Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeit. Vermögensverwertung. angemessene Alterssicherung. Altersvorsorgevermögen. Bewilligungszeitraum. Bewilligungsabschnitt. Verbot der Doppelberücksichtigung. Änderung der AlhiV
Leitsatz (redaktionell)
- Bei anhaltender Arbeitslosigkeit ist Vermögen, das die Gewährung von Arbeitslosenhilfe mangels Bedürftigkeit ausschließt, nur einmal zu berücksichtigen (BSGE 88, 252). Allerdings ist eine Berücksichtigung noch möglich, wenn die Bundesagentur für Arbeit nur die Berücksichtigung eines Teils des verwertbaren Vermögens verfügt hat (BSG, a.a.O.).
- Auf Grund der Änderung der AlhiV zum 18.06.1999 ist es der Bundesagentur für Arbeit jedoch nicht verwehrt, unter Anwendung des § 6 Abs. 4 Nr. 2 AlhiV 1999 bislang geschütztes Altersvorsorgevermögen einer neuen Berechnung zuzuführen. Insofern handelt es sich dann nicht um bereits berücksichtigtes Vermögen.
- Ist die Bundesagentur für Arbeit bei einem früheren Bescheid rechtsirrtümlich davon ausgegangen, dass Vermögen als Altersschonvermögen im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AlhiV nicht zu berücksichtigen sei, obwohl dies materiell-rechtlich der Verwertungspflicht unterlag, und wäre dieses Vermögen deshalb zu Unrecht nicht in die Berechnung gem. § 9 AlhiV eingestellt worden, so kann sich der Arbeitslose darauf berufen, dass sein Vermögen insoweit bereits berücksichtigt worden sei.
Normenkette
SGB III Fassung vom 22.12.1999 § 190 Abs. 3 S. 2; SGB III Fassung vom 22.12.1999 § 193 Abs. 2; AlhiV Fassung vom 18.06.1999 § 6 Abs. 3 Sätze 1, 2 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2, § 9
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. März 2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger für den Zeitraum vom 3. Juni 2000 bis 30. Juni 2001 ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) zusteht.
Der im April 1943 geborene Kläger bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 29. August 1998 Arbeitslosengeld (Alg). Im Juli 1998 beantragte er die Bewilligung von Anschluss-Alhi. Seine Ehefrau erzielte zu diesem Zeitpunkt ein monatliches Nettoentgelt von 1.002,15 DM. Der Kläger lebte mit seiner Ehefrau in einem selbst genutzten Eigenheim mit einer Wohnfläche von 140 m(2). Den Verkehrswert dieses Hauses gab er in seinem Antrag 1998 mit 550.000,00 DM an, die Schulden auf diesem Haus bezifferte er mit 69.000,00 DM. Ferner war er Eigentümer einer Wohnung mit einem Verkehrswert von 300.000,00 DM. Hinsichtlich dieser Eigentumswohnung gab er in dem Alhi-Antrag 1998 an, dass diese Eigentumswohnung mit Hypotheken in Höhe des Verkehrswertes belastet sei, sodass bei einer Verwertung kein finanzielles Ergebnis zu erzielen sei. Weiterhin verfügte der Kläger über ein Bankguthaben in Höhe von 210.000,00 DM und ein Bausparguthaben in Höhe von 43.000,00 DM. Hinsichtlich des Bausparguthabens gab er an, er wolle dieses zur Tilgung der auf seinem Haus lastenden Schulden von 69.000,00 DM verwenden. Das Bankguthaben benötige er zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung. Darüber hinaus verfügt er über acht Kapitallebensversicherungen, die ab 2002 bis 2008 fällig werden. Die Versicherungssumme dieser Kapitallebensversicherungen belief sich 1998 auf 336.003,00 DM. Nach Angaben des Klägers seien hierauf bereits 216.500,00 DM einbezahlt worden.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 12. August 1998 die Bewilligung von Alhi ab. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Beklagte lasse offen, auf welche Vermögensbestandteile die Ablehnung gestützt worden sei. Daraufhin erlies die Beklagte zwei Bescheide vom 28. Oktober 1998. Mit einem hob sie den ablehnenden Bescheid vom 12. August 1998 teilweise auf. Zur Begründung ihrer Entscheidung verwies die Beklagte auf den weiteren Bescheid vom 28. Oktober 1998, in dem sie ausführte, dem Kläger stehe gemäß § 6 Abs 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) iVm § 7 Abs 1 AlhiV ein Freibetrag von insgesamt 26.000,00 DM zu. Der Kläger verfüge über ein verwertbares Vermögen in Höhe von 210.000,00 DM. Unter Berücksichtigung der Freibeträge verblieben 184.000,00 DM, die bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen seien. Bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (1.990,00 DM) ergebe sich, dass für einen Zeitraum von 92 Wochen keine Bedürftigkeit vorliege. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 2. November 1998 zurück. Die Klage zum Sozialgericht München (SG) wurde durch Urteil des SG vom 20. April 2000 abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Die Berufung nahm er am 25. März 2004 vor dem Landessozialgericht (LSG) zurück.
Am 26. Mai 2000 beantragte der Kläger erneut Alhi. Er ging davon aus, dass ihm nach Ablauf des 92-Wochen-Zeitraums nunmehr ab 3. Juni 2000 ein Anspruch auf Alhi zustehe. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 15. Dezember 2000; Widerspruchsbescheid vom 12. März 2001). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger verfüge insgesamt über ein Vermögen von 358.508,72 DM. Die nicht selbst genutzte Eigentumswohnung weise einen Verkehrswert von 313.000,00 DM auf. Da auf dieser Eigentumswohnung Schulden in Höhe von 288.768,00 DM lägen, betrage das hieraus erzielbare Vermögen 24.232,00 DM. Die kapitalbildenden Lebensversicherungen wiesen einen Rückkaufswert von insgesamt 334.276,00 DM auf. Seit Änderung der AlhiV im Jahre 1999 stehe dem Kläger und seiner Ehefrau pro Lebensjahr ein Freibetrag von 1.000,00 DM für Altersvorsorge zur Verfügung. Mithin seien die Freibeträge des Klägers auf 109.000,00 DM nebst 16.000,00 DM Grundfreibetrag und 10.000,00 DM Freibetrag gemäß § 7 AlhiV anzusetzen. Hieraus resultiere ein berücksichtigungsfähiges Vermögen von 223.508,72 DM, das geteilt durch das Bemessungsentgelt von 1.990,00 DM gemäß § 9 AlhiV ein weiteres Fehlen der Bedürftigkeit für 112 Wochen zur Folge habe. Der Kläger machte vor dem LSG gegen diese Bescheide geltend, die Beklagte habe im Jahre 1998 verbindlich festgestellt, dass er für 92 Wochen keinen Anspruch auf Alhi habe. Hiernach – nach Ablauf dieser “Sperrfrist” – stehe ihm wieder ein Anspruch auf Alhi zu. Seit 1. Juli 2001 steht der Kläger der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung.
Das LSG hat auf die Klage des Klägers den Bescheid vom 15. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 3. Juni 2000 bis 30. Juni 2001 Alhi zu bewilligen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass entgegen der Ansicht der Beklagten im Jahre 1998 bei der Bedürftigkeitsprüfung sämtliche Vermögenswerte des Klägers und seiner Ehefrau, die im Jahr 2000 (noch) vorhanden gewesen seien, berücksichtigt worden seien. Daran ändere die Tatsache nichts, dass ein Teil des Vermögens (die Lebensversicherungen und die Eigentumswohnung) im Jahre 1998 “nur” als so genanntes Schonvermögen zur Alterssicherung nicht angerechnet worden seien. Es sei auch nicht zutreffend, dass es von 1998 bis 2000 zu einem Wertzuwachs gekommen sei. Denn der Zuwachs aus der vermieteten Eigentumswohnung sei aus dem 1998 bereits vorhandenen Kapital finanziert worden. Etwas anderes könne sich auch nicht aus der Verpflichtung der Beklagten ergeben, vor einer erneuten Bewilligung die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi zu prüfen. Maßstab für diese Prüfung sei allein das materielle Recht. Dieses sehe in § 9 AlhiV vor, dass Vermögen bei anhaltender Arbeitslosigkeit nur einmal berücksichtigt werden dürfe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 190 Abs 1 Nr 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und des § 193 Abs 2 SGB III iVm § 6 AlhiV. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 3. Juni 2000 bis zum 30. Juni 2001 zu, weil er während dieses Zeitraums nicht bedürftig iS des § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III iVm § 193 Abs 2 SGB III gewesen sei. Maßgeblich für den hier streitgegenständlichen Zeitraum sei die AlhiV idF der Änderung vom 18. Juni 1999 (BGBl I 1433). Hiernach sei das folgende vorhandene Vermögen des Klägers auf die Alhi anzurechnen: Die vermietete Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 313.000,00 DM abzüglich der auf dieser Wohnung lastenden Grundschulden in Höhe von 288.768,00 DM, mithin ein Vermögen von 24.232,00 DM. Weiterhin die kapitalbildenden Lebensversicherungen in Höhe des Auszahlungsbetrags bei Rückkauf in Höhe von 334.276,72 DM. Nach § 6 Abs 4 Nr 2 AlhiV ergebe sich ein Freibetrag bei Alterssicherung in Höhe von 1.000,00 DM je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Angemessen sei hier also nur ein Vermögen in Höhe von 109.000,00 DM (57 Lebensjahre des Klägers zuzüglich 52 Lebensjahre seiner Ehefrau), sodass sich insgesamt ein anrechenbares Gesamtvermögen von 223.508,72 DM ergebe. Nach § 9 AlhiV sei dieses zu berücksichtigende Gesamtvermögen durch das gerundete wöchentliche Arbeitsentgelt von 1.990,00 DM zu teilen, sodass im Ergebnis der Anspruch des Klägers auf Alhi nochmals für 112 Wochen nicht bestehe. Die Eigentumswohnung und die Lebensversicherungen dürften für die erneute Bedürftigkeitsprüfung im Jahre 2000 herangezogen werden, obwohl diese Vermögensgegenstände bereits bei der ersten Bedürftigkeitsprüfung im Jahre 1998 vorhanden gewesen seien. Das vom LSG in Bezug genommene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. August 2001 (Hinweis auf BSGE 88, 252 ff = SozR 3-4300 § 193 Nr 2) könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Das BSG habe dort lediglich entschieden, dass Vermögen des Arbeitslosen, das bei der Bedürftigkeitsprüfung bereits einmal berücksichtigt worden und nach Ablauf der gemäß § 9 AlhiV errechneten Dauer fehlender Bedürftigkeit noch vorhanden sei, nicht erneut berücksichtigt werden dürfe. Im vorliegenden Fall seien die Eigentumswohnung und die Lebensversicherungen bei der ersten Alhi-Bedürftigkeitsprüfung aber gerade nicht berücksichtigt worden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den ersten Alhi-Antrag des Klägers habe die AlhiV 1974 gegolten, nach der die Verwertung von Vermögen, das für eine angemessene Alterssicherung bestimmt gewesen sei, nicht zumutbar gewesen sei (§ 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV). Folglich seien die Lebensversicherungen des Klägers 1998 nicht berücksichtigt worden. Zum Zeitpunkt der zweiten Bedürftigkeitsprüfung habe hingegen die AlhiV in ihrer 1999 geänderten Fassung gegolten, die ohne Übergangsregelung in Kraft getreten sei. Diese Änderung der AlhiV habe der erkennende Senat (Hinweis auf das Urteil vom 27. Mai 2003 – BSGE 91, 94 ff = SozR 4-4220 § 6 Nr 1) für mit höherrangigem Recht vereinbar gehalten. Sie – die Beklagte – habe nun die (nach dieser neuen Regelung nicht mehr angemessenen) Lebensversicherungen berücksichtigen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz) begründet. Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 9 AlhiV 1974 und des § 193 SGB III. Entgegen der Rechtsansicht des LSG war die Beklagte grundsätzlich nicht gehindert, im Jahre 2000 die Kapitallebensversicherungen und die Eigentumswohnung des Klägers als Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung zu dessen Lasten zu berücksichtigen (sogleich unter 1.). Allerdings könnte dem Kläger dennoch ein Anspruch auf Alhi vom 3. Juni 2000 bis 30. Juni 2001 zustehen, soweit die Kapitallebensversicherungen und die Eigentumswohnung bereits 1998 als Vermögen zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen gewesen wären. In diesem Falle müsste sich die Beklagte an ihrer bestandskräftigen Entscheidung festhalten lassen, dass der Anspruch auf Alhi gemäß § 9 AlhiV 1974 ab 29. August 1998 lediglich für 92 Wochen nicht bestand (vgl unter 2.). Schließlich könnte ein Anspruch des Klägers auf Alhi ab 3. Juni 2000 bestehen, wenn die allgemeine Härteklausel gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV zu seinen Gunsten im Jahre 2000 eingreifen würde (unter 3.). Zu 2. und 3. ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch keine abschließende Entscheidung des Senats möglich.
1. Anspruch auf Alhi haben nach § 190 Abs 1 SGB III (hier in der maßgebenden Fassung des 3. SGB III-ÄndG vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2624) Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben (Nr 2), einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben (Nr 3), in der Vorfrist Alg bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist (Nr 4) und bedürftig sind (Nr 5). Das LSG hat zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 190 Abs 1 Nr 1 bis 4 SGB III keine Feststellungen getroffen. Insbesondere ist im Einzelnen noch zu überprüfen, ob der Kläger für den streitigen Alhi-Zeitraum arbeitslos iS des § 190 Abs 2 Nr 1 SGB III war, wobei insbesondere seine Verfügbarkeit gemäß §§ 118, 119 SGB III zu prüfen wäre. Die besondere Anspruchsvoraussetzung des § 190 Abs 1 Nr 4 SGB III hat der Kläger allerdings im Juni 2000 erfüllt. Er hat nämlich in der Vorfrist Alg bezogen, ohne dass die Anspruchsberechtigung sperrzeitbedingt erloschen war. Da die Vorfrist sich gemäß § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III um Zeiten verlängert, in denen der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi erfüllt sind, nur deshalb einen Anspruch auf Alhi nicht hatte, weil er nicht bedürftig war, verlängert sich die am 2. Juni 2000 beginnende einjährige Vorfrist auf längstens zwei Jahre, mit der Folge, dass in diese verlängerte Frist der letzte Tag des Alg-Bezugs (29. August 1998) fällt. Hingegen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger bedürftig iS des § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III war.
Gemäß § 193 Abs 1 SGB III ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. § 193 Abs 2 SGB III bestimmt, dass nicht bedürftig ein Arbeitsloser ist, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. § 193 Abs 2 SGB III wird konkretisiert durch die Regelungen der AlhiV, die insoweit auf Grund der Verordnungsermächtigung in § 206 Nr 1 SGB III erlassen wurde. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass die Beklagte bei der Entscheidung über die Leistung für einen neuen Bewilligungsabschnitt gemäß § 190 Abs 3 Satz 2 SGB III unabhängig von der bisherigen Bewilligung alle Voraussetzungen zu prüfen hat, mithin auch, ob vorhandenes Vermögen der künftigen Alhi-Gewährung entgegensteht. Maßstab für diese Prüfung ist allein das materielle Recht (BSGE 68, 42, 43 ff = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 3 und § 138 Nr 13). Das materielle Recht sieht in § 9 der AlhiV vom 7. August 1974 (BGBl I 1929), der sowohl 1998 als auch 2000 noch geltendes Recht war, vor, dass die Bedürftigkeit nicht für die Anzahl voller Wochen besteht, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet. Hieraus hat das BSG (grundlegend BSGE 88, 252 = SozR 3-4300 § 193 Nr 2) abgeleitet, dass Vermögen bei anhaltender Arbeitslosigkeit nur einmal zu berücksichtigen ist. Bereits einmal bei der Bedürftigkeitsprüfung der Alhi zu Grunde gelegtes bzw zu legendes (BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 7a/7 AL 10/04 R) Vermögen kann danach bei einem nachfolgenden Bewilligungszeitraum nicht mehr Berücksichtigung finden, selbst wenn es weiterhin vorhanden ist. Allerdings ist eine Berücksichtigung noch möglich, wenn die Beklagte im maßgeblichen Bewilligungsbescheid ausdrücklich nur die Berücksichtigung eines Teils des verwertbaren Vermögens verfügt hätte (BSG aaO). Die Beklagte ist jedoch in ihren Bescheiden aus dem Jahre 1998 davon ausgegangen, dass lediglich das Sparguthaben des Klägers in Höhe von 210.000,00 DM verwertbares Vermögen iS des § 6 Abs 1 AlhiV darstellt. Die Lebensversicherungen des Klägers wurden offensichtlich als Schonvermögen behandelt, weil sie iS von § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 der AlhiV 1974 als zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt angesehen wurden. Ebenso wurde die beim Kläger vorhandene Eigentumswohnung wohl als nicht verwertbar angesehen, weil die Eigentumswohnung jedenfalls im Jahre 1998 nach Angaben des Klägers in der Höhe des Verkehrswerts mit Grundpfandrechten belastet war. Da – wie oben ausgeführt – für jeden Bewilligungsabschnitt das Vorhandensein von Vermögen erneut festzustellen und zu überprüfen ist, ist gemäß § 9 AlhiV eine Berücksichtigung von Vermögen nur dann ausgeschlossen, wenn es bereits einer früheren Bedürftigkeitsprüfung zu Grunde lag bzw zu Grunde zu legen war. Es muss sich also – um den Ausschluss des § 9 AlhiV realisieren zu können – um dasselbe Vermögen handeln, das nicht zweimal berücksichtigt werden darf, soweit sein Wert keine Veränderung erfahren hat.
Der Senat hat bereits entschieden, dass die Änderung der AlhiV zum 18. Juni 1999 (BGBl I 1433) hinsichtlich der neuen Altersvorsorgeregelung in § 6 Abs 4 AlhiV rechtmäßig war und mit übergeordnetem Recht in Übereinstimmung stand (BSGE 91, 94, 98 = SozR 4-4220 § 6 Nr 1). Der Senat hat es in dieser Entscheidung für ermächtigungskonform erachtet, dass der Verordnungsgeber in § 6 Abs 4 AlhiV (idF der 6. Änderungsverordnung der AlhiV vom 18. Juni 1999, BGBl I 1433) im Einzelnen beziffert hat, in welcher Höhe Beträge (noch) als zur angemessenen Alterssicherung bestimmt (§ 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV 1974) gelten können. Zu § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV 1974 hatte der Senat in seinem Urteil vom 22. Oktober 1998 (BSGE 83, 88 = SozR 3-4220 § 6 Nr 6) aus dem System der gesetzlichen Rentenversicherung Maßstäbe abgeleitet und das Schonvermögen zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung an das Nettostandardrentenniveau angeknüpft (3/7 der Standardrente der gesetzlichen Rentenversicherung). Für den Verordnungsgeber war jedoch auf Grund der Ermächtigungsgrundlage in §§ 193 Abs 2, 206 Nr 1 SGB III nicht nur eine Lösung rechtlich möglich. Deshalb hat der Senat auch die vom Verordnungsgeber später im Jahre 1999 vorgenommene Konkretisierung des Altersvorsorgemaßstabs mit 1.000,00 DM Schonvermögen pro Lebensjahr des Arbeitslosen und seines maßgeblichen Partners (§ 6 Abs 4 AlhiV 1974 idF vom 18. Juni 1999, aaO) für zulässig erachtet. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, ist die AlhiV vom 18. Juni 1999 ohne weitere Übergangsfristen nahtlos in Kraft gesetzt worden. Von daher verbietet es die AlhiV vom 18. Juni 1999 nicht, bei späteren Bedürftigkeitsprüfungen zuvor gemäß § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV als zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung privilegiertes Vermögen im Rahmen des § 6 Abs 4 Nr 2 AlhiV 1999 neu zu bewerten. Bei fortlaufender Arbeitslosigkeit hatte § 6 Abs 4 AlhiV 1999 zur Folge, dass zuvor geschonte Vermögensbeträge nunmehr auf den in § 6 Abs 4 Nr 2 AlhiV anerkannten Betrag von 1.000,00 DM je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners zu reduzieren waren. Dies war für das Vorgehen der Beklagten maßgebend. Die Beklagte hat im Jahre 1998 offenbar die Lebensversicherungen des Klägers in vollem Umfang als zur angemessenen Alterssicherung geschützt anerkannt. Es ist ihr jedoch nicht verwehrt, unter Anwendung des § 6 Abs 4 Nr 2 AlhiV 1999 bislang geschütztes Altersvorsorgevermögen im Jahre 2000 einer neuen Berechnung zuzuführen. Insofern handelt es sich dann nicht um das gleiche Vermögen, das der Berechnung gemäß § 9 AlhiV zu Grunde zu legen war. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hätte die Beklagte zu Recht auf die Kapitallebensversicherungen des Klägers im Jahre 2000 zurückgegriffen, soweit diese zuvor Schonvermögen waren.
Ähnliches gilt für die Eigentumswohnung des Klägers, deren “Geldwert” der Berechnung des Zeitraums gemäß § 9 AlhiV im Jahre 1998 tatsächlich jedenfalls nicht zu Grunde lag. Es wäre nur dann nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte nunmehr den Kläger auf eine Verwertbarkeit dieser Eigentumswohnung verweist, wenn sich deren Wert oder Verwertbarkeit verändert hätte. Allerdings dürften hier Bedenken hinsichtlich der generellen Zumutbarkeit der Verwertung gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV bestehen (hierzu noch unter 3.). Der Kläger begehrt, da er ab 1. Juli 2001 der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung steht, vom 3. Juni 2000 bis zum 30. Juni 2001 – mithin für 56 Wochen – Alhi. Der von der Beklagten unter Berücksichtigung der Eigentumswohnung und der kapitalbildenden Lebensversicherungen ermittelte Vermögenswert von 223.508,72 DM würde – bei Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 1.990,00 DM – einen Zeitraum von 112 Wochen zur Folge haben, für den keine Bedürftigkeit besteht, sodass ein Anspruch auf Alhi insofern nicht bestünde.
2. Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn den die Alhi ablehnenden Bescheiden aus dem Jahre 1998 eine Bindungswirkung insoweit zukäme, dass mit ihnen die Aussage getroffen worden wäre, dass das gesamte Vermögen des Klägers gemäß § 9 AlhiV zu einem Zeitraum fehlender Bedürftigkeit von 92 Wochen führe. Welche Vermögensbestände im Einzelnen berücksichtigt worden sind, ist nicht Bestandteil des Verfügungssatzes des den Anspruch auf Alhi ablehnenden Bescheides. Verfügungssatz der Bescheide aus dem Jahre 1998 ist die Regelung, dass ein Anspruch auf Alhi für einen bestimmten – gemäß § 9 AlhiV zu ermittelnden – Zeitraum nicht besteht, nicht aber dass es sich bei der Eigentumswohnung und den Lebensversicherungen um Schonvermögen gehandelt hat. Unterlaufen der Beklagten bei der Ermittlung des Zeitraums gemäß § 9 AlhiV Berechnungsfehler mit der Folge, dass ein kürzerer Zeitraum als objektiv gegeben festgesetzt wird, so kann sich der Alhi-Empfänger auf die Bindungswirkung dieses Bescheides berufen, wenn die Beklagte nachfolgend erneut auf das ursprünglich bereits vorhandene und als verbraucht geltende Vermögen zurückgreifen will. Insofern wäre ein Anspruch des Klägers im Jahre 2000 bereits dann gegeben, wenn die Beklagte im Jahre 1998 zu Unrecht davon ausgegangen wäre, die Kapitallebensversicherungen seien als Altersschonvermögen iS des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV 1974 anzusehen. Soweit diese Kapitallebensversicherungen bereits im Jahre 1998 materiell-rechtlich der Verwertungspflicht unterlagen, wären sie von der Beklagten zu Unrecht nicht in die Berechnung gemäß § 9 AlhiV eingestellt worden, und der Kläger könnte sich dann darauf berufen, sein Vermögen sei insoweit bereits Grundlage der Berechnung des Zeitraums gemäß § 9 AlhiV gewesen. Nichts anderes gilt für die Eigentumswohnung.
3. Stellten die Kapitallebensversicherungen allerdings im Jahre 1998 geschontes Altersvorsorgevermögen iS des § 6 Abs 3 Satz 2 AlhiV 1974 dar, so kann die Beklagte (wie unter 1. ausgeführt) auf Grund der Änderung der Rechtslage durch die AlhiV 1999 nunmehr im Jahre 2000 auf diese Vermögenswerte zurückgreifen, weil sie dann eben nicht dasselbe Vermögen darstellen, das bereits der Alhi-Ablehnung und der Berechnung des Zeitraums gemäß § 9 AlhiV im Jahre 1998 zu Grunde zu legen war. Zwischenzeitliche Veränderungen des Werts (§ 8 AlhiV 1974) sind ohnedies sowohl bei den Lebensversicherungen als auch der Eigentumswohnung zu berücksichtigen.
Dem Kläger könnte aber auch in diesem Falle ein Anspruch auf Alhi zustehen, wenn er sich gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV auf die allgemeine Härteklausel berufen könnte. Nach § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV 1974 ist die Verwertung von Vermögen zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Eine Prüfung der Voraussetzungen dieser allgemeinen Härtefallklausel hat das LSG – von seiner Rechtsauffassung her zu Recht – nicht vorgenommen. Deshalb hat es insofern auch keine Umstände des Einzelfalls festgestellt, die für eine solche Härtefallprüfung maßgeblich werden könnten. Weder hinsichtlich des beruflichen Werdegangs noch des Lebenslaufs des Klägers sind Feststellungen getroffen. Insofern wird das LSG festzustellen und abzuwägen haben, inwieweit dem Kläger auf Grund seiner spezifischen Berufsbiographie und Altersvorsorgesituation im Jahre 2000 noch eine Verwertung der Lebensversicherungen zugemutet werden könnte. Auch fehlen Feststellungen darüber, in welchem Verhältnis bislang eingezahlte Beiträge zu diesen Lebensversicherungen zum Rückkaufswert stehen. Insofern wird auch zu prüfen sein, inwieweit eine Realisierung der Lebensversicherungen im Jahre 2000 auf dem Markt für den Kläger zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen könnte. Der Gesichtspunkt einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV (hierzu BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7; Urteil vom 25. April 2002, B 11 AL 69/01 R) wird insbesondere auch bei dem Zwang zur Verwertung der Eigentumswohnung zu überprüfen sein. Diese ist – soweit ersichtlich – auch im Jahre 2000 noch mit erheblichen Grundpfandrechten belastet, sodass insgesamt fraglich sein dürfte, inwieweit die Beklagte einen fiktiven Nettoerlös von 24.232,00 DM zu Lasten des Klägers als Vermögen in die Bedürftigkeitsberechnung einstellen dürfte.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1369404 |
SGb 2005, 283 |