Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachentrichtung von Beiträgen nach AnVNG Art 2 § 49a (= ArVNG Art 2 § 51a). nachträgliche Änderung des bindenden Bescheides
Orientierungssatz
1. Die Befugnis zu einer einseitigen Änderung eines Nachentrichtungsantrages durch den Antragsteller endet spätestens mit dem Eintritt der Bindung des Nachentrichtungsbescheides (vgl BSG 1980-02-22 12 RK 12/79 = BSGE 50, 16).
2. Trotz einer eingetretenen Bindungswirkung eines Nachentrichtungsbescheides darf der Rentenversicherungsträger einen Änderungsantrag nicht allein unter Berufung auf die Bindung eines früheren Bescheides ablehnen. Er ist verpflichtet, im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, ob die gestattete Nachentrichtung von Beiträgen in der nachträglich beantragten Weise vorgenommen werden kann (vgl BSG 1980-02-22 12 RK 12/79 = BSGE 50, 16).
3. Der Versicherungsträger darf eine beantragte Herabsetzung der Beitragsklasse nicht ohne weiteres ablehnen, wenn von einem Nachentrichtungsberechtigten Umstände vorgetragen werden, aus denen sich eine nachträgliche, dh eine nachträglich eingetretene oder nachträglich erkannte, Belastung durch die im Nachentrichtungsbescheid festgestellten Beitragsklassen ergibt (vgl BSG 1980-11-18 12 RK 54/79).
Normenkette
AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 14.12.1979; Aktenzeichen L 1 An 99/79) |
SG Lüneburg (Entscheidung vom 28.05.1979; Aktenzeichen S 14 An 89/78) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin berechtigt ist, nach Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) Beiträge in niedrigeren Klassen nachzuentrichten als ihr die Beklagte mit bindendem Bescheid gestattet hat.
Mit Bescheid vom 19. Februar 1976 entsprach die Beklagte dem Antrag der Klägerin vom Dezember 1975 auf Zulassung der Nachentrichtung von 216 Monatsbeiträgen der Klasse 400 für den Zeitraum von 1956 bis 1973 und ließ die Teilzahlung zu. Diesen Bescheid focht die Klägerin nicht an. Im Dezember 1977 beantragte sie, ihr wegen finanzieller Schwierigkeiten die Nachentrichtung in der Klasse 100 zu gestatten. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 2. März 1978 mit der Begründung ab, der Nachentrichtungsbescheid vom 19. Februar 1976 sei bindend geworden und könne nicht mehr abgeändert werden. Dem Bescheid war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.
Am 12. Juni 1978 erhob die Klägerin zum Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage mit dem Antrag, festzustellen, "daß sie bis zur tatsächlichen Beitragsentrichtung von ihrem Recht, die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG zu gestalten, unter Beachtung des Belegungsgebots Gebrauch machen könne und an die der BfA durch den Nachentrichtungsantrag mitgeteilten Vorstellungen über die Beitragshöhe und die Beitragsklassen nicht gebunden sei". Am 8. September 1978 erteilte die Beklagte einen Widerspruchsbescheid.
Das SG deutete die Feststellungsklage in eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage um und verurteilte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. März 1978 und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 1978, der Klägerin die Nachentrichtung der Beiträge der Klasse 100 statt der Klasse 400 zu gestatten (Urteil vom 28. Mai 1979). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Dezember 1979). Das LSG hat ausgeführt, der Klägerin stehe ein freies Gestaltungsrecht für die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge nicht mehr zu, nachdem der Bescheid vom 19. Februar 197ö Bindungswirkung erlangt habe und die Nachentrichtungsfrist des Art 2 § 49a Abs 3 AnVNG am 31. Dezember 1975 abgelaufen sei.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision vertritt die Klägerin die Auffassung, die Beklagte dürfe die Personen, die den Nachentrichtungsantrag bis zum 31. Dezember 1975 spezifiziert haben, nicht anders behandeln als diejenigen, die bis dahin nur formlos einen Antrag auf Nachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG gestellt haben und diesen erst nachträglich spezifizieren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die
Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen
nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG für die Zeit
vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1973
in der Beitragsklasse 100 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet.
Das LSG hat das Urteil des SG insoweit zu Recht aufgehoben, als mit diesem die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin die Nachentrichtung von Beiträgen der Klasse 100 statt der Klasse 400 zu gestatten. Die Klägerin hat nämlich keinen - mit der Leistungsklage durchsetzbaren - Rechtsanspruch auf Herabsetzung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1976 festgesetzten Beitragshöhe. Dem steht die Bindungswirkung des genannten Bescheides entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entfällt die Befugnis zu einer einseitigen Änderung eines Nachentrichtungsantrages durch den Antragsteller spätestens mit dem Eintritt der Bindung des Nachentrichtungsbescheides (Urteile vom 22. Februar 1980 - 12 RK 12/79 - SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 36, vom 27. März 1980 - 12 RK 7/79 - und vom 18. November 1980 - 12 RK 54/79, 12 RK 65/79, 12 RK 36/80 -). Mangels eines Rechtsanspruchs der Klägerin auf nachträgliche Änderung ihres Nachentrichtungsbegehrens ist die Revision sonach unbegründet, soweit sie sich hierauf richtet.
Das vom LSG aufgehobene Urteil des SG erweist sich jedoch als richtig, soweit der Bescheid der Beklagten vom 2. März 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 1978 aufgehoben worden ist; insoweit ist der Revision stattzugeben, das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das SG-Urteil zurückzuweisen. Trotz der eingetretenen Bindungswirkung des Bescheides vom 19. Februar 1976 durfte die Beklagte den Änderungsantrag der Klägerin vom 13. Dezember 1977 nicht allein unter Berufung auf die Bindung des früheren Bescheides ablehnen. Sie war vielmehr verpflichtet, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob die der Klägerin gestattete Nachentrichtung von Beiträgen in der nachträglich beantragten Weise vorgenommen werden kann. Daß auch die Abänderung eines bindenden Zulassungsbescheides durch den Versicherungsträger nicht ausgeschlossen ist und dem Nachentrichtungsberechtigten die Nachentrichtung in niedrigeren Beitragsklassen gestattet werden kann, hat der Senat in seinem Urteil vom 22. Februar 1980 - 12 RK 12/79 - entschieden und näher begründet. Hiernach darf der Versicherungsträger eine beantragte Herabsetzung der Beitragsklassen nicht ohne weiteres ablehnen, wenn von einem Nachentrichtungsberechtigten Umstände vorgetragen werden, aus denen sich eine nachträgliche, dh eine nachträglich eingetretene oder nachträglich erkannte, Belastung durch die im Nachentrichtungsbescheid festgestellten Beitragsklassen ergibt. Er muß vielmehr den Antrag unter Würdigung der vorgetragenen Umstände nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen und darüber entscheiden. Dies wird die Beklagte nunmehr nachzuholen haben. Zum Ermessensrahmen des Versicherungsträgers hat der Senat in dem Urteil vom 18. November 1980 - 12 RK 54/79 - allgemeine Hinweise gegeben. Darauf wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen