Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Anwartschaftszeit. Beitragspflichtige Beschäftigung. Beitragsfreiheit. Student. Erscheinungsbild als Student
Orientierungssatz
1. Seit Inkrafttreten des AFKG (1.1. 1982) kann durch eine Beschäftigung iS von § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur erworben werden, wenn die Beschäftigung beitragspflichtig (§ 168 AFG) war, oder einer solchen hinsichtlich der Erfüllung der Anwartschaftszeit gleichwertig ist (Festhaltung an BSG 12.12.1985 7 RAr 75/84 = SozR 4100 § 134 Nr 29).
2. Versicherungsfreiheit einer neben einem Studium ausgeübten Erwerbstätigkeit setzt voraus, daß der Betreffende seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt. Das gilt auf jeden Fall für die Erwerbstätigkeit eines Studenten während der von Studienanforderungen freien Semesterferien (vgl BSG 22.2. 1980 12 RK 34/79 = SozR 2200 § 172 Nr 14), es sei denn, der Studierende würde in dieser Zeit seinen Status als Student aufgeben.
Normenkette
AFG § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b Fassung: 1981-12-22, § 134 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b Fassung: 1981-12-22, §§ 168, 169 Nr 1; RVO § 172 Abs 1 Nr 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 23. Januar 1982. Er studierte von 1975 bis 22. Januar 1982 (Tag der Abschlußprüfung) an der Fachhochschule L.. Vom 1. Februar bis 17. März 1981 war er bei der Fa. J. (Fa. J.) in B. S. beschäftigt und vom 1. September bis 15. Dezember 1981 bei der N. K. AG (N.K. AG), L.. Die Arbeitszeit betrug jeweils 40 Stunden in der Woche. Durch Bescheid vom 26. Februar 1981 hat die Innungskrankenkasse O. festgestellt, daß es sich bei der Tätigkeit des Klägers in der Fa. J. um eine geringfügige Beschäftigung handele, die versicherungsfrei sei. Mit Bescheid vom 16. Februar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 1982 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 18. Januar 1982 auf Gewährung von Alhi mit der Begründung ab, der Kläger habe innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes -AFKG- vom 29. Dezember 1981 - BGBl I 1497).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 24. Januar 1983 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Zahlung von Alhi ab 18. Januar 1982 zu erteilen und hierbei die Anwartschaftszeit als erfüllt anzusehen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Februar 1984). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Gegenstand des Rechtsstreits sei ein Anspruch auf Alhi für die Zeit ab 23. Januar 1982. Soweit das SG Leistungen für die Zeit vom 18. bis 21. Januar 1982 zugesprochen habe, habe es dem Kläger mehr zugebilligt, als dieser beantragt habe. Im übrigen scheitere der Anspruch des Klägers daran, weil, was näher ausgeführt wird, davon ausgegangen werden müsse, daß für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi gemäß § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG idF des AFKG eine beitragspflichtige Beschäftigung von mindestens 150 Kalendertagen erforderlich sei, und jedenfalls die Beschäftigung bei der Fa. J. beitragsfrei gewesen sei. Hierbei könne dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfange der Bescheid der Innungskrankenkasse O. Bindungswirkung entfalte. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, könnte dies am Ergebnis nichts ändern. Die Tätigkeit des Klägers bei der Fa. J. vom 1. Februar bis Mitte März 1981 habe überwiegend in den Semesterferien gelegen und sei schon deshalb beitragsfrei gewesen. Es habe sich um eine Tätigkeit gehandelt, wie sie von Werkstudenten ausgeübt werde, die sich während des Studiums etwas hinzuverdienen wollten. Für solche Beschäftigungen bestehe gemäß § 169 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 172 Abs 1 Nr 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) grundsätzlich Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung. Da der Kläger nach seinen glaubhaften Angaben während der vorlesungsfreien Semesterferien vollschichtig gearbeitet und diese Tätigkeit während des Semesters nur vom 1. bis 13. März 1981 fortgesetzt habe (danach habe er bis zum 17. März 1981 Urlaub gehabt), bestünden keine Bedenken, die gesamte Tätigkeit bei der Fa. J. als beitragsfrei in der Arbeitslosenversicherung anzusehen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er ist der Auffassung, das LSG gehe zu Unrecht davon aus, daß § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG eine beitragspflichtige Beschäftigung verlange. Dagegen spreche der Wortlaut der Vorschrift. Auch auf die Entstehungsgeschichte könne das LSG seine Rechtsmeinung nicht stützen. Schon aus dem Regierungsentwurf gehe hervor, daß nur die Arbeitnehmereigenschaft, nicht