Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen an die Begründung einer ablehnenden Ermessensentscheidung, wenn dem Antragsteller die der Ablehnung zugrunde liegenden Tatsachen bekannt sind (vergleiche BVerwGE 22, 215 ff).
2. Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung des Sachverhalts bei Anfechtung einer Ermessensentscheidung über Dauerleistungen im Wege des Härteausgleichs.
3. Eine besondere Härte, auf Grund deren Waisenrente als Härteausgleich nach Vollendung des 27. Lebensjahres gewährt werden kann (BVG § 45 Abs 3, § 89 Abs 1), liegt vor, wenn die Waise beim Erreichen dieser Altersgrenze die nach dem Honnefer Modell förderungswürdige Höchststudienzeit wenigstens zur Hälfte zurückgelegt hat.
4. Als Bruttoeinkommen, das bei der Prüfung des wirtschaftlichen Bedürfnisses zugrunde gelegt wird (VV BVG § 89 Nr 2 S 1-3), ist ein Stipendium, nicht hingegen ein Darlehen aus Mitteln der Studienförderung nach dem Honnefer Modell anzusehen.
Normenkette
SGG § 54; BVG § 45 Abs. 3, § 89 Abs. 1 Fassung: 1970-07-10; BVGVwV § 89 Nr. 2 Sätze 1-3
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. November 1973 und des Sozialgerichts Hamburg vom 25. September 1972 sowie der Bescheid vom 3. März 1971 und der Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 1971 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Härteausgleich für die Zeit vom 1. November 1969 bis zum 31. Mai 1972 einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte hat dem Kläger vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Der im Oktober 1942 geborene Kläger besuchte nach drei Lehrjahren als Versicherungskaufmann und zweijähriger Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter drei Jahre die Wirtschaftsoberschule und studierte dann von April 1967 bis Mai 1972 Betriebswirtschaft. Er bezog - mit Unterbrechung während der Angestelltentätigkeit 1962/64 - bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Sein Antrag vom September 1969, ihm ab November 1969 über das 27. Lebensjahr hinaus Waisenrente zu gewähren, wurde mit der Begründung, der Kläger habe die Verzögerung seiner Ausbildung selbst zu vertreten, abgelehnt. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Der Kläger nahm die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht (SG) zurück, beantragte aber gleichzeitig, ihm die Waisenrente im Wege des Härteausgleichs weiter zu gewähren. Das Versorgungsamt (VersorgA) lehnte auch diesen Antrag ab (Bescheid vom 3. März 1971), weil eine Härteausgleichsregelung im Falle eines wirtschaftlichen Bedürfnisses nur noch in Betracht komme, wenn die übliche Schul- oder Berufsausbildung ohne Verzögerung nicht mit dem Erreichen der Altersgrenze abgeschlossen werden könne. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, das Studium sei durch eine Förderung nach dem Honnefer Modell gesichert (Bescheid vom 14. Juni 1971). Das SG lud die Bundesrepublik Deutschland bei und wies die Klage ab (Urteil vom 25. September 1972), weil ein wirtschaftliches Bedürfnis beim Kläger nicht bestehe; es ließ die Berufung zu. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6. November 1973): Nach den einschlägigen Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) sei zwar allgemein eine besondere Härte im Sinne vom § 89 BVG für Waisen nach Vollendung des 27. Lebensjahres unabhängig davon, ob sie die Verzögerung ihrer Ausbildung zu vertreten hätten, dann gegeben, wenn sie wenigstens die Hälfte der nach dem Honnefer Modell förderungswürdigen Höchststudienzeit zurückgelegt hätten. Jedoch habe die Beklagte dem Kläger einen Ausgleich deshalb nicht ermessensfehlerhaft versagt, weil bei ihm ein wirtschaftliches Bedürfnis fehle (Nr. 2 der Verwaltungsvorschriften - VV - zu § 89 BVG). Daher könne dahingestellt bleiben, ob die tatsächlich erhaltenen sonstigen Leistungen, insbesondere nach dem Honnefer Modell, eine besondere Härte bei ihm ausschlössen. Das Bruttoeinkommen, das einem wirtschaftlichen Bedürfnis des Klägers entgegengestanden habe, sei allein nach der Verordnung über das anzurechnende Einkommen nach dem BVG (Anrechnungs-VO) zu bestimmen und deshalb seien die Leistungen aus Mitteln der Studienförderung, die der Kläger für seinen Lebensunterhalt erhalten habe, nicht außer acht zu lassen. Im November und Dezember 1969 habe der Kläger ein Stipendium von je 320,- DM und Wohngeld von je 100,- DM bezogen, 1970 ein Stipendium von monatlich 350,- DM und Wohngeld von 70,- DM, von Januar bis Ende September 1971 ein Stipendium von 400,- DM und Wohngeld von 70,- DM, von Oktober 1971 bis Mai 1972 ein unverzinsliches Darlehen von 420,- DM sowie Wohngeld von 70,- DM und zusätzlich im Januar 1971 78,- DM sowie im September 1971 137,- DM an Zusatzdarlehn für Bücher. Auch die Darlehensbeträge seien wegen des Grundsatzes der Subsidiarität des Härteausgleichs zu berücksichtigen; die Verpflichtung zur Rückzahlung nach dem Studium bedeute keine besondere Härte, weil sie alle derart geförderten Studenten gleichmäßig belaste. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Revision rügt sinngemäß einen Verstoß des LSG gegen § 89 BVG. Sie hält die Voraussetzungen des Rundschreibens des BMA vom 10. März 1971 (BVBl 1971, 31) in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des LSG für gegeben, meint aber, die Leistungen nach dem Honnefer Modell dürften nicht als Einkünfte behandelt werden, zumindest müsse zwischen Stipendien und Darlehen unterschieden werden.
Der Kläger beantragt,
die angefochtenen Urteile und Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm einen neuen Bescheid über den Härteausgleich für die Zeit vom 1. November 1969 bis 31. Mai 1972 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.
Der Beigeladene hält die Revision für unbegründet. Er stimmt dem Urteil des LSG hinsichtlich der Ablehnung eines wirtschaftlichen Bedürfnisses zu, meint aber unter Bezugnahme auf seinen Berufungsschriftsatz vom 12. März 1973, es fehle entgegen der Ansicht des LSG auch an einer besonderen Härte im Sinne vom § 89 Abs. 1 BVG. Denn der späte Ausbildungsabschluß des Klägers beruhe nicht auf den spezifischen Anforderungen des vom Kläger gewählten Ausbildungsganges, sondern darauf, daß der Kläger nach dem Abschluß der Lehre längere Zeit berufstätig gewesen sei. Mit dem Rundschreiben vom 10. März 1971 hätten aber allein solche Fälle erfaßt werden sollen, in denen nicht eine Verzögerung der Ausbildung selbst, sondern die vorgeschriebene lange Ausbildungsdauer das Überschreiten der Altersgrenze bedingt habe. Einer weitergehenden Härteregelung stehe die in § 45 Abs. 3 letzter Satz BVG objektivierte gesetzgeberische Absicht, die Leistungsverlängerung an das Nichtvertretenmüssen zu binden, entgegen. Nach der durch das 3. Neuordnungsgesetz (NOG) geschaffenen Rechtslage komme ein der Rechtsgestaltung durch Ausgleichsbewilligung nach § 89 BVG zugänglicher Freiraum nur in atypischen Fällen in Frage, wofür aber der Sachverhalt keinen Anhalt biete.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig (§§ 164, 166, 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und im wesentlichen sachlich begründet. Entgegen den vorinstanzlichen Urteilen, die aufzuheben sind, ist die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu entscheiden, ob dem Kläger ein Härteausgleich für die Zeit vom 1. November 1969 bis zum 31. Mai 1972 zu gewähren ist.
Nach rechtsverbindlichen Entscheidungen (§§ 77, 102 SGG) erhält der Kläger keine Waisenrente gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe a und letzter Satz BVG in der hier maßgebenden Fassung des Dritten (3.) NOG (Bekanntmachung vom 20. Januar 1967 - BGBl I 141, 180) über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus. Die Versagung eines Zugunstenbescheides über einen Rechtsanspruch auf Waisenrente (Bescheid vom 22. März 1971) ist nicht nach den §§ 96, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand dieses Rechtsstreits geworden, der ausschließlich einen Härteausgleich, also eine Kannleistung, nach § 89 BVG betrifft.
Als Voraussetzung für eine Waisenrente nach dieser Vorschrift war eine "besondere Härte" beim Kläger während seines Studiums ab 1. November 1969 gegeben. Die entgegenstehende Begründung der angefochtenen Bescheide trifft nicht zu. Da sich eine "besondere Härte" i.S. des § 89 BVG aus diesem Gesetz ergeben muß, bleibt der Tatbestand des § 45 Abs. 3 letzter Satz BVG nF, der beim Kläger nach verbindlicher Entscheidung nicht gegeben ist, außer Betracht. Wenn sich die Ausbildung über das 27. Lebensjahr hinaus (Satz 1 Buchstabe a) aus einem Grund verzögert, den die Waise nicht zu vertreten hat, wird entsprechend dem Zeitraum dieser Verzögerung bereits kraft Rechtsanspruches die Waisenrente gewährt. Von dieser Rechtslage ist auch der BMA in seinem Rundschreiben vom 10. März 1971 (BVBl 1971, 31) ausgegangen. Wenn im übrigen in diesen Richtlinien, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegen (BSG 36, 143 = SozR Nr. 9 zu § 89 BVG), darauf abgehoben wird, ob ein Studienabschluß wegen der - vom Studierenden zweifellos in keinem Fall zu vertretenden - Dauer der erforderlichen Ausbildung nicht rechtzeitig möglich war, so stellt dies systematisch einen Tatbestand des § 45 Abs. 3 Satz 5 BVG dar und kann schon deshalb nicht als Maßstab für die Beurteilung einer "besonderen Härte" in Betracht kommen. Davon abgesehen setzt das genannte Rundschreiben bei den Studenten des zweiten Bildungsweges voraus, sie müßten beim Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wenigstens die Hälfte der nach dem Honnefer Modell förderungsfähigen Höchststudienzeit zurückgelegt haben; der Kläger hatte nun diese Voraussetzung jedenfalls im November 1969 erfüllt, denn für Betriebswirtschaft beträgt die Höchststudiendauer in diesem Sinne neun Semester (Teil D II der Richtlinien für die Förderung von Studenten an den Hamburger Hochschulen vom 23.12.1970 - Amtlicher Anzeiger, Teil II des Hamburger Gesetz- und Verordnungsblattes 1971, 1089, 1098; vorher und nachher gleichlautend in den einschlägigen Teilen, vgl. z.B. die bundeseinheitliche Fassung im Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 5.12.1968 - Hessischer Staatsanzeiger 1969, 63; Erlaß vom 15./19.12. 1969, 63; Erlaß vom 15./19.12.1969 - Hessischer Staatsanzeiger 1970, 92, 100 - abgekürzt: Förderungsrichtlinien). Das Rundschreiben vom 22. September 1961 (BVBl 1961, 140), in dem der BMA allgemein einer Gewährung von Waisenversorgung nach § 89 BVG zugestimmt hat und auf das im übrigen im Rundschreiben vom 10. März 1971 verwiesen wird, legt keine weiteren Voraussetzungen für einen Härteausgleich fest, die nach der zuvor dargelegten Gesetzesänderung noch weiterhin gültig wären. Gleiches gilt für das Rundschreiben vom 12. Januar 1970 (BVBl 1970, 11) und für das Rundschreiben vom 12. Januar 1972 (BVBl 1972, 14), das erst bei der neuen Entscheidung zu berücksichtigen wäre. Was die Beklagte und der BMA als Vertreter der Beigeladenen im übrigen als Beurteilungsmaßstäbe für eine "besondere Härte" ansehen, ist aus den dargelegten Gründen rechtlich nicht zu beachten.
Ob außerdem ein "wirtschaftliches Bedürfnis" für einen Härteausgleich beim Kläger bestand, ist teilweise - soweit die Zeit ab Oktober 1971 in Betracht kommt - abweichend vom Urteil des LSG zu entscheiden. Wenn der BMA in Nummer 2 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften zu § 89 BVG (in der hier maßgebenden Fassung vom 26.6.1969 - Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 119) die Ermessensentscheidung von einem wirtschaftlichen Bedürfnis abhängig gemacht hat, so ist dies im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle auf Ermessensfehler nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zu beachten; derartige allgemeine Richtlinien dienen einer gleichmäßigen Handhabung des Ermessens durch die Verwaltung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.1969, DÖV 1969, 500; Eyermann/Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl., 1974, § 114, Randnr. 22; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zum SGG, § 54, Anm. 2, f, S. 185/2). Eine solche Kannleistung der Kriegsopferversorgung (KOV) von einem wirtschaftlichen Bedürfnis abhängig zu machen, ist mit dem Zweck der KOV vereinbar (BSG 26, 146, 154). Das LSG hat mit Recht aufgrund ergänzender Sachaufklärung geprüft, ob die Beklagte den vom Kläger begehrten Härteausgleich deshalb ablehnen durfte, weil das Studium durch Förderungsmaßnahmen nach dem Honnefer Modell finanziell gesichert sei. Mit dieser Begründung ist zwar in unvollständigen Darlegungen, aber doch noch erkennbar, wenigstens im letzten Satz des Widerspruchsbescheides, der Gegenstand der Anfechtungsklage ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 95 SGG), die Ablehnung eines Härteausgleiches bestätigt und damit im Ergebnis ein wirtschaftliches Bedürfnis verneint worden. Diese Begründung der Ermessensentscheidung, die notwendig ist (BSG 27, 34, 38), reichte unter den hier gegebenen Umständen aus; denn die Tatsachen, die der Verneinung eines wirtschaftlichen Bedürfnisses zu Grunde lagen, waren dem Kläger bekannt (BverwG 10, 37, 43, 44; 12, 20, 25, 26; 22, 215, 217, 218; Eyermann/Fröhler, aaO, § 114, Randnr. 6; vgl. auch BVerfGE 6, 32, 44). Der Widerspruchsbescheid beruhte nämlich insoweit auf den eigenen Angaben des Klägers in seinen Schreiben vom 16. Oktober 1969 und vom 27. März 1971, daß er Leistungen nach dem Honnefer Modell in Höhe von 320,- DM und später 400,- DM monatlich beziehe.
Wenn das LSG von Amts wegen nach § 103 SGG ergänzend aufgeklärt hat, welche einzelnen Förderungsleistungen der Kläger erhielt, so hat es nicht etwa unzulässigerweise einen andersartigen Grund als den in den angefochtenen Verwaltungsakten mitgeteilten in den Rechtsstreit eingeführt, sondern seine Prüfung zutreffend auf einen Umstand beschränkt, mit dem die Beklagte ihre Ermessensentscheidung begründet hatte (vgl. BSG 9, 277, 280; SozR Nr. 119 zu § 54 SGG; mit weiteren Nachweisen: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, I. S. 240 b II und c; Eyermann/Fröhler, aaO, § 113, Randnr. 62).
Das Ergebnis der gerichtlichen Prüfung ist nicht zu beanstanden, soweit es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers bis zur Entscheidung über seinen Widerspruch und während der anschließenden Zeit bis Ende September 1971 betrifft, in der sie sich nicht wesentlich veränderten. Abweichend von Kapitel I Teil A III 1 c der Förderungsrichtlinien bezog der Kläger auch noch in der Zeit von November 1969 bis September 1971 u.a. monatliche Vollstipendien von 320,- DM ansteigend bis zu 400,- DM, wie das LSG von der Revision nicht angegriffen und daher gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat. Allein durch diese Zuwendungen war ein wirtschaftliches Bedürfnis nach den in Nr. 2 Satz 2 und 3 der Verwaltungsvorschrift festgelegten Maßstäben ausgeschlossen. Die Darlegungen des LSG hierzu beanstandet die Revision nicht in rechnerischer Hinsicht. Rechtlich zielen die in Nr. 2 Satz 2 und 3 der Verwaltungsvorschriften enthaltenen Richtlinien auf das "Bruttoeinkommen" (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BVG) ab, das nach der aufgrund des § 33 Abs. 6 BVG erlassenen Abrechnungsverordnung Versorgungsleistungen zuläßt. Maßgebend ist also nicht das "anzurechnende Einkommen" (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BVG), welches in früherer Zeit bei der Prüfung der Bedürfnisfrage heranzuziehen war (vgl. BMA Rundschr. vom 7. Februar 1961, BVBl 1961, 36). Da sich der BMA der unterschiedlichen Bedeutung dieser beiden Ausdrücke zweifellos bewußt gewesen ist, muß dem Wortlaut von Nr. 2 Satz 2 und 3 der VV zu § 89 BVG entnommen werden, daß § 2 DVO zu § 33 BVG, insbesondere Abs. 1 Nr. 22 und Nr. 31, hier keine Anwendung findet (a.M. offenbar Wilke/Wunderlich, BVG, 4. Aufl., Anm. II zu § 89). Bleiben also, wie auch das LSG entschieden hat, Stipendien bei der Prüfung des wirtschaftlichen Bedürfnisses nach VV Nr. 2 § 89 BVG nicht unberücksichtigt, so sind nach diesem Ermessensmaßstab Stipendien aufgrund der Richtlinien des Honnefer Modells als "Bruttoeinkommen" zu werten, das ein wirtschaftliches Bedürfnis je nach der Höhe ganz oder teilweise ausschließt. Das Stipendium dient dem Lebensunterhalt und der sonstigen Finanzierung des Studiums und kann vom Empfänger endgültig verbraucht werden. Dementsprechend werden im Steuerrecht Ausbildungs-Stipendien grundsätzlich als Einkünfte gewertet und sind nur kraft ausdrücklicher Vorschriften steuerfrei (§ 3 Nrn. 11 und 44 Einkommensteuergesetz - EStG -; Blümich/Falk, Kommentar zum EStG, 10. Aufl. 1971/72, § 3 Anm. 10 b, S. 264, Anm. 31, S. 310). Dies ist, ungeachtet des selbständigen Einkommensbegriffes im Versorgungsrecht (§ 1 Abs. 1 Satz 2 DVO zu § 33), bei der hier ebenso wie im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu berücksichtigen.
Selbst wenn übrigens- entgegen dem Wortlaut von Nr. 2 Satz 2 und 3 VV zu § 89 BVG - § 2 Abs. 1 Nr. 22 DVO zu § 33 BVG in Fällen der vorliegenden Art anwendbar wäre, könnte sich am Ergebnis für den Kläger nichts ändern. Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 22 DVO sind Stipendien nicht schlechthin, sondern nur dann nicht als Einkünfte anzurechnen, wenn ihre Gewährung und Höhe durch die Ausgleichsrente beeinflußt wird. Diese Voraussetzung kommt aber bei nachträglicher Gewährung eines Härteausgleichs nicht in Betracht, da nach den Förderungsrichtlinien (Teil C II 4) lediglich nachträglich bewilligte Leistungen aufgrund eines Rechtsanspruches zur Erstattung auf das Deutsche Studentenwerk übergeleitet werden.
Ob das im Januar und im September 1971 an den Kläger gezahlte Zusatzdarlehen für Bücher bei der Entscheidung über ein wirtschaftliches Bedürfnis zu berücksichtigen ist, kann dahingestellt bleiben, weil allein das monatliche Stipendium von 400,- DM ein solches Bedürfnis für diese Zeit ausschloß.
Ungeachtet dieses mit dem Urteil des LSG übereinstimmenden Ergebnisses sind die angefochtenen Bescheide auch schon für die Zeit des Stipendienbezuges jedenfalls insoweit rechtswidrig i.S. des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG, als es sich um die Anwendung von Nr. 2 Satz 4 der Verwaltungsvorschrift zu § 89 BVG handelt, weil sie hierzu überhaupt keine Ermessensentscheidung enthalten. Nach dieser Vorschrift ist von der Prüfung eines wirtschaftlichen Bedürfnisses ganz abzusehen, wenn und soweit es dem besonderen Zweck des Ausgleiches und der Versorgungsleistung widerspricht, an deren Stelle der Ausgleich gewährt werden soll. Die Beklagte hat diesen Ermessensmaßstab nicht beachtet und ihr Ermessen nicht erkennbar nach dieser Bestimmung ausgeübt. Sie ist dazu auf die Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu verurteilen. Da nicht vorauszusehen ist, von welchen Gesichtspunkten die Verwaltung bei der insoweit nachzuholenden Entscheidung ausgehen und was evtl. der Kläger noch zur Bedeutung von Nr. 2 Satz 4 VV geltend machen wird, kann der erkennende Senat vorweg als rechtlichen Maßstab lediglich festlegen, daß nach dieser Vorschrift solche Ermessenserwägungen, die nach den in den Sätzen 1 bis 3 enthaltenen Richtlinien berücksichtigt werden können und müssen, grundsätzlich nicht angestellt werden dürfen. Nicht von der Hand zu weisen wäre in diesem Zusammenhang wohl die Erwägung, daß die Verzögerung der Ausbildung durch die von April 1962 bis März 1964 ausgeübte Berufstätigkeit, die nach § 45 Abs. 3 Satz 5 BVG dem Rechtsanspruch des Klägers entgegenstand, von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet in einem ihm günstigen Sinne beurteilt werden kann. Wenn nämlich ein auf sich allein gestellter junger Mann für die Kosten seiner Ausbildung nicht ohne weiteres Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge beansprucht, sondern bestrebt ist, sich die erforderlichen Geldmittel wenigstens zum Teil durch eigene Arbeit zu beschaffen, so könnte es der Billigkeit entsprechen, ein solches Verhalten bei der Entscheidung über einen Härteausgleich positiv zu bewerten.
Ab 1. Oktober 1971 hatten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nach den Feststellungen des LSG insoweit tatsächlich verändert, als er nunmehr statt eines Stipendiums ein Darlehen bezog (Teil A I, E I 1 und 4, II 1 und 6 der Förderungsrichtlinien). Ob die Gerichte solche veränderten Sachlagen in der Zeit nach dem Erlaß der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 1971, nach allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen stets berücksichtigen müssen, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall diese tatsächliche Veränderung auf die Verpflichtungsklage zu beachten (vgl. Brackmann aaO., S. 240 g; BSG SozR Nr. 87 zu § 54 SGG; BVerwG 1, 291, 295 ff.; BVerwG Urteil vom 18.9.1959, MDR 1960, 162). Angefochten ist der Bescheid der Beklagten, dem Kläger einen Härteausgleich, u.a. wegen der Förderung nach dem Honnefer Modell, schlechthin zu versagen; diese Entscheidung, die nicht mit einer zeitlichen Beschränkung verbunden wurde, sollte offenbar über den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides hinaus für die Dauer der "Studienförderung" insgesamt, ohne Differenzierung nach deren jeweiliger Ausgestaltung, wirken. Dabei ist es bedeutsam, daß nach den am 1. Januar 1971 in Kraft getretenen Hamburger Förderungsrichtlinien (Kapitel II Teil J 1) die Vergabe von Vollstipendien grundsätzlich auf die ersten beiden Studiensemester begrenzt sein sollte, während von da ab eine aus Stipendien und Darlehen zusammengesetzte Förderungsleistung vorgesehen war; hieraus mußte die Versorgungsbehörde entnehmen, daß für den schon seit 1967 studierenden Kläger die Umwandlung der Honnefer Förderung aus einem Stipendium in ein Darlehen jedenfalls nicht mehr in ferner Zukunft liegen konnte. Nachdem die Veränderung in der Art der Förderungsleistungen bekannt geworden ist, war die Beklagte auch während des Rechtsstreits verpflichtet, erneut über den Antrag auf einen Härteausgleich zu befinden (mit weiteren Nachweisen: Brackmann, aaO, S. 240 b I; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 54 Anm. 2 e bb). Da sie dies nicht getan hat und da sie auch jetzt die Voraussetzungen des Härteausgleiches rechtlich nicht anders beurteilt als in den angefochtenen Verwaltungsakten, ist sie durch Urteilsspruch zu verpflichten, eine neue Ermessensentscheidung zu treffen. Dies auszusprechen und damit eine neue Sachlage nach dem letzten angefochtenen Verwaltungsakt - im Ergebnis ebenso wie bei einer Leistungsklage (BSG 12, 58, 60, 61; SozR 4100 § 41 Nr. 1 = MDR 1974, 875; BSG, Urteil vom 24.9.1974 - 7 RAr 113/73 -) - zu berücksichtigen, entspricht nach Meinung des Senats einer flexiblen Handhabung des Prozeßrechts, die eine inhaltlich gerechte und verfahrensökonomisch sinnvolle Entscheidung anstrebt (vgl. Bachof, Urteilsanmerkung in JZ 1966, 140 f; Ossenbühl, JZ 1970, 348 ff; siehe auch Rupp in "Rechtsschutz im Sozialrecht" 1965, 173, 194). Für die prozessuale Beurteilung von Fällen der hier gegebenen Art bietet insbesondere die Rechtsprechung des BVerwG zur Anfechtung von Ermessensentscheidungen über Sozialhilfe-Leistungen (BVerwG 25, 307; 38, 299) keine geeignete Richtschnur, denn beim Härteausgleich nach dem BVG handelt es sich um rentengleiche wirtschaftliche Leistungen von gewisser Dauer.
Allerdings beschränkt sich diese gerichtliche Kontrolle im Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der Ermessensentscheidung, die ebenso wie bei einer Klage auf Verurteilung zu einer zu beanspruchenden Leistung vom Gericht zu prüfen sind. Die Gerichte dürfen wegen des Gewaltentrennungsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht anstelle der Verwaltung das Ermessen in vollem Umfang ausüben (BSG 7, 46, 49; Eyermann/Fröhler, aaO, § 113, Randnr. 62 b; Brackmann, aaO, S. 240 c).
Entgegen der Auffassung des LSG sind die ab 1. Oktober 1971 bezogenen Darlehensbeträge nicht als "Bruttoeinkommen" i.S. der Nr. 2 Sätze 2 und 3 der Verwaltungsvorschriften zu § 89 BVG zu werten. Dafür ist nicht maßgebend, daß die Darlehenssumme jeweils in das Eigentum des Klägers überging; vielmehr muß eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde gelegt werden, bei der die übrigen Rechtsfolgen zu berücksichtigen sind. Eigentum dieser Art ist mit der Pflicht der Zurückzahlung belastet; der Wert des Darlehens kann im Unterschied zum Stipendium nur zeitweilig genutzt werden (RGZ 16/, 52, 56). Dementsprechend wird im Steuerrecht der Erwerb der zeitlich begrenzten Nutzungsmöglichkeit - mit Ausnahme des Vorteils der Zinslosigkeit in bestimmten Grenzen - nicht zu den Einnahmen i. S. des § 8 EStG gerechnet; es handelt sich nicht um einen endgültigen Geldzugang (BFH, Urteil vom 8.10.1969, BStBl 1970 II, 44; Blümich/Falk, aaO, § 8, Anm. 3, S. 1281/2). Die Darlehensaufnahme begründet eine Schuld für den Darlehensnehmer. Wenn eine solche Belastung mit dem Zufluß von Geldmitteln verbunden ist, kann der zeitlich begrenzte wirtschaftliche Vorteil nicht ein "wirtschaftliches Bedürfnis" beseitigen, das durch einen Härteausgleich aus der KOV ausgeglichen werden soll. Bei anderer rechtlicher Beurteilung könnte die Versorgungsverwaltung in jedem Fall eine solche Versorgungsleistung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, ein Darlehen aufzunehmen, versagen und damit eine - steuerrechtlich übrigens nicht absetzbare (vgl. BFH, Urteil vom 6.3.1964, BStBl 1964 III, 330) - Belastung des Studierenden bewirken.
Für die Zeit ab Oktober 1971 ist also außer einer besonderen Härte auch ein wirtschaftliches Bedürfnis des Klägers nicht zu verneinen. Die Beklagte kann allerdings auch insoweit nicht ausnahmsweise zur Gewährung der vom Kläger begehrten Leistung verurteilt werden, weil nicht bloß eine einzige Entscheidung, die Zuerkennung eines Härteausgleiches, rechtmäßig wäre (BSG 30, 144, 150 f); nach Nr. 2 Satz 3 der Verwaltungsvorschriften zu § 89 BVG kann vielmehr auch eine "angemessene Teilversorgung" bewilligt werden, wobei evtl. die Zinslosigkeit der dem Kläger gewährten Studiendarlehen eine Rolle spielen könnte.
Unter Beachtung dieser Rechtsauffassungen des Revisionsgerichtes, die für die Zeiten vor und nach dem 1. Oktober 1971 verschieden sind, hat die Beklagte über einen Härteausgleich für die Zeit ab 1. November 1969 neu zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen