Entscheidungsstichwort (Thema)

Härte iS von § 2 Abs 6 ArbErlaubV

 

Orientierungssatz

Zur Frage, wann einem erfolglos gebliebenen Asylbewerber, dem dennoch der dauernde Aufenthalt im Inland ermöglicht wird und der die Wartezeit nicht erfüllt, zusammen mit sonstigen persönlichen Umständen (hier Herzkrankheit eines Kindes), aus Härtegründen (§ 2 Abs 6 ArbErlaubV) eine besondere Arbeitserlaubnis zu erteilen ist.

 

Normenkette

AFG § 19 Abs 1; ArbErlaubV § 2 Abs 6

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 17.01.1989; Aktenzeichen L 14 Ar 48/88)

SG Berlin (Entscheidung vom 03.05.1988; Aktenzeichen S 61 Ar 215/88)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger wegen des Vorliegens einer Härte eine (besondere) Arbeitserlaubnis beanspruchen kann.

Der Kläger ist im Jahr 1951 geboren und staatenloser Palästinenser. Er ist seit 1973 verheiratet und Vater von sechs Kindern, die 1974, 1976, 1978, 1980, 1983 und 1986 geboren sind; das jüngste Kind ist nach Angaben des Klägers herzkrank. 1978 reiste er mit seiner Familie aus dem Libanon in den Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ein; nach der Ablehnung des Asylantrages kehrte die Familie zunächst in den Libanon zurück (1981). Am 29. November 1984 reiste sie wieder ein. Der erneut gestellte Asylantrag wurde (bindend) als unbeachtlich abgelehnt, der Aufenthalt aber geduldet. Später wurde ihm aufgrund der sogenannten Altfall-Regelung des Berliner Senats (vom 1. Oktober 1987) eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. 1987 und 1988 arbeitete er - jeweils nur vorübergehend - erlaubt als Reiniger und Transportarbeiter in einem Malereibetrieb. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) lebte die Familie von Sozialhilfe.

Die Anfang Dezember 1987 vom Kläger beantragte Arbeitserlaubnis ohne Beschränkung auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 1987 und Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1988 ab. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom 3. Mai 1988 statt und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger eine besondere Arbeitserlaubnis wegen des Vorliegens einer Härte zu erteilen. Diese liege in den besonderen Familienverhältnissen des Klägers.

Das LSG hob die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 17. Januar 1989 auf und wies die Klage ab. Hinsichtlich der begehrten unbeschränkten Arbeitserlaubnis lägen die Voraussetzungen einer Härte nicht vor. Diese sei nicht aus den Familienverhältnissen des Klägers zu folgern, weil sich dessen Lage auch unter Berücksichtigung der Kinderzahl und der Erkrankung des jüngsten Kindes nicht wesentlich von der bevorrechtigter Ausländer und Deutscher unterscheide, die auf Sozialhilfe angewiesen seien. Für die soziale Integration sei auch nicht entscheidend, ob der Familienunterhalt durch Sozialhilfe oder durch (möglicherweise ebenfalls nicht ausreichendes) Arbeitseinkommen erzielt werde.

Auf die Altfall-Regelung lasse sich eine Härte ebenfalls nicht stützen. Deren Vorliegen beurteile sich nach der gegenwärtigen Lage und der zu erwartenden Entwicklung des Arbeitsmarkts und den Verhältnissen des einzelnen Vermittlungsfalls, nicht aber nach aufenthaltsrechtlichen Gesichtspunkten. Die Ausdehnung des § 2 Abs 1 Nr 3 der Arbeitserlaubnis-Verordnung (AEVO) auf Ausländer, die ohne Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur wegen der Verhältnisse in ihrem Heimatland hier bleiben dürften, würde zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung gegenüber solchen Ausländern führen, die einen unmittelbaren Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis hätten. Auch die Dauer des Aufenthalts oder eine vom Kläger selbst nicht geltend gemachte soziale und wirtschaftliche Integration begründe im vorliegenden Fall keine Härte. Dagegen spreche schließlich auch, daß der Kläger schon mit der ihm ursprünglich erteilten Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit als Transportarbeiter und Reiniger Erwerbseinkommen erzielen könne.

Am 8. November 1989 hat der Kläger die mit Beschluß des Senats vom 27. September 1989 (gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) zugelassene Revision eingelegt. In der Begründung rügt er die Verletzung der Art 2 Abs 1, 3 Abs 1, 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) und der §§ 19 Abs 1 und 4 AFG sowie 2 Abs 6 der AEVO. Der mit der Weisung des Berliner Senats getroffenen ausländerrechtlichen Regelung, die dem Kläger unter Berücksichtigung der bürgerkriegsähnlichen Unruhen im Libanon aus humanitären Gründen eine auf Dauer angelegte Aufenthaltsmöglichkeit in Berlin verschaffe, müsse eine ähnlich begünstigende arbeitserlaubnisrechtliche Regelung entsprechen. Er sei demgemäß wie die in § 2 Abs 1 Nr 3 AEVO begünstigten Asylberechtigten zu behandeln. Zwar könne er noch keinen - vom 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) für einen derartigen Fall geforderten - ununterbrochenen Inlandsaufenthalt von mindestens achtjähriger Dauer vorweisen; doch sei das Maß seiner wirtschaftlichen und sozialen Integration dem vergleichbar, weil er sich in den zurückliegenden zehn Jahren schon ein erstes Mal für drei Jahre im Geltungsbereich der AEVO aufgehalten und mit Erlaubnis der Beklagten gearbeitet habe. Außerdem kämen in seinem Fall besondere familiäre Umstände zum Tragen - Kinderreichtum, Ausbildung der Kinder an deutschen Schulen, Erkrankung des jüngsten Kindes -, die von den Verhältnissen sonstiger ausländischer Arbeitnehmer abwichen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 17. Januar 1989 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 1988 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), weil dessen Feststellungen zur abschließenden Entscheidung nicht ausreichen.

Streitgegenstand ist allein die Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO. Der Kläger kann dieses Begehren allenfalls auf § 2 Abs 6 AEVO stützen, der vorsieht, daß eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, wenn die Versagung nach den besonderen Verhältnissen des Arbeitnehmers eine Härte bedeuten würde.

Bei der Auslegung des Härtebegriffs ist nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (7. Senat: BSGE 54, 14, 21; InfAuslR 1988, 181; 11. Senat: Urteil vom 26.9.1989 - 11 RAr 51/88) der (Ausnahme-) Zweck des § 2 AEVO zugrunde zu legen, der darin besteht, den grundsätzlichen arbeitsmarktpolitischen Vorrang deutscher (und ihnen gleichgestellter ausländischer) Arbeitnehmer nur aus besonderen sozialen Gründen zurücktreten zu lassen. Dementsprechend wird eine Härte nicht durch ungünstige Lebensverhältnisse begründet, von denen bereits eine Vielzahl ausländischer Arbeitnehmer betroffen ist (BSG SozR 4100 § 19 Nr 6; InfAuslR aaO), etwa die Angewiesenheit auf Sozialhilfe im Bundesgebiet oder ungünstige wirtschaftliche Bedingungen im Heimatland. Vielmehr müssen darüber hinausgehende nachteilige Umstände vorliegen, die so schwer wiegen, daß sie im Einzelfall eine unbeschränkte Arbeitsmöglichkeit des Ausländers und damit ein Abweichen vom Deutschen-Vorrang gebieten (BSGE 54, 14, 22). Abwägungsmaßstab sind dabei vor allem die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung. Als Leitbild dafür, wie schwerwiegend sich die Besonderheiten auf die Lebensumstände des Ausländers auswirken müssen, können die in § 2 Abs 1 bis 3 AEVO genannten Fälle herangezogen werden (BSGE, aaO, S 22).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der 7. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1989 (- 7 RAr 114/88 -, BSGE 65, 126 ff) das Vorliegen einer Härte iS des § 2 Abs 6 AEVO für die Fälle bejaht, in denen der Ausländer aufgrund des Erlasses des Berliner Innensenators vom 1. Oktober 1987 aufenthaltsrechtlich auf unabsehbare Zeit in Berlin verbleiben kann. Diese sogenannte "Altfall-Regelung 1987" sieht vor (dort Nr II.2), daß Ausländer aus dem Libanon, die mit mindestens einem Kind eingereist sind und sich am Stichtag 1. Oktober 1987 in Berlin-West aufhielten, ohne als asylberechtigt anerkannt zu sein, eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, die (Nr III.2) zunächst für ein Jahr, danach zweimal für zwei Jahre und schließlich unbefristet erteilt wird. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß in naher Zukunft aufgrund des Bürgerkrieges im Libanon eine Abschiebung erfolglos gebliebener Asylbewerber ohnehin nicht möglich ist (vgl § 14 Abs 1 Ausländergesetz) und Flüchtlingsfamilien aus humanitären Gründen ein rechtlich abgesichertes Bleiberecht erhalten sollten (BSGE 65, 126, 129). Mit dieser landesrechtlichen Regelung, die nach den Feststellungen des LSG auch auf den Kläger anzuwenden ist, werden abgelehnte Asylbewerber im Ergebnis aufenthaltsrechtlich anerkannten Asylberechtigten gleichgestellt. Der 7. Senat hat daraus geschlossen, daß im Hinblick auf § 2 Abs 1 Nr 3 AEVO (wonach Asylberechtigte einen Anspruch auf die besondere Arbeitserlaubnis haben) auch den infolge der Altfall-Regelung Aufenthaltsberechtigten jedenfalls dann, wenn sie durch achtjährigen Aufenthalt im Inland hier weitgehend integriert sind, eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis zustehen müsse. Innerhalb der Härteklausel wird damit anerkannt, daß Ausländer, die berechtigt und gezwungen sind, sich für einen prognostisch noch nicht zu übersehenden Zeitraum im Inland aufzuhalten, von einem bestimmten Zeitpunkt ab die Möglichkeit haben müssen, sich eine eigene Existenz zu schaffen, was auch die unbeschränkte Aufnahme einer Arbeitstätigkeit einschließt. Stünde auch diesen Ausländern nur die arbeitsmarktabhängige allgemeine Arbeitserlaubnis zu, so wären sie im Hinblick auf die ungünstige Arbeitsmarktlage auf unabsehbare Zeit auf Sozialhilfe angewiesen; der generelle Ausschluß jeder Möglichkeit, sich und seiner Familie selbstverantwortlich eine Lebensgrundlage zu schaffen, würde aber dem Schutz der Menschenwürde (Art 1 GG) widersprechen (BSG aaO, S 131).

Diese Entscheidung macht zugleich deutlich, daß der 7. Senat des BSG die Gründe, die zu der Berliner Altfall-Regelung geführt haben, für sich genommen nicht als so schwerwiegend einstuft, daß allein die Zumutung, in dieses Land zurückzukehren und dort eine Tätigkeit aufzunehmen, eine Härte iS des § 2 Abs 6 AEVO bedeuten würde. Er sieht die Voraussetzungen einer Härte - sofern nicht weitere Umstände vorliegen - erst dann als erfüllt an, wenn zugleich eine durch achtjährigen Aufenthalt gewachsene Bindung zum Inland gestört wird.

Die sich daraus ergebende Wartezeit von acht Jahren erscheint zwar sehr lang, vor allem im Hinblick darauf, daß die Berliner Altfall-Regelung mit einer Gefährdung dieser Personengruppe im Falle einer Rückkehr begründet wird und deshalb eine weitgehende Gleichstellung mit anerkannten Asylberechtigten erfolgt, für die eine Wartezeit nicht vorgesehen ist (§ 2 Abs 1 Nr 3 AEVO). Gleichwohl hält es der erkennende Senat - nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit - für angemessen, Bedenken zurückzustellen und der Entscheidung des 7. Senats zu folgen.

Der Kläger hat die achtjährige Wartefrist nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des LSG befand er sich durchgehend erst wieder seit 1984 in Berlin. Der frühere Aufenthalt zwischen 1978 und 1981 liegt zu weit zurück und kann nicht mehr berücksichtigt werden. Das BSG hat zwar 1982 entschieden (BSG SozR 4100 § 19 Nr 16 S 56 f), daß aufgrund des damaligen § 19 Abs 4 AFG (heute: § 19 Abs 1 Satz 3 AFG) ergangene Wartezeitregelungen auf wieder eingereiste Ausländer nicht anzuwenden sind. Eine Parallele zum vorliegenden Fall ist aber nicht möglich. Denn bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift (vgl auch § 19 Abs 1a AFG, § 1 Abs 2 AEVO) ergibt sich, daß sie nur Wartezeiten vor der "erstmaligen Beschäftigung" betrifft. Dem entspricht ihr Zweck, den Neuzuzug potentieller Asylbewerber dadurch einzuschränken, daß der Anreiz zur Einreise durch Versagung einer baldigen ersten Arbeitsmöglichkeit beseitigt wird (vgl Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats zum Gesetz zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitserlaubnisrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften vom 6. Januar 1987, BT-Drucks 10/3678). Die hier für die Annahme einer Härte geforderte Wartezeit hat demgegenüber den Zweck, die besondere Arbeitserlaubnis nicht zu erteilen, bevor nicht eine gewisse Integration in die hiesigen Lebens- und Arbeitsumstände eingetreten ist. Das verdeutlicht § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO, wonach die besondere Arbeitserlaubnis zu erteilen ist, wenn der ausländische Arbeitnehmer innerhalb einer Rahmenfrist von acht Jahren insgesamt fünf Jahre rechtmäßig im Inland beschäftigt war (BSG SozR 4100 § 19 Nr 16 S 60).

Aus diesem Sinn der achtjährigen Wartezeit folgt, daß die beiden Aufenthalte des Klägers in Deutschland nicht zusammengerechnet werden können. Die dazwischen liegenden Jahre von 1981 bis 1984, in denen er wieder im Libanon war, betreffen einen so langen Zeitraum, daß dadurch ein eventuell schon begonnener Integrationsprozeß unterbrochen worden ist.

Läßt sich damit ein Anspruch auf Erteilung der besonderen Arbeitserlaubnis gemäß § 2 Abs 6 AEVO nicht schon auf die Berliner Altfall-Regelung stützen, bleibt zu untersuchen, ob sich in der Zeit bis zum Ablauf der achtjährigen Wartefrist eine Härte aus anderen Umständen ergibt. Das zitierte Urteil des 7. Senats des BSG betrifft nur Fälle, in denen sonstige Umstände, die nach der bisherigen Rechtsprechung eine Härte begründen, nicht vorliegen. Es schließt deshalb nicht aus, eine Härte zu berücksichtigen, die auch ohne die Berliner Altfall-Regelung anzuerkennen gewesen wäre. Das bedeutet, daß anhand der übrigen zum Begriff der Härte vorhandenen Rechtsprechung zu prüfen ist, ob die allgemeinen Umstände im Libanon, die zu der Berliner Altfall-Regelung geführt haben, zusammen mit sonstigen persönlichen Umständen das Vorliegen einer Härte begründen. Demzufolge können auch zusätzliche Umstände, die für sich allein keine Härte begründen, hier ins Gewicht fallen.

Das BSG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung den Anspruch auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis bejaht, wenn der Arbeitnehmer mit seinem Ehepartner oder seiner Familie in der Bundesrepublik Deutschland lebt und besondere Verhältnisse oder deren wirtschaftliche und soziale Auswirkungen dazu führen, daß die Familieneinheit angemessen nur hier verwirklicht werden kann (BSG SozR 4100 § 19 Nr 6; BSGE 54, 14, 24; Urteil des 11. Senats vom 26. September 1989 - 11 RAr 51/88 -; LSG Bremen InfAuslR 1984, 174, 176 f). In diesen Fällen gebieten es das Sozialstaatsprinzip und die Wertungen der Art 1 Abs 1, 2 Abs 1 und 6 Abs 1 GG, den ausländischen Arbeitnehmer nicht auf die (unsichere) arbeitsmarktabhängige Arbeitserlaubnis nach § 1 AEVO und damit im Ergebnis zumeist für unabsehbare Zeit auf staatliche Unterstützung zu verweisen, sondern ihm durch die besondere Arbeitserlaubnis die Möglichkeit zu eröffnen, sich die für einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik notwendige Existenzgrundlage durch eigene Arbeitsleistung zu schaffen. Eine Wartezeit ist in diesen Fällen nicht zu fordern.

Im Fall des Klägers kommt zusätzlich zu den Nachteilen, die eine Rückkehr in den Libanon für die Familie bringen würde, die Annahme einer Härte wegen besonderer familiärer Verhältnisse in Betracht.

Besonders betroffen ist der Kläger unter Umständen aufgrund der im Urteil des LSG erwähnten Herzkrankheit seines jüngsten Kindes (vgl BSG SozR 4100 § 19 Nr 6 S 33 oben).

Eine Herzerkrankung kann dauernde oder intensive medizinische Behandlung und begleitende Betreuung, uU sogar Operationen im Kindesalter erfordern. Darüber hinaus können anhaltende Leistungsbeeinträchtigungen vorliegen, die gerade bei Kindern auf Dauer besondere Förderung und Betreuung notwendig machen. Desgleichen kann eine Rückkehr in den Libanon mit den dadurch hervorgerufenen Gefahren, Unsicherheiten und Belastungen ein herzkrankes Kind in besonderem Maße gefährden. Will die Familie zusammenbleiben, wäre sie vor die Alternative gestellt, entweder die Gesundheit eines Kindes zu gefährden oder auf unbestimmte Dauer im Bundesgebiet zu bleiben, wobei sie bis zum Ablauf von acht Jahren weitgehend auf Sozialhilfe angewiesen wäre. Deshalb ist bei Vorliegen einer ernsthaften Erkrankung des Kindes in diesen Fällen eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis im Inland zu erteilen, damit der Kläger sich und seiner Familie hier eine wirtschaftliche Lebensgrundlage aufbauen kann. Das gilt umso mehr, als die mit einer solchen Erkrankung eines Kindes verbundene wirtschaftliche, soziale (und psychische) Gesamtbelastung der Familie im Einzelfall ein Bedürfnis nach einer abgesicherten Arbeitsmöglichkeit begründen kann, das erheblich größer ist als bei der Mehrzahl der im Bundesgebiet lebenden Ausländer. Der erkennende Senat kann eine abschließende Entscheidung hierzu jedoch nicht treffen, da Feststellungen zu Art und Schwere der Erkrankung des Kindes sowie zum Umfang des Behandlungsbedarfs fehlen.

Das LSG wird daher zu prüfen haben, ob die Erkrankung des jüngsten Kindes des Klägers und deren Auswirkungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich in der Zeit bis zum Ablauf der Wartefrist zusammen mit den sonstigen Belastungen der Familie durch eine Rückkehr in den Libanon die Annahme einer Härte gemäß § 2 Abs 6 AEVO rechtfertigen kann. Zu klären ist, ob der Familie trotz der Erkrankung des jüngsten Kindes eine Rückkehr in den Libanon (und damit eine dortige Arbeitstätigkeit des Klägers) zuzumuten ist, oder ob sie gerade deshalb zumindest bis zum Ablauf der Wartezeit von acht Jahren in Deutschland bleiben muß. Dazu sind vor allem Feststellungen zu Art und Schwere, Behandlungsmöglichkeiten und -bedarf sowie zu nachteiligen Auswirkungen der Erkrankung im Falle der Rückkehr der Familie in den Libanon zu treffen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil in der Sache vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666930

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