jedoch darüber hinaus zwingend Sozialversicherungspflicht im Einzelfalle gefordert werde. Es müsse daher genügen, wenn der Beschäftigte, wie es bei dem Kläger der Fall sei, eine Beschäftigung ausgeübt habe, die an sich versicherungspflichtig sei und lediglich wegen der Vorschrift des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO als versicherungsfrei angesehen werde. Deshalb könnten die Gründe, die für die Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Dezember 1985 - 7 RAr 75/84 - maßgebend gewesen seien, im vorliegenden Falle nicht durchgreifen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Zahlung von Arbeitslosenhilfe ab 23. Januar 1982 zu erteilen und hierbei die Anwartschaftszeit als erfüllt anzusehen.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das ist allerdings nicht bereits deshalb der Fall, weil der Kläger mit seinem Klageantrag aus der Sicht des SG eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben hat. Wenn das zuträfe, wäre seine Klage unzulässig, was in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Die Zulässigkeit der Klage ist eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung. Hier würde für eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Der Kläger könnte damit sein Ziel, die Gewährung von Alhi, also die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs, nicht unmittelbar und möglicherweise auch nicht ohne ein weiteres Verfahren erreichen. Diese Möglichkeit hätte er bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage. Die Prozeßordnung gibt dem Rechtsschutzsuchenden nur das Recht, den begehrten Rechtsschutz auf dem dafür vorgesehenen kürzesten Wege in Anspruch zu nehmen, soweit ihm nicht ausdrücklich Wahlmöglichkeiten eingeräumt sind (vgl BSGE 41, 218, 219 = SozR 3100 § 35 Nr 3). Letzteres ist hier nicht gegeben; dennoch ist die Klage nicht unzulässig.
Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erheben wollte. Die Fassung seines Antrags, Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, ihn im Sinne seines Antrags zu bescheiden, deutet zwar auf den ersten Blick auf einen entsprechenden Willen hin; indes entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 123 SGG). Der Kläger, der in der ersten Instanz nicht vertreten war, wollte nach seinem Klageziel die Bewilligung von Alhi. Er macht damit einen Rechtsanspruch geltend und wollte ihn mit der hierfür vorgesehenen Klageart erreichen. Er hat damit eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben. Daß das Urteil des SG dieser Rechtslage nicht entspricht und der Kläger dadurch benachteiligt wird, kann nicht berücksichtigt werden, da nur die Beklagte Berufung eingelegt hat. Deshalb ist auch dem in der Revisionsinstanz gestellten Antrag des Klägers nicht zu entnehmen, daß er eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erheben wollte. Er hat vielmehr mit diesem Antrag der prozessualen Situation Rechnung getragen, daß er das zweitinstanzliche Urteil nicht anfechten will, soweit es um die Gewährung von Alhi für die Zeit vor dem 23. Januar 1982 geht; dh, der Kläger will mit der Revision erreichen, daß die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wird, soweit das SG der Klage für die Zeit ab 23. Januar 1982 stattgegeben hat. Mit diesem Begehren kann er aus materiell-rechtlichen Gründen nicht durchdringen.
Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi ist ua gemäß § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG in der hier maßgeblichen Fassung des AFKG, daß der Arbeitslose innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Diese Bestimmung verlangt, wie das LSG richtig erkannt und der Senat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1985 (7 RAr 75/84), das den Beteiligten bekannt ist, ausgeführt hat, den Nachweis einer Beschäftigung, die ihrer Art nach geeignet ist, die Anwartschaftszeit iS des § 104 AFG zu erfüllen. Die Beschäftigung muß also der Beitragspflicht zur Bundesanstalt unterliegen (§ 168 AFG) oder einer solchen hinsichtlich der Erfüllung der Anwartschaftszeit gleichwertig sein. Zwar hat § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b in der vor der Änderung durch das AFKG geltenden Fassung nur eine 70-tägige entlohnte Beschäftigung in der Rahmenfrist vorausgesetzt; die Beschäftigung brauchte also nicht beitragspflichtig zu sein. Das AFKG hat den Zugang zum Anspruch auf Alhi jedoch erschwert; erforderlich ist jetzt eine zeitlich längere und der Beitragspflicht unterliegende oder dem gleichgestellte Beschäftigung. Der Senat folgert dies aus dem Wortlaut des Gesetzes und seiner Entstehungsgeschichte, wie er es in dem oa Urteil vom 12. Dezember 1985 des näheren ausgeführt hat. Er hält hieran fest.
Irrig ist die Auffassung des Klägers, für die Erfüllung der Anwartschaftszeit genüge die Ausübung einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung. Diese Auslegung widerspricht dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 134 AFG durch das AFKG verfolgt hat. Damit sollte, wie der Senat bereits in seinem oa Urteil vom 12. Dezember 1985 ausgeführt hat, eine Einschränkung des Kreises der Berechtigten erreicht werden, weshalb ua die anspruchsbegründenden Tatbestände des Schul- und Hochschulbesuchs gemäß § 134 Abs 1 Buchst c AFG idF vor dem AFKG ganz entfallen sind. Daneben soll nunmehr wie für das Arbeitslosengeld (Alg) die eigene Beitragsentrichtung als Ausdruck der Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft auch für die Alhi Merkmal der Anspruchsberechtigung sein, soweit nicht abschließend geregelte Ausnahmen zugelassen werden. Für die Freistellung von der Versicherungspflicht ist aber gerade die Überlegung maßgebend, daß ein Student seinem Status nach nicht zu dem von der Sozialversicherung erfaßten Personenkreis der Beschäftigten gehört (vgl BSG SozR 2200 § 172 Nr 15). Es würde also sowohl mit dem mit der Neufassung des § 134 Abs 1 AFG durch das AFKG als auch mit dem mit der Freistellung von der Beitragspflicht verfolgten Zweck nicht im Einklang stehen, wollte man eine beitragspflichtige durch eine an sich beitragspflichtige Beschäftigung ersetzen.
Wie das LSG zutreffend erkannt hat und, was auch vom Kläger eingeräumt wird, hat dieser innerhalb des Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, nicht mindestens 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war er in dieser Zeit, unabhängig von der Frage, ob als Arbeitslosmeldung der 18. oder der 23. Januar 1982 gilt, höchstens 151 Tage beschäftigt, und zwar bei der Fa. J. vom 1. Februar bis 17. März 1981 und vom 1. September bis 15. Dezember 1981 bei der N. K. AG; zumindest die Tätigkeit bei der Fa. J. war versicherungsfrei. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, daß der Bescheid der Innungskrankenkasse O. keine Bindungswirkung hat. Damit kann der Kläger selbst dann, wenn die Beschäftigung bei den N. K. AG beitragspflichtig gewesen sein sollte, in dem Jahr vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausging, nicht 150 Tage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden haben.
Gemäß § 169 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO sind beitragsfrei Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer sonstigen, der wissenschaftlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Entgelt beschäftigt waren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt die Versicherungsfreiheit einer neben einem Studium ausgeübten Erwerbstätigkeit voraus, daß der Betreffende seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt. Das gilt auf jeden Fall für die Erwerbstätigkeit eines Studenten während der von Studienanforderungen freien Semesterferien (vgl BSGE 44, 164, 166; SozR 2200 § 172 Nrn 14 und 15), es sei denn, der Studierende würde in dieser Zeit seinen Status als Student aufgeben. Letzteres trifft hier nicht zu, da der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG von 1975 bis zum 22. Januar 1982 Student war. Die Tätigkeit bei der Fa. J. hat er jedenfalls im Februar 1981 während der Semesterferien ausgeübt. Da er nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG zumindest bis Ende August 1981 weiterstudiert hat, bestehen keine Bedenken, daß er auch in der übrigen Zeit während seiner Tätigkeit bei der Fa. J. als Student anzusehen war. Schon vom jeweiligen zeitlichen Umfange her hat jedenfalls bis zur Aufnahme seiner Tätigkeit bei der N. K. AG das Studium und nicht die Erwerbstätigkeit sein Erscheinungsbild geprägt. Damit war er beitragsfrei. Das hat zur Folge, daß seine Tätigkeit bei der Fa. J. nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit herangezogen werden kann, und es damit an den Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG fehlt.
Da Ersatztatbestände für die fehlende beitragspflichtige Beschäftigung nicht vorliegen, kann der Kläger aus den vorliegenden Gründen keinen Anspruch auf Alhi haben. Die angefochtenen Bescheide sind daher nicht rechtswidrig. Das LSG hat zu Recht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers muß somit zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen