Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Arbeitslosen. ausnahmslose Versicherungspflicht. Arbeitslosengeldbezug. Befreiung. private Krankenversicherung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Befreiung von der Krankenversicherungspflicht ist für Bezieher von Arbeitslosengeld, die bisher privat krankenversichert waren, nach geltendem Recht nicht zulässig.
2. Die Bundesanstalt für Arbeit ist nicht verpflichtet, Beiträge für eine private Krankenversicherung zu zahlen, die der Leistungsempfänger während der Versicherungspflicht aufrechterhält.
3. Die ausnahmslose Versicherungspflicht ist jedenfalls bisher mit dem GG vereinbar.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1; AFG § 155 Abs. 1, § 157 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 23. Februar 1995 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist ein Anspruch auf Zahlung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung während des Arbeitslosengeldbezuges.
Der 1943 geborene Kläger war bis April 1991 als Angestellter mit einem Gehalt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze beschäftigt und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (Beigeladene zu 2) krankenversichert. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) bewilligte ihm mit Bescheid vom 21. Mai 1991 für die Zeit ab 1. Mai 1991 Arbeitslosengeld (Alg) und meldete ihn zur Krankenversicherung bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse an (Beigeladene zu 1). Den Widerspruch des Klägers, mit dem er sich gegen die Höhe der Leistung und die Meldung zur Beigeladenen zu 1) wandte, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1991 zurück. Die Bewilligung von Alg und die Meldung zur Krankenversicherung bei der Beigeladenen zu 1) wiederholten sich mit Bescheid vom 13. Dezember 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 1992 und Bescheiden vom 15. Juni 1992, 30. Dezember 1992, 14. Juli 1993 und 10. November 1993, jeweils nach erneuten nicht krankenversicherungspflichtigen Beschäftigungen des Klägers. Vom 1. Dezember 1993 bis 22. Dezember 1995 und ab 1. Januar 1996 war der Kläger wiederum mit einem Gehalt über der Versicherungspflichtgrenze beschäftigt, lediglich unterbrochen durch Alg-Bezug vom 23. Dezember bis 31. Dezember 1995.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen gegen den Bescheid vom 21. Mai 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1991 und den Bescheid vom 13. Dezember 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 1992 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und das Begehren auf Abänderung dieser Bescheide sowie auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung höheren Alg und zur Übernahme der Beiträge zur Beigeladenen zu 2) für die Zeiten der Arbeitslosigkeit abgewiesen (Urteil vom 22. Juli 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren auf Übernahme der Beiträge zu seiner privaten Krankenversicherung während des Alg-Bezuges weiterverfolgt hat, zurückgewiesen und die Klage gegen die Bescheide vom 15. Juni 1992, 30. Dezember 1992, 14. Juli 1993 und 10. November 1993 abgewiesen (Urteil vom 23. Februar 1995). Die Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger sei unbeschadet der privaten Krankenversicherung bei der Beigeladenen zu 2) während des Bezuges von Alg nach § 5 Abs 1 Nr 2 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) iVm § 155 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) pflichtversichert. Die Beklagte habe nur für diese Versicherung Beiträge zu zahlen. Die Gestaltung der Krankenversicherung des Klägers vor Beginn des Leistungsbezuges habe hierauf keinen Einfluß. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei nicht vorgesehen. Die Regelungen seien verfassungsgemäß.
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Der Verfassungsverstoß liege in einer Ungleichbehandlung des bislang privat versicherten Arbeitslosen im Verhältnis zu Versicherten, die auch sonst Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- das Urteil des LSG vom 23. Februar 1995 aufzuheben und das Urteil des SG vom 22. Juli 1993 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1991 und den Bescheid vom 13. Dezember 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 1992 und die Bescheide vom 15. Juni 1992, 30. Dezember 1992, 14. Juli 1993 und 10. November 1993 abzuändern und
- die Beklagte zu verurteilen, für die Zeiten des Bezuges von Alg die Beiträge des Klägers zu seiner privaten Krankenversicherung bei der Beigeladenen zu 2) bis zur Höhe des im Falle einer Pflichtversicherung bei der Beigeladenen zu 1) zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrages zu übernehmen.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladene zu 2) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Der Senat hat von dem Verband der Privaten Krankenversicherung eV die Auskunft vom 25. September 1996 über Bedingungen und Rechtsfolgen der Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses in der Krankheitskostenversicherung der privaten Krankenversicherung als Anwartschafts- oder Ruhensversicherung während der Dauer einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeholt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht seine Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen und im übrigen die Klage abgewiesen. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21. Mai 1991 und 13. Dezember 1991 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Dezember 1991 und 28. Februar 1992 und die Bescheide vom 15. Juni 1992, 30. Dezember 1992, 14. Juli 1993 und 10. November 1993. Das LSG ist davon ausgegangen, daß auch die vier letztgenannten Bescheide nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind und dort als mit der Klage angefochten gelten. Die Einbeziehung dieser Bescheide ist im Revisionsverfahren nicht zu überprüfen, weil sie nicht gerügt worden ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 5 Nr 26 mwN). Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat mit ihnen sinngemäß die Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung für die Zeiten des Alg-Bezuges ab 1. Mai 1991 bis 30. November 1993 abgelehnt. Das ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte ist zutreffend von einer Pflichtversicherung des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung und einer Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1) während der Zeiten des Alg-Bezuges ausgegangen. Nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V iVm § 155 Abs 1 AFG sind Bezieher von Alg in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Die Mitgliedschaft bei der zuständigen Krankenkasse beginnt mit dem Tag, von dem an die Leistung bezogen wird, und endet mit dem letzten Tag des Leistungsbezuges (§ 155 Abs 3 AFG). Der Kläger war danach kraft Gesetzes jeweils ab dem ersten Tag des Alg-Bezuges, erstmals ab 1. Mai 1991, für die jeweilige Dauer der Zahlung von Alg pflichtversichert. Er wurde, da er im Zeitpunkt der erstmaligen Arbeitslosmeldung nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse war, nach § 159 Abs 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung Mitglied der Beigeladenen zu 1).
Beim Kläger galt von der Versicherungspflicht als Bezieher von Alg keine Ausnahme. Die Beigeladene zu 1) hat weder Versicherungsfreiheit festgestellt noch eine Befreiung ausgesprochen (zu ihrer Zuständigkeit vgl BSG SozR 3-4100 § 155 Nr 4). Dafür gibt es nach geltendem Recht auch keine Grundlage (vgl §§ 6 bis 8 SGB V, §§ 155 ff AFG). Eine früher ausgesprochene Befreiung, wie sie der Kläger geltend gemacht hat, war auf den Versicherungspflichttatbestand begrenzt, für den sie ausgesprochen war, und erstreckte sich nicht auf die Versicherungspflicht kraft Bezuges von Alg.
Die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit oder eine Befreiung können nicht entsprechend angewandt werden. Die Rechtsentwicklung seit Einführung einer Krankenversicherung Arbeitsloser in der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) idF der Bekanntmachung vom 12. Oktober 1929 (RGBl I 162) läßt den Schluß auf eine Gesetzeslücke nicht zu. Die Krankenversicherung Arbeitsloser war von Anfang an als generelle Pflichtversicherung geregelt. Sie knüpfte an die Erfahrungen in der Erwerbslosenfürsorge nach der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 16. Februar 1924 (RGBl I 127) an, die damals noch von den Gemeinden durchzuführen war und sich auf alle Erwerbslosen erstreckte, die sie zu unterstützen hatten (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über Arbeitslosenversicherung, Drucksachen des Reichstages Nr 2885 S 42 linke Spalte, S 98 zu § 78). Nach § 117 Satz 1 AVAVG aF (§ 107 Satz 1 AVAVG idF der Bekanntgabe vom 3. April 1957 ≪BGBl I 322≫) war der Arbeitslose zu Lasten der Reichsanstalt bzw der BA (§ 125 Abs 1 AVAVG aF, § 112 AVAVG) während des Bezuges der Hauptunterstützung, später des Hauptbetrages für den Fall der Krankheit versichert. Maßgebend für die Versicherungspflicht war allein der Unterstützungsbezug. Das Reichsversicherungsamt (RVA) und ihm folgend das Bundessozialgericht (BSG) haben daher stets entschieden, daß das Krankenversicherungsverhältnis des Arbeitslosen unabhängig vom Bestehen eines anderweitigen Krankenversicherungsschutzes durch den rein tatsächlichen Leistungsbezug entsteht, und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Unterstützung nicht vorgelegen hatten oder rückwirkend entfallen waren (RVA AN 1933 IV 185; AN 1935 IV 316f; BSGE 20, 145, 146f = SozR Nr 1 zu § 107 AVAVG; insoweit ebenso BSG SozR Nr 6 zu § 109 AVAVG). Das AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) hat an dieser Ausgestaltung der Krankenversicherung der Arbeitslosen festgehalten (§ 155 Abs 1 und Abs 2 Satz 3 AFG). Der Gesetzgeber hat auch keine der späteren Gesetzesänderungen zum Anlaß genommen, für bisher versicherungsfreie Beschäftigte (§ 165 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) auch während des Leistungsbezuges iS des § 155 Abs 1 AFG Versicherungsfreiheit oder ein Befreiungsrecht vorzusehen. Das gilt auch für die Aufnahme der Leistungsempfänger iS des § 155 Abs 1 AFG in den Personenkreis der nach § 5 SGB V Versicherten und die redaktionelle Anpassung der Vorschriften über die Krankenversicherung der Arbeitslosen (§§ 155 bis 161 AFG) an das SGB V mit Wirkung ab 1. Januar 1989. Vielmehr hat der Gesetzgeber die uneingeschränkte Versicherungspflicht aufgrund des Leistungsbezuges durch § 6 Abs 3 Satz 1 SGB V nochmals bestätigt. Während nach dieser für die Krankenversicherung im wesentlichen neuen Regelung die Versicherungsfreiheit oder eine Befreiung die Versicherungspflicht aufgrund weiterer zeitgleich hinzutretender Tatbestände grundsätzlich verdrängt (absolute Versicherungsfreiheit), gilt das nicht für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V. Die Regelung läßt keinen Zweifel daran, daß der Gesetzgeber die Leistungsempfänger iS des § 155 Abs 1 AFG als besonders schutzbedürftig ansieht und daher weiterhin eine ausnahmslose Versicherungspflicht für notwendig erachtet (vgl Begründung des Entwurfs eines Gesundheits-Reformgesetzes, BT-Drucks 11/2237 S 160 zu § 6 Abs 2).
Die Einführung der Beitragspflicht von Versorgungsbezügen (§ 180 Abs 5 Nr 2, Abs 6 Nr 2, Abs 8 RVO; § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 229 SGB V) rechtfertigt nach geltendem Recht ein Befreiungsrecht nicht. Der Senat hat dieses allerdings in seinem Urteil vom 11. Juni 1992 (12 RK 45/90, USK 92124) erwogen. Anlaß dafür war, daß bislang die Krankenversicherung der Arbeitslosen für die Versicherten selbst beitragsfrei war und deshalb eine etwa eintretende Beitragslast den Bedarf nach einer Befreiung nicht begründen konnte. Das traf aber nicht mehr ohne weiteres zu, nachdem Krankenkassen von versicherungspflichtigen Arbeitslosen Beiträge auf vorhandene Versorgungsbezüge verlangten, weil dieses bei allen anderen Gruppen Versicherungspflichtiger vorgeschrieben ist (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 229 SGB V und Bezugnahme hierauf in § 232 Abs 1 Satz 2, § 233 Abs 3, § 234 Abs 2, § 235 Abs 4 Halbsatz 1, § 236 Abs 2 Satz 1, § 237 Satz 2 SGB V; ferner § 39 Abs 1 Satz 2 KVLG 1989 iVm § 229 SGB V). Nach weiterer Prüfung ist der Senat nunmehr zu dem Ergebnis gelangt, daß bei krankenversicherungspflichtigen Arbeitslosen die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen einer klaren Rechtsgrundlage bedarf, wie sie inzwischen mit Wirkung vom 1. Januar 1998 geschaffen worden ist (§ 232a Abs 4 SGB V idF des Art 5 Nr 9, Art 83 Abs 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes ≪AFRG≫ vom 24. März 1997, BGBl I 594). Für die Zeit vorher scheidet bei dem genannten Personenkreis die Erhebung solcher Beiträge aus. Damit besteht auch kein Grund mehr, wegen einer drohenden eigenen Beitragslast der Versicherten ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in Erwägung zu ziehen. Im übrigen hält der Senat nunmehr ebenso wie für die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge auch für ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht eine eindeutige Regelung für erforderlich. Sie war im Entwurf des AFRG einschließlich einer Pflicht der Beklagten zur Übernahme von Beiträgen für die private Krankenversicherung vorgesehen (BT-Drucks 13/4941 Art 1 § 205, Art 5 Nr 2; S 61, 111; Begründung S 190, 233), ist jedoch nicht Gesetz geworden (vgl BT-Drucks 13/6845 S 1, 254). Inzwischen ist der Entwurf eines Ersten SGB III-Änderungsgesetzes eingebracht worden, der eine inhaltsgleiche Regelung mit Inkrafttreten am 1. April 1998 vorsieht (BT-Drucks 13/8012 S 6, 11). Hierdurch wird bestätigt, daß eine Befreiung von der Versicherungspflicht vor einer solchen Regelung ausgeschlossen ist.
Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, daß die ausnahmslose Versicherungspflicht für bisher privat krankenversicherte Bezieher von Alg wie den Kläger in der Zeit, um die es hier geht (Mai 1991 bis Dezember 1993), gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstößt und damit verfassungswidrig ist.
Wird der vor dem Leistungsbezug bestehende Krankenversicherungsschutz als Unterscheidungsmerkmal zugrunde gelegt, werden von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V iVm § 155 Abs 1 AFG drei Gruppen von Leistungsempfängern erfaßt: Als erste Gruppe diejenigen, die vor der Arbeitslosigkeit krankenversicherungspflichtig beschäftigt und daher Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung waren. Als zweite Gruppe diejenigen, die zuvor wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei, jedoch als freiwillig Versicherte Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung waren. Als dritte Gruppe diejenigen, die vorher wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei waren und sich privat krankenversichert hatten. Zur dritten Gruppe gehört der Kläger. Das Gesetz behandelt alle drei Gruppen insofern gleich, als es alle Leistungsempfänger versicherungspflichtig macht und ihnen einen vollen Krankenversicherungsschutz einschließlich Familienversicherung (§ 10 SGB V) zur Verfügung stellt. Diese Versicherung ist für die Leistungsempfänger selbst und ihre familienversicherten Angehörigen derzeit beitragsfrei (vgl § 157 Abs 1 AFG).
Allein bei der dritten Gruppe führt die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewissen Nachteilen. Dieser Gruppe wird ein Systemwechsel, dh ein Übergang von der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung zugemutet. Demgegenüber bleiben diejenigen, die bisher schon Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse waren, auch während des Leistungsbezuges aus der Arbeitslosenversicherung im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Als Nachteil des Systemwechsels kann allerdings nicht geltend gemacht werden, daß bei einem dauerhaften Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung unter Aufgabe der privaten Krankenversicherung die dort erworbenen Altersrückstellungen verlorengehen. Das ist ein Risiko, das mit der Wahl der privaten Krankenversicherung eingegangen wird und sich auch bei allen anderen Privatversicherten verwirklicht, die dauerhaft Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Die dritte Gruppe ist auch nicht gezwungen, die private Versicherung während des Bestehens der Pflichtversicherung in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. Die gesetzliche Pflichtversicherung gewährleistet ausreichenden Schutz. Daß der Leistungsempfänger als Pflichtversicherter nicht mehr Privatpatient ist und nicht mehr die, wie der Kläger meint, besseren Leistungen der privaten Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann, ist kein anzuerkennender Nachteil; denn beim Systemvergleich ist von der Gleichwertigkeit der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung auszugehen. Anzuerkennen ist lediglich ein Bedarf daran, die private Versicherung einstweilen noch für eine gewisse Zeit fortzuführen, bis nach der Arbeitslosigkeit über die weitere Zugehörigkeit zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung entschieden ist. Eine solche vorsorgliche Weiterführung der privaten Versicherung ist mit Kosten verbunden. Zwar kann in der privaten Krankenversicherung, wie der Kläger vorgetragen sowie die Beigeladene zu 2) und der Verband der Privaten Krankenversicherung eV bestätigt haben, für sechs Monate eine beitragsfreie Ruhensversicherung vereinbart werden. Anschließend muß aber für eine sog Anwartschaftsversicherung ein Beitrag von bis zu 30 vH des Betrages gezahlt werden, der für die entsprechende Versicherung (mit Leistungspflichten) erhoben wird. Für eine Anwartschaftsversicherung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2) wären dies 20 vH des Versicherungsbeitrags, nach Darstellung des Klägers monatlich rund 130 DM gewesen. Außerdem werden teilweise zusätzliche Zahlungen zum Ausgleich der während der Ruhensversicherung nicht erbrachten Altersrückstellungen verlangt. Dies galt allerdings nicht für die Versicherung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2). Weitere Nachteile haben Ruhens- und Anwartschaftsversicherung nicht. Anders als der Kläger meint, braucht für Krankheiten, die während der Ruhens- oder Anwartschaftszeit eintreten, bei Wiederaufleben der Leistungspflicht aus der privaten Krankenversicherung keine Wartezeit eingehalten zu werden; die bis zum Beginn der Ruhens- oder Anwartschaftszeit aufgebauten Altersrückstellungen gehen nicht verloren.
Gegenüber diesen begrenzten Nachteilen sprechen für die ausnahmslose Versicherungspflicht neben der Beitragsfreiheit einer solchen mit der Familienversicherung verbundenen Versicherung gewichtige Gründe: Die Versicherungspflicht auslösenden Leistungen iS des § 155 Abs 1 AFG liegen unter der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung. Da Beschäftigte mit gleich hohem Arbeitsentgelt ausnahmslos versicherungspflichtig werden, wenn sie allein wegen einer Lohnminderung diese Grenze nicht mehr überschreiten, konnte der Gesetzgeber dieses ebenso bei den Arbeitslosen regeln, die mit einer Lohnersatzleistung unter die Grenze geraten. Das galt um so mehr, als fraglich ist, ob ein Arbeitsloser wieder eine Beschäftigung mit einem Entgelt über der Versicherungspflichtgrenze findet oder ob er nicht auch als Wiederbeschäftigter versicherungspflichtig bleiben wird. Der versicherungspflichtige Leistungsempfänger steht damit immer noch günstiger, als wenn er nach dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Vorbeschäftigung zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit eine geringer vergütete und daher versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hätte; denn die Krankenversicherung als Arbeitsloser ist für ihn beitragsfrei, während er als versicherungspflichtig Beschäftigter die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags zu tragen hätte. Vor 1989 war der bisher privat krankenversicherte Leistungsempfänger auch nicht gezwungen, seine private Krankenversicherung aufrechtzuerhalten, und damit nicht zwangsläufig mit Kosten hierfür belastet. Er konnte sich vielmehr, wenn er die private Krankenversicherung mit Eintritt der Versicherungspflicht kündigte, in der Regel nach Ende des Leistungsbezuges gemäß § 313 Abs 1 RVO in der gesetzlichen Krankenversicherung weiterversichern; denn der Leistungsbezug ist seit jeher einer versicherungspflichtigen Beschäftigung iS dieser Vorschrift gleichgestellt (§ 118 Abs 1 Satz 1 AVAVG aF; § 108 Abs 1 Satz 1 AVAVG, § 155 Abs 2 Satz 2, seit 1. Januar 1983: § 155 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 AFG). Die für die Weiterversicherung erforderliche Vorversicherungszeit von 26 Wochen innerhalb einer Rahmenfrist von zwölf Monaten oder von mindestens sechs Wochen unmittelbar vor dem Ausscheiden war so kurz bemessen, daß sie regelmäßig allein durch die Pflichtversicherung aufgrund des Leistungsbezuges erfüllt war. Es konnte zwar sinnvoll sein, die private Krankenversicherung für den Fall fortzuführen, daß nach Beendigung der Arbeitslosigkeit erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung aufgenommen wurde. Eine Notwendigkeit hierfür bestand jedoch nicht.
Das Recht zur Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung hat allerdings als Argument für die ausnahmslose Versicherungspflicht aufgrund des Leistungsbezuges an Gewicht verloren, seit die Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung erschwert worden ist. Nach § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V in seiner seit 1989 geltenden Fassung (aF) war zur freiwilligen Versicherung nur noch berechtigt, wer in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht mindestens zwölf Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen sechs Monate versichert war. Seit dem 1. Januar 1993 ist nach § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V nF sogar eine Vorversicherungszeit von 24 Monaten innerhalb der Rahmenfrist von fünf Jahren oder von ununterbrochen zwölf Monaten unmittelbar vor dem Ausscheiden erforderlich. Leistungsempfänger, die zuvor privat krankenversichert waren, erfüllen die neuen, insbesondere die seit 1993 geltenden Vorversicherungszeiten regelmäßig nicht und sind darauf angewiesen, sich nach Ende der Arbeitslosigkeit wieder privat zu versichern, wenn sie keine versicherungspflichtige Anschlußbeschäftigung finden. Dieses geschieht vernünftigerweise im Rahmen des bisherigen privaten Versicherungsvertrages. Die gesetzlich an sich zulässige Kündigung dieses Vertrages mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht – hier aufgrund des Leistungsbezuges – an (vgl § 5 Abs 9 SGB V) und der spätere Neuabschluß eines Vertrages sind diesen Personen nicht zuzumuten. Die erneute Versicherung wäre mit Nachteilen (Wartezeit, Ausschluß oder Beitragszuschlag für zwischenzeitlich eingetretene Gesundheitsrisiken) und der Gefahr verbunden, etwa aufgrund des höheren Alters oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes keinen privaten Krankenversicherungsschutz mehr zu erhalten.
Trotz Erschwerung der Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der damit verbundenen Notwendigkeit, die private Krankenversicherung in dem dargestellten Umfang aufrechtzuerhalten, war ein Befreiungsrecht jedenfalls bis Ende des Jahres 1993, dh in der Zeit, als der Kläger von der Versicherungspflicht betroffen war (Mai 1991 bis November 1993), verfassungsrechtlich nicht geboten. Es lassen sich weiterhin gute Gründe für die ausnahmslose Versicherungspflicht anführen. Für den Fall, daß der Leistungsempfänger im Anschluß an seine Arbeitslosigkeit nur eine geringer vergütete Beschäftigung findet, ist seine Versicherungspflicht unausweichlich. Ein Befreiungsrecht während des Leistungsbezuges würde den Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung dann nur hinausschieben. Im übrigen würde ihn eine Befreiung mit Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung durch die Beklagte, wie sie der Kläger anstrebt, kaum vollständig von den Kosten seiner privaten Vollversicherung für sich und die bei einer Pflichtversicherung familienversicherten Angehörigen entlasten. Es ist sogar fraglich, ob sich die verbleibende Beitragsbelastung unter den Kosten für eine Anwartschaftsversicherung halten würde, die nach der jetzigen Rechtslage aufzubringen sind. Allerdings sprechen die erhöhten Anforderungen an eine Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und die erwähnte künftige Beitragspflicht von Bezügen, die neben den Leistungen der Arbeitslosenversicherung vorhanden sind, für die Einführung der vom Kläger angestrebten Regelung. Außerdem knüpft die Versicherungspflicht an den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung und damit an einen regelmäßig vorübergehenden Zustand an. Bei solchen Tatbeständen kann neben dem gegenwärtigen Zustand auch den bisherigen Versicherungsverhältnissen Rechnung getragen werden. So hat der Gesetzgeber etwa bei Eintritt von Versicherungspflicht während des Erziehungsurlaubs oder durch Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung nach langjähriger, wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfreier Beschäftigung, Befreiungsrechte eingeräumt (vgl früher §§ 173e, 173f RVO, jetzt § 8 Abs 1 Nrn 2, 3 SGB V). Die für 1998 vorgesehene Einführung eines Befreiungsrechts für früher privat krankenversicherte Arbeitslose zeigt, daß die Problematik bekannt und eine Lösung geplant ist. Unter diesen Umständen ist die geltende Regelung jedenfalls für die Vergangenheit nicht zu beanstanden. Ob sie verfassungsrechtlich bedenklich wäre, wenn sie dauerhaft und nach Inkrafttreten des § 232a Abs 4 SGB V unverändert fortgilt, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
Für den Kläger blieb es somit während der Zeiten seines Alg-Bezuges zwischen Mai 1991 und November 1993 bei der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung. Die Beklagte hatte die Beiträge für diese Pflichtversicherung zu tragen (§ 157 Abs 1 AFG). Eine Pflicht, daneben Beiträge zur privaten Krankenversicherung des Klägers zu übernehmen, bestand nicht.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1172972 |
AuA 1999, 286 |
SGb 1998, 413 |
SozR 3-4100 § 155, Nr.5 |
SozSi 1998, 319 |