Leitsatz (amtlich)
Eine Zeit ist auch dann einer beamtenrechtlichen Versorgung "zugrundegelegt", wenn sie nicht zu einer konkreten Erhöhung der Versorgungsbezüge geführt hat.
Normenkette
AVG § 37c Fassung: 1977-06-27; RVO § 1260c Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 1920 geborene Kläger leistete von März bis September 1940 Reichsarbeitsdienst und von Dezember 1940 bis Juni 1944 Wehrdienst. Seit dem 15. Juli 1944 war er als Angestellter beim Arbeitsamt versicherungspflichtig beschäftigt und wurde am 13. Dezember 1965 ins Beamtenverhältnis berufen. Mit Ablauf des Monats Dezember 1980 wurde er in den Ruhestand versetzt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. August 1980 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wobei sie vom Eintritt des Versicherungsfalles am 28. Juli 1980 ausging. Bei der Berechnung der Rente ließ sie die Ersatzzeiten vom 14. März bis 28. September 1940 und vom 9. Dezember 1940 bis 21. Juni 1944 nach § 37c Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) unberücksichtigt. Mit der nach erfolglosem Widerspruch dagegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Voraussetzungen des § 37c AVG lägen nicht vor, weil die in Betracht kommenden Zeiten keinen Einfluß auf die Höhe seiner Versorgungsbezüge hätten. Die Nichtberücksichtigung dieser Zeiten bei der Rente bedeute praktisch, daß diese Zeiten sowohl bei der Rente als auch bei der Pension gestrichen seien.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) kommt es allein darauf an, ob, was hier der Fall sei, die in Betracht kommenden Zeiten im Rahmen der Beamtenversorgung als ruhegehaltsfähig berücksichtigt sind, nicht aber, ob auch ohne sie der "Höchstsatz" von 75 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge erreicht würde. § 37c AVG stehe nicht im Widerspruch zum Grundgesetz.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 37c AVG. Diese Vorschrift könne nach ihrem Sinn nur dort angewandt werden, wo die "Doppelanrechnung" zu einer "Überversorgung" führe. Wenn ein Versicherter aber bei seiner Gesamtversorgung die Ersatzzeiten ohnedies nur einmal angerechnet erhalte, könne von einer Überversorgung nicht gesprochen werden.
Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen und den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten vom 14. März bis 18. September 1940 und vom 9. Dezember 1940 bis 21. Juni 1944 rentensteigernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der Kläger hat, wie das LSG zu Recht entschieden hat, keinen Anspruch auf Berücksichtigung der von ihm zurückgelegten Ersatzzeiten bei der Rentenberechnung.
Nach der Vorschrift des § 37c AVG, die ab 1. Januar 1980 in Kraft getreten ist (Art 3 S 6 des 20. Rentenanpassungsgesetzes -RAG-), bleiben ua Ersatzzeiten bei der Berechnung der Versichertenrente unberücksichtigt, soweit sie bei einer Versorgung aus einem vor dem 1. Januar 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften zugrundegelegt sind. § 37c AVG steht, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, im Einklang mit dem Grundgesetz (GG) (vgl dazu auch das heutige Urteil des erkennenden Senats in der Sache 11 RA 46/82); dies wird vom Kläger nicht mehr in Zweifel gezogen. Dem LSG ist auch darin beizutreten, daß die Voraussetzungen des § 37c AVG erfüllt sind; insbesondere sind entgegen der Ansicht des Klägers die streitigen Zeiten seiner Versorgung "zugrundegelegt". Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 1. Dezember 1964 (SozR Nr 1 zu § 18 des Fremdrentengesetzes -FRG-) zu § 18 FRG in der bis zur Änderung durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) geltenden Fassung (zur späteren Fassung vgl SozR Nrn 3, 6 zu § 18 FRG) entschieden hat, ist eine als ruhegehaltsfähig anerkannte Zeit auch dann der Versorgung zugrundegelegt, wenn sie nicht zu einer Erhöhung der Versorgungsbezüge geführt hat. An dieser Auslegung, die dem Gesetzgeber des 20. RAG bekannt war, ist bei Anwendung von § 37c AVG festzuhalten; sie entspricht der Systematik und dem Sprachgebrauch des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Danach ist zwischen der Zugrundelegung von Zeiten bei der Bestimmung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit (§ 10 BeamtVG) und der Steigerungswirkung solcher Zeiten (§ 14 Abs 1 BeamtVG) zu unterscheiden. Im Gegensatz zum Rentenversicherungsrecht (vgl §§ 30 Abs 1, Abs 2 Satz 1, 31 Abs 1, 35 Abs 1 AVG) ist dem vom Alimentationsprinzip beherrschten Beamtenversorgungsrecht der Gedanke, daß sich alle anzurechnenden Zeiten steigernd auf die zu gewährende Leistung auswirken müssen, fremd; sind bestimmte Zeiten ruhegehaltsfähig, so bedeutet das nur, daß "auf ihrer Grundlage" (§ 4 Abs 3 BeamtVG) die Versorgung zuzubilligen ist. Wenn nach § 14 Abs 1 BeamtVG die ersten zehn Dienstjahre der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit mit 35 vH, die folgenden fünfzehn Dienstjahre mit je 2 vH und weitere zehn Dienstjahre mit je 1 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge bewertet werden, so schließt das eine Betrachtung aus, die bestimmten Zeiten eine bestimmte Steigerungswirkung zuordnet oder abspricht; die Versorgungsbezüge werden von allen der Bestimmung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit zugrundegelegten Zeiten mitgetragen, und damit auch solchen, deren Fehlen nicht zu einer Verminderung der Versorgungsbezüge geführt hätte (vgl dazu auch BSGE 45, 251 f); das Gesetz bietet keine Möglichkeit, konkrete Zeiten, die als ruhegehaltsfähig anerkannt sind, als gleichsam im Rahmen von § 14 Abs 1 BeamtVG unberücksichtigt auszuscheiden.
Nur eine solche Auslegung entspricht zugleich dem Sinn und Zweck der in § 37c AVG getroffenen Regelung. Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine "Doppelanrechnung" verhindern (vgl BT-Drucks 8/337 S 86), weil diese zu einer Überversorgung führen kann. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß kein hinreichender Anlaß für eine Anrechnung beitragsloser Zeiten besteht, wenn diese Zeiten bereits im Rahmen der Beamtenversorgung eine Berücksichtigung gefunden haben, die der Eigenart dieses Rechtsgebiets entspricht. Die Auslegung, die der Kläger dem § 37c AVG geben möchte, würde überdies zu dem schwerlich vom Gesetzgeber gewollten Ergebnis führen, daß die genannte Vorschrift nur bei einer Zurücklegung einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von weniger als 35 Dienstjahren anzuwenden wäre; damit wären allein die Versorgungsempfänger, deren Bezüge hinter den höchstmöglichen zurückbleiben, benachteiligt. Ein solches Ergebnis würde nicht nur Bedenken unter dem Gesichtspunkt von Art 3 Abs 1 GG begegnen, sondern auch in klarem Widerspruch zu der auf eine Eindämmung der "Doppelversorgung" gerichteten Zielsetzung des Gesetzgebers stehen.
Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Fundstellen