithelfenden Familienangehörigen gehören. Der Gesetzgeber hat aber für diesen Personenkreis die Rentenversicherung nur insoweit öffnen und für sie das damit in Zusammenhang stehende Nachentrichtungsrecht nur insoweit begründen wollen, als nicht bereits eine andere gesetzliche Sicherung bestand (BT-Drucks VI/2916, Teil A, Allgemeines, S 37 unter I). Dementsprechend haben diejenigen Personen, die bei Inkrafttreten des RRG der gesetzlichen Rentenversicherung schon angehörten und freiwillige Beiträge unterhalt der höchsten Beitragsklasse entrichtet hatten, diese Beiträge nicht aufstocken können, während diejenigen, denen damals die Möglichkeit zum Beitritt neu eröffnet worden ist, zur Nachentrichtung im Rahmen bestimmter Höchstsätze zugelassen worden sind. Das BVerfG hat schon in dem Beschluß vom 28. September 1978 - 1 BVl 31/76 und 1 BvL 4/77 - (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 19) entschieden, daß diese unterschiedliche Regelung, insbesondere der Ausschluß der Aufstockung bei vorhergegangener Entrichtung freiwilliger oder Pflichtbeiträge unterhalb der Beitragshöchstgrenze mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist, weil das Sicherungsbedürfnis sich in beiden Fällen erheblich unterschieden hat; die vom Gesetzgeber getroffene Abgrenzung der Nachentrichtungsberechtigung wäre zwar anders möglich gewesen, sei aber in der geschehenen Weise nicht willkürlich und müsse unter diesen Umständen hingenommen werden.
Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht hat das LSG zutreffend entschieden, daß auch für teilzeitbeschäftigte Hausfrauen und andere Personen, die aus familiären Gründen nur eine Teilzeitbeschäftigung haben verrichten können, keine andere Abgrenzung in Betracht kommt. Ihr Schutz- und Sicherungsbedürfnis ist nicht höher zu bewerten als das anderer Teilzeitbeschäftigter oder solcher Beschäftigter, für die wegen der geringeren Höhe ihres Einkommens nicht die Beiträge der höchsten Klasse entrichtet worden waren. Wie für diese Versicherten muß es auch für Personen - nicht notwendigerweise nur Hausfrauen -, die aus persönlichen, auch gesundheitlichen Gründen keine Vollzeitbeschäftigung verrichten konnten, hingenommen werden, daß der Gesetzgeber für sie in Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG (= Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG) das Aufstockungsverbot nicht durchbrochen hat.
Die Klägerin ist auch nicht als sogenannte Doppelberuflerin zur Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 1 AnVNG berechtigt. Der Senat hat in dem Urteil vom 13. September 1979 - 12 RK 26/77 - (BSGE 49, 38) entschieden, daß Personen, die in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen, während der gleichen Zeit eine davon unabhängige selbständige Erwerbstätigkeit ausüben und für diese nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 9 RVO oder § 2 Abs 1 Nr 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) versicherungspflichtig werden, unabhängig von der Entrichtung von Beiträgen im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses in ihrem selbständigen Tätigkeitsbereich zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 1 AnVNG berechtigt sein können. Hierzu weist die Beklagte zu Recht darauf hin, daß es sich insoweit nicht um eine Durchbrechung des Aufstockungsverbots handelt, sondern um die versicherungsrechtliche Beurteilung zweier voneinander unabhängiger Lebenssachverhalte, die auch versicherungsrechtlich eigenständig zu beurteilen sind (erkennender Senat aaO S 39). Die Klägerin war aber während der hier zu beurteilenden Zeit schon deshalb keine Doppelberuflerin, weil sie nach den unangefochtenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG die Pflege und die Hausverwaltung für ihre Mutter sowie die Führung des gemeinsamen Haushaltes nicht im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Nr 11 AVG (§ 1227 Abs 1 Nr 9 RVO), sondern innerhalb der bestehenden Familiengemeinschaft unentgeltlich geleistet hat. Deshalb hat die Beklagte die Zulassung der Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art 2 § 49a AnVNG insgesamt zu Recht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen