Orientierungssatz
Zum Einkommensbegriff iS des KGG § 11.
Normenkette
KGG § 11 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1959-03-16
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 19. März 1963 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I. Die beklagte Familienausgleichskasse (FAK) forderte im Mai 1960 von der Klägerin, deren Alleininhaber der Kaufmann O A ist, für das Jahr 1959 einen Beitrag (Umlage) von 61,- DM. Daraufhin übersandte diese der Beklagten den inzwischen erhaltenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1958, dessen Inhalt nach sie im fraglichen Jahr Einkünfte im Gesamtbetrag von 8087,- DM hatte. Ihr Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) betrug nach Abzug der Sonderausgaben von 1769,- DM insgesamt 6318,- DM, das tatsächlich zu versteuernde Einkommen belief sich nach Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen für Diätkosten in Höhe von 342,- DM und weiterer 360,- DM wegen Körperbehinderung auf 5616,- DM. Die Beklagte lehnte jedoch die Anerkennung der Beitragsfreiheit ab (Bescheid vom 7. Juni 1960), da außergewöhnliche Belastungen und Freibeträge das Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 des Kindergeldgesetzes (KGG) nicht minderten. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1960). Das Sozialgericht (SG) hob (Urteil vom 15. September 1961) die Bescheide vom 7. Juni und 5. Dezember 1960 auf und verurteilte die Beklagte, die Beitragsfreiheit der Klägerin für das Jahr 1959 anzuerkennen und die Umlagerechnung vom 13. Mai 1960 zurück zunehmen, da unter Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG nicht das Einkommen des § 2 Abs. 2 EStG, sondern das zu versteuernde Einkommen zu verstehen sei.
II. Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG auf und wies die Klage ab (Urteil vom 19. März 1963). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG 15, 185) sei die im EStG enthaltene Begriffsbestimmung des Einkommens auch im Kindergeldgesetz zu verwenden, soweit sie dessen Grundgedanken nicht widerspreche. Der steuerrechtliche Einkommensbegriff werde aber nicht durch außergewöhnliche Belastungen im Sinne des Steuerrechts berührt, da diese nur das zu versteuernde Einkommen, nicht dagegen das Einkommen selbst minderten. Diese Rechtsauffassung müsse auch für das Einkommen im Sinne des KGG gelten. Der Gesetzgeber stelle es in § 11 Abs. 1 KGG grundsätzlich nicht auf die Belastungen, die das Einkommen des Pflichtigen treffen, sondern nur darauf ab, ob dieses 6000 DM im Beitragsjahr überschreite oder nicht. Eine Ausnahme gelte als Folge des § 11 Abs. 1 Satz 4 nur dann, wenn auf Grund besonders hoher außergewöhnlicher Belastungen das zu versteuernde Einkommen des Betroffenen die Summe von 3419,- DM nicht übersteige und damit Steuerfreiheit bestehe (Einkommenssteuertabelle 1958 = BGBl. I S. 98). Hier werde bei der Prüfung der Beitragspflicht nicht vom Einkommen, sondern vom versteuerbaren Einkommen ausgegangen. Diese Ausnahme von § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG mache jedoch die Regel nicht gegenstandslos, da sie nur zur Anwendung komme, wenn gerade erst durch die außergewöhnlichen Belastungen oder durch die besonderen Freibeträge des § 32 EStG die Grenze von 3419,- DM erreicht oder überschritten werde. In den Fällen dagegen, in denen das Einkommen als solches die Summe von 3419,- DM nicht übersteige, die außergewöhnlichen Belastungen also keine Rolle spielten, werde trotz Vorlage der Bescheinigung über die Nichtveranlagung zur Einkommensteuer vom allgemeinen Einkommensbegriff des Steuerrechts nicht abgewichen. Daher sei aus der Erwähnung der Bescheinigung des Finanzamts in § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG nichts Zwingendes für die Auslegung des Einkommensbegriffs im Kindergeldgesetz abzuleiten. Ebensowenig wie aus § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG sei aus einem Vergleich mit dem "Jahreseinkommen" im Sinne des Kindergeldkassengesetzes (KGKG) vom 18. Juli 1961 etwas zur Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG zu entnehmen. Denn das KGKG, das keine Beitragspflicht kenne, wolle aus sozialen Gründen den Kreis der Bezugsberechtigten weit ziehen und habe daher bewusst statt des allgemeinen steuerrechtlichen Einkommensbegriffs den Begriff des zu versteuernden Einkommens verwandt.
Revision wurde zugelassen.
III. Die Klägerin legte form- und fristgerecht Revision ein. Der Einkommensbegriff des § 2 Abs. 2 EStG könne im KGG nicht angewandt werden. § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG wolle die Bezieher kleinerer Einkommen vor Beitragsverpflichtungen schützen, wobei allein die wirtschaftliche Lage des Gewerbetreibenden ausschlaggebend sei. Diese liege aber bei jenen, deren Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG bereits die Grenze von 6000 DM unterschreite und solchen, deren Einkommen zwar zunächst über 6000 DM hinausreiche, jedoch durch außergewöhnliche Belastungen unter diese Grenze gesenkt werde, völlig gleich. Ebenso wie im Steuerrecht, wo beide Fälle gleichmäßig behandelt würden, da für den Steuerzahler immer nur der geforderte Steuerbetrag maßgebend sei, müssten auch im Kindergeldrecht, um dem Schutzzweck des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG und dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG) gerecht zu werden, beide Fälle gleichmäßig behandelt werden. Außerdem ergebe ein Vergleich der Grundgedanken der Schutzregelung des EStG und des KGG, dass im Kindergeldrecht die außergewöhnlichen Belastungen ebenfalls zu berücksichtigen seien. Zwar fehle im KGG eine dem Steuerrecht entsprechende eingehende Regelung, doch müssten in beiden Fällen finanzschwache Einzelne vor Leistungen - seien es Steuern oder Beiträge - zugunsten der Allgemeinheit geschützt werden. Aus § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG, der die Beitragsbefreiung von der Vorlage des Einkommensteuerbescheids oder einer Bescheinigung über die Nichtveranlagung abhängig mache, sowie aus der Regelung im KKG gehe ebenfalls hervor, dass unter Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG das zu versteuernde Einkommen gemeint sei. Folglich müssten außergewöhnliche Belastungen als einkommensmindernd berücksichtigt werden. Nur diese Auslegung des Einkommensbegriffs im KGG entspreche ferner dem in Art. 20 GG festgelegten Sozialstaatsprinzip.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 19. März 1963 abzuändern und die Beitragsrechnung der Beklagten vom 13. Mai 1960 sowie den Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1960 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der steuerrechtliche Einkommensbegriff könne entsprechend dem Urteil des BSG vom 25. Oktober 1961 keine Anwendung finden. Selbst unter Zugrundelegung jenes steuerrechtlichen Einkommensbegriffs sei die Klägerin jedoch beitragspflichtig, da außergewöhnliche Belastungen und die Freibeträge des § 32 EStG das Einkommen im Sinne des Steuerrechts nicht minderten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
IV. Die nach § 162 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig, konnte jedoch keinen Erfolg haben.
Auf den vorliegenden Fall, in dem die Beitragspflicht für das Jahr 1959 im Streit steht, finden die Vorschriften des KGG vom 13. November 1954 (BGBl. I, 333) in der Fassung des 1. Kindergeldänderungsgesetzes (KGÄndG) vom 27. Juli 1957 (BGBl I, 1061) und das 2. KGÄndG vom 16. März 1959 (BGBl. I, 158) Anwendung.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG sind Selbständige, deren Einkommen jährlich 6000 DM nicht übersteigt, für ihre Person von der Beitragspflicht befreit. Dies wäre bei der Klägerin, deren Alleininhaber im Jahre 1958 Einkünfte als selbständiger Tätigkeit in einer Gesamthöhe von 8057,- DM hatte, nur dann der Fall, wenn ihre Sonderausgaben in Höhe von 1769,- DM und die außergewöhnlichen Belastungen von insgesamt 702,- DM als einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten. Voraussetzung hierfür wäre, dass unter Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG nicht nur das Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG, d. h. der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Ausgleich mit Verlusten und Abzug von Sonderausgaben, sondern das zu versteuernde Einkommen im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG verstanden werden könnte.
Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 25. Oktober 1961 (BSG 15, 185) entschieden hat, ist schon die steuerrechtliche Begriffsbestimmung des Einkommens in § 2 Abs. 2 EStG mit dem Grundgedanken des KGG nicht vereinbar. In Fortsetzung dieser Rechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil 7 RKg 9/63 vom gleichen Tage mit näherer Begründung ausgeführt, dass der steuerrechtliche Einkommensbegriff selbst dann nicht in § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG anwendbar ist und folglich steuerrechtliche Abzüge wie Sonderausgaben und Freibeträge nach § 18 Abs. 4 EStG auch dann nicht berücksichtigt werden können, wenn lediglich Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit vorliegen. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der Begriff des Einkommens im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG nur einheitlich verstanden werden und nicht je nachdem, ob lediglich Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit oder daneben auch Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit vorhanden sind, einmal als steuerrechtlicher, zum anderen Mal aber als eigenständiger Begriff angesehen werden kann.
Entscheidend ist indessen der wesensmäßige Unterschied zwischen den Beiträgen zu den Familienausgleichskassen (FAK) und den Steuern im Sinne der Steuergesetze, der die Anwendung des steuerrechtlichen Einkommensbegriffs im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG ausschließt. Denn die Beitragspflicht des KGG ist keine Steuer im Sinne des § 1 Abgabenordnung, sondern eine sich aus dem arbeitsrechtlichen Fürsorgeprinzip ergebende Selbsthilfeleistung innerhalb der berufsständischen Gemeinschaft (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - 11, 116; BSG 6, 237) mit dem Ziel, die Mittel zur Erfüllung der sozialpolitischen Aufgabe des Familienlastenausgleichs sicherzustellen. Von der hiernach grundsätzlich allen Unternehmern auferlegten Beitragspflicht macht § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG eine Ausnahme zugunsten Selbständiger mit einem Jahreseinkommen bis zu 6000 DM. Doch ist diese Bestimmung einerseits als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und deckt sich andererseits in ihrer sozialpolitischen Zweckbestimmung nicht mit den vorwiegend wirtschaftspolitischen sowie steuertechnischen Erwägungen und Zielen der steuerlichen Begünstigung von Sonderausgaben im Sinne der §§ 10 bis 10 d EStG. Zudem würde der durch § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG geschützte Personenkreis erheblich ausgeweitet, die Mittelaufbringung der FAKen gefährdet und eine ungerechtfertigte Mehrbelastung der verbleibenden Beitragspflichtigen herbeigeführt, wenn es den einzelnen Unternehmern ermöglicht würde, durch steuerrechtlich anerkannte Sonderausgaben (wie z. B. Mitgliedschaft bei Bausparkassen, Nichtentnahme von Gewinnen u. dgl.) sich der Beitragspflicht zu entziehen.
Ist aber aus den obengenannten Gründen der steuerrechtliche Einkommensbegriff, der sowohl das Einkommen aus selbständiger und aus nichtselbständiger Tätigkeit umfasst, als auch den Abzug von Sonderausgaben vorsieht, im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG nicht anwendbar, so ist es der Begriff des zu versteuernden Einkommens im Sinne des § 32 EStG ebenfalls nicht. Denn das zu versteuernde Einkommen im Sinne jener Bestimmung ist das um die nach § 32 Abs. 2 und 3 in Betracht kommenden Freibeträge und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge verminderte Einkommen; dieses setzt also den Einkommensbegriff des § 2 Abs. 2 EStG, von dem es ausgeht, notwendig voraus. Unter Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG kann daher - im Gegensatz zur Auffassung der Revision - auch nicht das zu versteuernde Einkommen im Sinne des § 32 EStG verstanden werden.
V. Gegenteiliges lässt sich ferner nicht aus § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG entnehmen, wonach eine bereits gemäß Satz 3 eingetretene Beitragsbefreiung wieder entfällt, wenn nicht innerhalb von drei Monaten nach der Beitragsanforderung der letzte Einkommensteuerbescheid oder eine Bestätigung des Finanzamts über die Nichtveranlagung vorgelegt wird. Diese Nichtveranlagung kann allerdings auch dann eintreten, wenn das Einkommen wegen außergewöhnlicher Belastungen unter die Veranlagungsgrenze sinkt. Trotzdem ergibt - im Gegensatz zur Auffassung der Revision - der Hinweis auf die Bestätigung der Nichtveranlagung in § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG nicht, dass damit die Beitragsbefreiung nach Satz 3 von dem der Veranlagung zugrunde liegenden Einkommensbegriff des § 32 Abs. 1 EStG abhängig ist. Denn einzige materiell-rechtliche Voraussetzung für die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG, d. h. für den Eintritt der Befreiung von der gemäß §§ 9, 10 KGG alle Unternehmer treffenden Beitragspflicht, ist das Unterschreiten der dort festgelegten Einkommensgrenze. Wird diese überschritten, so bleibt es bei der allgemeinen Beitragspflicht, wird sie dagegen unterschritten, so tritt - unberührt von den Formalien des § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG - Beitragsfreiheit ein. Die unabhängig von letzterer Vorschrift erwachsene Befreiung steht allerdings unter der in diesem Satz enthaltenen auflösenden Bedingung ("entfällt ... wenn nicht") des Einkommensnachweises durch Einkommensteuerbescheid oder Bestätigung der Nichtveranlagung (Lauterbach-Wickenhagen, Komm. zum KGG, 2. Aufl § 11 Anm. 9, Witting-Meier, KG-Handbuch 1964 § 11 Anm. 8). Dem Wortlaut des Gesetzes gemäß ist dieser Einkommensnachweis jedoch nicht in jedem Fall eingetretener Beitragsbefreiung notwendigerweise vorzulegen, sondern nur nach Beitragsanforderung, d. h. dann, wenn trotz der nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG bereits eingetretenen Befreiung eine Beitragsanforderung an den Selbständigen gerichtet wird. Hieraus ergibt sich, daß die in § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG genannten Nachweise (Urkunden) für den Eintritt der Beitragsfreiheit selbst keine materiell-rechtliche Bedeutung haben, die Befreiung vielmehr allein auf Grund des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG wegen der Einkommensgrenze wirksam wird. § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG enthält auch keine zusätzliche, neben Satz 3 stehende Befreiungsmöglichkeit für den Fall der Nichtveranlagung, da ebensowenig wie die bloße Vorlage des Einkommensteuerbescheids jene der Bescheinigung über die Nichtveranlagung die Beitragsfreiheit herbeiführt. Denn weder ist die Beitragsfreiheit eine Folge der Nichtveranlagung, noch die entsprechende Bescheinigung materiell-rechtliche Voraussetzung für den Eintritt der Beitragsfreiheit. Sachlich-rechtlich bewirkt auch hier allein die Einkommensgrenze nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG die Beitragsfreiheit. Demgegenüber enthält Satz 4 nur einen Ausschlußtatbestand für die bereits eingetretene Befreiung. Er dient lediglich dazu, der FAK eine möglichst schnelle Prüfung der Beitragspflicht zu ermöglichen (BSG 16,209), indem er (nach Beitragsanforderung) durch Androhung des Wegfalls der bereits § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG zufolge eingetretenen Befreiung die Vorlage des Einkommensteuerbescheids oder in den Fällen, in denen ein solcher mangels zu versteuernden Einkommens nicht ergeht, der Nichtveranlagungsbestätigung herbeiführt.
Dem entspricht, dass nach der bis zum 31. Dezember 1957 geltenden Fassung des § 11 Abs. 1 KGG die Beitragsfreiheit ebenfalls allein auf Grund der Einkommensgrenze eintrat, ohne dass bis dahin irgendwelche Nachweise vom Gesetzgeber vorgesehen waren. Die Vorlage des Einkommensteuerbescheides bzw. der Bescheinigung über die Nichtveranlagung wurde erst durch das KGÄndG vom 27. Juli 1957 eingeführt, doch wurde hierdurch, wie der Wortlaut des neugefassten § 11 Abs. 1 Satz 3 und 4 KGG erweist, an der einzigen materiell-rechtlichen Voraussetzung des Eintritts der Beitragsbefreiung nach Satz 3 nichts geändert. Vielmehr gibt, wie bereits dargelegt, der neu eingeführte § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG lediglich den FAKen die Möglichkeit zur Vermeidung unnötiger Doppelarbeit, d. h. eigener Feststellungen über die Einkünfte des Selbständigen, die Vorlage der Steuerunterlagen zu erreichen und derart eine Überprüfung der möglicherweise auf Grund des § 11 Abs. 1 Satz 3 eingetretenen Befreiung vorzunehmen.
Da somit der Eintritt der Beitragsfreiheit vom Einkommensteuerbescheid oder der Bestätigung der Nichtveranlagung unabhängig ist, kann nicht gefolgert werden, dass einer der in diesen Steuerbelegen verwendeten Einkommensbegriffe - sei es der des § 2 Abs. 2 EStG oder der des § 32 Abs. 1 EStG - für die Einkommensgrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG und damit für den Eintritt der Beitragsfreiheit entscheidend sei.
VI. Ebensowenig wie aus § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG ist aus § 2 KGKG vom 18. Juli 1961 (BGBl I, 1001) zu entnehmen, dass unter "Einkommen" im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG das zu versteuernde Einkommen des § 32 Abs. 1 EStG verstanden werden muss. Zwar hängt nach dem Wortlaut des § 2 KGKG der Anspruch auf Zweitkindergeld von dem zu versteuernden Jahreseinkommen ab. Abgesehen davon, dass der Einkommensbegriff dieses späteren Gesetzes nicht zur Auslegung des früher erlassenen KGG dienen kann, handelt es sich hierbei indessen um eine völlig andere Interessenlage, nämlich um die Bezugsberechtigung und nicht wie beim KGG um die Beitragspflicht. Denn im KGKG hat der Gesetzgeber den Kreis derer, die aus Bundesmitteln Zweitkindergeld erhalten sollen, durch die Anlehnung an das zu versteuernde Einkommen bewusst und absichtlich weit gezogen. Das rechtfertigt aber keineswegs den Schluss, er habe auch im KGG das zu versteuernde Einkommen zur Grundlage der Beitragspflicht gemacht, um so den Kreis der Beitragspflichtigen einzuengen. Vielmehr erfordert gerade die Tatsache, dass nach dem KGG die Kindergeldleistungen durch Beiträge der Unternehmer aufgebracht werden, dass zu ihrer Sicherstellung der Kreis der Beitragspflichtigen möglichst weit gezogen wird. Im übrigen legt die Fassung des § 2 KGKG, die ausdrücklich von dem "zu versteuernden Einkommensbetrag im Sinne des § 32 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes" spricht, den Schluss nahe, dass dieser Einkommensbegriff im KGG selbst nicht gelten soll. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, wenn er diesen Einkommensbegriff auch dem KGG zugrunde gelegt hätte, bereits dort ebenso wie später im KGKG den steuerrechtlichen Begriff "zu versteuerndes Einkommen im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG" eingeführt hätte. Da er aber damals nur den Begriff "Einkommen" verwandte, muss angenommen werden, dass er im KGG gerade nicht vom zu versteuernden Einkommen ausgehen wollte.
VII. Diese Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG verstößt auch nicht gegen den in Art. 20 GG festgelegten Grundsatz der Sozialstaatlichkeit, der gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt verpflichtet, bei allen ihren Maßnahmen und Entscheidungen den Maßstab der sozialen Gerechtigkeit zu beachten (vgl. Mangoldt-Klein, Bonner Grundgesetz I 1957 Anm. 4). Denn die Beitragsregelung des KGG begegnet, wie das BVerfG (Bd. 11, 118) entschieden hat, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Befreiungsvorschriften des § 11 Abs. 1 KGG die besonderen Gegebenheiten der Einkommensschwachen hinreichend berücksichtigen. Die Entscheidung aber, bis zu welcher Einkommenshöhe Beitragsfreiheit gewährt wird, und welcher Einkommensbegriff hierbei anzuwenden ist, liegt allein im Willen des Gesetzgebers. Sie hängt weitgehend davon ab, welche Mittel zur Bewältigung der im KGG gestellten sozialen Aufgabe erforderlich sind. Unter dieser Zielsetzung kann der erkennende Senat keine soziale Ungerechtigkeit darin finden, dass § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG nicht von den weitergehenden Einkommensbegriffen eines anders gearteten Rechtsgebietes, nämlich des Steuerrechts, sondern von einem eigenständigen Einkommensbegriff ausgeht, der die Wirkung steuerlicher Vergünstigungen auf das Steuerrecht beschränkt lässt und sie nicht nochmals zur Grundlage einer besonderen Vergünstigung im Kindergeldrecht, nämlich der Beitragsbefreiung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG, macht.
Aus alledem ergibt sich, dass unter Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG weder das Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG noch das zu versteuernde Einkommen im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG zu verstehen ist. Demnach können bereits die von der Klägerin geltend gemachten Sonderausgaben in Höhe von DM 1769,- nicht als einkommensmindernd berücksichtigt werden. Damit überschreitet aber ihr Einkommen im Jahre 1958 jedenfalls die Grenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG, so dass hier die Frage der Absetzung von außergewöhnlichen Belastungen ohne Bedeutung bleibt.
Die Revision der Klägerin muss daher als unbegründet zurückgewiesen werden.
Da beide Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§§ 165, 153, 124 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen