Leitsatz (amtlich)
Bei einem Antragsteller, der einen abhängigen und einen selbständigen Beruf nebeneinander ausübt und die Förderung der beruflichen Bildung allein in dem selbständigen Beruf begehrt, wird die Voraussetzung des § 36 Nr 1 AFG nicht dadurch erfüllt, daß der Antragsteller die von der Weiterbildung unberührt bleibende abhängige Beschäftigung fortsetzen, in dem anderen Beruf aber selbständig bleiben will.
Normenkette
AFG § 36 Nr 1 Fassung: 1975-12-18; AFuU § 7 Abs 1 S 2 Fassung: 1979-10-03
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 28.11.1984; Aktenzeichen L 6 Ar 830/83) |
SG Gießen (Entscheidung vom 09.06.1983; Aktenzeichen S 5 Ar 198/80) |
Tatbestand
Im Prozeß geht es um die Frage, ob die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung auch dann zu gewähren hat, wenn der Antragsteller nebeneinander zwei berufliche Tätigkeiten, eine abhängige und eine selbständige, ausübt und an einem Fernlehrgang auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeit teilnehmen will.
Der im Jahr 1950 geborene Kläger erlernte den Beruf des Physiklaboranten, legte im Jahr 1970 die Gehilfenprüfung ab und ist seitdem in diesem Beruf tätig, seit 1972 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Universität Gießen. Daneben ist er Vertrauensmann einer Privatversicherungsgruppe und unterhält hierfür ein Büro in Gießen.
Im Juni 1980 beantragte der Kläger bei dem Arbeitsamt Gießen die Förderung seiner Teilnahme an einem zweijährigen Fernlehrgang zum Versicherungsfachwirt. Das lehnte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 14. Juli 1980 ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Mit der Klage zum Sozialgericht (SG) Gießen hat der Kläger beantragt, den Bescheid aufzuheben und die beklagte BA zu verurteilen, seine Teilnahme an der beruflichen Bildungsmaßnahme zum Versicherungsfachwirt zu fördern. Das SG hat mit Urteil vom 9. Juni 1983 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die beantragte Maßnahme sei keine Fortbildung, sondern eine U m s c h u l u n g . Versicherungsfachwirt sei kein Mangelberuf. Der Kläger habe an der Universität Gießen eine arbeitsrechtliche Stellung erreicht, die ihn praktisch unkündbar mache. Die Förderung sei auch nicht etwa deshalb geboten, weil er dann über zwei Berufe verfüge und auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähiger sei.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 41 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und trägt vor: Die begehrte Maßnahme sei eine Fortbildung. Diese könne nicht nur für den Hauptberuf gefördert werden. Wenn er beruflich aufsteigen wolle, könne er das nur in seinem Zweitberuf, weil eine Fortbildung in seinem Erstberuf - zum Physikalisch-Technischen Assistenten - den Besuch einer zweijährigen Ganztagsschule erfordere, was nicht zumutbar sei.
Er beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Teilnahme an der erforderlichen Bildungsmaßnahme zum Versicherungsfachwirt zu fördern.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht will der Kläger mit dem Fernlehrgang nur seine selbständige Nebentätigkeit als solche ausbauen und absichern; damit fehle aber die Arbeitsmarktbezogenheit.
Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dieser hat keinen Anspruch auf die Förderung des Fernlehrganges.
Die Teilnahme des Klägers an diesem Fernlehrgang könnte, wie die Revision meint, eine berufliche Fortbildung (§§ 41 bis 46 AFG) oder - das ist die Auffassung des LSG - eine berufliche Umschulung (§§ 47 bis 49 AFG) darstellen. Der Senat kann offen lassen, um welche Form der beruflichen Bildung es sich handelt, denn in keinem der beiden Fälle hat der Kläger einen Anspruch auf Förderung, da die für beide Maßnahmearten geltende Voraussetzung des § 36 Nr 1 AFG nicht erfüllt ist.
Nach § 36 Nr 1 AFG idF des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG vom 18. Dezember 1975, BGBl I 3113, dürfen Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung nur gewährt werden, wenn der Antragsteller beabsichtigt, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung im Geltungsbereich des Gesetzes aufzunehmen oder fortzusetzen. Die späteren Änderungen des § 36 haben diese Anspruchsvoraussetzung unberührt gelassen. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung nicht, obwohl er seinen bisherigen Hauptberuf in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung fortsetzen will. Die Vorschrift ist auf den Regelfall der Ausübung nur eines Berufes zugeschnitten und verlangt, daß dieser in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden soll. Die Ausübung mehrerer Berufe nebeneinander ist zumindest nicht ausdrücklich geregelt. Insoweit erfordern Sinn und Zweck der Regelung zwar nicht, daß die gesamte Berufstätigkeit in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung erfolgen soll; eine neben einer beabsichtigten abhängigen Beschäftigung fortgeführte selbständige Tätigkeit schadet jedenfalls dann nicht, wenn die Weiterbildung allein der abhängigen Beschäftigung dienlich ist. Ob eine selbständige Tätigkeit auch dann unschädlich ist, wenn die Bildungsmaßnahme auch oder sogar überwiegend die selbständige Tätigkeit fördert, bedarf hier keiner Entscheidung. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Senat davon auszugehen, daß die Bildungsmaßnahme allein der Tätigkeit auf dem Gebiete der Privatversicherung förderlich ist. In einem solchen Falle kann es nicht ausreichen, daß die von der Weiterbildung unberührt bleibende abhängige Beschäftigung fortgesetzt werden soll. In diesem Sinne ist auch § 7 Abs 1 Satz 2 der Anordnung Fortbildung und Umschulung (AFuU) idF vom 3. Oktober 1979 (ANBA 1541) auszulegen, der verlangt, daß sich der Versicherte in glaubhafter Weise schriftlich verpflichtet hat, innerhalb von vier Jahren nach Abschluß der Maßnahme mindestens drei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung auszuüben. Das LSG, dessen Tatsachenfeststellungen von der Revision nicht beanstandet werden, hat eine Absicht des Klägers, als Versicherungsfachwirt abhängig beschäftigt zu sein, nicht festgestellt; auch eine Verpflichtung des Klägers iS von § 7 Abs 1 AFuU, der durch die Ermächtigung in § 39 AFG gedeckt ist (BSG SozR 4460 § 7 Nr 6 mwN), zu einer abhängigen Beschäftigung in diesem Beruf liegt nicht vor.
Das Klagevorbringen zur arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit erlaubt keine andere Entscheidung. Diese sieht der Kläger zum einen darin, daß er nur in seinem Zweitberuf beruflich aufsteigen könne, weil eine Fortbildung im ersten Beruf, die den Besuch einer zweijährigen Ganztagsschule erfordere, aus familiären Gründen nicht zweckmäßig sei, zum anderen in der Befürchtung, er werde in seinem Beruf als Physiklaborant abgewertet werden. § 36 AFG fordert die Absicht einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung neben der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit. Die Weiterbildung für eine nichtversicherungspflichtige Beschäftigung als Beamter oder eine selbständige Tätigkeit kann danach auch dann nicht gefördert werden, wenn der Versicherte arbeitslos ist oder Arbeitslosigkeit droht.
Auch auf Art 12 Grundgesetz (GG) kann der Kläger sein Begehren nicht stützen. Das Recht auf freie Berufswahl wird nicht dadurch berührt, daß die Förderung der Ausbildung in dem freigewählten Beruf die Absicht des Antragstellers voraussetzt, in diesem Beruf eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung aufzunehmen oder fortzusetzen.
Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1662731 |
BSGE, 106 |