Entscheidungsstichwort (Thema)

Kriegsopferversorgung. Internierung eines Volksdeutschen in Russland vor Kriegsbeginn. Todeszeitpunkt. Tatsachenfeststellung bei Beweisnotstand

 

Orientierungssatz

1. Auch wenn ein Festhalten nicht von vornherein im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg gestanden hat, so kann es sich doch mit dem Ausbruch des Krieges in eine Internierung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (juris: BVG) umgewandelt haben, wenn nunmehr der Krieg - sei es allein oder überwiegend - Ursache des weiteren Festhaltens war (vgl BSG vom 4.2.1959 - 10 RV 918/57 = BVBl 1959, 92).

2. Ein echter unverschuldeter Beweisnotstand (hier im Hinblick auf den Zeitpunkt des Todes des verschollenen Angehörigen vor oder nach Kriegsbeginn) berechtigt das Tatsachengericht dazu, in größerem Umfange als in anderen Fällen schon dann Tatsachen festzustellen, wenn sie nicht in Widerspruch mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen des täglichen Lebens - im vorliegenden Falle mit den Erkenntnissen über die allgemeine Lage der Volksdeutschen in Russland vor und während des Krieges - stehen.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 3, § 38 Abs. 1, § 52 Abs. 1; SGG §§ 128, 163

 

Verfahrensgang

LSG Bremen (Urteil vom 19.02.1957)

SG Bremen (Urteil vom 02.09.1955)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 19. Februar 1957 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin und ihr Ehemann E B lebten vor dem zweiten Weltkrieg als deutschstämmige russische Staatsangehörige in S in der Ukraine. Im Jahre 1938 wurde der Ehemann, der in einer chemischen Fabrik arbeitete, wegen seiner deutschen Volkszugehörigkeit verhaftet, nach drei Monaten aus S fortgebracht und nach Sibirien verschleppt. Seit 1940 hörte die Klägerin nichts mehr von ihm.

Im September 1951 beantragte die Klägerin, die inzwischen von S über die Tschechoslowakei und E/Thüringen (sowjetisch besetzte Zone) in die Bundesrepublik gekommen war, Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das Versorgungsamt (VersorgA.) B lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Juni 1952 mit der Begründung ab, daß die 1938 eingetretene Verschollenheit des Ehemannes keine Kriegs- oder Nachkriegsfolge - eines der beiden Weltkriege - sei. Während des beim Oberversicherungsamt (OVA.) B anhängigen Berufungsverfahrens regte dieses beim Landesversorgungsamt (LVersorgA.) an, zu prüfen, ob der Klägerin nicht unter Anwendung des § 6 BVG geholfen werden könne. Das LVersorgA. lehnte die Anwendung des § 6 BVG zugunsten der Klägerin ab; daraufhin nahm die Klägerin ihre Berufung gegen den Bescheid vom 27. Juni 1952 zurück.

Am 15. Januar 1954 beantragte die Klägerin eine erneute Entscheidung über ihren Antrag auf Gewährung von Witwenrente und machte geltend, sie habe erst nach Rücknahme ihrer beim OVA. eingelegten Berufung in Erfahrung gebracht, daß das LVersorgA. Niedersachsen bei Internierungen im Ausland wegen deutscher Volkszugehörigkeit einen Versorgungsanspruch gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG bejahe; dies müsse auch in Bremen und für sie gelten. Diesen Antrag lehnte das VersorgA. - unter Verzicht auf die Rechtskraft des Bescheids vom 27. Juni 1952 - durch rechtsmittelfähigen Bescheid vom 4. März 1954 mit der schon früher gegebenen Begründung ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1954).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG.) Bremen mit Urteil vom 2. September 1955 den Bescheid des VersorgA. vom 4. März 1954 und den Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1954 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "der Klägerin einen Bescheid unter Zugrundelegung dessen zu erteilen, daß der Ehemann der Klägerin infolge einer dem § 1 Abs. 1 BVG gleichstehenden Schädigung verschollen ist"; es liege eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG vor. Auf Grund dieses Urteils hat das VersorgA. der Klägerin mit Bescheid vom 7. November 1955 vom 2. September 1955 an, dem Tage der Verkündung des sozialgerichtlichen Urteils, Witwenrente bewilligt.

Das Landessozialgericht (LSG.) Bremen hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. mit Urteil vom 19. Februar 1957 zurückgewiesen, nachdem auf Antrag der Beklagten gemäß § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Bundesrepublik Deutschland beigeladen worden war. Es hat ausgeführt: Die Verhaftung und Verschleppung des Ehemannes der Klägerin im Jahre 1938 könne noch nicht als Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG angesehen werden; ebensowenig sei die im Jahre 1938 in der Ukraine einsetzende Verhaftungswelle eine Vorbereitungs- und Sicherheitsmaßnahme der sowjetischen Behörden für den zweiten Weltkrieg gewesen. Dagegen habe sich die Lage der schon vor dem Kriege verhafteten und verschleppten Volksdeutschen durch den Ausbruch des Krieges im Juni 1941 insoweit verändert, als eine plötzliche und höchste Gefahr für das Leben eingetreten sei, die bis dahin nicht bestanden habe. Aus der Verhaftung und Verschleppung des Ehemannes der Klägerin im Jahre 1938 sei - durch das weitere Festhalten nach Kriegsausbruch - eine Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG geworden, da keine Anhaltspunkte gegeben seien, daß er infolge der Inhaftierung im Jahre 1938 den Ausbruch des Krieges nicht erlebt habe; ebensowenig sei bei seinem damaligen Lebensalter anzunehmen, daß er als russischer Staatsangehöriger noch zum Kriegsdienst herangezogen worden sei. Daß die Klägerin bereits seit 1940 im Ungewissen über das Schicksal ihres Ehemannes sei, dürfe ihr bei der Geltendmachung ihres Versorgungsanspruchs nicht zum Nachteil gereichen.

Das LSG. hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses am 29. April 1957 zugestellte Urteil richtet sich die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14. Mai 1957, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG.) am 16. Mai 1957, eingelegte Revision. Die Beklagte rügt mit ihr - ohne ausdrückliche Bezeichnung der als verletzt angesehenen Rechtsnorm - die Verletzung des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG. Die vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges in Rußland vorgenommenen Verhaftungen von Volksdeutschen seien als rein politische Maßnahmen anzusehen; daran habe entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Kriegsausbruch nichts geändert, auch wenn die Festhaltung über diesen hinaus angedauert habe. Im übrigen sei ungewiss, ob der Ehemann der Klägerin den Ausbruch des Krieges überhaupt erlebt habe, denn die Klägerin habe schon seit dem Jahre 1940 nichts mehr von ihm gehört; besondere Umstände aber, auf die das Aufhören der Nachrichten zurückgeführt werden könnte, seien nicht ersichtlich. Endlich könne im vorliegenden Falle auch nicht der Grundsatz der Wahrscheinlichkeitsfeststellung nach § 1 Abs. 3 BVG gelten, vielmehr müsse stets die Art des militärischen Dienstes oder der unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne der §§ 1 ff. BVG mit Sicherheit festgestellt werden; § 1 Abs. 3 BVG könne nur Anwendung finden, wenn es sich um den Ursachenzusammenhang zwischen einer Gesundheitsstörung oder dem Tode und einer Schädigung im Sinne des BVG handele.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die Klage gegen den Bescheid des Versorgungsamts B vom 4. März 1954 und den Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts B vom 21. Juli 1954 als unbegründet abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 19. Februar 1957 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 19. Februar 1957 als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf die Schriftsätze der Beklagten vom 14. Mai, 8. Juni und 22. Juli 1957 sowie auf die der Klägerin vom 10. Juli und 6. August 1957 wird verwiesen.

Nach § 124 Abs. 2 SGG haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Revisionsgerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG); sie ist daher zulässig.

Die Revision ist aber nicht begründet.

Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs ist § 38 Abs. 1 BVG i. V. mit § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG. Nach diesen Vorschriften steht der Klägerin Witwenversorgung zu, wenn der frühere Ehemann an den Folgen einer Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit gestorben oder, weil sein Ableben mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, im Sinne des § 52 Abs. 1 BVG verschollen ist.

Das LSG. hat zu Recht entschieden, daß der Ehemann der Klägerin den Folgen einer Internierung im Ausland wegen deutscher Volkszugehörigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG mit hoher Wahrscheinlichkeit (§ 52 BVG) erlegen ist.

Dabei brauchte es vorher nicht zu prüfen, ob etwa das Verfahren des SG. deshalb an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens leidet, weil das SG. statt des von der Klägerin begehrten Leistungsurteils lediglich ein Verpflichtungsurteil erlassen hat, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, "der Klägerin einen Bescheid unter Zugrundelegung dessen zu erteilen, daß der Ehemann der Klägerin infolge einer dem § 1 Abs. 1 BVG gleichstehenden Schädigung verschollen ist". Denn Rechtsmittelkläger vor dem Berufungsgericht war die Beklagte, die insoweit, als statt eines Leistungsurteils ein Verpflichtungsurteil ergangen ist, nicht beschwert war. Die Klägerin aber als die dadurch Beschwerte hat gegen das Urteil des SG. ein Rechtsmittel nicht eingelegt.

Mit der Auslegung des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG hat sich der 10. Senat des BSG. in seinem Urteil vom 4. Februar 1959 (10 RV 918/57; vgl. auch die Urteile des erkennenden Senats vom 9.6.1959 - 8 RV 853/57 und 8 RV 1265/57 - und vom 29.10.1959 - 8 RV 1249/57) eingehend beschäftigt. Er hat entschieden, daß der Begriff der Internierung im BVG sich nicht voll mit dem gleichlautenden Begriff des Völkerrechts deckt, insbesondere nicht voraussetzt, daß der Internierte - wie man zunächst aus dem Wortlaut "Internierung im Ausland" schließen könnte - eine andere Staatsangehörigkeit hat als die der internierenden Macht. Deshalb könne es sich auch dann um eine Internierung im Sinne des BVG handeln, wenn das Festhalten eine innerpolitische Maßnahme sei; beide Begriffe seien keine Gegensätze. Eine Internierung im Sinne des BVG liege ferner nur dann vor, wenn das Festhalten im Zusammenhang mit einem Kriege oder kriegerischen Ereignissen stehe. Dieser Zusammenhang brauche jedoch nicht schon bei der Festnahme vorhanden zu sein; er könne vielmehr auch später dadurch hergestellt werden, daß der inzwischen ausgebrochene Krieg nunmehr allein oder vorwiegend Ursache des weiteren Festhaltens sei. Dabei sei allerdings regelmäßig zu fordern, daß die Änderung des Grundes aus irgendwelchen äußeren Umständen hervorgehe.

Diese Rechtsauffassung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat (a. a. O.), zugrunde gelegt, liegen die Voraussetzungen vor, unter denen der Klägerin nach den §§ 52 Abs. 1, 38 Abs. 1, 1 Abs. 1 i. V. mit Abs. 2 Buchst. c BVG Witwenversorgung zu gewähren ist. Das LSG. hat zunächst zutreffend ausgeführt, daß eine Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG nur dann angenommen werden kann, wenn das Festhalten im Zusammenhang mit einem Kriege steht, und daß deshalb die im Jahre 1938 erfolgte Verhaftung und Verschleppung des Ehemannes der Klägerin - als innerpolitische Maßnahme der Sowjetbehörden - noch keine Internierung mit daraus sich ergebenden Versorgungsansprüchen darstellt. Zwar hat der 10. Senat des BSG. im o. a. Urteil ausgeführt, eine Internierung könne auch schon dann mit einem Kriege zusammenhängen, wenn die Festnahme zwar vor Ausbruch des Krieges, aber während oder wegen einer drohenden Kriegsgefahr erfolgt sei. Der erkennende Senat brauchte zu dieser Rechtsauffassung jedoch nicht Stellung zu nehmen; denn der Ehemann der Klägerin wurde bereits zu einem Zeitpunkt (1938) festgenommen, in dem von einer drohenden Kriegsgefahr im Sinne der Ausführungen des 10. Senats noch nicht gesprochen werden kann.

Aber auch wenn das Festhalten nicht von vornherein im Zusammenhang mit dem Kriege gestanden hat und somit zunächst nicht als eine Internierung im Sinne des BVG angesehen werden kann, so kann es sich doch mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges in eine solche Internierung umgewandelt haben, wenn nunmehr der Krieg - sei es allein oder vorwiegend - Ursache des weiteren Festhaltens war. Der erkennende Senat stimmt insoweit dem 10. Senat zu, der in seinem o. a. Urteil hierzu ausgeführt hat, es müsse, um eine solche Umwandlung annehmen zu können, allerdings regelmäßig gefordert werden, daß die Änderung des Grundes aus irgendwelchen äußeren Umständen hervorgehe. Diese aus äußeren Umständen erkennbare Änderung des Grundes für das weitere Festhalten hat das LSG. in rechtlich nicht zu beanstandender Weise der im Urteil des Bayerischen LSG. vom 16. Februar 1955 (Breith. 1955 S. 757) wiedergegebenen gutachtlichen Äußerung des Osteuropa-Instituts in M entnommen und dazu ausgeführt, nach diesem Gutachten bestünden nach authentischen Berichten "keine Zweifel darüber, daß die in früheren Jahren verhafteten und verschleppten Volksdeutschen mit dem Kriegsausbruch 1941 in plötzliche und höchste Gefahr für ihr Leben gerieten, die bis dahin für sie nicht bestanden hatte." Soweit sich deshalb die Revision gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts wendet, durch den Ausbruch des Krieges im Juni 1941 habe sich die causa der Internierung und Festhaltung der schon vorher verhafteten Volksdeutschen grundlegend geändert, konnte sie somit keinen Erfolg haben.

Das weitere Revisionsvorbringen, niemand könne sagen, ob der Ehemann der Klägerin den Kriegsausbruch im Juni 1941 überhaupt erlebt habe, das Ausbleiben von Nachrichten schon im Jahre 1940 spreche sogar dagegen, im übrigen habe das LSG. zu Unrecht die Vorschrift des § 1 Abs. 3 BVG auf den Ursachenzusammenhang zwischen einer Schädigung und einem der in den §§ 1 ff. BVG aufgeführten Tatbestände angewandt, richtet sich, obwohl eine Verfahrensnorm nicht ausdrücklich als verletzt bezeichnet wird, erkennbar gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 SGG). Es enthält die Rüge, daß das LSG. bei den von ihm getroffenen Feststellungen, das Ableben des verschollenen Ehemannes der Klägerin sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, darüber hinaus sei die Verschollenheit auf das seit Kriegsausbruch gegenüber früher veränderte Festhalten zurückzuführen, das Recht der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten habe. Diese Rüge geht jedoch fehl. Eine Überschreitung des dem Gericht zustehenden Rechts der freien Beweiswürdigung, d. h. des Rechts, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 128 SGG), läge nur dann vor, wenn die Beweiswürdigung im Widerspruch mit den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens oder mit Denkgesetzen stünde. Das ist aber nicht der Fall. Soweit die Feststellung des Berufungsgerichts in Frage steht, der frühere Ehemann der Klägerin sei wegen seiner deutschen Volkszugehörigkeit verhaftet worden, habe den Ausbruch des Krieges noch erlebt und sei später den infolge des Krieges schlechter gewordenen Verhältnissen der Internierung zum Opfer gefallen, stellt dies zwar nur eine Denkmöglichkeit neben anderen dar. Das Gericht war aber nicht gehindert, bei mehreren denkbaren Geschehensabläufen einen davon als tatsächlich geschehen anzunehmen, es sei denn, es ließe sich mit der Lebenserfahrung nicht mehr in Einklang bringen. Davon aber kann angesichts der aus o. a. Gutachten des Osteuropa-Instituts zu entnehmenden allgemeinen Verhältnisse keine Rede sein. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die Grundlage, auf der das Berufungsgericht sich seine Überzeugung gebildet hat, nicht sehr breit ist. Hierbei darf aber ebenfalls nicht verkannt werden, daß sich die Klägerin in einem echten, unverschuldeten Beweisnotstand befand. Dieser Beweisnotstand darf bei der Bemessung des Maßstabs, der für die Überzeugungsbildung des Gerichts anzulegen ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Er berechtigt dazu, in größerem Umfange als in anderen Fällen schon dann Tatsachen festzustellen, wenn sie wie vorliegend nicht in Widerspruch mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen des täglichen Lebens - im vorliegenden Falle mit den Erkenntnissen über die allgemeine Lage der Volksdeutschen in Rußland vor und während des Krieges - stehen.

Da auch die in bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vorgebrachten Revisionsgründe somit nicht durchgreifen, ist das Revisionsgericht an diese tatsächlichen Feststellungen, die das LSG. seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, und die wie dargelegt die Voraussetzungen der §§ 52 Abs. 1, 38 Abs. 1, 1 Abs. 1 BVG erfüllen, gebunden (§ 163 SGG). Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3409726

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