Leitsatz (amtlich)

§ 4 Abs 2 VersorgAusglHärteG ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

VersorgAusglHärteG § 4 Abs 2 Fassung: 1983-02-21; GG Art 3; GG Art 14

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 07.05.1987; Aktenzeichen L 10 J 255/86)

SG Braunschweig (Entscheidung vom 21.03.1986; Aktenzeichen S 2 J 125/85)

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, in welcher Höhe dem Kläger ab 1. Januar 1985 Altersruhegeld zu gewähren ist. Dabei geht es darum, ob dieses um die auf seine frühere Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften zu mindern ist.

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Februar 1980 Altersruhegeld. Seine Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts (AG) Wolfsburg vom 14. November 1980 geschieden. Im Wege des Versorgungsausgleichs übertrug das Familiengericht damals Rentenanwartschaften von monatlich 526,70 DM aus der Versicherung des Klägers auf ein Versicherungskonto der früheren Ehefrau. Diese bezog von der Beklagten ab 1. September 1981 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von zunächst 569,70 DM monatlich. Daraufhin wurde das Altersruhegeld des Klägers vom genannten Zeitpunkt an von 1.424,-- DM auf 854,90 DM gemindert. Am 19. Dezember 1984 verstarb die frühere Ehefrau des Klägers.

Im Januar 1985 beantragte der Kläger, ihm wieder das ungekürzte Altersruhegeld zu gewähren. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 1985 ab. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VersorgAusglHärteG) vom 21. Februar 1983 (BGBl I 105), unter denen eine ungeminderte Zahlung in Betracht komme, seien nicht erfüllt. Der nach dieser Vorschrift zu ermittelnde Grenzwert belaufe sich auf 15.786,-- DM. Die aus den übertragenen Anwartschaften in der Zeit vom 1. September 1981 bis zum 31. Dezember 1984 an die frühere Ehefrau erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 27.371,19 DM überstiegen den Grenzwert um 11.585,19 DM.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteile vom 21. März 1986 und 7. Mai 1987). Das LSG hat ausgeführt, der Kläger stelle nicht in Abrede, daß die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 VersorgAusglHärteG in seinem Fall nicht erfüllt seien. Er sehe die Vorschrift jedoch als verfassungswidrig an. Darin könne ihm nicht gefolgt werden. Die vom Gesetzgeber getroffene Härteregelung, von einer Kürzung der Rente dann abzusehen, wenn der verstorbene Berechtigte nicht mehr als zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs berechneten Rente erhalten habe, sei nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine Verletzung der Art 3, 14 des Grundgesetzes (GG). § 4 Abs 2 VersorgAusglHärteG sei wegen des Verstoßes gegen die genannten Grundrechte verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt, 1. die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 1985 aufzuheben 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 1.Januar 1985 an das Altersruhegeld ohne Kürzung um die auf seine frühere Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften -jedoch unter Anrechnung der an sie erbrachten Rentenleistungen auf die sich ergebende Erhöhung seines Altersruhegeldes- zu gewähren, 3. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art 100 GG einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm steht das begehrte höhere Altersruhegeld nicht zu.

Die Beklagte hat das Altersruhegeld des Klägers nach § 1304a Abs 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gemindert, als seiner früheren Ehefrau, der Berechtigten aus dem Versorgungsausgleich, eine Rente aus den übertragenen Anwartschaften zu gewähren war. Zutreffend hat das LSG die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 VersorgAusglHärteG für einen Rückausgleich nicht als erfüllt angesehen. Nach dieser Vorschrift wird die Versorgung des Verpflichteten, hier des Klägers, nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn dem Berechtigten aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bis zu seinem Tode nur Leistungen gewährt worden sind, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Rente nicht übersteigen. Diese so zu ermittelnden beiden Jahresbeträge sind hier überschritten worden. Das wird vom Kläger nicht bestritten.

§ 4 Abs 2 VersorgAusglHärteG ist - entgegen der mit der Revision vorgetragenen Ansicht - nicht verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt der erkennende Senat im Anschluß an die Entscheidung des 5a Senats vom 14. Januar 1986 (SozR 5795 § 5 Nr 1) zur Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 1 VersorgAusglHärtG. Danach ist davon auszugehen, daß das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) es in seinem Urteil vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) für geboten erachtet hat, die Bestimmungen betreffend die Übertragung und Begründung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Regelungen zu ergänzen, die es ermöglichen, nachträglich eintretenden, grundrechtswidrigen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu begegnen. Einen solchen Regelungsbedarf hat das BVerfG ua für den Fall gesehen, daß wegen der Kürze der Rentenleistungen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten im Verhältnis zur Höhe der übertragenen Werteinheiten und unter Würdigung der Lage des überlebenden Ausgleichsverpflichteten der Versorgungsausgleich verfassungswidrige Auswirkungen haben könne. Mit der Vorschrift des § 4 Abs 2 VersorgAusglHärtG hat der Gesetzgeber diesem Fall Rechnung getragen. Die vom BVerfG (aaO S 303) erwähnte "Kürze der Rentenleistungen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten" hat der Gesetzgeber dahingehend definiert, Grenzwert hierfür seien zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs berechneten Rente. Seinen ihm dabei zustehenden Ermessensspielraum hat der Gesetzgeber - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht überschritten. Das BVerfG hat im Grundsatz die Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs bestätigt und nur eine ergänzende Regelung für erforderlich gehalten (aaO S 300 ff). Sobald die Rentenanwartschaften rechtswirksam übertragen worden sind, sind sie für den Verpflichteten im Versorgungsausgleich im Prinzip "verloren". Durchbricht der Gesetzgeber dieses Prinzip für den oben umschriebenen Zeitraum, der zwei Jahresrenten entspricht, um Härten zu beseitigen, so ist das nicht zu beanstanden. Insbesondere sind keine Gründe vorhanden, die zu einer Verlängerung dieses Zeitraumes zwingen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663629

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