Leitsatz (amtlich)

1. Der § 46 AFG schreibt bei Nichterfüllung der übernommenen Verpflichtung, im Anschluß an die geförderte Bildungsmaßnahme eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben, die Rückforderung der Leistung unabhängig von einer Aufhebung des Bewilligungsbescheides zwingend vor.

2. Es verstößt nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß § 46 AFG kein Rückforderungsermessen einräumt und auch nicht anderweitig ermächtigt, bei teilweiser Erfüllung der Verpflichtung die Rückforderung entsprechend zu begrenzen.

 

Normenkette

AFG § 46 Abs 3 S 2 Fassung: 1985-12-20, § 44 Abs 6, § 46 Abs 2 S 2 Fassung: 1975-12-18

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 12.09.1986; Aktenzeichen L 4 Ar 52/86)

SG Berlin (Entscheidung vom 05.03.1986; Aktenzeichen S 54 Ar 1318/85)

 

Tatbestand

Der Kläger meldete sich nach einer seit 1974 ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit als Schriftsteller im Oktober 1978 als arbeitslos. Er verpflichtete sich im November 1978 gegenüber der Beklagten schriftlich, innerhalb von vier Jahren nach Abschluß der beabsichtigten Maßnahme der beruflichen Bildung "mindestens drei Jahre lang eine die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitslosenversicherung) begründende Beschäftigung auszuüben"; die Leistungen seien von ihm zurückzuzahlen, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Verpflichtung nicht nachkomme. Von Februar 1979 bis Oktober 1979 nahm er auf Kosten der Beklagten an einem Fortbildungslehrgang teil. Nach seiner Arbeitslosmeldung zum 1. November 1979 war er vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Januar 1982 beitragspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung in Höhe von 13.620,-- DM. Danach war der Kläger nach seinen Angaben erwerbslos, ohne sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet zu haben. Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 27. September 1984 mit, da er die hinsichtlich einer beitragspflichtigen Beschäftigung eingegangene Verpflichtung mit dem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) von November 1979 bis einschließlich Dezember 1979 und einer Beschäftigung von Januar 1980 bis einschließlich Januar 1982 nur teilweise erfüllt habe, sei beabsichtigt, das gezahlte Unterhaltsgeld (Uhg) und die Lehrgangskosten zurückzufordern. Der Kläger entgegnete, er habe auf eigene Kosten gelebt und keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen; er habe sich nicht arbeitslos gemeldet, um dem Staat finanzielle Mittel zu ersparen. Er habe 75 % der Bedingung erfüllt.

Die Beklagte forderte Rückzahlung von 24.910,16 DM gemäß einer Aufstellung über die erbrachten Leistungen (Bescheid vom 18. Juli 1985; Widerspruchsbescheid vom 13. September 1985). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. März 1986). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zur Niederschrift die Rückforderungssumme auf 18.498,20 DM ermäßigt, da Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 6.420,96 DM nicht mehr zurückgefordert würden. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten über die Rückforderung aufgehoben. Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 46 Abs 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) aF, nunmehr des § 46 Abs 3 Satz 2 AFG scheine es zwar nicht im Ermessen der BA zu stehen, ob sie auf der Rückzahlung in voller Höhe oder teilweise bestehe. Bei Anwendung ohne Ermessensspielraum würde die Rückzahlungsverpflichtung aber selbst dann in voller Höhe bestehen, wenn die geforderte versicherungspflichtige Beschäftigungsdauer nur um wenige Tage unterschritten sei, was unverhältnismäßig sei. Die Vorschrift sei deshalb verfassungskonform dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend dahin auszulegen, daß der Beklagten im Einzelfall ein Ermessensspielraum bleibe, der eine anteilige Rückforderung in derartigen Fällen ermögliche.

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision Verletzung des § 46 Abs 2 Satz 2 AFG aF. Die Vorschrift bedürfe nicht der verfassungskonformen Auslegung. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei schon dadurch ausreichend Genüge getan, daß die beitragspflichtige Beschäftigung nur 3/4 der Rahmenfrist erfüllen müsse sowie dadurch, daß sie vom Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes abhängig sei. Die Vorschrift sei daher, wie dies dem Wortlaut und dem Sinn entspreche und ein Vergleich mit anderen Rückforderungsvorschriften ergäbe, im Sinne einer Mußvorschrift auszulegen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Berufung des Klägers war hinsichtlich der Rückforderung zulässig, da die Wertgrenze des § 149 Sozialgerichtsgesetz (SGG) überschritten ist. Inwieweit für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides die Berufung zulässig gewesen wäre, war nicht zu entscheiden, da die Beklagte im angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides den Bewilligungsbescheid nicht aufgehoben, sondern sich auf die Rückforderung beschränkt hat, wie vom LSG zutreffend ausgeführt ist.

Die Berufung des Klägers war jedoch als unbegründet zurückzuweisen. Der Rückforderungsbescheid der Beklagten, soweit dieser in Höhe von 18.498,20 DM aufrechterhalten wird, erweist sich als rechtmäßig. Die von der Beklagten in dieser Höhe nach den §§ 44 und 45 AFG erbrachten Leistungen sind nach § 46 AFG vom Kläger zurückzuzahlen.

Nach § 46 Abs 2 Satz 2 AFG in der Fassung durch das Haushaltsstrukturgesetz-AFG (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (§ 46 Abs 2 Satz 2 AFG aF) sind die (im vorstehenden Satz 1 bezeichneten) Leistungen zurückzuzahlen, wenn der Antragsteller innerhalb von vier Jahren nach Abschluß der Maßnahme ohne wichtigen Grund nicht mindestens drei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt hat. Mit dem 7. Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1985 ist diese Vorschrift ohne inhaltliche Änderung Abs 3 Satz 2 geworden (§ 46 Abs 3 Satz 2 AFG nF).

Die mit dem HStruktG-AFG geschaffene Rückzahlungsanordnung ist wie die Rückzahlungsvorschrift des § 44 Abs 6 AFG als Sondertatbestand von der Regelung der Rückzahlung in § 50 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) unberührt geblieben, wie die Neufassung der Vorschrift mit dem 7. Änderungsgesetz bestätigt. Die Rückforderung nach § 46 Abs 3 Satz 2 AFG nF erfolgt wie die nach § 44 Abs 6 AFG (vgl hierzu BSG Urteil vom 17. März 1988 - 11 RAr 19/87 -) abweichend von § 50 Abs 1 SGB 10 ohne Aufhebung der Bewilligung. Der Bescheid idF des Widerspruchsbescheides war damit bei verständiger Auslegung allein auf die Rückforderung gerichtet.

Die Rückzahlungspflicht aus § 46 Abs 3 Satz 2 AFG nF bezieht sich nicht nur auf die im vorstehenden Satz 1 erwähnten Leistungen nach § 45 AFG, sondern erfaßt auch das in derartigen Fällen nach altem Recht gezahlte Uhg. In der Fassung der Vorschrift durch das HStruktG-AFG waren im vorstehenden Satz 1 neben den Leistungen nach § 45 auch die des § 44 Abs 2 AFG erwähnt. Mit dem Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 wurde § 46 Abs 2 Satz 1 dahin geändert, daß Nichtbeitragszahler nur noch einen Kostenerstattungsanspruch nach § 45, aber keinen Anspruch auf Uhg nach § 44 Abs 2 mehr haben. Aus dieser Einschränkung des Leistungsanspruchs für Nichtbeitragszahler auf die Leistungen nach § 45 ergibt sich zwar für neue Bewilligungsbescheide automatisch, daß auch der Rückforderungsanspruch auf die Leistungen nach § 45 AFG eingeschränkt wird. Es fehlen jedoch Anhaltspunkte, daß der Gesetzgeber den Rückforderungsanspruch auch für Altfälle, in denen noch Uhg als Zuschuß gewährt worden war, einschränken wollte.

Der Kläger hat die nunmehr zurückgeforderten Leistungen aufgrund seiner gemäß § 46 Abs 2 AFG abgegebenen Verpflichtungserklärung erhalten. Nach § 46 Abs 1 AFG in der zu Beginn der Fortbildungsmaßnahme am 1. Februar 1979 geltenden Fassung durch das HStruktG-AFG wurden Leistungen nach § 44 Abs 2 und 2a sowie nach § 45 Antragstellern gewährt, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Alg aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen haben. Da der Kläger in der Zeit von Oktober 1974 bis Oktober 1978 freiberuflich als Schriftsteller tätig war, und deshalb in der Zeit von Oktober 1978 bis Januar 1979 keinen Anspruch auf Alg hatte, waren diese Voraussetzungen nicht gegeben, wie vom LSG zutreffend ausgeführt wird.

Der Rückforderungstatbestand ist erfüllt. Der Kläger war in der Rahmenfrist vom 11. November 1979 bis zum 31. Oktober 1983 ohne wichtigen Grund nicht mindestens drei Jahre (36 Monate) beitragspflichtig beschäftigt. Er war nach dem Ende der Fortbildungsmaßnahme zunächst zwei Monate arbeitslos gemeldet und sodann 25 Monate von Januar 1980 bis einschließlich Januar 1982 beitragspflichtig beschäftigt. In der restlichen Zeit der Rahmenfrist war er nach den Feststellungen des LSG entweder wieder als Schriftsteller tätig mit einem Jahreseinkommen weit unter dem Existenzminimum, oder er war arbeitslos, ohne sich beim Arbeitsamt als arbeitsuchend zu melden und ohne eigene Bemühungen um Arbeit. Da beide Sachverhaltsalternativen den Tatbestand des wichtigen Grundes nicht erfüllen, erübrigt sich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts. War der Kläger zur Aufnahme einer Beschäftigung bereit und damit arbeitslos, so fehlt es an einem wichtigen Grund, weil er sich nicht in zumutbarer Weise, was zumindest eine Meldung beim Arbeitsamt erfordert hätte, um eine beitragspflichtige Beschäftigung bemüht hat. Dem Einwand des Klägers, er habe von einer Arbeitslosmeldung nur deshalb abgesehen, um der Beklagten Leistungen zu ersparen, hat das LSG zu Recht entgegengehalten, daß der Kläger sich auch ohne Leistungsantrag hätte arbeitslos melden können. Der § 46 AFG sieht Leistungen an Nichtbeitragszahler nur im Hinblick auf die vorgesehene spätere beitragspflichtige Beschäftigung, also auf die spätere Beitragszahlung, vor. Dem Gesetzesziel ist nicht schon mit dem Bestreiten des Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln gedient, wie der Kläger meint, sondern erst mit einer Beitragszahlung. War der Kläger als Schriftsteller mit einem Einkommen weit unter dem Existenzminimum tätig, so kann auch das nicht als wichtiger Grund anerkannt werden, die übernommene Verpflichtung nicht zu erfüllen. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit dann als wichtiger Grund anzuerkennen ist, wenn sie aufgrund eines entsprechenden Einkommens zu einer dauerhaften beruflichen Eingliederung führt.

Der Auffassung des LSG, daß § 46 Abs 2 Satz 2 AFG aF wie § 46 Abs 3 Satz 2 AFG nF beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Rückforderung nicht zwingend vorschreibe, sondern in das Ermessen der Beklagten stelle, vermochte der Senat nicht zu folgen. Der Wortlaut der Vorschrift spricht gegen die Einräumung eines "Rückforderungsermessens" und damit für die Auslegung als "Muß-Vorschrift". Das LSG meint, mit dem SGB 10 habe der Gesetzgeber allgemein die Aufhebung und Rückforderung von Sozialleistungen in das Ermessen der Behörde gestellt. Es sei schlechterdings nicht einzusehen, warum im Falle des § 44 Abs 6 AFG die Rückforderung im Ermessen der Behörde stehen, im Falle des § 46 Abs 2 Satz 2 AFG aF aber zwingend vorgeschrieben sein solle. Mit dem Inkrafttreten des SGB 10 vom 18. August 1980 sind zwar nach dessen Art II § 40 Abs 1 Satz 1 alle entgegenstehenden oder gleichlautenden Vorschriften außer Kraft getreten. Zu den entgegenstehenden Vorschriften zählen aber nicht Spezialvorschriften im Sinne des § 37 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1). Nach dieser Vorschrift gelten das Erste und Zehnte Buch des SGB für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches, soweit sich aus seinen besonderen Teilen nichts Abweichendes ergibt. Als eine solche Sondervorschrift ist § 46 Abs 2 Satz 2 AFG aF, der speziell für den Fall des Verstoßes gegen die übernommene Verpflichtung einer beitragspflichtigen Beschäftigung ohne Aufhebung des Bewilligungsbescheides eine Rückforderung vorschreibt, erhalten geblieben. Die Annahme des LSG, der Gesetzgeber habe in § 46 Abs 2 Satz 2 AFG aF die gleiche Regelung wie in § 44 Abs 6 AFG, der ein Rückforderungsermessen einräumt, vorsehen wollen, erscheint nicht gerechtfertigt. Die Rückforderung nach § 44 Abs 6 AFG beim Abbruch der Maßnahme betrifft in der Hauptsache Teilnehmer, die die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Demgemäß ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn für die gleiche Zeit Alg oder Alhi zugestanden hätte. Die Rückforderung nach § 46 AFG richtet sich demgegenüber allein gegen Nichtbeitragszahler.

Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auf den sich das LSG in erster Linie stützt, kommt für die Auslegung des § 46 AFG nicht diejenige Bedeutung zu, die ihm das LSG beigemessen hat. Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist mit dem LSG davon auszugehen, daß § 46 AFG in der Auslegung als Muß-Vorschrift bei teilweiser Erfüllung der Verpflichtung eine anteilige Rückforderung nicht zuläßt. Desgleichen schließt es diese Auslegung aus, die Rückforderung zu ermäßigen, wenn zwar ein wichtiger Grund für die Verletzung der Pflicht, eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben, fehlt, aber gleichwohl das Verschulden des Leistungsempfängers gering oder gar zu verneinen ist. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat § 120 Abs 1 AFG insoweit als unverhältnismäßig und verfassungswidrig angesehen, als der Anspruch auf Alg bei Verletzung der Meldepflicht ausnahmslos für die Dauer von zwei Wochen ruht (BVerfGE 74, 203). Es fehlten hinreichende Gründe, die Rechte aus dem durch Beitragszahlung erworbenen Versicherungsschutz so weitgehend und undifferenziert wie in der beanstandeten Vorschrift einzuschränken. Soweit ein Arbeitsloser aus Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge, aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen, welche nicht als "wichtig" im Sinne des § 120 Abs 1 AFG zu qualifizieren seien, seine Meldepflicht nicht einhalte, sei die ausnahmslos pauschale Kürzung des Alg unzumutbar (BVerfGE aaO 216f). Da der Rückforderungsanspruch nach § 46 AFG einen Leistungszeitraum bis zu zwei Jahren betrifft - im vorliegenden Fall ist eine Rückforderung von mehr als 18.000,-- DM streitig - scheint hier eine differenzierende Lösung erst recht geboten.

Dennoch kann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Auslegung des § 46 AFG keine entscheidende Bedeutung zukommen. Die Meldepflicht des § 120 AFG wird dem Arbeitslosen gegen seinen Willen kraft Gesetzes auferlegt. Die Verpflichtung zur Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung hat der Leistungsempfänger des § 46 AFG freiwillig nach Belehrung über die Rückzahlungspflicht übernommen. Bei der Rückforderung nach § 46 AFG handelt es sich der Sache nach nicht um eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messende Sanktion bei Verletzung der übernommenen Verpflichtung, eine Beschäftigung auszuüben. Der Sache nach ermöglicht es die gesetzliche Regelung einem Nichtbeitragszahler, die erforderliche Beitragszahlung nachzuholen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es nicht, bei teilweiser Erfüllung einer Leistungsvoraussetzung eine teilweise Leistung vorzusehen. Das muß auch gelten, wenn dem Leistungsempfänger nachgelassen wird, eine Leistungsvoraussetzung nachträglich zu erfüllen.

Der Rückforderungsanspruch wurde mit dem HStruktG-AFG in das AFG eingefügt. Nach dem Regierungsentwurf (BT-Drucks 7/4127) sollte die Leistung an Nichtbeitragszahler als Darlehen gewährt werden; dieses sollte in einen Zuschuß umgewandelt werden, wenn der Betroffene eine entsprechende Beschäftigung später nachwies. Nach § 46a AFG sollte die Rückzahlung entsprechend dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geregelt werden. Bei dieser Ausgestaltung hätte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es nicht erfordert, die Umwandlung in einen Zuschuß bei teilweiser Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen zu differenzieren.

In der späteren Gesetzesfassung erscheint die Rückforderung zwar formal als Reaktion auf die Verletzung der übernommenen Verpflichtung, eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben, und nicht als Folge der fehlenden Voraussetzungen für die Umwandlung des Darlehens in einen Zuschuß. Der Sache nach ist es jedoch dabei verblieben, daß die Nachholung einer Anspruchsvoraussetzung zugelassen wird. Der Gesetzgeber wollte zwar mit der Änderung vermeiden, daß sich die im Entwurf vorgesehene Darlehensförderung als Hemmnis für eine Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme auswirke (BT-Drucks 7/4224 S 8). Das zwang den Gesetzgeber indes nicht, die Übernahme der Verpflichtung gleichsam als Anspruchsvoraussetzung genügen zu lassen, und die Verletzung dieser Verpflichtung nur nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ahnden. Die undifferenzierte Rückzahlungspflicht kann unter diesen Umständen jedenfalls dann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn der Betroffene entweder bei Übernahme der Verpflichtung oder im Bewilligungsbescheid über die uneingeschränkte Rückzahlungspflicht belehrt wird. Hier ist der Kläger in der Verpflichtungserklärung belehrt worden. Daher war das Urteil des LSG aufzuheben und die Abweisung der Klage gegen den Rückforderungsbescheid zu bestätigen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren verfügte Ermäßigung der Rückforderung erfordert auch für die in den Vorinstanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers keine Kostenteilung.

 

Fundstellen

BSGE, 83

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