Leitsatz (amtlich)
Werden nach einem Wohnsitzwechsel des Versorgungsberechtigten oder Versorgungsantragstellers die Versorgungsakten an die zuständige Versorgungsbehörde eines anderen Landes gemäß KOV-VfG § 4 abgegeben, so wird dieses Land damit in einem Rechtsstreit passiv legitimiert und tritt an die Stelle des bisher beklagten Landes.
Leitsatz (redaktionell)
SGG § 75 Abs 2 ist nicht ausdehnend dahin auszulegen, daß bei den Zuständigwerden der Versorgungsbehörden eines anderen Landes dieses Land neben dem bisher beklagten Land beizuladen ist.
Diese Rechtsansicht des 11. Senats vom 1963-01-18 steht allerdings im Widerspruch zum Urteil des 11. Senats vom 1963-01-18 11 RV 224/63. Der 11. Senat braucht vom erkennenden Senat wegen Aufgabe seiner Ansicht nicht angefragt und auch der Große Senat nicht angerufen zu werden, weil der 11. Senat nicht mehr für Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten der Kriegsopfer zuständig ist.
Nicht entgegen steht der Ansicht des erkennenden Senats das Urteil des 9. Senats vom 1965-11-24, 9 RV 116/64, in dem lediglich ausgeführt wird, daß neben einem beklagten Land ein Versicherungsträger beigeladen werden muß, wenn dieser als leistungspflichtig in Frage kommt.
Orientierungssatz
Der Wortlaut des SGG § 75 Abs 2 spricht eindeutig für die Annahme, daß in einer Angelegenheit der Kriegsopferversorgung die Beteiligung eines anderen Landes neben einem bereits beteiligten Land nicht notwendig ist.
Normenkette
KOVVfG § 4 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02; SGG § 75 Abs. 2, §§ 69-70, 71 Abs. 5, § 75 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. März 1964 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger erhielt mit Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) R vom 12. Juni 1951 wegen einer Lungentuberkulose und eines Durchschusses der linken Hand Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. Mit Bescheid vom 16. Januar 1953 gewährte das VersorgA Radolfzell die Rente nur noch nach einer MdE um 60 v. H., weil das Lungenleiden inzwischen abgeklungen war. Die dagegen eingelegte Berufung (alten Rechts) ging als Klage auf das Sozialgericht (SG) über. Am 31. Mai 1954 beantragte der Kläger beim VersorgA R die Erhöhung seiner Rente auch wegen eines Nervenleidens, das er auf Mißhandlungen in der russischen Kriegsgefangenschaft zurückführte. Nachdem er seinen Wohnsitz inzwischen nach U. verlegt hatte, gab das VersorgA Radolfzell am 17. März 1955 die Versorgungsakten an das VersorgA N ab mit der Bitte, auch über den Antrag auf Anerkennung eines Nervenleidens zu entscheiden. Mit Bescheid vom 14. Februar 1956 lehnte dann das VersorgA N eine Neufeststellung ab, weil die Übererregbarkeit des vegetativen Nervensystems nicht auf den Wehrdienst oder die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen sei. Im Laufe des Verfahrens begehrte der Kläger auch noch die Anerkennung von Kreislaufstörungen und einer Magenerkrankung als Schädigungsfolgen. Nachdem er inzwischen nach Würzburg umgezogen war, ordnete das VersorgA N am 9. August 1956 die Überweisung der Versorgungsakten an das VersorgA W an und übersandte einen Auszug mit dem Hinweis, daß die Akten sich seit 12. März 1956 beim SG Konstanz befinden.
Auf die Klage gegen die Bescheide vom 16. Januar 1953 (nur im Urteilstenor ist versehentlich der 18. Januar 1953 genannt) und 14. Februar 1956 verurteilte das SG Konstanz mit Urteil vom 15. Dezember 1958 den Beklagten, Kreislaufregulationsstörungen und chronische Gastritis als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen, wies im übrigen jedoch die Klage ab.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat dieses Urteil auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 4. März 1964 geändert und die Klage im vollen Umfang abgewiesen. Beide Urteile sind nur gegen das Land Baden-Württemberg ergangen. Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 3. Juni 1964, der am gleichen Tage beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, Revision eingelegt.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
In der Revisionsbegründung vom 3. August 1964, die innerhalb der bis zum 6. August 1964 verlängerten Begründungsfrist beim BSG eingegangen ist und auf die Bezug genommen wird, rügt der Kläger eine Verletzung des § 75 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil der Freistaat Bayern nicht beigeladen worden sei. Die Beiladung sei in diesem Falle notwendig gem. § 75 Abs. 2 SGG gewesen; eine solche sei immer dann vorzunehmen, wenn Versorgungsleistungen für einen Zeitraum streitig seien, der sich an denjenigen anschließt, für den das zunächst angegangene Land in Anspruch genommen worden ist. Neben dieses Land trete dann für die künftigen Leistungen das hierfür pflichtige Land (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Anm. 5 b zu § 75 SGG). Der Mangel dieser notwendigen Beiladung werde nicht dadurch geheilt, daß die Unterlassung der Beiladung nicht schon im Berufungsverfahren gerügt worden sei, denn auf die Befolgung der Vorschriften über die notwendige Beiladung könne nicht verzichtet werden (BSG in SozR SGG § 75 Nr. 18). Durch die Abgabe der Versorgungsakten an das VersorgA Würzburg im August 1956 sei diese Behörde zuständig geworden. Damit sei der Freistaat Bayern zwar nicht an die Stelle des bisherigen Beklagten, wohl aber neben diesen getreten (9. Senat, Beschluß vom 20. September 1961 - 9 RV 1098/59). Selbst wenn ein Fall der notwendigen Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG hier nicht vorliegen sollte, so habe das Berufungsgericht jedenfalls sein Ermessen nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG rechtswidrig gehandhabt, wenn es den Freistaat Bayern nicht beigeladen habe, weil es nicht berücksichtigt habe, daß durch seine Entscheidung berechtigte Interessen des Freistaates Bayern berührt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
In seinem Schriftsatz vom 28. September 1964, auf den Bezug genommen wird, führt er aus, das Berufungsgericht habe nur darüber zu entscheiden gehabt, ob beim Kläger zusätzlich Kreislaufregulationsstörungen im Sinne der Entstehung und chronische Gastritis im Sinne der Verschlimmerung als Schädigungsfolgen anzuerkennen sind. Die Entscheidung hierüber habe es auf Grund der von der Revision nicht angegriffenen und daher bindenden Feststellungen getroffen, so daß es auch nach Beiladung des Landes Bayern zu keiner anderen Entscheidung gekommen wäre. Außerdem sei durch das Unterlassen der Beiladung nur der Freistaat Bayern, aber nicht der Kläger beschwert, dessen Stellung im Prozeß in keiner Weise beeinträchtigt worden sei. Ferner sei nach einem Wechsel der Zuständigkeit infolge Verzugs des Anspruchsberechtigten die Beiladung des anderen Landes nicht notwendig im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG. Die erste Alternative dieser Vorschrift scheide aus, weil die Entscheidung über Versorgungsleistungen nach § 77 SGG für jeden Kostenträger der Kriegsopferversorgung (KOV) verbindlich werde; die zweite Alternative greife dagegen nur dann ein, wenn möglicher weise ein anderer Versicherungsträger oder anstelle eines Versicherungsträgers ein Land als Träger der KOV als leistungspflichtig in Betracht komme. Schließlich könne die Beiladung auch deshalb nicht notwendig nach § 75 Abs. 2 SGG sein, weil diese vorwiegend prozeßökonomische Vorschrift die Einbeziehung Dritter bezwecke, die nicht schon Beteiligte seien und gegenüber denen eine Entscheidung gegen den ursprünglichen Beteiligten ohne Beiladung nicht rechtskräftig werden könne. Da aber in der KOV die ursprünglichen wie die späteren Kostenträger nach § 77 SGG an rechtskräftige Entscheidungen gebunden sind, sei die Beiladung eines Landes, das nach dem ursprünglich beklagten Land zuständig geworden ist, auch prozeßökonomisch nicht als notwendig im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG anzusehen.
Das LSG hat die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen. Eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Die Revision wäre daher nur statthaft, wenn ein Mangel im Verfahren des LSG gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Der Kläger hat ausdrücklich nur eine Verletzung des § 75 SGG gerügt. Diese Rüge greift aber nicht durch.
Der Kläger hat das Verfahren des LSG nicht insoweit angegriffen, als das LSG Baden-Württemberg nicht nur über die Rechtmäßigkeit eines von den Versorgungsbehörden dieses Landes erlassenen Bescheides (Bescheid vom 16. Januar 1953 des VersorgA R), sondern auch über die Rechtmäßigkeit des von einer Versorgungsbehörde des Landes Bayern erlassenen Bescheides (Bescheid vom 14. Februar 1956 des VersorgA N) mitentschieden hat. Die Frage, ob das LSG wie auch schon das SG den Bescheid vom 14. Februar 1956 zutreffend gem. § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, ist also nicht weiter zu prüfen. Im Rahmen der Rüge des Klägers ist allein darüber zu befinden, ob das LSG in dem Rechtsstreit des Klägers gegen das Land Baden-Württemberg das Land Bayern hätte beiladen müssen. Eine solche Pflicht ergab sich für das LSG aber nicht.
Der § 75 Abs. 2 SGG, der abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall der notwendigen Beiladung auf Antrag gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGG die Fälle der Pflicht zur Beiladung (notwendigen Beiladung) behandelt, konnte im vorliegenden Falle im Verfahren vor dem LSG keine Anwendung finden. Nach der ersten Alternative dieser Vorschrift ist die Beiladung in einem Rechtsstreit um einen Versorgungsanspruch dann notwendig, wenn die Entscheidung nur einheitlich gegenüber dem beklagten Land und einem anderen Land - das wäre hier das Land Bayern - ergehen kann. Irgendeine Rechtsvorschrift, die bei einem Wohnsitzwechsel des Versorgungsberechtigten oder Versorgungsantragstellers von einem Land in ein anderes eine einheitliche Entscheidung gegenüber beiden Ländern erfordert, besteht aber nicht. Die andere Alternative des § 75 Abs. 2 SGG kann deshalb aber nicht Platz greifen, weil danach nur neben einem beteiligten Versicherungsträger die Beiladung eines anderen Versicherungsträgers oder die eines Landes als Träger der Versorgungslast der Kriegsopfer vorgesehen ist, nicht aber die Beiladung eines anderen Landes neben einem bereits beteiligten Land. Wenn durch das Gesetz auch die Beiladung eines anderen Landes neben einem bereits beteiligten Land hätte vorgesehen werden sollen, so wäre es ein Leichtes gewesen, den Wortlaut des § 75 Abs. 2 SGG entsprechend zu fassen. Deshalb spricht der Wortlaut des § 75 Abs. 2 SGG eindeutig für die Annahme, daß in einer Angelegenheit der KOV die Beteiligung eines anderen Landes neben einem bereits beteiligten Land nicht notwendig ist. Ob dabei der Gedanke ausschlaggebend gewesen ist, gemäß Art. 83 des Grundgesetzes (GG) sei das Land in Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Schuldner der Versorgungslast und bei solcher Rechtslage habe auch ein gegen ein Land ergangenes Urteil ohne weiteres Wirksamkeit in einem anderen Land, dessen Behörden durch einen Wohnsitzwechsel des Versorgungsberechtigten zuständig geworden sind, kann dahinstehen. Näher liegt bei dieser gesetzlichen Regelung im § 75 Abs. 2 SGG der Gedanke, daß die Beiladung eines anderen Beteiligten immer nur dann als notwendig angesehen wird, wenn dem materiellen Anspruch nach zweifelhaft ist, ob der eine oder andere Versicherungsträger, ein Versicherungsträger anstatt eines Trägers der Versorgungslast oder umgekehrt leistungspflichtig ist. Ein solcher Zweifel dem Anspruch nach kann aber grundsätzlich nicht bei der Frage entstehen, ob das eine oder andere Land leistungspflichtig ist, denn ein dem Versorgungsanspruch zugrunde liegender Sachverhalt kann jedenfalls bei unveränderter materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlage unter Anwendung der Vorschriften des BVG (oder dessen Anhangsgesetze) immer nur zu dem gleichen Erfolg oder Nichterfolg führen, gleichgültig vor welcher Versorgungsbehörde der Anspruch erhoben worden ist und gegen welches Land auch immer er gerichtlich durchgesetzt werden soll. Lediglich verfahrensrechtliche Zuständigkeitsvorschriften bestimmen nämlich die Zuständigkeit der Versorgungsbehörden und damit im Prozeß die Passivlegitimation des in Anspruch zu nehmenden Landes. Die grundlegende Vorschrift dafür ist § 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG). Im Abs. 1 dieser Vorschrift ist bestimmt, daß bei Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts die Versorgungsbehörde zuständig wird, in deren Bezirk der neue Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt liegt, sobald die Akten an diese Versorgungsbehörde abgegeben sind. Das bedeutet, daß mit der Abgabe der Akten an die neue Versorgungsbehörde des Wohnsitzes diese nicht nur die aktenmäßige Bearbeitung der Versorgungsangelegenheit durchzuführen hat, sondern daß diese auch die Leistungen - sofern solche in Frage kommen - nunmehr zu bewirken hat. Die neue Versorgungsbehörde wird also mit der Übernahme der Akten leistungspflichtig für alle Leistungen, welche in dem betreffenden Versorgungsfall zu bewirken sind, seien es laufende Leistungen oder seien es auch solche für rückliegende Zeiten. Von dieser sich zwangsläufig aus der Abgabe der Akten ergebenden Verpflichtung geht auch die Verwaltungsvorschrift Nr. 2 zu § 4 VerwVG aus, in welcher auf die notwendige Zahlungseinstellung durch die alte Behörde und die Sicherstellung der laufenden Leistungen durch die neue Versorgungsbehörde hingewiesen ist. Mit dem Zuständigwerden der neuen Versorgungsbehörde auf der Grundlage des Wohnungswechsels und der Abgabe der Akten ist zwangsläufig auch das übergeordnete Landesversorgungsamt (LVersorgA) wie auch als höchste Verwaltungsstelle für die Regelung der Versorgungsangelegenheiten die oberste Landesbehörde desjenigen Landes zuständig geworden, dem die neue zuständig gewordene Versorgungsbehörde angehört (§§ 2, 3 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12.3.51, BGBl I 169). Dieses neue Land ist mit dem Zuständigwerden seiner Versorgungsbehörden nunmehr weiterhin auch passiv legitimiert bei Klagen in Versorgungsangelegenheiten. Zwar bestimmt das SGG nicht so eindeutig die Passivlegitimation des Beklagten bei den vor den Sozialgerichten zu verfolgenden Versorgungsansprüchen wie etwa die Verwaltungsgerichtsordnung (§ 78) und das Bundesentschädigungsgesetz (§ 185) für die nach diesen Gesetzen zu verfolgenden Ansprüche. Jedoch zählt der § 70 SGG abschließend auf, wer überhaupt Beteiligter im Sinne des § 69 SGG sein kann, so daß auch nur einer der im § 70 SGG genannten Beteiligten passiv legitimiert für Klagen in Versorgungsangelegenheiten sein kann. Unter den in dieser Vorschrift genannten Beteiligten kommt als Beteiligter in Versorgungsangelegenheiten nur eine juristische Person in Frage (§ 70 Nr. 1 SGG), denn eine andere Behörde - als solche käme nach den obigen Ausführungen sowohl das VersorgA, das LVersorgA wie die oberste Landesbehörde in Frage - ist vom Landesrecht nicht als beteiligt im Sinne des § 70 Nr. 3 SGG bestimmt worden, wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine dieser Behörden überhaupt vom Landesrecht hätte als Beteiligte bestimmt werden können. Als juristische Person, die somit für Klagen in Versorgungsangelegenheiten allein passiv Legitimierte nach § 70 Nr. 1 SGG sein kann, kommt sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch jeweils das Land in Frage, dessen Versorgungsbehörden zuständig sind. Wenn nun auch das SGG nicht wortwörtlich sagt, wer von den Beiden, Bund oder Land, legitimiert ist, so ist es doch unzweideutig davon ausgegangen, daß passiv (wie auch aktiv) legitimiert das Land ist, denn nur so ist § 71 Abs. 5 SGG zu erklären, der bestimmt, daß in Angelegenheiten der KOV das Land durch das LVersorgA vertreten wird. Ob diese Regelung auf der sehr naheliegenden Überlegung beruht, daß bei der Ausführung des BVG, welches das Land als "eigene Angelegenheit" gemäß Art. 83 GG auszuführen hat, das Land als materiell-rechtlicher Schuldner auch der richtige Legitimierte bei Klagen in Versorgungsangelegenheiten ist, oder ob das SGG etwa aus anderen Erwägungen zur Klarstellung und Vermeidung möglicherweise anderer aus § 70 SGG zu ziehender Folgerungen die Bestimmung im § 75 Abs. 5 SGG getroffen hat, kann dahinstehen. Jedenfalls muß aus § 70 i. V. m. § 71 Nr. 5 SGG notwendig der Schluß gezogen werden, daß in Angelegenheiten der KOV passiv Beteiligter das Land sein soll, das durch das LVersorgA vertreten wird.
Dieses in § 71 Nr. 5 SGG erwähnte Land kann nicht irgend eines der Länder der Bundesrepublik Deutschland sein, sondern immer nur dasjenige, dem das LVersorgA unterstellt ist, welches das Land vertreten soll. Dieses LVersorgA kann aber wiederum immer nur dasjenige sein, das nach dem Aufbau der Versorgungsverwaltung und der Zuständigkeitsregelung der Versorgungsbehörden dasjenige ist, dem die jeweils zuständige Versorgungsbehörde untersteht. Das bedeutet, daß die Passivlegitimation (wie auch die Aktivlegitimation) eines Landes jeweils durch die Zuständigkeit der Versorgungsbehörden bestimmt wird. Insoweit besteht sowohl nach der Verwaltungsübung wie auch nach der Rechtsprechung kein Zweifel, daß als passiv legitimiert dasjenige Land in Anspruch zu nehmen ist, dessen Versorgungsbehörden für die Regelung von Versorgungsangelegenheiten zuständig sind.
Wenn aber die Passivlegitimation durch die Zuständigkeit der Versorgungsbehörden bestimmt wird, so muß sich zwangsnotwendig auch die Passivlegitimation des Landes dann ändern, wenn die Zuständigkeit der Versorgungsbehörden eines anderen Landes begründet wird. Das bedeutet, daß dann, wenn durch einen Wohnsitzwechsel und die Abgabe der Akten gemäß § 4 VerwVG die Zuständigkeit der Versorgungsbehörden eines anderen Landes begründet wird, damit auch die Passivlegitimation dieses Landes gegeben ist. Es tritt also ein gesetzlicher Parteienwechsel ein. Das bedeutet, daß in diesem Augenblick das neue Land an die Stelle des bisherigen in dem Prozeß als Beklagter eintritt. Diese Auffassung kommt bereits in einem Schreiben des Bundesarbeitsministeriums vom 15. April 1955 - VA 4 - 1548/55 (BVBl 1955 Nr. 59 S. 90) zum Ausdruck, in dessen Abschnitt 2 ausgeführt ist, daß ein Wohnsitzwechsel und die Aktenabgabe während eines laufenden Vorverfahrens die Zuständigkeit des der übernehmenden Versorgungsbehörde übergeordneten LVersorgA zur Entscheidung über den Widerspruch begründe und daß auch in einem Gerichtsverfahren förmlicher Beklagter das Land sei, dem die Verwaltungsbehörde angehört, dessen Entscheidung Gegenstand des Verfahrens ist. Gegenstand des Verfahrens ist aber der Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 95 SGG), so daß mit dieser Äußerung wohl eindeutig auch die Ansicht zum Ausdruck kommt, daß ein Wohnsitzwechsel und die Aktenabgabe auch die Passivlegitimation des neuen Wohnsitzlandes mit sich bringt.
Diese Auffassung muß auch aus praktischen Erwägungen gebilligt werden, denn wenn mit der Aktenabgabe die Bearbeitung der Versorgungsangelegenheit und die Erledigung sich ergebender Verpflichtungen - rückständiger wie laufender - auf die Versorgungsbehörden des anderen Landes übergegangen sind, dann ist es sowohl zweckmäßig als auch vernünftig, daß auch dieses Land die Rolle des Beklagten übernimmt, weil nunmehr in seiner Verantwortung die ihm unterstellten Behörden das Versorgungsrechtsverhältnis weiterhin zu bearbeiten und die sich daraus ergebenden Rechte wahrzunehmen und Pflichten zu erfüllen haben. Wenn somit nach dieser Rechtsansicht und Konzeption des Gesetzes mit dem Zuständigwerden der Versorgungsbehörden eines anderen Landes nunmehr auch dieses Land im Prozeß anstelle des bisherigen beklagten Landes passiv legitimiert wird, dann war es auch durchaus folgerichtig, daß das Gesetz im § 75 Abs. 2 - wie oben ausgeführt - nicht die Beiladung dieses anderen Landes neben dem früher beklagten Land vorgesehen hat. Es besteht mithin weder Anlaß noch die Möglichkeit, gegen den Wortlaut und den Sinn des § 75 Abs. 2 SGG diese Vorschrift ausdehnend dahin auszulegen, daß bei dem Zuständigwerden der Versorgungsbehörden eines anderen Landes dieses Land neben dem bisher beklagten Land beizuladen ist.
Diese Rechtsansicht des Senats steht allerdings im Widerspruch zum Urteil des 11. Senats des BSG vom 18. Januar 1963 - 11 RV 224/63 - (Breithaupt 1963 S. 547), der sich aber nicht mit dem Zuständigkeitswechsel der Versorgungsbehörden gemäß § 4 VerwVG nach einem Wohnsitzwechsel und der Abgabe der Versorgungsakten im Hinblick auf die Frage der Passivlegitimation befaßt hat, sondern seine Auffassung ausschließlich auf prozeßökonomische Erwägungen gestützt und die Beiladung des anderen Landes für notwendig befunden hat, weil seines Erachtens auf andere Weise als durch Beiladung das andere Land nicht die Möglichkeit habe, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes im Prozeß geltend zu machen. Diese Möglichkeit ist aber, wie oben ausgeführt, dem anderen Lande durch die ihm zufallende Rolle als Beklagter gegeben. Wegen dieser abweichenden Meinung brauchte der 11. Senat vom erkennenden Senat wegen Aufgabe seiner Ansicht nicht angefragt und auch der Große Senat nicht angerufen zu werden, weil der 11. Senat nicht mehr für Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten der Kriegsopfer zuständig ist.
Nicht entgegen steht der Ansicht des erkennenden Senats das Urteil des 9. Senats vom 24. November 1965 (BSG 24, 103), in dem lediglich ausgeführt wird, daß neben einem beklagten Land ein Versicherungsträger beigeladen werden muß, wenn dieser als leistungspflichtig in Frage kommt. Die Frage des Wohnsitzwechsels und der Aktenabgabe sowie etwa der in Frage kommende Wechsel der Passivlegitimation bei unveränderter materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlage ist in dieser Entscheidung überhaupt nicht angesprochen. Dem Senat ist bekannt, daß die Frage der Passivlegitimation eines Landes bei einem Zuständigkeitswechsel der Versorgungsbehörden gemäß § 4 VerwVG sehr unterschiedlich in der Praxis beantwortet worden ist; mitunter ist allein das alte Land Beklagter geblieben, mitunter ist allein das neue Land Beklagter geworden, mitunter ist neben dem alten Land das neue Land Beigeladener geworden und umgekehrt und mitunter ist auch das neue Land neben dem alten als Beklagter in Anspruch genommen worden, weil hinsichtlich der rückständigen Leistungen das alte Land, hinsichtlich der Leistungen nach dem Zuständigkeitswechsel aber das neue Land als leistungspflichtig angesehen wurde. Irgendeine beachtliche Begründung für diese Beurteilung der Frage der Passivlegitimation, mit der sich der erkennende Senat bei seiner Rechtsansicht auseinanderzusetzen hätte, ist ihm aber weder aus der Rechtsprechung noch aus der Literatur bekannt geworden. Trotz dieser möglicherweise in die bisherige Übung in manchen Fällen einschneidenden Ansicht besteht jedoch nicht die Gefahr, daß in abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren infolge Nichtbeachtung dieser Rechtsansicht den Versorgungsberechtigten oder den beklagten Ländern Nachteile entstehen können, weil grundsätzlich die gegen ein Land ergangenen Urteile auch in dem Land Wirksamkeit haben, dessen Versorgungsbehörden gemäß § 4 VerwVG zuständig geworden sind. Ob diese Wirksamkeit gegen das neue Land notfalls über § 727 der Zivilprozeßordnung (ZPO) herbeigeführt werden muß, kann hier unerörtert bleiben, da diese Frage nicht zur Entscheidung steht.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus dieser Ansicht des Senats aber, daß für das LSG jedenfalls keine Pflicht zur Beiladung des Landes Bayern neben dem beklagten Land Baden-Württemberg bestand, wenngleich auch richtiger Passivbeklagter das Land Bayern gewesen wäre. Die Rüge des Klägers, das LSG hätte gemäß § 75 Abs. 2 SGG das Land Bayern beiladen müssen, trifft somit nicht zu. Da der Kläger andere Verfahrensrügen nicht vorgebracht hat, ist seine Revision nicht statthaft; sie war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 1 und 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen