Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frage, ob die Tätigkeit eines Soldaten eine Wehrdienstverrichtung darstellt, ist die Zweckbestimmung der Tätigkeit maßgebend. Nicht entscheidend ist, ob die Tätigkeit während der Dienstzeit und in der Kaserne ausgeübt wird.
2. Wehrdienstbeschädigung ist nicht nur die gesundheitliche Schädigung, die unmittelbar durch eine Wehrdienstverrichtung verursacht worden ist. Vielmehr gehört dazu auch eine gesundheitliche Schädigung, die durch einen Unfall herbeigeführt worden ist, der seinerseits in ursächlichem Zusammenhang mit einer Wehrdienstverrichtung steht.
3. Zum Begriff der "selbstgeschaffenen Gefahr" im Versorgungsrecht.
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit der Reinigung einer Feldflasche wurde ein dienstlicher Zweck verfolgt. Eine dabei erlittene gesundheitliche Schädigung ist auch dann die Folge einer Wehrdienstverrichtung, wenn zwischen der Schädigung und dem Unfall ein ursächlicher Zusammenhang besteht und die Reinigung auch außerhalb des Kasernenbereichs vorgenommen wurde.
2. Der unsachgemäße Gebrauch eines Reinigungsmittels - Gebrauchsanweisung wurde nicht gelesen - ist noch kein derart vernunftswidriges und gefährliches Verhalten, daß dieses als die allein wesentliche Bedingung des schädigenden Erfolges angesehen werden müßte.
3. Der leichtfertige Gebrauch eines ungeeigneten Mittels zur Reinigung der Feldflasche, der zu einem Unfall führte, stellt eine vom Unfallgeschädigten selbst geschaffene Gefahr dar. Diese Gefahr ist nur dann für den schädigenden Erfolg wesentliche Bedingung, wenn das Verhalten des Soldaten in so hohem Grade vernunftwidrig und gefährlich gewesen ist, daß er höchstwahrscheinlich mit einem Unglück hat rechnen müssen.
Normenkette
SVG § 80 Fassung: 1971-09-01, § 81 Abs. 1 Alt. 1 Fassung: 1971-09-01, § 85 Abs. 1 Fassung: 1971-09-01
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. Mai 1976 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die in der Revisionsinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der am 30. September 1940 geborene Kläger war von 1964 bis zu seinem Ausscheiden am 30. September 1976 Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Im Jahre 1969 hatte er den Dienstrang eines Hauptgefreiten inne und war als Waffen- und Gerätewart bei einer Instandsetzungskompanie eingesetzt. Er war sog. "Heimschläfer", d.h. nicht kasernierungspflichtig, sondern befugt, nach Beendigung des Dienstes seine Familienwohnung aufzusuchen. Seine Ausrüstungsgegenstände bewahrte er in einem Spind der Instandsetzungskompanie auf, soweit er sie nicht mit nach Hause nahm, um sie dort zu reinigen. Das wurde bei Heimschläfern allgemein geduldet.
Zum 1. Quartal 1970 sollte der Kläger zur Wiederholung eines Unteroffizierslehrgangs abkommandiert werden. Zur Vorbereitung auf den Lehrgang wurde er vom 6. Oktober bis 24. November 1969 in einer Panzerjägerkompanie als Hilfsausbilder bei der Rekrutenausbildung eingesetzt. Der Kläger nahm den Vorbereitungsdienst sehr genau, weil sich für ihn durch die Wiederholung des Unteroffizierslehrgangs eine letzte Chance bot, in den Unteroffiziersstand aufzusteigen. Die Pausen während des Dienstes benutzte er daher nicht - wie sonst bei Ausbildern und Unterführern üblich - zum Reinigen seiner Ausrüstungsgegenstände, sondern zur Lehrstofferarbeitung für die kommenden Dienststunden.
Am 16. November 1969, einem dienstfreien Sonntag, reinigte der Kläger in der Küche seiner Privatwohnung seine Feldflasche. Er wollte sie besonders gründlich reinigen, um sie den Rekruten als mustergültig vorweisen zu können. Deswegen benutzte er zur Reinigung das ihm von seiner Ehefrau als geeignet empfohlene Mittel "Rohrfrei".
Hierbei handelt es sich um ein Mittel zur Reinigung von Abflußrohren, welches zur Verwendung innerhalb geschlossener Behälter nicht geeignet ist. Der Kläger vermengte das Mittel in der Feldflasche mit etwas Wasser. Als er im Begriff war, den Kunststoffverschluß zu verschrauben, wurde dieser durch den sich im Innern der Flasche entwickelnden Gasdruck explosionsartig aus dem Gewinde gerissen. Die herausspritzende ätzende Flüssigkeit traf die Augen des Klägers. Infolgedessen erblindete er auf dem rechten Auge.
Mit Schreiben vom 16. Mai 1970 beantragte der Kläger einen Ausgleich nach § 85 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG). Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 15. Juli 1970 ab, weil der Unfall weder während der Ausübung des Wehrdienstes noch durch diesem Dienst eigentümliche Verhältnisse herbeigeführt worden sei. Beschwerde, weitere Beschwerde und Klage (Urteil vom 26. April 1974) blieben erfolglos.
Mit seiner Berufung hat der Kläger geltend gemacht, er sei wegen des intensiven Dienstes bei der Rekrutenausbildung nicht in der Lage gewesen, die Feldflasche während der Dienstpausen zu reinigen. Außerdem dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte selbst zum Reinigen der Feldflaschen ein ätzendes Mittel, nämlich "Fefix", vorgeschrieben habe, das zu ähnlichen Unfällen führen könne.
Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg (Urteil vom 18. Mai 1976; vgl. Breithaupt 1976, 1031) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, daß der Verlust des rechten Auges die Folge einer Wehrdienstbeschädigung i.S. des SVG sei; es hat die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab November 1969 einen Ausgleich gemäß § 85 SVG zu gewähren. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Verlust des rechten Auges sei die Folge einer Wehrdienstbeschädigung i.S. der 1. Alternative des § 81 Abs. 1 SVG. Die Gesundheitsschädigung sei durch eine Dienstverrichtung herbeigeführt worden. Für die Beurteilung, ob es sich bei einer Tätigkeit um eine Dienstverrichtung handele, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht entscheidend, wann, sondern zu welchem Zweck die Tätigkeit vorgenommen werde. Hiernach habe das Reinigen der Feldflasche eine Dienstverrichtung dargestellt. Denn es sei allgemeine soldatische Pflicht, die Ausrüstung stets in Ordnung zu halten. Daß der Kläger für die Reinigung der Feldflasche seine Freizeit am Sonntag und nicht die Pausen während der Dienstzeit genutzt habe, sei verständlich und ändere nichts an der militärischen Zwecksetzung. Der Kläger habe das Mittel "Rohrfrei" nicht aus privaten Gründen - etwa zur Erprobung der chemischen Wirkung dieses Mittels - verwendet. Schließlich sei der Ausgleichsanspruch nicht wegen des unachtsamen Verhaltens des Klägers ausgeschlossen. Für eine absichtlich herbeigeführte Schädigung (§ 85 Abs. 5 SVG) seien keine Anhaltspunkte vorhanden. Das Verhalten des Klägers sei auch nicht in so hohem Maße unvernünftig und unsinnig gewesen, daß deshalb die Dienstverrichtung als Ursache für die Gesundheitsschädigung in den Hintergrund getreten sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 81 Abs. 1 SVG mit der Begründung, eine Wehrdienstbeschädigung sei zu verneinen, weil sich der Unfall an einem dienstfreien Sonntag im häuslichen Lebensbereich ereignet habe. Es habe weder ein Befehl zum Reinigen der Feldflasche vorgelegen noch hierzu eine Notwendigkeit bestanden. Zwar habe die Reinigung der Feldflasche auch im Interesse der Bundeswehr gelegen. Das gelte jedoch ebenso für zahlreiche andere Verrichtungen und Tätigkeiten wie z.B. körperliche Reinigung, Schuhputzen usw., die nach der Rechtsprechung des BSG nicht deshalb zum Wehrdienst würden, weil ein Interesse der Bundeswehr an ihnen bestehe. Wenn der Kläger seine Feldflasche besonders gründlich habe reinigen wollen, so beruhe dies auf einem Eifer, der persönlichkeitsgebunden, in allen Lebensbereichen zu finden und nicht wehrdienstbezogen sei. Der Unfall sei auch nicht auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückzuführen. Zwar könne auch ein während der dienstfreien Zeit eingetretener Unfall zu einer Wehrdienstbeschädigung führen, wenn sich die militärischen Verhältnisse i.S. einer Gefahrenerhöhung auf den privaten Lebensbereich auswirkten. Das könne aber im Zusammenhang mit der Reinigung der Feldflasche nicht gesagt werden, weil Feldflaschen auch im privaten Bereich (Wandern, Camping usw.) benutzt würden und die Anwendung eines ungeeigneten Mittels auch im privaten Bereich derartige Unfälle auslöse. Aber selbst wenn eine Dienstverrichtung unterstellt würde, scheide die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung aus, weil der Kläger durch sein vernunftwidriges und leichtfertiges Verhalten einen Gefahrenbereich geschaffen habe, der ausschließlich in seine persönliche Verantwortung gefallen sei und den Zusammenhang mit dem Wehrdienst gelöst habe.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. Mai 1976 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. April 1974 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf den Inhalt des angegriffenen Urteils und meint insbesondere, die Beklagte könne nichts daraus herleiten, daß er (Kläger) zum Zeitpunkt des Unfalls dienstfrei gehabt und sich im privaten, häuslichen Bereich befunden habe. Das würde dem geläufigen Satz "Ein Soldat ist immer im Dienst" widersprechen. Sein Verhalten könne auch keineswegs als leichtfertig angesehen werden. Ergänzend zum angefochtenen Urteil dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte selbst noch zum Zeitpunkt des Schadensereignisses das in seinen Auswirkungen ähnliche Mittel "Fefix" zur Reinigung von Feldflaschen empfohlen habe.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die gesundheitliche Schädigung, die der Kläger am 16. November 1969 erlitten hat, eine Wehrdienstbeschädigung darstellt und ob insbesondere das Reinigen der Feldflasche während der Freizeit als Wehrdienstverrichtung bzw. Wehrdienstausübung anzusehen ist.
Nach § 85 SVG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 1967 (BGBl I S. 201) und der nachfolgenden Änderungen (vgl. jetzt Bekanntmachung der Neufassung des SVG vom 18. Februar 1977; BGBl I S. 337) erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG).
§ 81 Abs. 1 SVG unterscheidet sich seinem Wortlaut nach von § 1 Abs. 1 BVG nur insofern, als statt des Wortes "militärischer Dienst" das Wort "Wehrdienst" verwendet worden ist, ohne daß damit ein rechtlicher Unterschied für den Dienst eines Soldaten in der früheren Wehrmacht und in der heutigen Bundeswehr gekennzeichnet wird. Infolgedessen gilt das, was zur Abgrenzung des Begriffes "militärischer Dienst" von anderen Tätigkeiten gesagt ist, ebenso für den Begriff "Wehrdienst" (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 6. August 1968 - 10 RV 420/66 - in KOV 1969, 76).
Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Erblindung des rechten Auges des Klägers als Wehrdienstbeschädigung infolge einer Wehrdienstverrichtung i.S. der ersten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG angesehen. Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BSG. Hiernach sind Dienstverrichtungen solche Handlungen eines Soldaten, die er zur Verrichtung des Wehrdienstes aufgrund besonderer Befehle oder allgemeiner Dienstvorschriften oder ungeschriebener soldatischer Pflichten und militärischer Grundsätze ausführt (vgl. BSGE 10, 251, 254; 18, 199; 20, 266, 268; 33, 141). Maßgebend für die Unterordnung der Tätigkeit eines Soldaten unter den Begriff der "Wehrdienstverrichtung" ist demnach, aus welchen Gründen und zu welchem Zweck die Tätigkeit ausgeübt wird. Ausgehend hiervon hat das LSG ohne Rechtsfehler das Reinigen der Feldflasche im vorliegenden Fall als Dienstverrichtung angesehen. Denn jeder Soldat hat seine Ausrüstung, zu der auch die Feldflasche zählt, selbst ohne besonderen Befehl ständig in einsatzbereitem Zustand zu halten. Die soldatische Pflicht zur Instandhaltung der anvertrauten Ausrüstung gehört zu den Grundpflichten des Soldaten, die in der Pflicht zum treuen Dienen verankert sind (§ 7 des Soldatengesetzes; vgl. auch Scherer, Komm. zum Soldatengesetz, 5. Aufl., Rdnr. 13 zu § 7 m.w.N.). Die Tätigkeiten zur Instandhaltung der Ausrüstung sind deshalb nicht den Verrichtungen des täglichen Lebens wie z.B. Körperreinigung, Schuhputzen usw. gleichzusetzen, sofern nicht diese Verrichtungen ihrerseits nach den jeweiligen Umständen in einem engen inneren Zusammenhang mit dem Dienst stehen und deshalb noch dem "Wehrdienst" zugerechnet werden müssen (vgl. BSGE 33, 141, 143).
Daß der Kläger seine Feldflasche an einem dienstfreien Sonntag gereinigt hat, steht der Annahme einer Wehrdienstverrichtung nicht entgegen. Hierfür ist - anders als bei der zweiten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG (Unfall "während" der Ausübung des Wehrdienstes) - nicht entscheidend, ob eine Tätigkeit in der Zeit des Wehrdienstes ausgeübt wird. Maßgebend ist vielmehr ihre Zweckbestimmung. Dementsprechend hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 6. August 1968 (KOV 1969, 76) ausgesprochen, daß nicht alles, was ein Soldat während der Dienstzeit tut, eine Dienstverrichtung ist, andererseits aber eine Dienstverrichtung nicht grundsätzlich dadurch ausgeschlossen ist, daß eine dienstliche Handlung außerhalb der Dienstzeit vorgenommen wird. Ob eine zu dienstlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit während der Freizeit stets als Wehrdienstverrichtung anzusehen ist oder nur beim Vorliegen besonderer Umstände- etwa dann, wenn der Soldat wegen starker dienstlicher Inanspruchnahme oder subjektiver Überforderung eine dienstlichen Zwecken dienende Tätigkeit erst während seiner Freizeit ausüben kann -, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls sind im vorliegenden Fall besondere Umstände vorhanden gewesen, die das Reinigen der Feldflasche auch während der Freizeit zu einer Dienstverrichtung gemacht haben.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist es üblich, daß die Ausbilder die ihnen überlassenen Ausrüstungsgegenstände nicht während der dienstlich befohlenen, sondern während der dienstfreien Zeiten, regelmäßig in den Dienstpausen, pflegen. Das hat zum Zeitpunkt der Schädigung auch für den als Hilfsausbilder eingesetzten Kläger gegolten. Dieser hat aber die Dienstpausen genutzt, um sich auf den Stoff der kommenden Dienststunden vorzubereiten. Da er überdies "Heimschläfer" gewesen ist, hat er seiner soldatischen Pflicht zur Instandhaltung seiner Ausrüstung nur dadurch nachkommen können, daß er das Versäumte am dienstfreien Wochenende nachgeholt hat. Selbst wenn es - wie die Beklagte meint - dienstlich nicht notwendig gewesen sein sollte, die Feldflasche am Sonntag in der Privatwohnung zu reinigen, weil etwa objektiv keine besondere Veranlassung hierzu bestanden hat, so liegt rechtlich kein Unterschied darin, ob dieselbe Tätigkeit nach Dienst in der Kaserne oder bei "Heimschläfern" in deren Privatwohnung vorgenommen wird. Entscheidend ist, daß der Kläger die Feldflasche nicht aufgrund freier Willensbestimmung aus privaten Gründen, sondern in Erfüllung einer soldatischen Pflicht zu dienstlichen Zwecken gereinigt hat.
Der Verlust des rechten Auges beruht allerdings nicht unmittelbar auf der Wehrdienstverrichtung (= Reinigung der Feldflasche). Er ist vielmehr unmittelbar auf einen Unfall zurückzuführen, der sich beim Reinigen der Feldflasche ereignet hat. Das explosionsartige Herausspritzen der ätzenden Flüssigkeit ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis und damit ein Unfall gewesen (vgl. § 27 Abs. 2 SVG). Damit hat zwischen der Wehrdienstverrichtung und der gesundheitlichen Schädigung lediglich ein mittelbarer Zusammenhang bestanden. Gleichwohl hat sich das LSG - wenn auch insoweit ohne nähere Begründung - für die Anwendung der ersten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG entschieden und eine gesundheitliche Schädigung "durch eine Wehrdienstverrichtung" angenommen. Dies ist nicht zu beanstanden.
Zwar liegt nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Wehrdienstbeschädigung i.S. der ersten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG nur dann vor, wenn sie durch eine Dienstverrichtung herbeigeführt worden ist. Hingegen ist die gesundheitliche Schädigung infolge eines Unfalls im Zusammenhang mit einer Wehrdienstverrichtung nicht als Wehrdienstbeschädigung erwähnt worden. Im Gegensatz dazu wird in der zweiten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG als Wehrdienstbeschädigung ausdrücklich die "durch einen Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes" herbeigeführte gesundheitliche Schädigung genannt. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß eine gesundheitliche Schädigung infolge eines Unfalls im Zusammenhang mit einer Wehrdienstverrichtung keine Wehrdienstbeschädigung darstellt oder daß - mit anderen Worten - als Voraussetzung für die Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung stets ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der Wehrdienstverrichtung bestehen muß. Dies ist ebensowenig erforderlich wie im Rahmen der zweiten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG; auch die Wehrdienstverrichtung braucht nicht unmittelbar zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt zu haben. Der Unterschied zwischen beiden Alternativen liegt vielmehr in der Art des jeweils erforderlichen Zusammenhanges. Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, liegt eine Wehrdienstbeschädigung i.S. der zweiten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG (bzw. des § 1 Abs. 1 BVG) nicht erst dann vor, wenn die durch einen Unfall herbeigeführte Schädigung ursächlich mit dem Wehrdienst zusammenhängt. Vielmehr reicht ein bloß zeitlicher Zusammenhang des Unfalls mit der Ausübung des Wehrdienstes aus (BSGE 8, 264, 271; BSG SozR 3200 § 81 Nr. 6). Das gilt auch dann, wenn - was häufig der Fall sein wird - die Ausübung des Wehrdienstes zugleich eine Wehrdienstverrichtung darstellt (Zur Synonymität der Begriffe vgl. BSGE 8, 264, 267; 10, 252, 254). Nicht jede Wehrdienstverrichtung ist jedoch zugleich Ausübung des Wehrdienstes. Für diese Wehrdienstverrichtungen ist in der ersten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG eine durch die Verwendung des Wortes "durch" charakterisierte Regelung des Inhalts getroffen worden, daß als Voraussetzung für die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung allein ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der Wehrdienstverrichtung nicht genügt. Vielmehr ist insofern ein ursächlicher Zusammenhang erforderlich. Hierin erschöpft sich die Bedeutung der unterschiedlichen Regelungen in den beiden ersten Fallgruppen des § 81 Abs. 1 SVG. Nicht hingegen ist ihnen zu entnehmen, daß die erste Alternative nur anzuwenden ist, wenn die Dienstverrichtung unmittelbar zu einer Schädigung geführt hat, und deswegen ausscheidet, wenn die Gesundheitsstörung durch einen Unfall, welcher seinerseits ursächlich auf die Dienstverrichtung zurückzuführen ist, und demnach nur mittelbar durch diese herbeigeführt worden ist. Gegen eine so enge Auslegung spricht, daß Dienstverrichtungen regelmäßig nicht unmittelbar (als solche), sondern wegen der mit ihnen verbundenen Gefahren oder infolge sonstiger besonderer Umstände nur mittelbar durch ein hinzutretendes Ereignis zu einer körperlichen Schädigung führen. Anderenfalls wären Wehrdienstbeschädigungen i.S. der ersten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG nur in den seltenen Fällen zu bejahen, in denen eine Dienstverrichtung unmittelbar zu einer Schädigung geführt hat, z.B. schwere Erschöpfung oder Herzversagen infolge eines anstrengenden Gepäckmarsches. Eine Wehrdienstbeschädigung i.S. der ersten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG ist daher auch dann zu bejahen, wenn die gesundheitliche Schädigung zwar unmittelbar durch einen Unfall verursacht worden ist, dieser aber im ursächlichen Zusammenhang mit einer Wehrdienstverrichtung steht.
So liegt der Fall hier. Das Reinigen der Feldflasche (Wehrdienstverrichtung) ist die Ursache für das explosionsartige Herausspritzen der ätzenden Flüssigkeit (Unfall) und dieses wiederum ursächlich für den Verlust des rechten Auges (gesundheitliche Schädigung) gewesen. Diese Gesundheitsstörung stellt damit eine Wehrdienstbeschädigung dar.
Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger den Unfall durch unsachgemäßes Verhalten herbeigeführt hat. Nach § 81 Abs. 5 (seit 1. Januar 1977: Abs. 6) SVG gilt eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte gesundheitliche Schädigung nicht als Wehrdienstbeschädigung. Durch diese Vorschrift wird für das gesamte Versorgungsrecht zum Ausdruck gebracht, daß ein geringeres Verschulden unerheblich ist (vgl. Wilke-Wunderlich, Bundesversorgungsgesetz, 4 Aufl., § 1 BVG, Anm. V 5). Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger die Schädigung absichtlich herbeigeführt hat, sind vom LSG nicht festgestellt worden; Unfallhergang und Art der Verletzung sprechen deutlich gegen eine Selbstschädigungsabsicht.
Allerdings hat das BSG entsprechend dem für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung entwickelten Grundsatz, daß eine vom Unfallgeschädigten selbst geschaffene Gefahr unter bestimmten Voraussetzungen als die rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden muß und ihr gegenüber die betriebliche Tätigkeit in ihrer ursächlichen Bedeutung zurücktritt (vgl. u.a. BSGE 30, 14, 15; BSG SozR RVO a.F. § 542 Nrn. 53 und 77), auch für das Versorgungsrecht angenommen, daß durch die Schaffung eines neuen und selbständigen Gefahrenbereiches durch den Beschädigten die für den schädigenden Erfolg wesentliche und eigentümliche Bedingung begründet werden und die andere Bedingung (Wehrdienstverrichtung, Ausübung des Wehrdienstes, wehrdiensteigentümliche Verhältnisse) dahinter zurücktreten kann (BSGE 1, 72, 76). Dies setzt jedoch voraus, daß das Verhalten des Soldaten in so hohem Grade vernunftwidrig und gefährlich gewesen ist, daß er höchstwahrscheinlich mit einem Unglück hat rechnen müssen (Urteil BSG vom 25. November 1976 - 9 RV 28/76 -). Davon kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Zwar ist es als leichtfertig anzusehen, daß der Kläger vor Anwendung des Reinigungsmittels "Rohrfrei" dessen Gebrauchsanweisung nicht durchgelesen hat. Es darf aber nicht übersehen werden, daß er das Mittel nicht selbst ausgewählt hat, sondern sich von seiner Ehefrau hat empfehlen lassen. Aufgrund dessen hat er nicht mit einem so hohen Unfallrisiko rechnen müssen, daß sich sein Handeln als in hohem Maße vernunftwidrig und gefährlich darstellt. Ob dies außerdem auch deswegen gelten muß, weil die Beklagte selbst das Mittel "Fefix" zur Reinigung von Feldflaschen empfohlen hat und es sich hierbei gemäß der Behauptung des Klägers um ein ähnliches Mittel wie "Rohrfrei" handelt, kann auf sich beruhen.
Die Revision der Beklagten konnte somit nicht zum Erfolg führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen